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6.5 Riemann-Summen

Riemann gab 1854 eine formale Definition des Integrals mit Hilfe sogenannter Riemann-Summen und eines „Grenzübergangs“, dessen Definition Ähnlichkeiten zu den Definitionen des Grenzwertes einer Folge und des Grenzwertes einer Funktion aufweist. Wie in Kapitel 4 sei im Folgenden f eine reellwertige Funktion auf einem kompakten Intervall [a,b] mit a < b.

Definition 6.46 (Riemann-Summen).

Für eine Zerlegung = {a = x0 < x1 < < xn = b} von [a, b] definieren wir die Maschenweite der Zerlegung als | | = max k=1, ,n (xk xk1). Weiters bezeichnen wir z = (z1, ,zn) [a,b]n als eine erlaubte Wahl von Zwischenpunkten der Zerlegung , falls zk [xk1,xk] für k {1, , n }. Für eine reellwertige Funktion f auf [a, b], eine Zerlegung  von [a, b] und eine erlaubte Wahl von Zwischenpunkten z definieren wir die Riemann-Summe durch

R(f,,z) = k=1nf(z k)(xk xk1).

Das heisst, wir betrachten beliebige Punkte zk [xk1 , xk], die Funktionswerte f(zk) an diesen Punkten und hoffen, dass diese halbwegs repräsentativ für die Funktionswerte von f|[xk1 ,xk ] sind. Diese Hoffnung mag zwar nicht in allen Teilintervallen immer zutreffen, trotzdem ist die Riemann-Summe eine Approximation des Riemann-Integrals in folgendem Sinne.

Satz 6.47 (Riemann-Integral über Riemann-Summen).

Sei f eine Riemann-integrierbare reellwertige Funktion auf [a,b]. Dann ist abf (x)d x der Grenzwert der Riemann-Summen R(f,,z), wenn die Maschenweite || der Zerlegung gegen Null geht. Formal geschrieben gilt also

𝜀 > 0, δ > 0 z : || < δ |R(f,,z) abf(x)d x| < 𝜀,

wobei über die Zerlegungen von [a,b] läuft und z über die erlaubten Wahlen von Zwischenpunkten der Zerlegung  (wie in Definition 6.46) läuft.

Bemerkung.

Die Konvergenz der Riemann-Summen wie in obigem Satz ist sogar eine Charakterisierung der Riemann-Integrierbarkeit – siehe Übung 6.49. Es gibt auch noch weitere, äquivalente Bedingungen, aber wir begnügen uns mit der Aussage in Satz 6.47.

Beweis von Satz 6.47.

Wir beweisen den Satz zuerst unter der zusätzlichen Annahme, dass f stetig ist. Dank dem Sandwich-Kriterium für Riemann-Integrierbarkeit aus Proposition 4.44 wird sich dies als ausreichend herausstellen.

Sei also f : [a,b] stetig und 𝜀 > 0. Nach Satz 3.77 ist f gleichmässig stetig, womit δ > 0 existiert mit |f(x) f(y)| < 𝜀 für alle x, y [a,b] welche |x y| < δ erfüllen. Sei = {a = x0 < x1 < < xn = b} eine Zerlegung mit Maschenweite || < δ und z = (z1 , ,zn) [a,b]n eine erlaubte Wahl von Zwischenpunkten. Dann gilt für alle k {1, , n} wegen der Dreiecksungleichung für das Riemann-Integral in Satz 4.24

|xk1xk f (x)d x f (zk) (xk xk1)| = |xk1xk f (x) f (zk) d x| xk1xk |f (x) f (zk)| d x < 𝜀 (xk xk1) .

In der Tat is zk (xk1,xk), |xk xk1 | < δ wegen || < δ und somit |f(x) f(zk)| < 𝜀 für alle x (xk1,xk). Insbesondere ist

|abf (x)d x R (f,,z)| k=1n |xk1xk f (x)d x f (zk) (xk xk1)| < k=1n𝜀 (x k xk1) = 𝜀 (b a).

Da 𝜀 > 0, die Zerlegung mit || < δ sowie die erlaubten Zwischenpunkte z beliebig waren, beweist dies die Proposition für alle stetigen Funktionen f.

Sei nun f eine beliebige Riemann-integrierbare Funktion und sei 𝜀 > 0. Nach Proposition 4.44 existieren f,f+ C([a.b]) mit f f f+ und ab(f+ f)d x < 𝜀 2. Nach der oben schon bewiesenen Aussage sei δ > 0 mit der Eigenschaft, dass für alle Zerlegungen mit || < δ und für alle erlaubten Zwischenpunkte z

|R (f+,,z) abf + (x)d x| < 𝜀 2

und genauso für f. Nun gilt

R (f,,z) R (f+,,z) <abf + (x)d x + 𝜀 2 <abf (x)d x + 𝜀

und unter Verwendung von f auf ähnliche Weise R (f,,z) > abf (x)d x 𝜀. Damit ist der Satz bewiesen.   

Applet 6.48 (Riemann-Summen für die Parabel).

Wir sehen Riemann-Summen für die Parabel aus Abschnitt 1.1, wobei die Zwischenpunkte zufällig gewählt werden.

Übung 6.49 (Charakterisierung).

Seien a < b reellen Zahlen und f : [a,b] . Zeigen Sie die Umkehrung zu Satz 6.47, also dass die Konvergenz der Riemann-Summen für f zu einer Zahl I (wie in Satz 6.47) die Riemann-Integrierbarkeit von f und die Gleichung abf (x)d x = I impliziert.

Hinweis.

Wählen Sie für ein 𝜀 > 0 ein δ > 0 wie in der Konvergenz der Riemann-Summen. Sei eine Zerlegung mit Maschenweite || < δ. Betrachten Sie nun das Infimum und das Supremum aller Riemannsummen zu erlaubten Wahlen von Zwischenpunkten der Zerlegung , und verknüpfen Sie dies mit einer Untersumme und einer Obersumme.

Übung 6.50 (Riemann-Integrierbarkeit stetiger Funktion).

Nach Übung 6.49 hätten wir die Konvergenz der Riemann-Summen als Definition für Riemann-integrierbare Funktionen verwenden können. Zeigen Sie, dass stetige Funktionen Riemann-integrierbar sind in diesem Sinne (ohne Satz 4.42 zu verwenden).

Hinweis: Betrachten Sie hierzu zuerst eine Folge von Zerlegungen (n)n mit der Eigenschaft, dass n+1 feiner ist als n für alle n . Da uns der Grenzwert einer Folge von Riemann-Summen a priori nicht bekannt ist, kann man eher zeigen, dass die Folge eine Cauchy-Folge ist.

6.5.1 Vektorwertige Integrale

Unsere ursprüngliche Definition des Riemann-Integrals in Kapitel 4 verwendete die Ungleichung in in zentraler Weise und kann deswegen nicht auf diese Weise für vektorwertige Funktionen verallgemeinert werden. Riemann-Summen lassen sich hingegen leicht verallgemeinern. Für f : [a, b] d, = {a = x0 < x1 < < xn = b} eine Zerlegung von [a, b] und z [a, b]n eine zulässige Wahl von Zwischenpunkten gemäss Definition 6.46 setzen wir wie zuvor

R(f,,z) = k=1nf(z k)(xk xk1).

Des Weiteren sagen wir, dass f : [a,b] d Riemann-integrierbar ist, falls

f (x) = (f1(x), ,fd(x))t

für alle x [a,b], und die Komponentenfunktionen fj : [a,b] für j = 1, ,d Riemann-integrierbar sind (man vergleiche dies zu Proposition 5.44). Das Riemann-Integral wird dann komponentenweise definiert durch

abf (x)d x = (abf 1 (x)d x,,abf d (x)d x)t.

Satz 6.47 gilt nun analog für Riemann-integrierbare Funktionen von [a, b] nach d . In der Tat gilt abf (x)d x R (f,,z) < 𝜀 genau dann, wenn für alle j {1, ,d} die Ungleichung | abfj (x)d x R (fj,,z)| < 𝜀 erfüllt ist, was wir gemäss Satz 6.47 für genügend kleine Maschenweiten von  erzielen können.

Des Weiteren gilt auch die Dreiecksungleichung (vergleiche zu Satz 4.24) für vektorwertige Integrale: Für eine stetige Funktion f : [a,b] d ist f2 : [a,b] Riemann-integrierbar (da stetig) und es gilt

abf(x)d x 2 abf (x) 2 d x. (6.12)

Die analoge Ungleichung gilt auch für andere Normen.

Wichtige Übung 6.51 (Dreiecksungleichung für vektorwertige Integrale).

Beweisen Sie Ungleichung 6.12.

Hinweis.

Verwenden Sie die Tatsache, dass Satz 6.47 auch für vektorwertige Funktionen gültig ist.

Obige Diskussion enthält mit d = 2 auch den Fall von komplexwertigen Funktionen

f : [a,b] ,

welche also genau dann Riemann-integrierbar sind, wenn Re (f) und Im (f) Riemann-integrierbar sind. Das Riemann-Integral ist in diesem Fall gegeben durch

abf (x)d x =ab Re (f (x))d x + i ab Im (f (x))d x.

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Analysis I (Kap. 1-9) Copyright © by Manfred Einsiedler. All Rights Reserved.

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