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2.2 Die natürlichen Zahlen

Da wir alle unsere Diskussionen auf den Axiomen der reellen Zahlen in Abschnitt 2.1 aufbauen werden, wollen wir jetzt die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen innerhalb der reellen Zahlen finden und die wichtigsten elementaren und geometrischen Eigenschaften dieser Zahlen beweisen.

2.2.1 Definition der natürlichen Zahlen und vollständige Induktion

Definition 2.12 (Induktive Teilmengen).

Eine Teilmenge M ist induktiv, falls folgende zwei Eigenschaften gelten:

(i)
1 M
(ii)
Für alle x gilt x Mx + 1 M.

Beispielsweise ist eine induktive Menge (gewissermassen die grösste solche). Die „kleinste“ induktive Menge sollen die natürlichen Zahlen sein.

Definition 2.13 (Natürliche Zahlen).

Wir definieren die Teilmenge der natürlichen Zahlen als Durchschnitt aller induktiven Teilmengen von

= M  induktivM.

Aus der Definition folgt unmittelbar, dass in jeder induktiven Teilmenge von enthalten ist und dass 1 , da jede induktive Teilmenge die Eins enthalten muss und der Durchschnitt aller induktiven Teilmengen ist. Des Weiteren können wir folgern, dass für alle n die Ungleichung n 1 gilt. In der Tat ist die Teilmenge {x x 1} induktiv (überprüfen Sie dies) und enthält somit .

Lemma 2.14 (Kleinste induktive Menge).

Die natürlichen Zahlen bilden eine induktive und somit die kleinste induktive Teilmenge der reellen Zahlen.

Beweis.

Wir haben oben bereits gesehen, dass 1 ist. Falls nun n ist und M eine beliebige induktive Teilmenge ist, dann gilt auch n M (wegen der Definition von ). Da M induktiv ist, gilt n + 1 M. Da M aber eine beliebige induktive Teilmenge war, liegt n + 1 in jeder induktiven Teilmenge und somit auch in per Definition von . Wir haben für also beide Eigenschaften einer induktiven Teilmenge nachgewiesen und das Lemma folgt.   

Wir können nun das Prinzip der vollständigen Induktion als Konsequenz unserer Definition der natürlichen Zahlen (und der Axiome der reellen Zahlen) beweisen.

Satz 2.15 (Vollständige Induktion).

Falls für eine Aussage A(n) über die natürlichen Zahlen n

(Induktionsanfang) A(1) und
(Induktionsschritt) n : (A(n)A(n + 1))

gelten, dann gilt A(n) für alle n .

Beweis.

Wir definieren E = {n A(n)}, womit folgende Aussagen gelten.

1 E, da A(1) auf Grund des Induktionsanfanges gilt.
Für alle x gilt, dass x E nach Definition x und auf Grund des Induktionsschrittes auch x + 1 E impliziert.

Daher ist E eine induktive Menge und es folgt, dass E nach Definition von . Also gilt A(n) für alle natürlichen Zahlen n .   

Übung 2.16 (Peano-Axiome).

Zeigen Sie, dass die oben definierte Teilmenge die Peano-Axiome (siehe Abschnitt 1.5) erfüllt, wobei ν : n n + 1 die Nachfolgerfunktion ist.

Wir untersuchen nun weitere algebraische und geometrische Eigenschaften von . Die Bedeutung der folgenden Diskussionen liegt nicht so sehr in den behaupteten Aussagen, die anschaulich klar sind. Vielmehr zeigen Sie, dass unsere Axiome von und unsere Definition von auch in der Lage sind, diese natürlichsten Eigenschaften von zu beweisen, die wiederum Grundlage für die weiteren Diskussionen bilden.

Lemma 2.17 (Addition und Multiplikation auf ).

Für alle m,n gilt m + n und m n .

Beweis.

Sei A(n) die Aussage m : m + n . Dann gilt A(1), denn falls m , dann gilt auch m + 1 , da induktiv ist wegen Lemma 2.14. Dies ist der Induktionsanfang. Für den Induktionsschritt nehmen wir also an, dass A(n) für n gilt oder in anderen Worten, dass für alle m auch m + n gilt. Wegen Lemma 2.14 impliziert letzteres aber auch m + n + 1 für alle m und wir erhalten die Aussage A(n + 1). Vollständige Induktion zeigt daher n : A(n), was gerade die Aussage m,n : m + n ist.

Für die Multiplikation definieren wir B(n) für n als die Aussage m : m n . Dann gilt B(1), da für alle m auch m 1 = m . Falls nun B(n) für n gilt, dann folgt aus m auch m n und aus dem ersten Teil des Lemmas auch

m (n + 1) = m n + m

Da m beliebig war, gilt also B(n)B(n + 1) und das Lemma folgt mittels vollständiger Induktion.   

Nachdem wir im letzten Lemma einige algebraische Fragen beantwortet haben, wollen wir uns nun geometrischen Fragen zuwenden. Da induktiv ist, sind 1 und 2 = 1 + 1 in . Gibt es eine natürliche Zahl zwischen 1 und 2? Die negative Antwort zu dieser Frage ist in allgemeinerer Form in folgendem Lemma enthalten.

Lemma 2.18 (Anordnung von ).

Für n gilt n = 1 oder n 1 .
Für m, n mit m n m + 1 gilt n = m oder n = m + 1.

Beweis.

Für die erste Aussage zeigen wir, dass die Menge M = {1 } {n n 1 } die natürlichen Zahlen enthält. In der Tat ist die Menge M induktiv, da 1 M und da für n M auch (n + 1) 1 = n und damit n + 1 M gilt. Nach Definition von ist also M wie gewünscht.

Für die zweite Behauptung definieren wir für n die Aussage A(n) durch

m : ((m n m + 1)n {m,m + 1}).

Dann gilt A(1), denn falls m die Ungleichung m 1 m + 1 erfüllt, dann gilt wegen m 1 auch m = 1 = n.

Angenommen es gilt nun A(n) für ein n und wir wollen A(n + 1) zeigen. Sei also m , so dass m n + 1 m + 1 gilt. Falls m = 1 ist, dann gilt 1 n + 1 2 = 1 + 1 und damit n 2 1 = 1. Wegen n 1 folgt n = 1 = m und somit n + 1 = m + 1. Falls aber m 1 ist, dann ist wegen der ersten Behauptung m 1 und m 1 n m. Da wir aber A(n) angenommen haben, gilt n {m 1,m} und daher n + 1 {m,m + 1}.

Wir haben also den Induktionsanfang A(1) und den Induktionsschritt A(n)A(n + 1) für ein beliebiges n gezeigt. Daher gilt A(n) für alle n und das Lemma folgt.   

Wie bereits im Abschnitt 1.8.3 kurz erwähnt haben, gibt es mehrere Versionen der vollständigen Induktion. Die folgende Variante wird mitunter auch „starke Induktion“ genannt.

Satz 2.19 (Vollständige Induktion).

Falls für eine Aussage A(n) über die natürlichen Zahlen n die Aussage

(Induktion) n : ( ( k : (k < nA(k)) )A(n) )

erfüllt ist, dann gilt A(n) für alle n

Beweis.

Wir definieren eine Aussage B(n) für natürliche Zahlen n durch

k : k nA(k).

Mit vollständiger Induktion (siehe Satz 2.15) und der Anordnung von (wie in Lemma 2.18) möchten wir nun zeigen, dass B(n) für alle n gilt. Insbesondere folgt damit, dass A(n) für alle n gilt (wieso?), was den Beweis des Satzes abschliessen wird.

Wir zeigen zuerst den Induktionsanfang, also dass die Aussage B(1) gilt. Da aber k = 1 die einzige natürliche Zahl mit k 1 ist, genügt es, die Aussage A(1) zu verifizieren. Hierfür verwenden wir die Annahme im Satz für n = 1, also die Aussage

( k : (k < 1A(k)) )A(1).

Da es keine natürlichen Zahlen kleiner 1 gibt, ist für jedes k die Aussage k < 1 falsch, womit (k < 1A(k)) richtig ist. Also gilt die Vorraussetzung der im Satz angenommenen Implikation für n = 1, und es folgt A(1) (und damit B(1) wie gewünscht).

Sei nun n gegeben. Wir wollen den Induktionsschritt B(n)B(n + 1) beweisen. Also nehmen wir an, dass B(n) bereits gilt. Die Aussage B(n + 1) ist durch

k : k n + 1A(k)

gegeben. Für k ist k < n + 1 auf Grund von Lemma 2.18 äquivalent zu k n. Die Aussage B(n) ist damit zu

k : k < n + 1A(k)

äquivalent. Wegen der Annahme im Satz angewandt auf n + 1 impliziert dies aber A(n + 1), was auf Grund obiger Äquivalenz gemeinsam mit B(n) die Aussage B(n + 1) zeigt. Dies schliesst den Induktionsschritt und damit den Beweis des Satzes ab.   

Die vollständige Induktion in der Version von Satz 2.19 erlaubt uns im Induktionsschritt statt der Annahme, dass die Aussage bloss für die vorhergehende natürliche Zahl gilt, die stärkere Annahme, dass die Aussage bereits für alle echt kleineren natürlichen Zahlen gilt, zu verwenden.

Übung 2.20 (Versteckter Induktionsanfang).

In der Version der vollständigen Induktion in Satz 2.19 scheint es keinen Induktionsanfang zu geben. Wie kann das sein? Wo ist der Induktionsanfang versteckt?

Hinweis.

Die Antwort beruht auf den Eigenschaften des Allquantors.

Wir bemerken, dass man die Induktion auch verwenden kann, um zum Beispiel für ein vorgebenes n0 eine Aussage für alle natürliche Zahlen n n0 zu zeigen. In diesem Fall würde man als Induktionsanfang die Aussage für n = n0 beweisen und im Induktionsschritt für eine natürliche Zahl n n0 annehmen.

Wichtige Übung 2.21 (Varianten der vollständigen Induktion).

Folgern Sie aus Satz 2.15 oder aus Satz 2.19 die folgenden Varianten der vollständigen Induktion. Sei hierzu A(n) eine beliebige Aussage über natürliche Zahlen n

(i)
Angenommen die Aussagen
(Induktionsanfang) A(1) und A(2)
(Induktionsschritt) n : (A(n) A(n + 1)A(n + 2)),

gelten, dann gilt ebenso A(n) für alle n .

(ii)
Falls für ein n0 die Aussagen
(Induktionsanfang) A(n0)
(Induktionsschritt) n : ((n n0 A(n))A(n + 1))

gelten, dann gilt auch A(n) für alle natürliche Zahlen n n0.

Hinweis.

Formal gesehen können sie zum Beispiel die Aussage B(n) definiert durch A(n) A(n + 1) für (i) und die Aussage C(n) definiert durch A(n0 + n 1) für (ii) betrachten.

Satz 2.22 (Wohlordnung der natürlichen Zahlen).

Sei M eine nicht-leere Teilmenge. Dann hat M ein eindeutig bestimmtes kleinstes Element, das heisst

!n0 M n M : n n0.

Die Existenz eines kleinsten Elements zu jeder nicht-leeren Teilmenge ist etwas, was die natürlichen Zahlen auszeichnet und beispielsweise von den reellen Zahlen nicht erfüllt ist. Die Teilmenge der positiven Zahlen {x x > 0} oder selbst sind konkrete Beispiele von Teilmengen, die kein kleinstes Element haben. Im ersten Fall ist 0 < x 2 < x für jedes x > 0 und im zweiten Fall ist x 1 < x für jedes x .

Beweis.

Die Eindeutigkeit eines solchen kleinsten Elements folgt direkt: Sind n0 , n0 M zwei kleinste Elemente, dann gilt n0 n0, da n0 ein kleinstes Element ist und n0 n0, da n0 ein kleinstes Element ist. Also gilt n0 = n0.

Um die Existenz eines kleinsten Elements zu zeigen, verwenden wir die Kontraposition. Wir nehmen also an, dass M kein kleinstes Element hat, und wollen zeigen, dass M leer ist. Hierzu definieren wir für alle n die Aussage A(n) durch n M.

Sei n . Dann bedeutet die Aussage k : k < nA(k) genau, dass es unterhalb von n keine Elemente in M gibt. Da wir angenommen haben, dass M kein kleinstes Element hat, sehen wir, dass n nicht in M liegen kann. Also gilt

( k : k < nA(k) )A(n)

für jedes n . Die vollständige Induktion in Satz 2.19 zeigt nun, dass A(n) für alle n gilt. Damit ist M die leere Menge.   

Lemma 2.23 (Subtraktion in ).

Für alle m,n mit m < n gilt n m .

Beweis.

Sei A(n) für n die Aussage

m : m < nn m .

Dann gilt A(1), denn es existiert kein m mit m < 1. Angenommen A(n) gilt für ein n und sei m mit m < n + 1. Nach Lemma 2.18 ist entweder m = n oder m < n. Im ersten Fall gilt (n + 1) m = 1 . Im zweiten Fall gilt (n + 1) m = (n m) + 1 nach A(n). Also gilt A(n) für alle n nach vollständiger Induktion.   

Wir definieren die nicht-negativen ganzen Zahlen als 0 = {0 }. Diese stellen auf natürliche Weise die Kardinalitäten der endlichen Mengen dar, wobei die natürlichen Zahlen die Kardinalitäten der endlichen, nicht-leeren Mengen darstellen. Summen und Produkte sind in diesem Zusammenhang auch wichtig:

Wichtige Übung 2.24 (Kardinalität des kartesischen Produkts von endlichen Mengen).

Seien m,n . Zeigen Sie per Induktion über n, dass das kartesische Produkt

{1, ,m} × {1, ,n}

Kardinalität mn hat. Der Ausdruck {1, ,m} ist dabei eine Abkürzung für {k k m} und hat Kardinalität m.

Hinweis.

Schreiben Sie für den Induktionsschritt {1, , m}× {1, ,n + 1} als disjunkte Vereinigung einer Menge mit Kardinalität mn und einer Menge mit Kardinalität m.

Bemerkung.

Wir werden auch des Öfteren eine Funktion auf  durch Rekursion definieren. Dies bedeutet, dass man die Funktion f auf 1 definiert indem man f(1) konkret angibt, und dann eine Rekursionsbedingung (zum Beispiel eine Formel) festlegt wie f(n + 1) aus f(1), ,f(n) bestimmt wird (wobei man f(1), ,f(n) als bereits definiert annimmt). Dass es höchstens eine Funktion auf  gibt, die beide Bedingungen erfüllt, lässt sich durch einen Induktionsbeweis schnell beweisen. (Nehmen Sie an, dass f und f~ sowohl f (1 ) = f~ (1) als auch die Rekursionsbedingung erfüllen und beweisen sie f (n) = f~ (n) für alle n mittels Satz 2.19.)

Streng formal ist die Existenz etwas aufwendiger. Dazu beweist man zuerst mittels vollständiger Induktion die Aussage: “Für alle n gibt es eine eindeutig bestimmte Funktion fn auf  {k k n}, die fn (1) = f(1) und die Rekursionsbedingung erfüllt.” Insbesondere gilt dann für natürliche Zahlen m n, dass die Einschränkung der Funktion fn auf die Menge  {k k m} dieselben Gesetze wie fm erfüllt und somit gilt fm(k) = fn(k) für alle natürlichen Zahlen k m n. Wir definieren f auf  durch f(k) = fn(k) für  k und ein n mit k n und sehen (wieder mittels vollständiger Induktion), dass diese Funktion die Rekursionbedingungen erfüllt. Man kommt nicht umhin, diesen Beweis mit dem rekursiven Algorithmus zur Berechnung von f(n) für n zu vergleichen (der ja zur Berechnung von f(n) im Allgemeinen ebenso auch f(1),f(2), ,f(n 1) berechnen müsste).

2.2.2 Die ganzen Zahlen

Die ganzen Zahlen sind als Teilmenge von durch

= {0} {nn } = 0

definiert.

Lemma 2.25 (Addition und Multiplikation auf ).

Die ganzen Zahlen sind unter Addition und Multiplikation abgeschlossen, das heisst, für alle m, n gilt m + n und mn .

Beweis.

Für die Multiplikation sieht man dies sehr direkt: Falls m, n , dann gilt offenbar mn = (m)(n) und (m)n = m(n) = mn nach Lemma 2.17. Falls m oder n Null ist, gilt ebenso mn = 0 .

Für die Addition verwenden wir die Eigenschaften von in Lemma 2.17 und Lemma 2.23. Seien m,n . Falls m oder n Null sind, gibt es nichts zu zeigen. Seien also m,n . Dann ist m + n und m n = (m + n) . Falls n > m, dann ist n m und n + m = (n m) . Analoges gilt falls n < m. Falls n = m, ist n m = 0 . Dies deckt alle Möglichkeiten ab und das Lemma folgt.   

Wichtige Übung 2.26 (Anordnung von ).

Verallgemeinern Sie Lemma 2.18 von auf . Das heisst, zeigen Sie, dass für m,n die Ungleichung m n m + 1 ebenso n = m oder n = m + 1 impliziert.

Hinweis.

Zeigen Sie zuerst, dass für n {0} und m die Ungleichungen m n m + 1 zu m + n + 2 2 m + n + 3 äquivalent sind (und m + n + 2 impliziert).

2.2.3 Die rationalen Zahlen

Die rationalen Zahlen sind definiert als die Teilmenge von Quotienten

= {m n m ,n } .

Lemma 2.27 (Rationale Zahlen).

Die rationalen Zahlen bilden einen Unterkörper von , das heisst, für alle r,s gilt r, r + s,rs und auch r1 , falls r 0.

Wichtige Übung 2.28.

Beweisen Sie Lemma 2.27.

Hinweis.

Die entsprechenden Formeln sind sehr gebräuchlich, doch vergessen Sie nicht zu erklären, was Sie genau damit zeigen.

Wichtige Übung 2.29.

Zeigen Sie, dass sowohl die ganzen Zahlen als auch die rationalen Zahlen abzählbar unendlich sind.

Hinweis.

Sie dürfen Übung 1.81 verwenden.

Eine reelle Zahl x heisst irrational, falls x. An dieser Stelle könnte man sich fragen, ob es überhaupt irrationale Zahlen gibt und wenn ja, wieviele. Um die erste Frage zu beantworten, werden wir die Wurzelfunktion (siehe Übungen 2.11) verwenden, mit welcher man aus rationalen Zahlen irrationale konstruieren kann.

Lemma 2.30 (Quadratwurzel aus 2).

Die reelle Zahl 2 ist irrational. Insbesondere erfüllen die rationalen Zahlen nicht das Vollständigkeitsaxiom.

Man kann Lemma 2.30 als einen Grund sehen, wieso es nicht ausreichend ist, nur rationale Zahlen zu betrachten.

Beweis.

Wir nehmen per Widerspruch an, dass 2 rational ist und schreiben 2 = (m n )2 für m und das kleinst mögliche n (dies ist nach Satz 2.22 möglich). Insbesondere gilt also 2n2 = m2 und folglich

2(m n)2 = 2m2 4mn + 2n2 = 4n2 4nm + m2 = (2n m)2

Also gilt (2nm mn )2 = 2. Da 0 < m n < m, erhalten wir einen kleineren Nenner, der verwendet werden kann, um 2 darzustellen. Dies widerspricht der minimalen Wahl von n. Somit ist 2 irrational.

Für den Beweis der letzte Aussage bemerken wir zuerst, dass die Körperaxiome auf Grund von Lemma 2.27 erfüllt. Des Weiteren gelten für die Axiome der Anordnung und die Axiome der Verträglichkeit der Anordnung und Körperoperationen, da diese für gelten, womit ein angeordneter Körper ist. Das einzig verbleibende Axiom ist das Vollständigkeitsaxiom. Da wir zum Beweis der Existenz der Quadratwurzel positiver reeller Zahlen nur die Axiome der reellen Zahlen in Abschnitt 2.1 verwendet haben, folgt, dass das Vollständigkeitsaxiom nicht erfüllt.   

Wir werden im Abschnitt 2.6.4 zeigen, dass die reellen Zahlen überabzählbar sind. Vergleicht man diese Tatsache mit Übung 2.29, so kommt man zum Schluss, dass es viel mehr irrationale als rationale Zahlen gibt.

Bemerkung.

Auf Grund von Lemma 2.30 erkennen wir auch, dass das Vollständigkeitsaxiom nicht aus den Axiomen (1)–(15) des angeordneten Körper folgen kann: In der Tat erfüllt die Axiome (1)–(15). Wenn das Vollständigkeitsaxiom aus den Axiomen (1)–(15) folgen würde, so müsste das Vollständigkeitsaxiom dann aber auch für gelten und müsste 2 enthalten.

2.2.4 Division mit Rest und Anfänge der Zahlentheorie*

Satz 2.31 (Division mit Rest).

Für alle n 0 und d gibt es ein q 0 und ein r 0 mit r < d, welches wir den Rest nennen, so dass n = qd + r.

Beweis.

Für n < d stimmt die Behauptung, da wir dann q = 0 und r = n wählen können. Genauso stimmt sie für n = d, da wir dann q = 1 und r = 0 wählen können. Nehmen wir nun an, dass der Satz nicht zutrifft. Dann gibt es nach der Wohlordnung von in Satz 2.22 ein kleinstes n0 , für das die Division durch ein d 0 mit Rest nicht funktioniert. Nach obigem muss n0 > d 1 und damit auch n0 2 gelten.

Insbesondere ist n = n0 1 und es gibt einen Rest r 0 mit r < d, so dass n0 1 = n = qd + r für ein q 0 . Damit gilt n0 = qd + r + 1. Falls r < d 1, dann ist r + 1 < d und n0 erfüllt doch Division durch d mit Rest. Falls r = d 1, dann ist d = r + 1 und n0 = qd + r + 1 = qd + d = (q + 1)d + 0 und n0 erfüllt Division durch d mit Rest 0. Nach der Anordnung von in Lemma 2.18 erfüllt r entweder r < d 1 oder r = d 1 und daher wurden alle Möglichkeiten für r abgedeckt. Für n0 ist Division durch d mit Rest daher möglich, was einen Widerspruch darstellt. Also gilt der Satz.   

Wir wollen hier für Interessierte kurz andeuten, was Division mit Rest mit Begriffen wie Primzahlen, Primfaktorzerlegung, etc. zu tun hat. Da eine ausführliche Besprechung uns aber zu weit vom Thema Analysis ablenken würde, begnügen wir uns mit einer Skizze anhand einer Serie von Übungsaufgaben. Des Weiteren verweisen wir auf die Algebra 1-Vorlesung im dritten Semester des Mathematikstudiums und das Buch [RU08] für mehr Details.

Wir sagen, dass eine Zahl d eine Zahl n teilt und schreiben d|n, falls es ein q gibt, so dass qd = n. Eine natürliche Zahl p > 1 ist prim oder eine Primzahl, falls für alle a,b die Implikation p|ab (p|a p|b) zutrifft. Eine natürliche Zahl p > 1 heisst irreduzibel, falls sie nicht als Produkt p = ab für a, b mit a > 1 und b > 1 geschrieben werden kann (das heisst, ausser 1 und p keine Teiler hat). Wir haben bereits in einer Übung in Abschnitt 1.9.7 gesehen, dass wir jede Zahl n als ein Produkt von irreduziblen Zahlen darstellen können. (Die für den Beweis dieser Übung notwendige Form der vollständigen Induktion haben wir inzwischen in der Form von Satz 2.19 nachgeliefert.) Aber wie zeigt man, dass diese Produktzerlegung (bis auf die Reihenfolge der Faktoren) eindeutig bestimmt ist?

Übung 2.32.

(a)
Zeigen Sie, dass jede Primzahl auch irreduzibel ist.
(b)
Nehmen Sie kurz an, dass Sie bereits wissen, dass eine Zahl irreduzibel ist genau dann, wenn sie prim ist. Zeigen Sie, dass die Primfaktorzerlegung bis auf Reihenfolge der Faktoren eindeutig bestimmt ist.

Der grösste gemeinsame Teiler zweier natürlichen Zahlen m, n ist die grösste natürliche Zahl d = gcd (m,n) mit d|m und d|n. Wir wollen zeigen, dass es a,b gibt mit d = am + bn. Dies nennt sich auch das Lemma von Bézout oder der Euklidsche Algorithmus.

(c)
Führen Sie für m > n Division von m durch n mit Rest durch. Sei r 0 der Rest. Zeigen Sie für r , dass gcd (m,n) = gcd (n,r) und für r = 0, dass gcd (m,n) = n.
(d)
Schliessen Sie per Induktion auf die Aussage, dass der grösste gemeinsame Teiler wie oben beschrieben als Summe von Vielfachen dargestellt werden kann.

Wir zeigen nun, dass irreduzible Zahlen auch prim sind.

(e)
Angenommen p ist irreduzibel und seien m,n mit p|mn, aber p m (also ¬ (p|m)). Zeigen Sie, dass es a,b gibt mit 1 = ap + bm. Folgern Sie, dass p|bmn, dass p|(1 ap)n und dass p|n.

Fassen Sie obige Diskussionen in der Form der eindeutigen Primfaktorzerlegung von natürlichen Zahlen zusammen.

Unter Verwendung der Tatsache, dass irreduzible Zahlen prim sind (und umgekehrt), lässt es sich etwas einfacher zeigen, dass die Wurzel aus 2 (oder jeder anderen Primzahl) irrational ist. Wir überlassen Ihnen die Überprüfung dieser Aussage wiederum als Übung (siehe auch dieses Lied).

Wir möchten an dieser Stelle noch kurz erwähnen, dass vielleicht überraschenderweise die tiefgreifende Untersuchung von Primzahlen viele Methoden der Analysis (und auf jeden Fall alle Methoden dieser Analysis-Vorlesung) voraussetzt. Für eine Andeutung dieser Tatsache und einen historischen Exkurs verweisen wir auf den Podcast der BBC.

2.2.5 Verwendung der ganzen Zahlen und deren Eigenschaften

Die algebraischen und geometrischen Aussagen in diesem Abschnitt über die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen stellen bloss die Standardeigenschaften dieser Zahlen dar. Deswegen werden wir die oben bewiesenen Lemmata und Sätze im Folgenden meist ohne Referenz verwenden. Dies gilt ebenso für die vollständige Induktion in Satz 2.15.

Wir werden im Abschnitt 2.6.1 zwei weitere grundlegende Eigenschaften von  respektive beweisen, die die Geometrie von  und  als Teilmengen von beschreiben.

Wir werden oft die Variablen j,k,,m,n für natürliche oder ganze Zahlen verwenden. Weiters verwenden wir meist die Variable r für rationale Zahlen.

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Analysis I (Kap. 1-9) Copyright © by Manfred Einsiedler. All Rights Reserved.

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