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8.5 Erste Differentialgleichungen

Eine Differentialgleichung ist eine Gleichung der Form F(y , y, x) = 0, die eine reellwertige Funktion y = y(x), ihre Ableitung y = d y d x und die unabhängige Variable x mittels einer reellwertigen Abbildung F auf einer offenen Teilmenge von 3 verknüpft. Gesucht sind die Funktionen y : I , die die Gleichung F(y(x),y(x),x) = 0 für alle x I erfüllen, wobei der Definitionsbereich I der gesuchten Funktion y ein Intervall I sein soll.

Da es normalerweise mehrere Lösungen gibt, verlangt man üblicherweise noch etwas mehr Information, nämlich den Wert der Funktion y(x0 ) = y0 bei einem fest gewählten Ausgangspunkt x0 I. Eine Differentialgleichung F(y,y,x) = 0 gemeinsam mit der Bedingung y(x0) = y0 wird ein Anfangswertproblem genannt.

Um genau zu sein, nennt man eine Differentialgleichung F(y , y, x) = 0 eine gewöhnliche Differentialgleichung erster Ordnung. Hier steht „gewöhnlich“ dafür, dass wir nur eine unabhängige Variable verwenden. „Erster Ordnung“ steht dafür, dass nur die erste (und keine höheren Ableitungen) der gesuchten Lösung in der durch F gegebenen Gleichung erscheint. Wir werden häufig Differentialgleichungen der expliziten Form y = f(y, x) betrachten, wobei dann f eine reellwertige Funktion darstellt, die auf einer offenen Teilmenge von 2 definiert sein soll.

Ein Beispiel einer solchen gewöhnlichen Differentialgleichung erster Ordnung ist die Gleichung y = x y. Durch Anstarren der Gleichung lässt sich eine Lösung dieser Differentialgleichung erraten, nämlich y = x. Wir stellen aber fest, dass es ausgehend von dieser Lösung nicht klar ist, ob es andere Lösungen gibt und wie solche aussehen könnten. Auch unklar ist, wie viele Lösungen vor und nach Angabe eines Anfangswert existieren (und ob überhaupt welche existieren). Wir begnügen uns in diesem Abschnitt mit der Betrachtung von einigen Spezialfällen und werden gegen Ende des zweiten Semesters nochmals ausführlicher auf das Thema der Differentialgleichungen eingehen.

Wir möchten kurz anmerken, dass gewöhnliche Differentialgleichungen (erster Ordnung und höherer Ordnungen) in vielen Gebieten der Mathematik und der Naturwissenschaften auftreten. Beispielsweise hat das Zerfallsgesetz der Physik, mit dem (unter anderem) die Anzahl N Teilchen in einem radioaktiven Stoff beschrieben werden können, eine natürliche Beschreibung in der Differentialgleichung  = d N d t = λN (für einen physikalischen Parameter λ > 0).† Das macht exakt gesehen kaum Sinn, denn die Anzahl sollte ja eigentlich eine natürliche Zahl sein und eine differenzierbare Funktion auf einem Intervall mit Werten in ist konstant. Da aber die Anzahl sehr gross und die Änderung der Anzahl in einer kleinen Zeitspanne relativ gesehen klein ist, macht es aus praktischen Gründen doch Sinn, dies als Differentialgleichung aufzufassen.

Wir können uns die rechte Seite der Differentialgleichung y = f(y,x) auch als Richtungsfeld vorstellen, welches bei jedem Punkt (x, y) eine vorgegebene Steigung der gesuchten Lösung der Differentialgleichung angibt. Dieses Richtungsfeld können wir mit kleinen Strichen in der richtigen Steigung in einem Bild visualisieren; die gesuchte Lösung sollte dann einen Graphen besitzen, der bei jedem Punkt des Graphen den vorgegebenen Strich bei dem Punkt als Tangente besitzt. Noch umgangssprachlicher formuliert, gibt das Richtungsfeld unendlich viele bereits fertig verlegte Schienen in der Ebene an und die gesuchte Lösung eines Anfangswertproblems zeigt uns, wohin der Zug fährt, wenn er in einem bestimmten Punkt wegfährt und den vorgegebenen Schienen folgt. In dieser Formulierung können wir fragen, ob wir immer angeben können, wohin der Zug fährt oder ob es nicht vielleicht auch „Weichen im Richtungsfeld“ geben könnte.

PIC

     Figur 8.8: Das Richtungsfeld zur Differentialgleichung y = x y.     

Wir bemerken noch, dass das Lösen der Differentialgleichung, also das Auffinden der Lösung y = y(x), mitunter schwierig ist, doch das Nachprüfen, ob eine Lösung vorliegt, auf Grund unserer Ableitungsregeln aus Abschnitt 8.1 meist sehr einfach ist.

Applet 8.57 (Einige Richtungsfelder und Anfangswertprobleme).

Wir betrachten einige Funktionen f, die verschiedene Richtungsfelder angeben, und die dazugehörigen Anfangswertprobleme für einen bewegbaren Startpunkt (x0,y0).

8.5.1 Differenzengleichungen

Ein diskretes Analogon der Differentialgleichung y = F(y, x) ist die Differenzengleichung

y(n + 1) y(n) = y(n) = F(y(n),n)

für eine gesuchte Funktion y auf 0 und eine gegebene Funktion F auf × 0 . Für diese Gleichung kann man rekursiv eine Lösung y bestimmen, wenn man eine Anfangswertbedingung y(0) = y0 gegeben hat (siehe die Besprechung der Rekursion in Abschnitt 2.2). In der Tat können wir

y(1) = y(0) + F(y(0),0),y(2) = y(1) + F(y(1),1),

setzen und erhalten eine rekursiv bestimmte Lösung. Man beachte dabei, dass die Lösung eindeutig bestimmt ist (wieso?).

Die Differentialgleichung y = F(y,x) sollte als eine kontinuierliche Version der Differenzengleichung y(n) = F(y(n),n) aufgefasst werden. Diese Analogie ist wohlgemerkt nicht ausschliesslich oberflächlich, sondern kann sowohl in der Praxis als auch in der Theorie zu wichtigen Ergebnissen führen.

Es kann zum Beispiel sein, dass man eigentlich an einem diskreten Problem interessiert ist, aber die einzelnen Schritte näherungsweise einer kleinen Zeitspanne x in einem kontinuierlichen Problem entsprechen. In diesem Fall ist es manchmal einfacher, anstelle des diskreten Problems die entsprechende Differentialgleichung zu betrachten.

Umgekehrt kann es sein, dass ein Anfangswertproblem y = F(y, x), y(0) = y0 auf dem Intervall I = [0, ) gegeben ist, aber die Funktion F zu kompliziert ist, um dieses mittels Standardfunktionen zu lösen. Stattdessen kann man in diesem Fall die Differentialgleichung in eine Differenzengleichung verwandeln. Sei also x = h > 0 eine kleine positive Zahl. Dann kann man eine Funktion auf 0 h durch

(0) = y0,(h) = (0) + F((0),0)h,(2h) = (h) + F((h),h)h,

definieren. Dabei hofft man, dass die gesuchte Lösung der Differentialgleichung y und die Lösung obiger Differenzengleichung einander wegen

y(0) = y0 = (0), y(h) y(0) h d y d x (0) = F (y (0),0) = (h) (0) h y(h) (h) y(2h) y(h) h d y d x (h) = F (y (h),h) F ( (h),h) = (2h) (h) h y(2h) (2h)

ähnlich sind.

Diese Beschreibung ist natürlich bloss eine Heuristik (das Zeichen sollte dies ersichtlich machen). Sie kann jedoch in gewissen Fällen zu einer approximativen numerischen Lösung oder gar zu einem Beweis der Existenz einer Lösung führen.

Übung 8.58 (Rekursive Näherung).

Zeigen Sie, dass obige Heuristik für das Anfangswertproblem y = y, y(0) = 1 zu einer Lösung führt.

Hinweis.

Teilen Sie das Intervall [0, x] in n Teile und führen Sie obige Rekursion durch.

PIC

     Figur 8.9: Vergleich der rekursiv definierten approximativen Lösung (rote Punkte) mit linearer Interpolation (ebenfalls in Rot) zur Lösung y in Blau. Das betrachtete Anfangswertproblem ist dabei y = x y, y(0) = 1, welches von y = x2 + 1 gelöst wird.     

8.5.2 Stammfunktionen

Eine der einfachsten Differentialgleichungen ist eine Gleichung der Form

y = f(x)

für eine gegebene Funktion f : I auf einem Intervall I . Eine Lösung F : I , das heisst, eine differenzierbare Funktion F : I mit F (x) = f(x) für alle x I, wird eine Stammfunktion von f genannt. Wir schreiben auch

f(x)d x = F(x) + C,

falls F = f, wobei C eine unbestimmte Konstante – die Integrationskonstante – ist. Wir bemerken, dass F(x) + C auch (F(x) + C) = f(x) erfüllt, falls F eine Stammfunktion und C eine Konstante ist. Wir bezeichnen f(x)d x als das unbestimmte Integral. Dabei ist es noch nicht klar, inwiefern das unbestimmte Integral von der Wahl einer Stammfunktion von f abhängt, und was die Integraldarstellung mit dem Riemann-Integral zu tun hat. Die Notation wird zum Teil in folgendem Lemma (und vollständig in Kapitel 9) erklärt.

Lemma 8.59 (Integrationskonstante).

Sei I ein Intervall, f : I eine Funktion und F,F1 : I Stammfunktionen von f. Dann gibt es eine Konstante C mit F1 = F + C. In anderen Worten, alle Lösungen von y = f sind gegeben durch die Formel y = F(x) + C, wenn wir die Konstante C variieren.

Beweis.

Sei G = F1 F. Dann ist G (x) = F1(x) F(x) = f(x) f(x) = 0 für alle x I. Aber nach Korollar 8.33 des Mittelwertsatzes muss eine differenzierbare Funktion auf einem Intervall mit Ableitung Null konstant sein. Somit folgt G(x) = C für ein C und alle x I, und damit ebenso die Aussage.   

Das unbestimmte Integral bezeichnet per Definition die Umkehroperation zur Differentiation und die Integrationskonstante deutet an, dass wir jede weitere Stammfunktion erhalten können, indem wir zu einer bekannten Stammfunktion eine beliebige Konstante addieren.

Da wir bereits viele Ableitungsregeln (siehe Abschnitte 8.1 und 8.3) kennen, können wir diese rückwärts als Integrationsregeln (zur Bestimmung des unbestimmten Integrals) lesen. Wir werden dies systematisch im nächsten Kapitel besprechen und wollen hier nur einige erste Regeln ansprechen. Zum Beispiel gilt für s (oder sogar für s )

xs d x = { 1 s+1xs+1 + Cfalls s1 log |x| + C falls s = 1

nach Beispiel 8.15,

exp (x)d x = exp (x) + C cos (x)d x = sin (x) + C sin (x)d x = cos (x) + C sinh (x)d x = cosh (x) + C cosh (x)d x = sinh (x) + C 1 1 x2 d x = arcsin (x) + C 1 1 + x2 d x = arctan (x) + C 1 1 + x2 d x = arsinh (x) + C = log (x + 1 + x2) + C 1 x2 1d x = arcosh (x) + C = log (x + x2 1) + C

nach Beispiel 8.3(iii), Übung 8.4(ii) und den Abschnitten 8.38.4.

Wir begnügen uns vorerst mit dieser Liste und besprechen im nächsten Kapitel weitere Methoden der Berechnung des unbestimmten Integrals, aber erst nachdem wir die Frage „Was hat das so definierte unbestimmte Integral mit dem Riemann-Integral zu tun?“ beantwortet haben und dadurch noch mehr Motivation für die Betrachtung des unbestimmten Integral erhalten haben.

8.5.3 Lineare Differentialgleichungen erster Ordnung

Der nächst einfache Typ einer Differentialgleichung besteht aus den linearen Differentialgleichungen erster Ordnung, welche von der Form

y + f(x)y = g(x) (8.13)

für zwei gegebene Funktionen f,g besteht. In der Gleichung y + f(x)y = g(x) wird die Funktion g auch die Störfunktion genannt. Falls die Störfunktion Null ist, nennen wir (8.13) homogen und sonst inhomogen.

Die Bezeichnung „linear“ entstammt der Tatsache, dass sich Gleichung (8.13) in der Tat als ein lineares Gleichungssystem auf geeigneten Vektorräumen auffassen lässt. Informell sieht man schnell, dass die Abbildung yy + f(x)y linear ist. Welche Vektorräume man dabei jedoch betrachten soll, hängt stark von den Eigenschaften der Funktionen f und g ab. Wir werden später etwas genauer auf diese Fragestellung eingehen, wenn wir allgemeiner Lösbarkeit von Differentialgleichungen diskutieren. Nun möchten wir aber eine Lösung von (8.13) finden, wobei wir zuerst den homogenen Fall thematisieren.

Lemma 8.60 (Homogene lineare Differentialgleichungen erster Ordnung).

Sei I ein Intervall, f : I eine Funktion und F : I eine Stammfunktion von f. Die Lösungen y : I der homogenen linearen Differentialgleichung erster Ordnung y + f(x)y = 0 sind genau die Vielfachen der Funktion x Iexp (F(x)).

Beweis.

Für die Funktion y : x IAexp (F(x)) zu A gilt

y(x) = Aexp (F(x))(F(x)) = f(x)Aexp (F(x)) = f(x)y(x)

für alle x I und somit y + f(x)y = 0.

Sei nun y eine beliebige Lösung der homogenen Differentialgleichung y + f(x)y = 0. Wir definieren die Funktion : x Iexp (F(x))y(x) und berechnen

(x) = exp (F(x))f(x)y(x) + exp (F(x))y(x) = exp (F(x))(f(x)y(x) f(x)y(x)) = 0

für alle x I. Daher ist auf Grund von Korollar 8.33 = A für eine Konstante A und somit

y(x) = exp (F(x))(x) = Aexp (F(x))

für alle x I wie gewünscht.   

Lemma 8.61 (Inhomogene lineare Differentialgleichungen erster Ordnung).

Sei I ein Intervall und seien f,g : I Funktionen. Falls es eine Lösung ypart : I der Differentialgleichung y + fy = g gibt (die auch die partikuläre Lösung genannt wird), dann ist die allgemeine Lösung yinhom von der Form yinhom = ypart + yhom , wobei yhom die allgemeine Lösung der homogenen Gleichung y + f(x)y = 0 ist.

Übung 8.62.

Beweisen Sie Lemma 8.61. Vergleichen Sie Lemma 8.61 des Weiteren mit folgender Tatsache aus der linearen Algebra. Ist F : V W eine lineare Abbildung zwischen Vektorräumen V,W über einem Körper K und v V und w W erfüllen F(v) = w, dann ist jedes V mit F( ) = w von der Form = v + v0 für v0 im Kern der Abbildung F.

Hinweis.

Zeigen Sie zuerst, dass jede Funktion der Form ypart + yhom eine Lösung ist und betrachten Sie dann y ypart für eine weitere Lösung y der inhomogenen Gleichung.

Lemma 8.61 ist natürlich nur dann interessant, wenn eine partikuläre Lösung bekannt ist. Ein nützlicher Trick, um eine solche zu finden, ist die Variation der Konstanten. Hierbei nimmt man an, dass in der Lösung yhom (x) = Aexp (F(x)) der homogenen Gleichung A = A(x) eine differenzierbare Funktion der Variable x statt einer Konstante ist. Das heisst, wir setzen y(x) = A(x)exp (F(x)) für alle x I, berechnen

y(x) = A(x)exp (F(x)) A(x)f(x)exp (F(x)) y(x) + f(x)y(x) = A(x)exp (F(x))

und wollen also A(x)exp (F(x)) = g(x) lösen. Dies führt zu A(x) = g(x)exp (F(x)) und

A(x) =g(x)exp (F(x))d x.

Zusammenfassend kann man also eine partikuläre Lösung der inhomogenen Differentialgleichung y + fy = g finden, indem man eine Stammfunktion A(x) von g(x) exp (F(x)) findet und dann

ypart : x IA(x)exp (F(x))

setzt.

Die allgemeine Lösung yinhom der inhomogenen Differentialgleichung y + fy = g enthält nach Lemma 8.61 eine unbekannte Konstante (die in einer Lösung der homogenen Gleichung versteckt ist). Wenn nun zusätzlich ein Anfangswert y(x0 ) = y0 für x0 I gegeben ist, dann kann man diesen zur Bestimmung der Konstante verwenden und dadurch das Anfangswertproblem lösen.

Um sich obiges Verfahren für das Anfangswertproblem y + fy = g, y(x0 ) = y0 zu merken, kann man auch folgendes „Kochrezept“ durchlaufen, die zum Teil die Leibniz-Notation verwenden und wegen obiger Diskussion zum richtigen Resultat führen.

Trennung der Variablen in der homogenen Gleichung: yhom + f(x)y hom = 0 d yhom d x = f(x)yhom d yhom yhom = f(x)d x d yhom yhom = f(x)d x ln |yhom | = F(x) + C |yhom | = e C exp (F(x)) yhom (x) = Aexp (F(x))
Variation der Konstanten: Mit dem Ansatz ypart = A(x)exp (F(x)) und der Differentialgleichung ypart + f (x)ypart = g (x) erhält man eine Differentialgleichung für A(x).
Bestimmung der Konstanten: Setze y = ypart + yhom = A(x)exp (F(x)) + Aexp (F(x))

und y(x0 ) = y0 = A(x0)exp (F(x0)) + Aexp (F(x0)), um A zu bestimmen.

Wir bemerken allerdings, dass der erste Schritt obiges Kochrezepts eigentlich nicht alle Lösungen lieferte. In der Tat haben wir zur Vereinfachung der Notation A = ±e C0 gesetzt, dann aber einfach von der Konstante A gesprochen, wodurch wir die triviale Lösung der homogenen Differentialgleichung y = 0 wiedergewonnen haben. Dieses und auch ähnliche Kochrezepte sind später sehr nützlich um Lösungen zu finden. Einmal gefunden, ist es normalerweise auch ein leichtes zu überprüfen, ob eine Funktion eine Lösung darstellt (und dies wird üblicherweise auch der Fall sein). Doch sollten wir uns bewusst sein, dass das Kochrezept möglicherweise nicht alle Lösungen liefert.

Beispiel 8.63 (Trennung der Variablen).

Wir möchten das Anfangswertproblem

y 2xy = e x2 y(0) = 1

auf lösen.

Nach Lemma 8.60 berechnen wir zu f(x) = 2x (2x)d x = x2 + C

und wählen somit F(x) = x2 als Stammfunktion. Die allgemeine Lösung der homogenen Differentialgleichung y 2xy = 0 ist somit von der Form yhom (x) = Ae x2 für A .

Um eine partikuläre Lösung zu finden, brauchen wir eine Stammfunktion der Funktion g(x) exp (F(x)) = 1, wobei g (x ) = e x2 . Wir setzen somit ypart (x) = xe x2 .
Die allgemeine Lösung der inhomogenen Gleichung ist nach Lemma 8.61 somit von der Form y (x ) = A e x2 + xe x2 . Unter Verwendung des Anfangswerts erhalten wir y(0) = A = 1 und somit ist die eindeutig bestimmte Lösung des obigen Anfangswertproblems durch y (x) = e x2 + xe x2 = (x + 1)e x2

gegeben. An dieser Stelle empfiehlt es sich durch Einsetzen zu überprüfen, dass y tatsächlich eine Lösung ist.

Übung 8.64.

Finden Sie eine Lösung des Anfangswertproblems

y (4 x + 1)y = x4 y(1) = 1

auf dem Intervall (0,).

8.5.4 Zweite Ordnung

Wir wollen in diesem Unterabschnitt den einfachsten Typ einer gewöhnlichen Differentialgleichung zweiter Ordnung betrachten, nämlich lineare Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten. Hierbei wird für vorgegebene a0,a1 die Gleichung

y + a1y + a 0y = 0 (8.14)

als homogene lineare gewöhnliche Differentialgleichungen zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten bezeichnet. Für eine vorgegebene Funktion g wird

y + a1y + a 0y = g

als inhomogene lineare gewöhnliche Differentialgleichungen zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten und Störfunktion g bezeichnet.

Bevor wir das allgemeine Verfahren zur Berechnung der Lösungen dieser Differentialgleichungen vorstellen, wollen wir zuerst einige Spezialfälle betrachten, welche auch als Motivation für das allgemeine Verfahren betrachtet werden sollten.

Beispiel 8.65 (Einige homogene Gleichungen).

Die folgenden Behauptungen sind sehr leicht mit Differentiation überprüfbar. (Die Anmerkungen zu den betrachteten Polynomen soll gewisse Übereinstimmungen andeuten und sollte zumindest nach der Besprechung des allgemeinen Verfahrens für Sie Sinn machen.)

(a)
Für die Differentialgleichung y = 0 sind die Funktionen x y(x) = C1 + C2x

für beliebige Konstanten C1,C2 Lösungen. (Die 0 ist die einzige Lösung der Gleichung T2 = 0.)

(b)
Für die Differentialgleichung y y = 0 sind die Funktionen x y(x) = C1 + C2 exp (x)

für beliebige Konstanten C1,C2 Lösungen. (Die Lösungen der Gleichung T2 T = 0 sind gegeben durch 0 und 1.)

(c)
Für die Differentialgleichung y + y = 0 sind die Funktionen x y(x) = C1 sin (x) + C2 cos (x)

für beliebige Konstanten C1,C2 Lösungen. Ebenso sind die Funktionen

x y(x) = D1 exp (i x) + D2 exp (i x)

für beliebige Konstanten D1,D2 Lösungen, und auf Grund des Zusammenhangs zwischen der komplexen Exponentialabbildung und den trigonometrischen Funktionen in Satz 7.72 werden dadurch die gleiche Menge an Lösungen beschrieben. (Die Lösungen der Gleichung T2 + 1 = 0 sind gegeben durch i , i .)

Obige Beispiele legen den Ansatz y = exp (αx) für die Lösungen der Differentialgleichung nahe, wobei man α noch bestimmen muss (und dies nicht unbedingt alle Lösungen liefert). In der Tat das allgemeine Kochrezept für die Lösung der homogenen Differentialgleichung in (8.14) besteht darin, dass wir die Koeffizienten der Differentialgleichung als Koeffizienten des sogenannten charakteristischen Polynoms

p(T) = T2 + a 1T + a0

verwenden. Anschliessend müssen die Nullstellen der Gleichung p(T) = 0 berechnet werden.

Falls es zwei verschiedene Nullstellen α1,α2 gibt, so sind die Funktionen y(x) = C1 exp (α1x) + C2 exp (α2x) (8.15)

für beliebige Konstanten C1,C2 Lösungen der homogenen Differentialgleichung (8.14).

Falls die Koeffizienten a0,a1 reell sind und die Nullstellen α1 = α durch eine komplexe Zahl α = β + γi mit β, γ und die Konjugierte α2 = α¯ beschrieben werden, so sind die Funktionen y(x) = C1 exp (βx)sin (γx) + C2 exp (βx)cos (γx) (8.16)

für beliebige Konstanten C1,C2 Lösungen der homogenen Differentialgleichung (8.14).

Falls es nur eine Nullstelle α des charakteristischen Polynoms p(T) = (T α)2 gibt, so sind die Funktionen y(x) = C1 exp (αx) + C2xexp (αx) (8.17)

für beliebige Konstanten C1,C2 Lösungen der homogenen Differentialgleichung (8.14).

Mit Hilfe der Ableitungsregeln lässt sich nun überprüfen, dass dieses Verfahren in der Tat Lösungen liefert. Hierfür ist der wichtigste Schritt die folgende Rechnung. Angenommen a0 , a1 , α sind Konstanten, welche wir verwenden, um das Polynom p(T) = T2 + a1T + a0 und die Funktion y : x y(x) = exp (αx) zu definieren. Dann gilt y = αy, y = α2 y und deshalb y + a1y + a0y = p(α)y(x), was den Zusammenhang zwischen den Nullstellen des charakteristischen Polynom und den Lösungen der homogenen Differentialgleichung erklärt.

Wichtige Übung 8.66 (Homogene Gleichung).

(i)
Zeigen Sie, dass die Menge der Lösungen der homogenen Differentialgleichung (8.14) auf einen Teilraum des Vektorraums aller zweimal differenzierbarer Funktionen auf bildet.
(ii)
Zeigen Sie, dass die Funktionen in (8.15), (8.16) beziehungsweise (8.17) Lösungen von (8.14)sind.
(iii)
Zeigen Sie, dass wir in den Spezialfällen von Beispiel 8.65 tatsächlich alle Lösungen der jeweiligen Differentialgleichung gefunden haben.
Hinweis.

Für den Beweis von (8.16) beweisen Sie zuerst (8.15) und verwenden Sie anschliessend Satz 7.72. Für den Beweis von (8.17) berechnen Sie zuerst die erste und zweite Ableitung von x x exp (αx) für α . Für den Beweis, dass in Beispiel 8.65 (c) alle Lösungen gefunden wurden, finden Sie lineare Differentialgleichungen erster Ordnung für die Funktionen z+ = y + i y und z = y i y und bestimmen Sie alle Lösungen dieser Gleichungen.

Wir behandeln nun ein wichtiges Beispiel aus der Physik.

Beispiel 8.67 (Gedämpfte Schwingung).

Wir bringen ein Gewicht an einer elastischen Feder an und wählen das Koordinatensystem, so dass y = 0 dem Ruhezustand (wo sich das Gewicht nicht bewegt) entspricht.

PIC

Wir wollen die Position y(t) des Gewichts als Funktion der Zeit t betrachten. Nach den Newtonschen Grundgesetzen der Bewegung ist die zweite Ableitung ÿ (nach der Zeit) multipliziert mit der Masse m des Gewichts gleich der Kraft, die auf das Gewicht wirkt. Eine Komponente dieser Kraft entsteht durch die Ausdehnung der Feder und orientiert sich in Richtung Ruhezustand. Nach dem Hookeschen Gesetz ist diese Kraft durch ky gegeben, wobei k > 0 die Federkonstante genannt wird. Weiter wirken üblicherweise Reibungkräfte auf die Bewegung. Wir nehmen an, dass die entsprechende Krafteinwirkung durch d gegeben ist, wobei d 0 die Dämpfungskonstante ist. Die Differentialgleichung, die die Bewegung y(t) der Masse beschreibt, ist somit

mÿ = d ky ÿ + d m + k my = 0,

was also eine gewöhnliche lineare homogene Differentialgleichung zweiter Ordnung ist. Wir setzen zur Vereinfachung der Notation m = 1. Das charakteristische Polynom obiger Differentialgleichung ist

p(T) = T2 + dT + k

mit Nullstellen

α = d 2 ±d2 4 k.

Für d2 4 k < 0 sind dies komplex konjugierte Nullstellen α = β ± γi , wobei β = d 2 und γ = |d2 4 k |. In diesem Fall erhält man somit Lösungen von der Form

e d 2 t (Asin (γt) + Bcos (γt)),

siehe auch folgendes Bild.

PIC

     Figur 8.10: Die ungedämpfte Schwingung links (mit d = 0) und eine gedämpfte Schwingung (mit d > 0 und d2 4 k < 0) rechts.     

Falls die Reibung stark ist und d2 4 k > 0 ist, dann wird die Schwingung zerstört – dies kann mit einem Türschliess-Mechanismus verglichen werden. Die Lösungen sind dann von der Form A e α1 t + B e α2t, wobei α1 = d 2 + d2 4 k < 0 und α2 = d 2 d2 4 k < 0. Es gibt also in diesem Fall zwei potenziell sehr verschiedene Lösungen, die unterschiedlich schnell zum Ruhezustand der Feder (also y = 0) streben.

Der Grenzfall d2 4 k = 0 ist nochmals anders, da wir in diesem Fall bis jetzt nur eine eindimensionale Lösungsmenge bestehend aus allen Vielfachen von y1 = e d 2 t gefunden haben. Mit obiger Anleitung erhält man eine weitere Lösung y2 (t ) = t e d 2 t, die linear unabhängig zu y1 ist (wieso?). In der Tat gilt

2(t) = e d 2 t d 2te d 2 t ÿ2(t) = de d 2 t + t (d2 4 ) e d 2 t

und somit

ÿ2 (t) + d2 (t) + d2 4 y2 (t) = de d 2 t + d2 4 te d 2 t + de d 2 t d2 2 te d 2 t + d2 4 te d 2 t = 0.

für alle t .

Wir wenden uns nun dem inhomogenen Problem zu, wobei wir annehmen wollen, dass die Störfunktion g sich als Summe von Produkten von Polynomen und Exponentialabbildungen (oder auch dem Sinus und Kosinus) schreiben lässt. In diesen Fällen können wir spezifische Ansätze verwenden, um eine erste Lösung der inhomogenen Differentialgleichung

y + a1y + a 0y = g (8.18)

zu finden. Diese Lösung nennen wir auch die partikuläre Lösung ypart . Die allgemeine Lösung (mit zwei unbekannten Konstanten) der inhomogenen Differentialgleichung lässt sich dann auf Grund der Linearität als Summe der allgemeinen Lösung der homogenen Differentialgleichung (mit zwei unbekannten Konstanten) und der partikulären Lösung schreiben. Wir beschreiben das Rezept zur Berechnung der partikulären Lösung, wobei p(T) wiederum das charakteristische Polynom der homogenen Differentialgleichung darstellt:

Falls g(x) = q(x)e αx für ein Polynom q(T) vom Grad n und α mit p(α)0, dann definiert man ypart = Q(x)e αx, wobei Q(T) ein Polynom vom Grad n mit noch zu bestimmenden n + 1 Koeffizienten ist. Nun berechnet man die linke Seite von (8.18) setzt dies gleich g und verwendet diese Gleichung, um die Koeffizienten von Q zu bestimmen.
Falls g(x) = q(x)e αx für ein Polynom q(T) vom Grad n und α mit p(α) = 0, dann wiederholt man obiges Verfahren, allerdings mit dem Ansatz ypart = Q(x)x e αx, wobei die Vielfachheit der Nullstelle α von p(T) angibt.
Falls g als eine Linearkombination von Ausdrücken wie oben dargestellt werden kann, dann können wir obiges Verfahren getrennt anwenden und die jeweiligen partikulären Lösungen der vereinfachten Differentialgleichungen addieren.
Falls α ist und wir an reellwertigen Lösungen einer Differentialgleichung mit reellen Koeffizienten interessiert sind, dann kann man e αx,e α¯x in obigen Diskussionen durch e βx cos (γx), e βxsin (γx) für β, γ mit α = β + γi ersetzen.

Beispiel 8.68 (Partikuläre Lösungen).

Wir betrachten einige Spezialfälle für die obigen Ansätze.

(a)
Zum Beispiel könnten das charakteristische Polynom durch p(T) = (T + 1)(T + 2) und das Störglied durch x g(x) = xexp (x) gegeben sein. In diesem Fall ist der Skalar α = 1 in der Exponentialfunktion des Störglieds keine Nullstelle des charakteristischen Polynoms und wir können den Ansatz ypart = (C1x + C2)exp (x) für noch zu bestimmende Konstanten C1,C2 verwenden.
(b)
Für p(T) = (T + 1)(T + 2) und Störglied x g(x) = xexp (x) muss man allerdings den Ansatz ypart = (C1x2 + C2x)exp (x) für noch zu bestimmende Konstanten C1,C2 verwenden, da 1 sehr wohl eine Nullstelle des charakteristischen Polynoms ist.
(c)
Falls p (T ) = (T + 1)2 und das Störglied durch x g(x) = xexp (x) gegeben ist, so muss man den Ansatz ypart = (C1x3 + C2x2)exp (x) für noch zu bestimmende Konstanten C1,C2 verwenden, da 1 eine doppelte Nullstelle des charakteristischen Polynoms ist.
(d)
Falls p (T ) = T2 + 1 und das Störglied durch x g(x) = xsin (x) gegeben ist, so muss man den Ansatz ypart = (C1x2 + C2x)sin (x) + (C3x2 + C4x)cos (x) für noch zu bestimmende Konstanten C1,C2,C3,C4 verwenden. Dies ergibt sich ebenso aus obigen Fällen, denn sin (x) = 1 2 i (exp (i x) exp (i x)) und beide Skalaren i ,i sind einfache Nullstellen des charakteristischen Polynoms. Deswegen müssen wir den Grad der Polynomfaktoren vor exp (i x) und vor exp (i x) jeweils um 1 erhöhen, was zu den getrennten Ansätzen (D1x2 + D2x)exp (i x) für die partikuläre Lösung für das Störglied 1 2 i xexp (i x) beziehungsweise (D3x2 + D4x)exp (i x) für das Störglied 1 2 i xexp (i x) führt. Wollen wir die Rechnung über die reellen Zahlen ausführen, so betrachten wir stattdessen obigen Ansatz mit Sinus und Kosinus.

Wie bereits erwähnt ergibt sich die allgemeine Lösung einer inhomogenen Differentialgleichung dann als die Summe einer partikulären Lösung und der allgemeinen Lösung der zugehörigen homogenen Differentialgleichung. Falls zusätzlich Anfangsbedingungen in der Form y(x0 ) = y0 und y (x0 ) = y1 bekannt sind, so lässt sich nun die Lösung des Anfangswertproblems mit Hilfe eines Gleichungssystems in den unbekannten Konstanten lösen. Wir erproben dieses Verfahren im folgenden Beispiel.

Beispiel 8.69 (Gedämpfte Schwingung mit periodischer Krafteinwirkung).

Wir verändern die homogene Differentialgleichung

ÿ + d + ky = 0

der gedämpften Schwingung aus Beispiel 8.67, indem wir eine periodische Krafteinwirkung der Form a sin (t) für ein a dem System hinzufügen, wodurch wir die inhomogene Differentialgleichung ÿ+ d + ky = asin (t) erhalten. Wir wollen nun eine Lösung des Anfangswertproblems

ÿ + d + ky = asin (t) y(0) = 0, y(0) = 0

finden, wobei die Anfangsbedingungen der unbewegten Ruhelage am Anfang entspricht.

Die allgemeine Lösung der homogenen Differentialgleichung haben wir bereits in Beispiel 8.67 diskutiert. Wir möchten hier jedoch nur den Fall d2 4 k < 0 besprechen. In diesem Fall ist die allgemeine Lösung

yhom (t) = e d 2 t (Asin (γt) + Bcos (γt)),

wobei γ = |d2 4 k |.

Für die partikuläre Lösung machen wir den Ansatz ypart (t) = Csin (t) + Dcos (t) und erhalten

part = Ccos (t) Dsin (t) ÿpart = Csin (t) Dcos (t).

Wir möchten also C,D so bestimmen, dass

ÿpart + dpart + kypart = (C Dd Ck)sin (t) + (D Cd + Dk)cos (t) = asin (t),

oder nach Vergleich der Koeffizienten (wieso geht das?), dass

( 1 k d d 1 k ) ( C D ) = ( a 0 )

in Matrixschreibweise. Falls die Determinante (1 k)2 + d2 nicht Null ist, sehen wir nach Inversion, dass die Lösung des Gleichungssystems durch

( C D ) = 1 (1 k)2 + d2 ( 1 k d d 1 k ) ( a 0 ) = a (1 k)2 + d2 ( 1 k d )

gegeben ist, wodurch

ypart (t) = a(1 k) (1 k)2 + d2 sin (t) ad (1 k)2 + d2 cos (t).

Wir addieren zu ypart die allgemeine Lösung yhom der homogenen Differentialgleichung, um eine Lösung y zu erhalten. Nun setzen wir t = 0 sowohl in der Lösung y als auch ihrer Ableitung und erhalten gemeinsam mit den Anfangsbedingungen

y(0) = ad (1 k)2 + d2 1 + 1 B 1 = 0 y(0) = a(1 k) (1 k)2 + d2 1 d 2 1 B + 1 A γ = 0.

Somit wählen wir die Konstanten A,B als

B = ad (1 k)2 + d2, A = Bd 2γ + a(1 k) γ((1 k)2 + d2) = a γ((1 k)2 + d2) (d2 2 + (1 k)).

Die Lösung des Anfangswertproblems ist somit gegeben durch

y(t) = ypart (t) + yhom (t) = a(1 k) (1 k)2 + d2 sin (t) ad (1 k)2 + d2 cos (t) + e d 2 t ( a γ((1 k)2 + d2) (d2 2 + (1 k))sin (γt) + ad (1 k)2 + d2 cos (γt)).

Man kann in diesem einfachen Modell bereits einige physikalische Beobachtungen wiedererkennen.

Bei positiver Dämpfung d > 0 strebt die Lösung gegen eine Schwingung mit Frequenz der vorgegebenen Krafteinwirkung. Die Amplitude dieser Schwingung ist durch a (1k)2 +d2 gegeben (siehe die entsprechende Übung in Abschnitt 7.9.2) und hängt also linear von der vorgegeben Amplitude der Krafteinwirkung ab. Sie wird grösser, wenn k nahe bei 1 und d nahe bei 0 ist.
PIC
Bei verschwindender Dämpfung d = 0 ergibt sich eine Lösung, die eine Überlagerung der Eigenschwingung des Systems und der vorgegebenen Schwingung der Krafteinwirkung ist. Falls k 1 nahe bei 1 ist, dann können sich diese Schwingungen manchmal gleichzeitig verstärken und manchmal fast auslöschen, siehe folgendes Bild.
PIC
Bei d = 0 und k = 1 gilt obige Diskussion nicht mehr. In diesem Fall ist eine partikuläre Lösung durch ypart (t ) = a 2tcos (t) gegeben (wieso?) und eine Lösung des Anfangswertproblems durch y (t ) = a 2tcos (t) + a 2 sin (t). Diese Lösung ist also unbeschränkt (unabhängig davon wie klein a 0 auch sein mag). Physikalisch begründet sich dies mit der Tatsache, dass die Krafteinwirkung mit dem System im gleichen Takt ist und die Schwingung (bei Abwesenheit von Reibung) aufschaukelt.
PIC

Die Phänomene in diesem Beispiel werden als Resonanz bezeichnet und können in verschiedenen Situationen beobachtet werden. Zum Beispiel kann sich die Schwingung von einer Saite einer Gitarre auf die gleiche Saite einer anderen Gitarre übertragen, ohne dass diese sich berühren müssen. Denn durch Anzupfen der Saite auf der ersten Gitarre erzeugt man einen Ton, der als Schwingung der Luft in einer gewissen Frequenz definiert werden kann. Diese Schwingung breitet sich aus und übt auf die gleiche Saite der zweiten Gitarre in der richtigen Frequenz eine Kraft aus, die zwar sehr klein ist, aber in der Frequenz mit der Eigenschwingung der Saite der zweiten Gitarre übereinstimmt. Aus diesen Grund beginnt die Saite der zweiten Gitarre sichtbar zu schwingen. (Zur Not kann man dies auch nur mit einer Gitarre beobachten, aber hierzu muss man auf zwei Saiten die gleiche Note greifen.)

Applet 8.70 (Harmonischer Oszillator).

Sie können sowohl die Koeffizienten der Differentialgleichung ÿ+ d + ky = asin t als auch die Anfangsbedingungen y(0) = y0 und (0) = y1 einstellen.

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