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4.7 Integrierbarkeit stetiger Funktionen

Aus Abschnitt 4.6 wissen wir bereits, dass Polynomfunktionen integrierbar sind. In diesem Abschnitt möchten wir nun unter Verwendung der Beschränktheit und der gleichmässigen Stetigkeit stetiger Funktionen auf kompakten Intervallen (Satz 3.69 respektive Satz 3.77) folgendes allgemeines Resultat beweisen.

Satz 4.42 (Stetige Funktionen und das Riemann-Integral).

Eine stetige Funktion auf einem kompakten Intervall [a,b] mit a < b ist Riemann-integrierbar.

Beweis.

Sei f C([a,b]) und 𝜀 > 0. Nach Satz 3.77 ist f gleichmässig stetig und es gibt ein δ > 0, so dass für alle x,y [a,b] gilt

|x y| < δ|f(x) f(y)| < 𝜀. (4.16)

Sei = {a = x0 < x1 < < xn = b} eine Zerlegung von [a,b] mit

max k=1, ,n |xk xk1| < δ.

Zum Beispiel können wir die Zerlegung durch xk = a + k ba n für k = 0, , n und ein hinreichend grosses n definieren. Wir definieren für jedes k {1, ,n} die Zahlen

mk = min f([xk1,xk]) Mk = max f([xk1,xk]),

wobei wir Korollar 3.71 für die Existenz von Minimum und Maximum verwendet haben. Wir behaupten nun, dass für alle k {1, ,n}

Mk mk < 𝜀

gilt. In der Tat ist mk = f(zmin ) und Mk = f(zmax ) für zmin , zmax [xk1,xk]. Da aber xk xk1 < δ ist, haben wir auch |zmin zmax | < δ. Auf Grund der Wahl von δ mit (4.16) erhalten wir also unsere Behauptung Mk mk = f(zmax ) f(zmin ) < 𝜀.

Wir definieren nun Treppenfunktionen u,o durch

u(x) = { mkfalls x [xk1,xk) für k {1, ,n} mnfalls x = b o(x) = { Mkfalls x [xk1,xk) für k {1, ,n} Mnfalls x = b

für x [a, b]. Nach Definition von mk,Mk für k {1, ,n} gilt daher u f o. Des Weiteren ist

ab (o u)d x = k=1n (M k mk) (xk xk1) < 𝜀 k=1n (x k xk1) = 𝜀 (b a).

Da 𝜀 > 0 beliebig war (und b a fix ist), zeigt dies mittels Proposition 4.12, dass f Riemann-integrierbar ist.   

Applet 4.43 (Integrierbarkeit einer „zittrigen“ Funktion).

Wir sehen, dass eine stetige aber zittrige Funktion wie im dargestellten Graphen auch Riemann-integrierbar ist.

Anmerkung.

Was wir auch mitunter sehen können, ist, dass geogebra mit der verwendeten Funktion manchmal Problem hat und manche der dargestellten Untersummen oder Obersummen eigentlich nicht richtig dargestellt und berechnet werden. Unabhängig davon haben wir aber in unserem Beweis schon die Riemann-Integrierbarkeit gesehen, sind also für die gewünschte Aussage nicht auf geogebra angewiesen.

4.7.1 Sandwich mittels stetigen Funktionen

Die folgende Proposition zeigt, dass auch allgemeine Riemann-integrierbare Funktionen einen gewissen Zusammenhang zu dem Begriff der Stetigkeit aufweisen.

Proposition 4.44 (Sandwich-Kriterium mit stetigen Funktionen).

Eine Funktion f ([a,b]) auf einem kompakten Intervall [a,b] mit a < b ist genau dann Riemann-integrierbar, wenn für alle 𝜀 > 0 stetige Funktionen f+,f existieren mit f f f+ und

ab (f + f)d x < 𝜀.

Wir empfehlen Ihnen sich dies geometrisch vorzustellen: f wird von den stetigen Funktionen f und f+ eingezäunt, wobei die Fläche zwischen diesen beiden Funktionen beliebig klein gemacht werden kann.

Beweis.

Angenommen es existieren zu jedem 𝜀 > 0 stetige Funktionen f+ , f wie in der Proposition. Sei 𝜀 > 0 und wähle stetige Funktionen f+ und f mit f f f+ und

ab (f+ f)d x < 𝜀.

Da f+ als stetige Funktion nach Satz 4.42 auch Riemann-integrierbar ist, so existiert eine Treppenfunktion o 𝒯 ([a, b]) mit f+ o und ab (o f+) d x < 𝜀. Genauso existiert u 𝒯([a,b]) mit u f und ab (f u)d x < 𝜀. Zusammenfassend gilt u f f f+ o sowie nach Linearität

ab (o u)d x =ab (o f +) d x +ab (f + f)d x +ab (f u)d x < 3𝜀.

Da 𝜀 > 0 beliebig war, beweist dies mit Hilfe von Proposition 4.12 die erste, einfachere Richtung der Proposition.

Wir beweisen nun die verbleibende Richtung und nehmen dazu zuerst an, dass t eine Treppenfunktion ist. Sei = {a = x0 < x1 < < xn1 < xn = b} eine Zerlegung in Konstanzintervalle für t und seien c1 , ,cn die Konstanzwerte. Wir konstruieren eine stetige Funktion t+ : [a, b] mit t t+ und ab (t+ t)d x < 𝜀. Wenden wir dies auf t an, so lässt sich analog eine stetige Funktion t auf [a, b] mit t f und ab (t t)d x < 𝜀 finden.

Bevor wir eine explizite Definition von t+ angeben, fassen wir die Idee in folgendem Bild zusammen.

PIC

     Figur 4.4: In blau gestrichelt die Treppenfunktion t, in rot eine stetige, stückweise lineare Funktion t+. Für alle x, die nicht in der Nähe eines Punktes von sind, ist t(x) = t+(x). In der Nähe der Punkte von ersetzen wir t durch eine genügend hohe aber „stetige Spitze“, so dass t unter der Spitze liegt. Damit die Definition etwas einfacher ist, wählen wir überall die gleiche „Höhe und Breite“ der Spitze; natürlich ist dies nicht zwingend nötig.     

Sei δ > 0 mit

δ < 1 2min {|xk xk1| : k {1, ,n}}

vorerst beliebig (dies wird die „halbe Breite“ der Spitzen sein). Da t eine Treppenfunktion ist, existeren m = min t([a,b]) und M = max t([a,b]). Zur formalen Definition von t+ verwenden wir die Zerlegung = {a = x0 < < xn = b}, die Konstanzwerte c1, ,cn von t und für alle x [a,b] die Fallunterscheidung

t+ (x) = { M + (ck M ) xxk1 δ falls x [xk1,xk1 + δ) ck falls x [xk1 + δ,xk δ) M + (ck M ) xkx δ falls x [xk δ,xk) M falls  x = b,

wobei k {1, ,n} beliebig ist und die verschiedenen Fälle auf Grund unserer Wahl von δ disjunkt sind. Aus Korollar 3.51 und mehrfacher Anwendung von Übung 3.54 folgt, dass t+ stetig ist. Dank der Definition von m und M ist auch m t t+ M. Weiter gilt für jedes Konstanzintervall (xk1,xk), dass t+ (x) = t(x) = ck für alle x (xk1 , xk) mit Distanz grösser als δ von den Randpunkten xk1,xk. Insbesondere ist

xk1xk (t+ (x) t (x))d x =xk1xk1+δ (t + (x) ck) d x +xkδxk (t+ (x) ck) d x (M m)δ + (M m)δ = 2(M m)δ

und damit

ab (t + (x) t (x))d x k=0nxk1xk (t+ (x) t (x))d x 2 (M m)δn.

Wählen wir nun δ < 𝜀 2(Mm)n, so ist 2(M m)δn < 𝜀. Daher hat die stetige Funktion t+ alle gewünschten Eigenschaften.

Sei nun f eine beliebige Riemann-integrierbare Funkton und sei 𝜀 > 0. Nach Proposition 4.12 existieren Treppenfunktionen u,o 𝒯([a,b]) mit u f o und ab (o u)d x < 𝜀. Seien u , o+ C([a,b]) wie oben konstruiert mit u u, o o+ , ab (u u)d x < 𝜀 und ab (o+ o)d x < 𝜀. Die stetigen Funktionen f = u und f+ = o+ erfüllen damit f f f+ und ab (f+ f)d x < 3𝜀. Da 𝜀 > 0 beliebig war, haben wir damit die zweite Implikation der Proposition gezeigt.   

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