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3.2 Polynome

Definition 3.11 (Polynomfunktionen).

Eine Polynomfunktion auf ist eine Funktion der Form

f : z k=0na kzk

für n 0 und a0 , , an . Die Zahlen a0 , , an heissen die Koeffizienten von f. Das grösste k {0, ,n} mit ak 0 ist der Grad deg (f) der Polynomfunktion f und adeg (f) ist der Leitkoeffizient oder führende Koeffizient von f. Falls kein solches k existiert, das heisst, falls f die Polynomfunktion z 0z0 = 0 ist, so nennt man die Polynomfunktion die Null und setzt den Grad auf . Eine Polynomfunktion der Form z a0z0 für a0 wird auch konstant genannt und kurz mit a0 bezeichnet. Eine Polynomfunktion mit Grad  1 wird affin oder linear genannt. Eine Polynomfunktion der Form z ak zk für k 0 heisst ein Monom. Wir sagen, dass eine Polynomfunktion reell ist, wenn die Koeffizienten reell gewählt werden können. Wir werden eine reelle Polynomfunktion auch mit der zugehörigen Funktion von  nach  identifizieren.

Wir bemerken, dass die Definition (3.2) für die Definition einer Polynomfunktion gewissermassen notwendig ist, denn falls wir z0 bei z = 0 nicht definiert hätten, dann wäre eine Polynomfunktion bei z = 0 nicht definiert.

Polynomfunktionen lassen sich auf natürliche Weise addieren und multiplizieren.

Wichtige Übung 3.12 (Ringstruktur der Polynomfunktionen).

Seien f, g zwei Polynomfunktionen. Wir möchten hier unter anderem zeigen, dass die Summe von f und g definiert durch

f + g : z f(z) + g(z)

und das Produkt

f g : z f(z)g(z)

von f und g wieder Polynomfunktionen sind.

(i)
Angenommen die Koeffizienten von f sind a0 , ,am und die Koeffizient von g sind b0 , ,bn . Setzen Sie aj = 0 für alle j > m und bj = 0 für alle j > n. Zeigen Sie, dass f + g durch
z (f + g) (z) = j=0max {m,n} (a j + bj) zj

gegeben ist und insbesondere wieder eine Polynomfunktion ist.

(ii)
Zeigen Sie, dass f g durch z f g (z) = k=0n+m ( j=0ka jbkj) zk

gegeben ist und insbesondere wieder eine Polynomfunktion ist.

Zeigen Sie damit auch die Ungleichungen

deg (f + g) max {deg (f),deg (g)},deg (f g) = deg (f) + deg (g)

und dass im ersten Fall Gleichheit gilt, falls deg (f) deg (g). Folgern Sie auch, dass der Leitkoeffizient von f g gerade das Produkt der Leitkoeffizienten von f und g ist.

Hinweis.

Für das Produkt ist folgende Umformung nützlich

f(z)g(z) = ( j=0ma jzj ) ( =0nb z ) = j=0m =0na jbzj+ = k=0m+n( j=max {0,km}ka jbkj)zk = k=0m+n( j=0ka jbkj)zk,

wobei wir das Distributivgesetz zweimal angewendet haben um zu der Doppelsumme zu gelangen, in der Doppelsumme k = j + gesetzt haben, die Reihenfolge der Summation vertauscht haben, für ein gegebenes k über den Index j summieren, und aj = 0 für j > m und bj = 0 für j > n verwendet haben.

Wir bemerken, dass die Axiome eines Ringes eine Teilmenge der Axiome eines Körper sind und insbesondere für einen Ring nicht gefordert wird, dass ein multiplikatives Inverses existiert. Für eine präzise Definition verweisen wir auf [SS12] und auf [AE06]. Die ganzen Zahlen und auch die Menge der Polynomfunktionen über  bilden einen Ring. Dies bringt uns zu einer weiteren Definition.

Definition 3.13 (Polynome).

Sei 𝕂 ein beliebiger Körper. Ein Polynom f über 𝕂 ist ein formaler Ausdruck der Form k=0nakTk für n 0 und Koeffizienten a0, ,an 𝕂. Hierbei ist T ein Symbol, das man auch als Variable bezeichnet und das verwendet wird, um die Koeffzienten von einander zu trennen. Wir schreiben auch T1 = T und aT0 = a für alle a 𝕂. Weiter darf ein Summand der Form 0Tk für k 0 aus der Summe entfernt werden. Wir definieren den Polynomring 𝕂[T] als die Menge der Polynome über 𝕂 in der Variablen T mit Addition und Multiplikation gegeben durch die Formeln in Übung 3.12 und verwenden ebenso die Begriffe Grad, Koeffizient, etc. wie in Definition 3.11 für Polynome† Noch formaler ist für jedes n 0 ein Polynom f(T) = k=0nakTk 𝕂[T] mit der endlichen Liste von Koeffizienten (a0, ,an) 𝕂n+1 zu identifizieren, wobei des Weiteren die Identifikation (a0, ,an) = (a0, ,an,0) verwendet wird – siehe die formale Konstruktion in einer Übung im Abschnitt 3.9. Die Schreibweise als Summe ist hübscher und bei weitem natürlicher für die Definition der Multiplikation in 𝕂[T]. .

Sie fragen sich jetzt vielleicht, und zwar mit Recht, was denn der Unterschied zwischen Definition 3.11 und Definition 3.13 sei (abgesehen davon, dass wir in letzterer allgemeinere Körper zugelassen haben und einen anderen Buchstaben für die Variable verwendet haben). In der Tat, jedem Polynom f [T] können wir eine Polynomfunktion z f(z) zuordnen. Diese Zuordnung ist nach Definition des Begriffs Polynomfunktion surjektiv, doch ist nicht klar, ob die Polynomfunktion ihre Koeffizienten eindeutig bestimmt. Insbesondere ist nicht klar, ob es nicht vielleicht zwei Darstellung der gleichen Polynomfunktion mit verschiedenen Koeffizienten gibt und ob nicht vielleicht der Grad der Polynomfunktion von dieser Darstellung abhängt.

Beispiel 3.14 (Polynome auf endlichen Körpern).

Wir betrachten für den Körper 𝔽2 mit zwei Elementen die Polynomfunktionen

f : a 𝔽2a3 + a + 1 𝔽 2,g : a 𝔽21 𝔽2.

Bei 0 𝔽2 gilt f(0) = 1 = g(0) und an der Stelle 1 𝔽2 gilt f(1) = 1 + 1 + 1 = 1 und g(1) = 1. Insbesondere gilt f = g, obwohl f und g nicht durch die gleichen Koeffizienten gegeben sind. Wir unterscheiden die Polynome T3 + T + 1 𝔽2[T] (mit Grad 3) und 1 𝔽2 [T] (mit Grad 0), obwohl die zugehörigen Polynomfunktionen identisch sind (womit es für diese Polynomfunktion keinen wohldefinierten Grad gibt).

Dieses Beispiel zeigt, dass die oben erwähnte Unterscheidung zwischen einer Polynomfunktion und einem Polynom für gewisse Körper notwendig ist. Wir werden hier zeigen, dass für 𝕂 = oder 𝕂 = die Zuordnung zwischen Polynome (welche per Definition eineindeutig einer Liste von Koeffizienten mit wohldefiniertem Grad entsprechen) und der zugehörigen Polynomfunktion bijektiv ist. Wir beweisen dies mittels einer weiteren wichtigen Eigenschaft von Polynomfunktionen.

Proposition 3.15 (Wachstum von Polynomfunktionen und Eindeutigkeit der Koeffizienten).

Sei f(T) [T] ein nicht-konstantes Polynom. Dann gibt es zu jeder positiven reellen Zahl M > 0 eine reelle Zahl R 1, so dass für alle z mit |z| R auch |f(z)| M gilt. Insbesondere ist die Zuordnung, die jedem Polynom f(T) [T] die zugehörige Polynomfunktion z f(z) zuweist, bijektiv. Dies gilt analog ebenso für reelle Polynome f(T) [T] und reelle Polynomfunktionen x f(x) .

Intuitiv formuliert besagt die Proposition, dass ein nicht-konstantes Polynom bei „grossen“ z auch grosse Werte annimmt (gross ist im Absolutbetrag zu verstehen). Auf Grund der zweiten Aussage in obiger Proposition werden wir in der Analysis in Zukunft die Begriffe Polynom und Polynomfunktion nicht mehr unterscheiden und für eine Polynomfunktion f auch f [T] schreiben.

Beweis.

Sei f(T) = anTn + an1Tn1 + + a1T + a0 [T] mit an 0 und n 1. Wir definieren q(T) [T] durch q(T) = an1Tn1 + + a1T + a0, womit f(T) = an Tn + q(T). Nun behaupten wir, dass die Polynomfunktion q(z) „langsamer wächst als“ anzn und schätzen also |q(z)| für z mit |z| 1 nach oben ab:

|q(z)| = |an1zn1 + + a 1z + a0| |an1zn1| + + |a 1z| + |a0| = |an1||zn1| + + |a 1||z| + |a0| (|an1| + + |a1| + |a0|)|z|n1 = A|z|n1,

wobei wir A = |an1| + + |a1| + |a0| gesetzt haben und |z| 1 in der Form |z|k |z|n1 für k {0, ,n 1} verwendet haben. Mit der umgekehrten Dreiecksungleichung (siehe Abschnitt 2.4.2) und f(z) = an zn + q(z) gilt somit

|f(z)||anzn||q(z)| |a n||z|n A|z|n1 = (|an||z| A)|z|n1 |a n||z| A,

falls |an ||z| A 0 oder äquivalenterweise |z| A |an|. Sei nun M > 0 beliebig. Dann wählen wir

R = max {1, A |an|, A + M |an| }.

Falls nun z die Ungleichung |z| R erfüllt, dann gilt |z| 1 und |z | A |an|, wonach obige Ungleichungen ergeben

|f (z)| |an| |z| A |an| A + M |an| A = M,

was die erste Behauptung der Proposition beweist.

Angenommen f1(T),f2(T) [T] sind zwei Polynome, die f1(z) = f2(z) für alle z in erfüllen. Dann hat das Polynom g(T) = f1(T) f2(T) die Eigenschaft, dass g(z) = 0 für alle z gilt. Falls der Grad des Polynoms g(T) grösser gleich Eins ist, widerspricht dies dem ersten Teil der Proposition. Also ist g(T) konstant, womit g(T) = 0 gelten muss und daher sind die Polynome f1(T) und f2 (T) identisch (d.h. sie haben denselben Grad und dieselben Koeffizienten). Diesen Beweis kann man ebenso für reelle Polynome und die zugehörigen Polynomfunktionen von nach durchführen.   

3.2.1 Polynomdivision

Wie wir in Satz 2.31 gesehen haben, existiert auf eine Division von n durch d mit Rest gegeben durch n = qd + r. Dabei ist der Rest r strikt kleiner (bezüglich ) als d. Division mit Rest gibt es auch für Polynome. Hier hat der Rest bei der Divison von f durch d einen kleineren Grad als d. Wir illustrieren dies an einem Beispiel und verschieben die allgemeine Aussage auf die nächste Übung.

Beispiel 3.16.

Seien f, d die durch f(x) = 3x4 2x2 + 5,d(x) = x2 + 1 für alle x gegebenen Polynome. Wir behaupten, dass Polynome q und r existieren, so dass f = q d + r mit deg (r) < deg (d) = 2. Dazu wählen wir zuerst ein Polynom q1 von der Form q1(x) = 3x2 für alle x , denn dann ist der Grad von q d vier und r1 (x) = f(x) q1(x)d(x) = 5x2 + 5 hat einen strikt kleineren Grad als f. Wir wenden das gleiche Prinzip nochmals auf r1 an und betrachten das Polynom q2 gegeben durch q2(x) = 5 für alle x . Dann gilt r1 (x) q2(x)d(x) = 10 für alle x . Insbesondere hat das Polynom r1 q2 d einen strikt kleineren Grad als das Polynom d (nämlich Null); wir setzen somit r = r1 q2 d. Dann gilt

r = r1 q2 d = f q1 d q2 d = f (q1 + q2) d.

Wenn wir q = q1 + q2 setzen, haben wir also f = q d + r mit deg (r) = 0 < 2 = deg (d) wie gewünscht. Im Gymnasium wurde das Vorgehen vielleicht durch folgendes Diagramm dargestellt:

( 3x4 2x2 + 5) : (x2 + 1) = 3x2 5 3x4 3x2̲ 5x2 + 5 5x2 + 5̲ 10

Für uns wird folgende Übung wichtig sein, wobei für konkrete Rechnungen später nicht nur die Existenz der Division mit Rest notwendig sein wird, sondern auch eine gewisse Rechenfertigkeit mit Polynomen und der Division mit Rest (wie in Beispiel 3.16) vorausgesetzt sein wird.

Wichtige Übung 3.17 (Division mit Rest).

Zeigen Sie folgende Version von Division mit Rest: Falls d ein Polynom verschieden von Null ist, dann gibt es für jedes Polynom f zwei eindeutig bestimmte Polynome q,r mit deg (r) < deg (d) und f = q d + r.

Hinweis.

Abgesehen von der Buchführung entspricht der Beweis der Division mit Rest klar dem Algorithmus der Berechnung der Division mit Rest: Man verwendet Induktion nach dem Grad von f und kann den gleichen Trick wie schon in obigem Beispiel für den Induktionsschritt verwenden.

Für zwei Polynome f,d [z] mit d 0 wird die Funktion zf(z) d(z) als eine rationale Funktion bezeichnet, diese hat als natürlichen Definitionsbereich die Menge {z d(z) = 0}. Die Division mit Rest hat für rationale Funktion f(z) d(z) die Bedeutung, dass man letztere in der Form q (z) + r(z) d(z) schreiben kann, wobei der Grad von r aber kleiner als der Grad von d ist. Dies ist nützlich, da das Polynom q(z) und ebenso die rationale Funktion r(z) d(z) oft einfacher zu behandeln sind.

3.2.2 Nullstellen und Interpolation

Beim Betrachten eines expliziten Polynoms (und auch sonst) interessiert man sich oft für sehr spezifische Punkte, die Nullstellen des Polynoms. Eine Nullstelle eines Polynoms f ist eine Zahl z1 mit f(z1 ) = 0. In Abschnitt 2.3 wurde bereits erwähnt, dass nach dem Fundamentalsatz der Algebra jede Gleichung der Form an xn + + a1x + a0 = 0 für a0 , , an mit an 0 und n > 0 eine Lösung über besitzt. Äquivalent dazu ist, dass jedes nicht-konstante Polynom eine Nullstelle hat.

Übung 3.18 (Ein Spezialfall des Fundamentalsatzes der Algebra).

Verwenden Sie die Wurzelfunktion aus Übung 2.11, um zu zeigen, dass jedes Polynom von Grad 1 und jedes reelle Polynom (also mit reellen Koeffizienten) von Grad 2 eine Nullstelle in  besitzt. Geben Sie dabei die Nullstellen explizit an.

An dieser Stelle muss man anmerken, dass der Beweis der allgemeinen Aussage deutlich komplizierter ist. Für einen geschichtlichen Exkurs bezüglich Nullstellen eines Polynoms vom Grad 3 (also kubische Gleichungen) verweisen wir nochmals auf den Podcast der BBC (von der 14. Minute bis zur 21. Minute). Des Weiteren existiert für Polynome von Grad grösser gleich 5 im Allgemeinen keine explizite Formel für die Nullstellen. (Diese letzte Aussage ist Teil der Galois-Theorie, die auch in der Algebra-Vorlesung des 2. Studienjahres des Mathematikstudiums behandelt wird.) In Analogie zu ganzen Zahlen sagen wir, dass ein Polynom d ein Polynom f teilt falls es ein Polynom q gibt mit f = q d. In folgender Übung interessieren wir uns für die Anzahl der Nullstellen.

Wichtige Übung 3.19 (Anzahl Nullstellen eines Polynoms).

Zeigen Sie, für ein beliebiges Polynom f(T) [T] und eine komplexe Zahl z , dass das Polynom T z genau dann f teilt, wenn f bei z eine Nullstelle hat. Schliessen Sie daraus, dass f höchstens n verschiedene Nullstellen in besitzt, falls f nicht gerade gleich Null ist.

Hinweis.

Falls f nicht Null ist und z eine Nullstelle von f ist, dann gibt es nach Division mit Rest ein Polynom f1 von Grad deg (f) 1 und eine Konstante r mit f(T) = f1(T)(T z) + r. Zeigen Sie r = 0 und verwenden Sie Induktion nach n.

In Hinblick auf Übung 3.19 sagen wir auch, dass eine Nullstelle z von f(T) [T] Vielfachheit k hat, falls (T z)k das Polynom f teilt, aber (T z)k+1 das Polynom f nicht teilt.

Wichtige Übung 3.20 (Koeffizientenvergleich).

Sei n 0 und seien f,g zwei Polynome mit Grad kleiner gleich n. Angenommen f und g stimmen auf mehr als n Punkten überein (das heisst, f(z) = g(z) gilt für mehr als n Punkte z ). Zeigen Sie, dass dies f = g impliziert und insbesondere, dass die Grade und Koeffizienten von f und g übereinstimmen.

Hinweis.

Betrachten Sie für die erstere Aussage die Differenz f g und wenden Sie Übung 3.19 an.

Falls n und z1 , , zn verschiedene Punkte und w1 , , wn beliebige Werte sind, dann kann man ein Polynom f(z) [z] finden mit f(zk) = wk für k {1, ,n}. Auf Grund des Koeffizientenvergleich in Übung 3.20 ist dieses auch eindeutig durch diese 2n komplexen Zahlen bestimmt. Das Auffinden eines solchen Polynoms wird auch als Lagrange Polynominterpolation bezeichnet. Unter Verwendung der Summennotation und einer leicht adaptierten Produktnotation können wir dieses Polynom auch konkret durch

f (z) = k=1nw k j=1 jk n(z kzj)1 j=1 jk n (z z j)

angeben (was ohne Verwendung dieser Notation extrem unangenehme Ausdrücke liefern würde). In der Tat können wir für k = 1, ,n die Polynome

qk(z) = j=1 jk n (z z j) pk(z) = qk(zk)1q k (z)

definieren, wobei wir qk (zk) = j=1,jk n (zk zj) 0 für die Definition des Polynoms pk(z) verwendet haben. Setzt man nun die Werte z = z für = 1, ,n in pk ein, so sieht man

pk (z) = { 1  falls  = k, q k(z) = 0 falls k

und damit

f (z) = j=1nw kpk (z) = w.

Für uns werden diese Formeln nicht besonders wichtig sein, doch zeigen sie sehr deutlich den Vorteil der Summen- und Produktnotation auf. Des Weiteren zeigt obige Diskussion, dass für n vorgegebene und paarweise verschiedene Zahlen z1, ,zn die Polynome p1, ,pn eine Basis des Vektorraums {f [z]deg (f) n 1} bilden, die eben bei diesem Interpolationsproblem der eher üblichen Basis 1, z, , zn1 vorzuziehen ist.

Applet 3.21 (Polynominterpolation).

Wir stellen in diesem Applet die Polynom-Interpolation grafisch dar, wobei sie bis zu n = 7 Punkte x1 , x2 , , xn verwenden können, um ein Polynom zu definieren. Nach einigen Experimenten sieht man bereits Nachteile der Polynominterpolation. Wenn man bespielsweise die Werte x1 < x2 nahe an einander wählt aber y1 und y2 nicht so nahe, so ergeben sich schnell grosse Koeffizienten des Interpolationspolynoms, was bespielsweise zwischen x3 und x4 mit x3 < x4 unerwartete Auswirkungen für die Funktionswerte des Polynoms haben kann.

Wir erwähnen noch, dass viele Aussagen (mit Ausnahme des Fundamentalsatzes der Algebra), die wir zuvor für den Körper formuliert haben, auch für reelle Polynome und den Polynomring [x] in analoger Weise richtig sind.

Übung 3.22.

Verallgemeinern Sie in der richtigen Notation die Übungen 3.12, 3.17, 3.19 und 3.20 für einen beliebigen Körper 𝕂.

Bemerkung.

Der Grund, wieso man oft auch den hier erklärten, formalen Standpunkt der Unterscheidung von Polynomfunktionen und Polynomen einnimmt, ist zum einen, dass man damit auch endliche Körper gescheit behandeln kann und zum anderen, dass die formale Herangehensweise geeigneter ist für algebraische Konstruktionen. Wir wollen ein wichtiges Beispiel dazu erwähnen.

Die komplexen Zahlen lassen sich als Äquivalenzklassen von [x] bezüglich der Äquivalenzrelation

f g(x2 + 1) teilt f g

auffassen. In der Tat bezeichnen wir die Äquivalenzklasse von x einfach durch  i und erhalten aus den Definitionen i 2 = 1. In dieser Konstruktion kann man schnell eine Addition und eine Multiplikation auf definieren und erhält die Körperstruktur auf , ohne dass man dabei Kommutativität, Assoziativität, und Distributivität verifizieren müsste, da diese Eigenschaften bereits auf [x] gelten. (Wieso gelten diese auf [x] und wieso gelten diese dann auch für den Quotientenraum? Können Sie den Beweis dieser Eigenschaften auf die Axiome zurückführen? Da wir reelle Polynome und reelle Polynomfunktionen identifizieren dürfen, können wir zum Beispiel argumentieren, dass die Distributivität für Polynome erfüllt ist, da (f + g) h = f h + g h bei jedem Punkt x auf Grund der Distributivität in erfüllt ist. Addition und Multiplikation von Polynome induzieren wohldefinierte Operationen auf dem Quotientenraum, und Identitäten, die für Polynome gelten, gelten dann ebenso für die Elemente im Quotientenraum.) Auf diese Art und Weise kann man viele weitere Körper aus 𝕂[x] für einen Körper 𝕂 erhalten (siehe wiederum die Algebra-Vorlesungen des zweiten Jahres des Mathematik-Studiums).

3.2.3 Algebraische und transzendente Zahlen

Eine Zahl α heisst algebraisch, falls es ein von Null verschiedenes Polynom f [x] gibt mit f(α) = 0. Beispielsweise sind i und 2 algebraisch, denn x2 + 1 hat i als Nullstelle und x2 2 hat 2 als Nullstelle. Des Weiteren ist jede rationale Zahl algebraisch. Die Menge ¯ der algebraischen Zahlen wird auch der algebraische Abschluss von genannt und ist (wie wir hier nicht zeigen wollen) ein Unterkörper von .

Nicht-algebraische Zahlen nennt man transzendent. Interessanterweise sind die meisten Zahlen transzendent, wie die nächste Übung zeigt. Beispiele von transzendenten Zahlen werden wir allerdings erst später angeben können.

Übung 3.23.

Zeigen Sie, dass der Polynomring [x] abzählbar unendlich ist. Schliessen Sie, dass der algebraische Abschluss ¯ von abzählbar unendlich ist.

Hinweis.

Verwenden Sie für Ersteres, dass abzählbar ist und dass abzählbare Vereinigungen und endliche kartesische Produkte von abzählbaren Mengen abzählbar sind. Für Zweiteres können Sie von Übung 3.19 Gebrauch machen.

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Analysis I (Kap. 1-9) Copyright © by Manfred Einsiedler. All Rights Reserved.

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