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3.1 Summen und Produkte

Sei n und seien a1 , , an oder a1 , , an Elemente eines Vektorraums V (wie zum Beispiel d für ein d 1). Wir wollen hier für eine natürliche Zahl n die Summe von a1 bis an , also

j=1na j = a1 + + an,

besprechen und formal korrekt definieren.

Vom formalen Standpunkt her gesehen ist jaj V eine Funktion, (die oft auch durch eine konkrete Formel gegeben sein wird und) deren Definitionsbereich die Menge

{j 1 j n}

enthalten muss. Wir können i=1naj rekursiv definieren durch

j=11a j = a1 und  j=1k+1a j = ( j=1ka j ) + ak+1

für k {1, ,n 1}. Diese Definition entspricht einem einfachen rekursiven Algorithmus, um die Summe i=1naj zu berechnen. Allgemeiner ist die Summe i=mnaj für ganze Zahlen m,n ebenso rekursiv durch

j=mna j = { 0 falls m > n, am falls m = n und ( j=mn1aj ) + anfalls m < n

definiert. Wir werden aj als die Summanden und j als den Index der Summe j=1naj bezeichnen.

Falls nun m,n ganze Zahlen und am , , an sind, dann können wir auch das Produkt j=mnaj von am bis an rekursiv durch

j=mna j = { 1 falls m > n, am falls m = n und ( j=mn1aj ) anfalls m < n

definieren. Wir werden aj als die Faktoren und j als den Index des Produkts j=mnaj bezeichnen.

Der Index j in der Summe j=1naj oder dem Produkt j=1naj hat ausserhalb der Summe oder dem Produkt keinerlei Bedeutung; er ist sozusagen eine interne Variable für das rekursive Teilprogramm und wird von einem Programm, welches das Teilprogramm aufruft, nicht gesehen. Insbesondere gilt

j=mna j = k=mna k = =mna

und analog für das Produkt. Manchmal werden wir auch eine Indexverschiebung anwenden, wie zum Beispiel in

j=mna j = k=m1n1a k+1 = =m+1n+1a 1. (3.1)

Dies lässt sich direkt mittels vollständiger Induktion beweisen (siehe die folgende Übung), doch wollen wir bemerken, dass es leicht ist, sich diese Formeln zu merken. Statt diese auswendig zu lernen, überprüfen Sie einfach bei Auftreten von Indexverschiebungen dieser Form bei beiden Summen, ob jeweils diesselben Ausdrücke für den ersten und den letzten Summanden auftreten.

Übung 3.1 (Indexverschiebung).

Beweisen Sie Gleichung (3.1) und eine analoge Formel für das Produkt mittels vollständiger Induktion.

Hinweis.

Bei dem Induktionsbeweis bezüglich der Variable n m werden Sie feststellen, dass man genau die Eigenschaften in obiger Merkregel verwendet: Für den Induktionsanfang n = m müssen die ersten Summanden übereinstimmen. Für den Induktionsschritt von n nach n + 1 müssen die zusätzlichen (also die letzten) Summanden übereinstimmen.

Der einfachste Fall einer Funktion jaj ist der Fall der konstanten Funktion aj = z für ein z und für alle j. In diesem Fall ergibt sich die Summe zu  j=1nz = nz für alle n und z (oder z in einem Vektorraum). Im Falle des Produkts erhalten wir aber die Definition der Potenzfunktion für z und n

zn = j=1nz,

die somit rekursiv durch

z1 = z und zn+1 = znz

für alle n definiert ist. Wir nennen z die Basis und n den Exponenten. Wir erweitern diese Definition durch

z0 = 1 (3.2)

für alle z (insbesondere† Da z z0 die konstante Funktion mit Wert 1 darstellt, wäre es sehr eigenartig (und im nächsten Abschnitt bei der Diskussion von Polynomen extrem störend), wenn wir diese Funktion für z = 0 undefiniert lassen oder mit einem anderen Wert versehen. Trotzdem ist der Ausdruck 00 undefiniert, wenn dieser losgelöst von der Diskussion der Potenzfunktion z zn für n = 0 auftritt. für z = 0) und

zn = (zn)1

für alle z × := {0} und n . Die nächste Übung zeigt, dass die so definierte Potenzfunktion die üblichen Rechenregeln erfüllt.

Wichtige Übung 3.2.

Beweisen Sie (zw)m = zmwm, zm+n = zm zn und (zm )n = zmn zuerst für alle z, w und m, n 0 mit vollständiger Induktion und dann für alle z,w × und m, n .

Teillösung.

Wir beweisen (zw)m = zmwm für alle z, w und m 0 mittels Induktion nach m. Für m = 0 ergibt sich 1 = 1 1 nach Definition. Angenommen die Aussage gilt bereits für ein m 0 , dann gilt ebenso

(zw)m+1 = (zw)m(zw) = zmwmzw = zm+1wm+1.

Dies beweist den Induktionsschritt und damit die gewünschte Aussage.

Bemerkung.

Formal gesehen sollten wir auch alle weiteren Rechenregeln in diesem Abschnitt mit vollständiger Induktion beweisen. Da uns diese Beweise aber sehr wenig lehren, werden wir darauf verzichten.

3.1.1 Rechenregeln für die Summe

Die Summe erfüllt für gegebene ganze Zahlen m, n mit m n die Gleichungen

k=mn(a k + bk) = k=mna k + k=mnb k

und

k=mn(ca k) = c k=mna k,

wobei am , ,an, bm , , bn in einem reellen (respektive komplexen) Vektorraum V liegen und c (respektive c ) ein Skalar ist. (Die erste Eigenschaft ist eine Mischung aus Assoziativgesetz und Kommutativgesetz für die Addition, und die zweite Eigenschaft ist eine Verallgemeinerung des Distributivgesetzes.)

Diese beiden Eigenschaften (die Summe wird auf die Summe und das skalare Vielfache auf das skalare Vielfache abgebildet) werden auch als Linearität der Abbildung  bezeichnet, wobei  auf dem Vektorraum V {m, ,n} der Funktionen von {m, ,n} nach V definiert ist, den Vektorraum V als Zielbereich besitzt, und (am, ,an) V {m, ,n} auf  k=mnak abbildet. Wie der Name sagt, wird Linearität ausführlicher in der Linearen Algebra besprochen. Es handelt sich dabei aber auch um eine wichtige Eigenschaft für die Analysis, welche also häufig auftreten.

Des Weiteren gilt die Formel für die Teleskopsumme

k=mn(a k+1 ak) = (am+1 am) + (am+2 am+1) + + (an an1) + (an+1 an) = an+1 am

wobei am , ,an+1 in einem reellen oder einem komplexen Vektorraum liegen. Formaler argumentiert gilt

k=mn(a k+1 ak) = k=mna k+1 k=mna k = j=m+1n+1a j k=mna k = (an+1 + j=m+1na j ) (am + k=m+1na k ) = an+1 am

wie bereits behauptet. Die Formel für die Teleskopsumme lässt sich zur Abel-Summationsformel verallgemeinern, welche überraschend viele Anwendungen in der Analysis und Zahlentheorie findet.

Übung 3.3 (Abel-Summation).

Seien a1 , ,an,b1, ,bn . Wir setzen Ak = j=1kaj für k 0 mit k n. Zeigen Sie die Abel-Summationsformel

k=1na kbk = Anbn + k=1n1A k (bk bk+1) .

Verwenden Sie dazu die Gleichung ak = Ak Ak1 für alle k mit k n. Wenden Sie des Weiteren die Abel-Summation auf die Summe k=12n(1)k k an.

Lösung.

Wir bemerken zuerst, dass ak = Ak Ak1 für alle k mit k n auf Grund von A0 = 0 und der rekursiven Definition der Summe Ak = j=1kaj gilt. Nun gehen wir wie vorgeschlagen vor und erhalten

k=1na kbk = k=1n(A k Ak1)bk = k=1nA kbk j=0n1A jbj+1 = Anbn + k=1n1A k(bk bk+1),

wobei wir die Linearität der Summe, die Rekursionsformel der Summe und Indexverschiebung verwendet haben.

In dem Spezialfall ak = (1)k für 1 k 2n ergibt sich (mittels vollständiger Induktion), dass Ak = 0 für alle geraden k 2n, insbesondere A2n = 0, und Ak = 1 für alle ungeraden k 2n. Da die ungeraden ganzen Zahlen k mit 1 k 2n genau die Form k = 2 1 für = 1, ,n haben, erhalten wir daraus

k=12nb k = =1n (b 21 b2) .

Also entspricht die Abel-Summation in diesem Fall einer Zusammenfassung von jeweils zwei benachbarten Summanden. Falls bk = 1 k für 1 k 2n, können wir noch b21 b2 = 1 2(21) in diese Formel einsetzen.

Anstelle der Dreiecksungleichung werden wir oft auch folgende verallgemeinerte Dreiecksungleichung für Summen verwenden.

Wichtige Übung 3.4 (Verallgemeinerte Dreiecksungleichung).

Zeigen Sie, dass für alle Zahlen a1, ,an die Ungleichung

| i=1na i | i=1n|a i|.

gilt.

Hinweis.

Wenden Sie Induktion nach n an und verwenden Sie die reguläre Dreiecksungleichung und die rekursive Definition der Summe für den Induktionsschritt.

Manchmal wollen wir in einer Summe einen gewissen Summanden getrennt betrachten und dazu die Summe aufteilen. Dies kann dann zum Beispiel für 1 k n die Form

j=1na j = j=1ka j + j=k+1na j = j=1k1a j + ak + j=k+1na j

annehmen. In dem Spezialfall k = 1 sollte dies aber mit a1 + j=2naj und in dem Spezialfall k = n mit  j=1n1aj + an übereinstimmen, was auf Grund unserer Definitionen  j=10aj = 0 und  j=n+1naj = 0 in der Tat gilt. (Der formale Beweis erfolgt wiederum mit Induktion nach n k.)

3.1.2 Rechenregeln für das Produkt

Für ganze Zahlen m n und am , , an,bm, ,bn gilt

k=mn(a kbk) = ( k=mna k ) ( k=mnb k ).

Insbesondere ist für alle c

k=mn(ca k) = cnm+1 ( k=mna k ).

Des Weiteren gilt für alle am, ,an {0} die Formel für das Teleskopprodukt

k=mnak+1 ak = ( k=mna k+1 ) ( k=mn 1 ak ) = ( k=m+1n+1a k ) ( k=mn 1 ak ) = an+1 ( k=m+1na k ) ( k=m+1n 1 ak ) 1 am = an+1 am .

Lemma 3.5 (Bernoulli’sche Ungleichung).

Für alle reellen Zahlen a 1 und n 0 gilt (1 + a)n 1 + na.

Beweis.

Wir verwenden vollständige Induktion. Für n = 0 haben wir (1 + a)n = 1 = 1 + na. Angenommen die Ungleichung (1 + a)n 1 + na gilt für ein n 0. Nach Annahme an a ist a 1, was in Kombination mit der Annahme an n

(1 + a)n+1 = (1 + a)n(1 + a) (1 + na)(1 + a) = 1 + na + a + na2 1 + (n + 1)a

ergibt und damit den Induktionsschritt zeigt. Das Lemma folgt.   

Übung 3.6 (Archimedisches Prinzip für Potenzen).

Verwenden Sie die Bernoulli’sche Ungleichung und das Archimedische Prinzip (Satz 2.68), um folgende Aussage zu beweisen. Für alle x,y mit x > 1 existiert ein n 0, so dass xn y.

Lösung.

Sei a = x 1 > 0. Dann gilt xn = (1 + a)n na auf Grund der Bernoulli’schen Ungleichung. Auf Grund des Archimedischen Prinzip hat keine obere Schranke in . Daher und wegen a > 0 existiert für jedes y ein n mit na > y. Zusammen erhalten wir daraus xn > y.

Übung 3.7 (Zifferndarstellungen natürlicher Zahlen).

Sei q eine natürliche Zahl. Zeigen Sie, dass sich jede natürliche Zahl m als Summe der Form m = k=0akqk schreiben lässt wobei 0 und die Koeffizienten a0, ,a 0 [0,q 1]. Diese Aussage kennen Sie schon für q = 10 wegen der Dezimaldarstellung natürlicher Zahlen und vielleicht auch für q = 2 wegen der Binärdarstellung. Für ein allgemeines q spricht man auch von der q-nären Darstellung.

Hinweis.

Nach Übung 3.6 existiert für alle m ein mit m < q . Sei nun A() die Aussage, dass sich jede natürliche Zahl m mit q m < q+1 in der gewünschten Form schreiben lässt. Verwenden Sie vollständige Induktion über 0 und Division mit Rest für den Induktionsschritt.

3.1.3 Die geometrische Summe

In diesem kurzen Abschnitt möchten wir folgende, vermutlich schon bekannte und für uns später sehr wichtige Formel beweisen.

Proposition 3.8 (Geometrische Summenformel).

Sei n 0 und q . Dann gilt

k=0nqk = { n + 1 falls q = 1 qn+11 q1 falls q1 .

Der direkte (aber sicher nicht eleganteste) Beweis verwendet vollständige Induktion:

Beweis.

Für q = 1 ist qk = 1 für alle k 0 und die Aussage folgt aus den Eigenschaften der Summe. Sei nun q 1. Für n = 0 gilt k=00qk = q0 = 1 = q1 q1, was also den Induktionsanfang zeigt. Angenommen die Formel in der Proposition gilt bereits für n. Dann ist

k=0n+1qk = k=0nqk + qn+1 = qn+1 1 q 1 + qn+1 = qn+1 1 q 1 + qn+2 qn+1 q 1 = qn+2 1 q 1 ,

womit der Induktionsschritt gezeigt ist und die Proposition folgt.   

Wir laden Sie dazu ein, in folgender Übung einen eleganteren Beweis zu finden.

Übung 3.9 (Geometrische Summenformel).

Verwenden Sie eine Teleskopsumme um die geometrische Summenformel (Proposition 3.8) für q 1 zu beweisen.

Hinweis.

Multiplizieren Sie k=0nqk mit q 1.

Übung 3.10 (Eindeutigkeit der Ziffernentwickung natürlicher Zahlen).

Zeigen Sie, dass die q-näre Darstellung einer natürlichen Zahl in Übung 3.7 eindeutig bestimmt ist. Das heisst, für jedes m mit m = k=0akqk und a 0 sind 0 und die Koeffizienten a0, ,a 0 [0,q 1] eindeutig durch m bestimmt.

Hinweis.

Zeigen Sie zuerst für b0, ,b mit |bk | < q für k = 1, , die Abschätzung | k=0bkqk| < q+1. Nehmen Sie indirekt an, dass es eine natürliche Zahl m mit zwei Darstellungen gibt und wählen Sie eine minimale derartige Zahl. Sei nun m = k=0akqk = k=0 akqk zwei Darstellungen von m. Auf Grund der Minimalität von m muss gelten, doch auf Grund der Abschätzung kann dies zu einem Widerspruch geführt werden.

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Analysis I (Kap. 1-9) Copyright © by Manfred Einsiedler. All Rights Reserved.

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