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6.2 Cauchy-Folgen

Wir führen eine weitere Eigenschaft von Folgen ein.

Definition 6.22 (Cauchy-Folge).

Eine Folge (an)n in einem metrischen Raum (X,d ) ist eine Cauchy-Folge, falls es für jedes 𝜀 > 0 ein N gibt, so dass

d (am,an) < 𝜀

für alle m, n N.

Intuitiv ausgedrückt ist eine Cauchy-Folge also eine Folge, deren Folgenglieder für grosse Indizes immer näher beieinanderliegen. In dieser Formulierung macht die Aussage folgender Übung Sinn.

Wichtige Übung 6.23 (Konvergente Folgen sind Cauchy-Folgen).

Zeigen Sie, dass eine konvergente Folge in einem metrischen Raum eine Cauchy-Folge ist.

Hinweis.

Verwenden Sie für ein gegebenes 𝜀 > 0 die Definition des Grenzwerts zu 𝜀 2 und die Dreiecksungleichung.

Ein Ziel dieses Kapitels ist die Umkehrung für reelle Cauchy-Folgen zu zeigen, also dass jede Cauchy-Folge selbst bereits einen Grenzwert besitzt. Dies ist nützlich, da wir für den Beweis der Konvergenz nach Definition eigentlich den Grenzwert bereits kennen müssen. Wollen wir hingegen zeigen, dass eine Folge eine Cauchy-Folge ist, so müssen wir nur die Folgenglieder der Folge betrachten. Damit werden wir im nächsten Kapitel viele neue Zahlen und Funktionen definieren können.† Falls wir den Grenzwert für die Konstruktion dieser Funktionen bereits kennen müssten, so könnten wir ja damit keine neuen Funktionen definieren.

Um Konvergenz einer Cauchy-Folge zu zeigen, kann man folgendes nützliches Kriterium verwenden.

Wichtige Übung 6.24 (Konvergente Teilfolgen von Cauchy-Folgen).

Zeigen Sie, dass eine Cauchy-Folge genau dann konvergiert, wenn sie eine konvergente Teilfolge besitzt.

Im Sinne dieses Kapitels werden wir uns hier auf Cauchy-Folgen in den reellen Zahlen konzentrieren. Im zweiten Semester werden wir wieder auf Cauchy-Folgen in allgemeinen metrischen Räumen zu sprechen kommen. Wir bemerken noch, dass sich Cauchy-Folgen in mittels dem Inhalt dieses Kapitels und folgender Übung verstehen lassen.

Übung 6.25.

Sei (an )n eine Folge in . Dann ist (an)n genau dann eine Cauchy-Folge, wenn (Re (an))n und (Im (an ))n Cauchy-Folgen sind.

6.2.1 Reelle Cauchy-Folgen

Wie angekündigt, konzentrieren wir uns auf reelle Cauchy-Folgen und beweisen folgenden Satz.

Satz 6.26 (Cauchy-Kriterium für Folgen).

Eine reelle Folge ist genau dann konvergent, wenn sie eine Cauchy-Folge ist.

Wie erwähnt, hat der Begriff der Cauchy-Folge gemeinsam mit Satz 6.26 haben gegenüber der Definition der Konvergenz den entscheidenden Vorteil, dass wir den Grenzwert nicht kennen müssen, um zu zeigen, dass eine Folge eine Cauchy-Folge ist (und damit nach Satz 6.26 einen Grenzwert besitzt). Des Weiteren hat Satz 6.26 gegenüber Satz 6.5 den Vorteil, dass er nicht nur für spezielle Folgen anwendbar ist.

Beweis.

Angenommen (an)n ist eine reelle Folge mit an A für n . Sei 𝜀 > 0. Dann existiert ein N , so dass für alle n N gilt |an A| < 𝜀 2. Für m, n N gilt somit auch

|am an||am A| + |A an| < 𝜀 2 + 𝜀 2 = 𝜀.

Dies beweist, dass (an)n eine Cauchy-Folge ist.

Sei nun umgekehrt (an)n eine Cauchy-Folge. Für 𝜀 = 1 existiert dann ein N , so dass |am an| < 1 für m, n N. Insbesondere gilt also

|an||an aN| + |aN| < 1 + |aN|

für alle n N. Daher ist (an)n eine beschränkte Folge (wieso? – siehe auch den Beweis von Lemma 5.27). Des Weiteren existiert nach Annahme für jedes 𝜀 > 0 ein N , so dass |am an| < 𝜀 für alle m, n N. Wir setzen m = N und erhalten

am 𝜀 < an < am + 𝜀.

Wir betrachten nun Limes Inferior und Limes Superior der Folge (welche ja nach Satz 6.15 Grenzwerte konvergenter Teilfolgen sind) und erhalten

am 𝜀 liminf nan limsup nan am + 𝜀.

Insbesondere gilt |liminf nan limsup nan| 2𝜀. Da aber 𝜀 > 0 beliebig war, erhalten wir Gleichheit von Limes Superior und Limes Inferior und daher Konvergenz der Folge nach Korollar 6.14.   

Beispiel 6.27 (Falsches Kriterium).

Sei (an )n eine reelle Folge. Wir behaupten, dass die Bedingung

𝜀 > 0 N n N : |an an+1| < 𝜀

nicht zur Konvergenz der Folge äquivalent ist.

Wir setzen 1,2,2,2 + 1 2,3,3 + 1 3,3 + 2 3,4,4,4 + 1 4,4 + 2 4,4 + 3 4,5,5, zu einer Folge fort, in dem wir alle rationalen Zahlen zwischen und + 1 mit Nenner für aufsteigend auflisten. Falls an an+1 + 1 für n , dann haben an und an+1 höchstens Abstand 1 . Dies zeigt, dass lim n |an+1 an| = 0, aber (an )n ist trotzdem nicht beschränkt und insbesondere nicht konvergent.

Die Aussage von Satz 6.26 ist fundamental für die Analysis und ist das, was man in einem allgemeineren Kontext unter Vollständigkeit der reellen Zahlen versteht (siehe auch Kapitel ?? vom zweiten Semester). In anderen Worten ist Satz 6.26 zum Vollständigkeitsaxiom äquivalent im Sinne der folgenden Übung.

Übung 6.28 (Vollständigkeit der reellen Zahlen).

Wir möchten hier erklären, wie aus dem Archimedischen Prinzip und der Aussage von Satz 6.26 das Vollständigkeitsaxiom folgt. Genauer sei ein geordneter Körper, der als dichte Teilmenge enthält (im Sinne von Korollar 2.70) und in dem alle Cauchy-Folgen konvergent sind. Zeigen Sie, dass das Vollständigkeitsaxiom erfüllt.

Hinweis.

Seien X,Y zwei nicht-leere Teilmengen von mit x y für alle x X und y Y . Beginnen Sie mit zwei Punkten x0 X und y0 Y , betrachten Sie den Punkt x0+y0 2 und unterscheiden Sie die Fälle

(a)
Es gibt ein x X mit x > x0 +y0 2 .
(b)
Es gibt ein y Y mit y < x0 +y0 2 .
(c)
Weder (a) noch (b) treffen zu.

Fahren Sie je nach Fall verschieden fort.

6.2.2 Ein Diagramm für die Zusammenhänge der Begriffe und Sätze

Wir fassen obiges Wissen über reelle Folgen in folgendem Diagramm zusammen und empfehlen Ihnen sich zu überlegen, was genau die einzelnen Pfeile bedeuten und welche Sätze sie andeuten.

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     Figur 6.2: Einige wichtige Eigenschaften von reellen Folgen und wichtige Sätze, die diese Eigenschaften in Verbindung bringen.     

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Analysis I (Kap. 1-9) Copyright © by Manfred Einsiedler. All Rights Reserved.

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