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6.1 Reelle Folgen

Wie wir in Korollar 5.45 gesehen haben, lässt sich die Konvergenz von komplexwertigen Folgen auf die Konvergenz von reellwertigen Folgen zurückführen. Unter anderem deswegen möchten wir nun reelle Folgen (also Folgen in ) genauer betrachten und beginnen damit, das Verhalten von Ungleichungen bei Konvergenz zu untersuchen.

Proposition 6.1 (Grenzwerte und Ungleichungen).

Seien (an) n, (bn) n reelle Folgen mit Grenzwerten a = lim nan,b = lim nbn.

(i)
Falls an bn für alle n , dann gilt auch a b.
(ii)
Falls a < b, dann existiert ein N , so dass an < bn für alle n N.

Wir möchten noch kurz anmerken, dass die Annahme der strikten Ungleichung in (i) nicht a < b impliziert. In der Tat gilt für die beiden reellen Folgen (an)n,(bn)n mit an = 0 < bn = 1 n, dass die Grenzwerte lim nan = lim nbn = 0 übereinstimmen.

Beweis.

Wir beginnen mit der zweiten Behauptung. Angenommen a < b, dann ist 𝜀 = ba 2 > 0 und es existiert ein N (definiert als ein Maximum), so dass

n N a 𝜀 < an < a + 𝜀 n N b 𝜀 < bn < b + 𝜀

Da aber a + 𝜀 = b 𝜀 nach Wahl von 𝜀, ergibt sich an < a + 𝜀 = b 𝜀 < bn für alle n N.

Dies beweist auch die erste Behauptung. Denn falls a > b wäre, dann gäbe es nach obigem Folgenglieder an,bn mit an > bn .   

Sie sollten sich ein Bild zu obigem Beweis überlegen, da das Bild es deutlich einfacher machen sollte, sich diesen Beweis (oder auch ähnliche Beweise) zu merken. Wir können Ungleichungen zwischen verschiedenen Folgen auch dazu verwenden, Konvergenz zu zeigen.

Lemma 6.2 (Sandwich).

Es seien (an)n,(bn)n,(cn)n drei reelle Folgen, so dass an bn cn für alle n gilt. Angenommen (an)n und (cn )n sind konvergent und A = lim nan = lim ncn. Dann ist auch die Folge (bn)n konvergent und A = lim nbn.

Wichtige Übung 6.3.

Beweisen Sie Lemma 6.2.

Hinweis.

Verwenden Sie, dass |bn A| < 𝜀 zu A 𝜀 < bn < A + 𝜀 äquivalent ist.

Lemma 6.2 ist sehr nützlich um Konvergenz spezifischer Folgen zu zeigen, wie wir in folgendem Beispiel illustrieren wollen.

Beispiel 6.4 (Anwendungen von Lemma 6.2).

(i)
Wir wissen bereits, dass lim n1 n = 0 = lim n1 n . Für jedes n gilt jedoch 1 n (1)n n 1 n und somit haben wir auch lim n(1)n n = 0.
(ii)
Für eine beliebige Zahl a > 0 definieren wir die Folge (an)n durch an = an = a1 n . Wir behaupten, dass lim nan = 1.

Angenommen a > 1. Wir definieren bn = an 1 0 für n und wollen zeigen, dass die Folge (bn)n gegen Null konvergiert. Es gilt

a = (1 + bn)n 1 + nb n nbn

nach der Bernoulli-Ungleichung (Lemma 3.5). Daher ist 0 bn a n für alle n , womit lim nbn = 0 nach Lemma 6.2 und damit lim nan = lim nbn + 1 = 1 nach Proposition 5.30.

Der Fall a (0,1) folgt auch aus obigem, denn nach Proposition 5.30 ist

lim nan = lim n 1 a1n = 1 lim na1n = 1.
(iii)
Wir behaupten des Weiteren, dass lim nnn = 1

und argumentieren dafür ähnlich, verwenden aber statt der Bernoulli-Ungleichung den Binomialsatz (Satz 3.28). Definiere bn = nn 1 0, so dass

n = (1 + bn)n = k=0nn kbnk n 2bn2 = n(n 1) 2 bn2

für alle n 2. Wir dividieren durch n(n1) 2 und erhalten

0 bn 2 n 1

für alle n 2. Da die Wurzelfunktion nach dem Umkehrsatz (Satz 3.64) stetig ist, konvergiert nach Proposition 5.50 die Folge ( 2 n)n gegen Null. Verwenden wir nun die Indexverschiebung (Lemma 5.25) und das Sandwich-Lemma (Lemma 6.2) so erhalten wir lim nbn = 0 und unsere Behauptung folgt.

6.1.1 Monotone Folgen

Für monotone Folgen gibt es folgendes hinreichendes und notwendiges Kriterium, das den Nachweis von Konvergenz deutlich vereinfacht. Dies bringt das erste Mal das Vollständigkeitsaxiom in Beziehung zur Konvergenz einer Folge.

Satz 6.5 (Konvergenz von monotonen Folgen).

Eine monotone reelle Folge (an)n konvergiert genau dann, wenn sie beschränkt ist. Falls die Folge (an )n monoton wachsend ist, gilt

lim nan = sup {ann } .

Falls die Folge (an)n monoton fallend ist, gilt

lim nan = inf {ann } .

Wir illustrieren den Satz an einem Bild.

PIC

     Figur 6.1: Die (durch M > 0) beschränkte, monoton wachsende Folge (an)n im Bild hat keine andere Wahl als gegen das Supremum S der Folgenglieder zu konvergieren. Wenn Sie sich an die charakterisierenden Eigenschaften des Supremums erinnern (was wir Ihnen empfehlen), dann können Sie den Beweis vielleicht schon selbst durchführen.     

Beweis.

Falls (an)n konvergent ist, ist (an )n beschränkt nach Lemma 5.27. Sei also (an)n eine beschränkte, reelle Folge. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, dass (an )n monoton wachsend ist (sonst ersetzen wir einfach (an)n durch (an )n). Sei a = sup {ann }. Dann existiert nach der Charakterisierung des Supremums in Satz 2.59 für jedes 𝜀 > 0 ein N mit aN > a 𝜀. Für n N folgt damit aus der Monotonie von (an)n, dass

a 𝜀 < aN an a < a + 𝜀,

was zu zeigen war.   

Übung 6.6 (Eine rekursiv definierte konvergente Folge).

Sei (an )n die durch

a1 = 1,an+1 = 2 3 (an + 1 an )

für n 1 rekursiv definierte Folge. Zeigen Sie, dass (an)n konvergiert und bestimmen Sie den Grenzwert.

Hinweis.

Finden Sie zuerst unter Betrachtung der Rekursionsformel einen Kandidaten für den Grenzwert.

Übung 6.7 (Gegengerichtete Folgen).

Sei (an )n eine monoton wachsende, reelle Folge und (bn)n eine monoton fallende, reelle Folge mit an bn für alle n . Zeigen Sie, dass beide Folgen konvergieren und dass lim nan lim nbn gilt.

Hinweis.

Verwenden Sie den Beweis vom Intervallschachtelungsprinzip (Satz 2.77).

6.1.2 Limes superior und Limes inferior

Wir bringen nochmals das Vollständigkeitsaxiom (in der Form der Existenz des Supremums – Satz 2.59) in die Diskussion ein, aber betrachten im Gegensatz zum letzten Teilabschnitt eine allgemeine beschränkte reelle Folge (an)n. Wir bemerken, dass für die Definition der Konvergenz der Folge (an )n die sogenannten Endabschnitte (ak)k=n der Folge (formal definiert durch die Einschränkung von k ak auf {k k n}) eine entscheidende Rolle spielen. Deswegen definieren wir für jedes n das Supremum

Sn = sup {akk n}

über den Endabschnitt  {akk n} der Folge. Wir schreiben diese Definition auch in der Kurzform

Sn = sup knak.

Da {ak k n + 1} {akk n} ist, folgt (siehe die Bemerkung direkt nach Satz 4.19), dass Sn+1 Sn . Die Folge (Sn )n ist also monoton fallend. Da (an )n nach Annahme beschränkt ist, existiert ein M > 0 mit |ak | M für alle k . Dies impliziert für alle n , dass Sn M, da M eine obere Schranke von {akk n} ist, und dass Sn M, da Sn an M. Unter dem Strich ist (Sn)n also eine monoton fallende, beschränkte Folge und muss daher nach Satz 6.5 gegen das Infimum der Folge konvergieren.

Definition 6.8 (Limes superior).

Für eine beschränkte reelle Folge (an)n ist der Limes superior definiert durch

lim ¯n an = limsup nan = lim n (sup knak) = inf n (sup knak) .

Es ergibt sich beispielsweise für die Folge (an)n gegeben durch an = (1)n für n unmittelbar Sn = 1 für alle n und somit limsup n(1)n = 1.

Sei (an )n eine beschränkte, reelle Folge. Analog zu obiger Diskussion definiert In = inf knak für n eine monoton wachsende, beschränkte Folge (In)n, die nach Satz 6.5 gegen sup nIn konvergiert.

Definition 6.9 (Limes inferior).

Für eine beschränkte, reelle Folge (an)n ist der Limes inferior definiert durch

lim ̲n an = liminf nan = lim n (inf knak) = sup n (inf knak) .

Wie zuvor erhält man beispielsweise liminf n(1)n = 1. Wir wollen die Begriffe Limes superior und Limes inferior an einem konkreten Zahlenbeispiel erproben.

Beispiel 6.10.

Sei (an )n die reelle Folge definiert durch an = (1)n + 1 n für n . Wir stellen an , Sn = sup knak,In = inf knak in folgender Tabelle dar.

n12345678










an 1 + 1 11 + 1 2 1 + 1 31 + 1 4 1 + 1 51 + 1 6 1 + 1 71 + 1 8










Sn 1 + 1 21 + 1 21 + 1 41 + 1 41 + 1 61 + 1 61 + 1 81 + 1 8










In 1 1 1 1 1 1 1 1

Man beachte dabei, dass Sn = an ist, wenn n gerade ist und sonst Sn = an+1. Daher ist limsup n((1)n + 1 n) = lim n((1)2n + 1 2n) = 1. Weiters ist wegen lim na2n+1 = 1 das Infimum In = 1 für alle n (wieso?), womit liminf n((1)n + 1 n) = 1.

PIC

Satz 6.11 (Eigenschaften des Limes superior).

Für eine reelle, beschränkte Folge (an)n erfüllt der Limes superior limsup nan die folgenden Eigenschaften:

Für alle 𝜀 > 0 gibt es nur endlich viele Folgenglieder an mit an > limsup nan + 𝜀.
Für alle 𝜀 > 0 gibt es unendlich viele Folgenglieder an mit an > limsup nan 𝜀.

Intuitiv bleibt die Folge also nicht lange weit über dem Limes superior und nähert sich immer wieder dem Limes superior. Wir empfehlen Ihnen zur Veranschaulichung die Aussagen des Satzes im Beispiel 6.10 direkt zu überprüfen und im Bild dazu zu veranschaulichen.

Beweis.

Zur ersten Aussage: Sei 𝜀 > 0 und S = limsup nan. Da Sn = sup knak gegen S konvergiert für n , gibt es ein N , so dass SN < S + 𝜀. Damit ist ak SN < S + 𝜀 für alle k N, was die erste Eigenschaft von S = limsup nan beweist.

Für die zweite Aussage sei 𝜀 > 0 und wieder S = limsup nan. Sei N . Dann gilt SN S = inf n1Sn. Nach Definition von SN = sup kNak und Satz 2.59 existiert ein k N mit ak > SN 𝜀 S 𝜀. Da N beliebig war, beweist dies die zweite Eigenschaft des Limes superior.   

Übung 6.12 (Charakterisierung des Limes Superior).

Formulieren Sie beide Aussagen von Satz 6.11 in Prädikatenlogik.

Zeigen Sie auch, dass die beiden Eigenschaften in Satz 6.11 den Limes superior einer beschränkten, reellen Folge eindeutig charakterisieren.

Hinweis.

Die beiden Aussagen in Satz 6.11 haben in Prädikantenlogik die Form:

𝜀 > 0 N n N : an < limsup nan + 𝜀 𝜀 > 0 N n N : an > limsup nan 𝜀

Der Limes Inferior hat zu dem Limes Superior analoge Eigenschaften (siehe Übung 6.13).

Übung 6.13 (Limes superior und Limes inferior).

Sei (an )n eine beschränkte reelle Folge.

(i)
Beweisen Sie limsup n (an) = liminf nan.
(ii)
Verwenden Sie diese Gleichheit, um eine analoge Version von Satz 6.11 für den Limes inferior zu formulieren und zu beweisen.
(iii)
Zeigen Sie liminf nan limsup nan.
(iv)
Zeigen Sie, dass der Limes superior als Abbildung definiert auf dem Unterraum der beschränkten Folgen in mit Zielraum nicht linear ist. Genauer: Verifizieren Sie, dass sich der Limes superior weder unter Addition noch unter skalarer Multiplikation geeignet verhält.

Korollar 6.14 (Charakterisierung der Konvergenz).

Für eine reelle, beschränkte Folge (an )n gilt liminf nan = limsup nan genau dann wenn (an )n konvergent ist.

Beweis.

Angenommen A = liminf nan = limsup nan und 𝜀 > 0. Dann existiert nach Satz 6.11 ein N so dass an A + 𝜀2 für alle n N (auf Grund der Eigenschaften des Limes Superior) und an A 𝜀2 für alle n N (auf Grund der Eigenschaften des Limes Inferior). Zusammen erhalten wir |an A| < 𝜀 für alle n N, was zu beweisen war.

Wir nehmen nun an, dass A = lim nan existiert. Sei 𝜀 > 0. Dann existiert ein N so dass A 𝜀 < an < A + 𝜀 für alle n N. Aus In = inf {akk n} und Sn = sup {akk n} folgt nun

A 𝜀 IN In Sn SN A + 𝜀

für alle n N, und daher

A 𝜀 liminf nan limsup nan A + 𝜀.

Da dies für alle 𝜀 > 0 gilt, folgt daraus A = liminf nan = limsup nan.   

6.1.3 Konvergente Teilfolgen

Wir betrachten wiederum eine beschränkte, reelle Folge (an )n und wollen die Konvergenz von Teilfolgen von (an)n untersuchen.

Satz 6.15 (Konvergenz von Teilfolgen).

Für jede konvergente Teilfolge (ank)k einer beschränkten, reellen Folge (an)n gilt

lim kank [liminf nan,limsup nan].

Des Weiteren existiert eine konvergente Teilfolge (ank )k mit lim kank = limsup nan und eine konvergente Teilfolge (amk)k mit lim kamk = liminf nan.

Betrachtet man die Folge (an)n mit an = (1)n für n , so erfüllt beispielsweise die Teilfolge (a2k)k, dass lim ka2k = limsup nan = 1, und die Teilfolge (a2k+1)k, dass lim ka2k+1 = liminf nan = 1, wie wir schon gesehen haben.

Beweis von Satz 6.15.

Sei (ank)k eine konvergente Teilfolge von (an)n, I = liminf nan, S = limsup nan und 𝜀 > 0. Dann gibt es nach der ersten Eigenschaft in Satz 6.11 ein N , so dass

an S + 𝜀 (6.1)

für alle n N. Wenn nötig können wir N noch grösser wählen, so dass ebenso gilt

an I 𝜀 (6.2)

für alle n N (siehe auch Übung 6.13). Insbesondere gelten (6.1) und (6.2) auch für ank und genügend grosse k (zum Beispiel k N, da dann nk k N). Für den Limes der Folge (ank)k ergibt sich daraus

I 𝜀 lim kank S + 𝜀.

(siehe Proposition 6.1 und Lemma 5.25). Da 𝜀 > 0 beliebig war und lim kank nicht von 𝜀 abhängt, ergibt sich daraus I lim kank S, wie im Satz behauptet wurde.

Wir wollen nun eine konvergente Teilfolge von (an )n mit Grenzwert limsup nan finden. In anderen Worten wollen wir also zeigen, dass limsup nan ein Häufungspunkt der Folge (an)n ist. Wir bedienen uns dabei der zweiten äquivalenten Bedingung in Proposition 5.42. Sei also 𝜀 > 0 und N . Dann existiert ein M N mit S SM < S + 𝜀, da

S = lim nSn = inf {Snn } .

Auf Grund der Definition des Supremums existiert damit ein n M N mit

S 𝜀 SM 𝜀 < an < SM < S + 𝜀.

Der Beweis der Existenz einer Teilfolge mit Grenzwert liminf nan ist analog.   

Wir wollen noch einen zweiten Beweis der Existenz von konvergenten Teilfolgen unter Verwendung des Intervallschachtelungsprinzips andeuten. Sei (an )n eine reelle, beschränkte Folge und c1,d1 , so dass c1 an d1 für alle n . Wir definieren n1 = 1. Als nächsten Schritt teilen wir das Intervall [c1,d1] in zwei Hälften

[c1,d1] = [c1, c1 + d1 2 ] [c1 + d1 2 ,d1]

auf und erkennen, dass zumindest eine der beiden Hälften unendlich viele Folgenglieder enthalten muss. Wir definieren c2 = c1, d2 = c1 +d1 2 , falls an [c1 , c1 +d1 2 ] für unendlich viele n und ansonsten c2 = c1+d1 2 , d2 = d1 . Insbesondere existiert ein n2 > n1 mit an2 [c2 , d2 ]. Wiederum teilen wir [c2 , d2 ] in zwei Hälften auf und wählen eine Hälfte [c3,d3] aus, die unendlich viele Folgenglieder an enthält. Auch wählen wir n3 > n2 mit an3 [c3,d3].

Iterieren wir dieses Argument, so erhalten wir zwei weitere Folgen (ck )k , (dk )k und eine Teilfolge (ank)k von (an )n , so dass

ck ank dk,dk ck = d1 c1 2k1 , [ck+1,dk+1] [ck,dk]

für alle k . Nach Satz 2.77 (wo ebenso wie in Satz 6.15 die Existenz von Supremum und Infimum verwendet wurde) gibt es ein A k[ck,dk]. Aus ck A dk und ck ank dk folgt

A d1 c1 2k1 ank A + d1 c1 2k1

für alle k . Nach Lemma 6.2 und Beispiel 5.34 gilt nun lim kank = A. Dieses Argument beweist die Existenz von konvergenten Teilfolgen, ohne diese aber in Zusammenhang mit dem Limes Superior und dem Limes Inferior wie in Satz 6.15 zu bringen.

Für eine beschränkte, reelle Folge (an)n liegen nach Satz 6.15 alle Häufungspunkte zwischen liminf nan und limsup nan und diese beiden Punkte sind Häufungspunkte von (an)n. Lässt man die Annahme der Beschränktheit fallen, so muss eine Folge nicht unbedingt Häufungspunkte besitzen. Ein Beispiel einer Folge ohne Häufungspunkte ist (n)n .

Wir möchten auch anmerken, dass die Menge der Häufungspunkte einer Folge (an )n in nicht gleich den Häufungspunkten der Teilmenge {ann } (siehe Definition 2.73) sein muss. Beispielsweise hat die Folge (an )n gegeben durch an = (1)n für n die beiden Häufungspunkte 1 und 1 und die Menge {1,1} hat aber keine Häufungspunkte.

Übung 6.16 (Häufungspunkte).

(i)
Finden Sie eine Folge (an)n, so dass jede reelle Zahl A ein Häufungspunkt der Folge (an)n ist.
(ii)
Sei (an )n eine Folge in . Zeigen Sie, dass ein Häufungspunkt der Menge {ann } auch ein Häufungspunkt der Folge (an)n ist.
(iii)
Sei (an )n eine Folge in und nehmen Sie an, dass n an injektiv ist. Zeigen Sie, dass ein Häufungspunkt der Folge (an)n in diesem Fall auch ein Häufungspunkt der Menge {ann } ist.
Hinweis für (i).

ist abzählbar.

Übung 6.17 (Mischung von drei Folgen).

Seien (an)n,(bn)n,(cn)n konvergente reelle Folgen und seien A = lim nan, B = lim nbn, C = lim ncn. Betrachten Sie die reelle Folge (xn)n definiert durch

xn = { anfalls 3|n bnfalls 3|n 1 cnfalls 3|n 2

für n und berechnen Sie limsup nxn, liminf nxn und die Menge der Häufungspunkte von (xn)n.

Zu jeder natürlichen Zahl K lässt sich eine Folge konstruieren, die K Häufungspunkte hat. Die Folge (an)n definiert für n durch an = j falls K|n j und j {1, ,K} ist ein Beispiel dafür. Es lassen sich auch Folgen mit abzählbar vielen Häufungspunkten konstruieren. In folgender Übung zeigt sich, dass auch Folgen existieren, deren Häufungspunkte ein ganzes abgeschlossenes Intervall bilden.

Übung 6.18 (Folgen mit vielen Häufungspunkten).

(i)
Angenommen (an)n ist eine beschränkte reelle Folge mit lim n (an+1 an) = 0. Sei I = liminf nan und S = limsup nan. Dann ist die Menge der Häufungspunkte gegeben durch [I,S].
(ii)
Konstruieren Sie ein Beispiel einer Folge wie in a) mit [I,S] = [0,1]

Hinweis für (i)): Für jedes L (I,S), 𝜀 > 0 und N mit |ak+1 ak | < 𝜀 für alle k N gibt es ein n N mit an > S 𝜀 > L 𝜀. Zeigen Sie, dass es auch ein n N gibt mit an (L 𝜀,L + 𝜀).

Hinweis für (ii)): Setzen Sie a1 = 0, a2 = 1, a3 = 1, a4 = 1 2, a5 = 0, a6 = 0, a7 = 1 3, a8 = 2 3, a9 = 1, a10 = 1, a11 = 3 4, …geeignet zu einer Folge fort.

Wir wollen noch einen wichtigen topologischen Begriff einführen, welchen wir im zweiten Semester genauer untersuchen wollen. Eine Teilmenge K heisst folgenkompakt falls jede Folge in K eine konvergente Teilfolge mit Grenzwert in K besitzt. Wir bemerken, dass für a < b in das kompakte Intervall [a, b] tatsächlich folgenkompakt ist. Denn nach Satz 6.15 hat jede Folge in [a, b] eine konvergente Teilfolge, für welche wegen Proposition 6.1 der Grenzwert wieder in [a, b] liegt.

6.1.4 Uneigentliche Grenzwerte

Folgende Erweiterung des Konvergenzbegriffs ist für uns auch wichtig.

Definition 6.19 (Uneigentliche Grenzwerte).

Eine reelle Folge (an)n divergiert gegen , wenn für jedes 𝜀 > 0 ein N existiert, so dass an 𝜀1 gilt für alle n N. In diesem Fall schreiben wir lim nan = . Genauso sagen wir, dass (an)n gegen  divergiert, falls für jedes 𝜀 > 0 ein N existiert, so dass an 𝜀1 für alle n N. In letzterem Fall schreiben wir  lim nan = . In beiden Fällen spricht man auch von uneigentlicher Konvergenz und uneigentlichen Grenzwerten.

Man beachte, dass eine divergente Folge (oder auch eine unbeschränkte Folge) nicht gegen oder divergieren muss. Zum Beispiel ist die Folge (an)n definiert durch

an = { 1falls n gerade n falls  n ungerade

divergent, aber sie divergiert nicht gegen . Es gilt jedoch folgende Aussage.

Übung 6.20 (Teilfolgen von unbeschränkten Folgen).

Sei (an )n eine unbeschränkte, reelle Folge. Zeigen Sie, dass eine Teilfolge existiert, die gegen oder divergiert.

Wir können auch uneigentliche Grenzwerte verwenden, um den Limes superior und den Limes inferior für unbeschränkte Folgen zu definieren. In der Tat, falls die reellwertige Folge (an )n nicht von oben beschränkt ist, dann gilt  sup knak = für alle n (siehe Abschnitt 2.5.3) und wir setzen  limsup nan = . Falls (an )n zwar von oben, aber nicht von unten beschränkt ist, dann setzen wir  limsup nan = lim n (sup knak) (wobei aber  sup knak möglicherweise gegen  divergiert). Diese Erweiterungen der Definitionen gelten analog für den Limes inferior.

Übung 6.21 (Sandwich für uneigentlich Grenzwerte).

Beweisen Sie folgende uneigentliche Sandwich-Lemmata für zwei reelle Folgen (an )n und (bn )n mit an bn für alle n :

lim nan = lim nbn = lim nbn = lim nan = .

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Analysis I (Kap. 1-9) Copyright © by Manfred Einsiedler. All Rights Reserved.

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