9.8 Weitere Lernmaterialien
9.8.1 Verwendung des Kapitels
Dieses Kapitel verbindet mit Hilfe des Fundamentalsatz der Analysis die zentralen Begriffe der Ableitung und des Riemann-Integrals. Damit haben wir das vollständige Arsenal an Ableitungsregeln auch für die Berechnung von Integralen verwenden können, womit die Berechnung von Integralen mitunter deutlich einfacher wurde – auch wenn dies zusätzliche Übung erfordert. Umgekehrt haben wir aber auch mit dem Integralrestglied im Satz zur Taylor-Approximation gesehen, dass das Riemann-Integral nützlich sein kann um den Zusammenhang zwischen den Ableitungen und der ursprünglichen Funktion besser zu verstehen. Falls die symbolische Integration sich als nicht machbar erweist, so ist wiederum die Taylor-Approximation nützlich um das Riemann-Integral numerisch – zum Beispiel mit der Simpson-Methode – mit überraschend hoher Genauigkeit zu berechnen. Ebenso ist aber der Satz zur Taylor-Approximation auch von theoretischer Wichtigkeit, da wir mit diesen asymptotische Formeln wie zum Beispiel die Sterling-Formel beweisen können.
Zusammenfassend können wir also sagen, dass dieses Kapitel den Aufbau der eindimensionalen Analysis vollendet. Die Inhalte dieses Kapitels bilden einen zentralen Bestandteil der Analysis I/II Vorlesung und ihrer Anwendungen.
9.8.2 Übungen
Da die Schwierigkeit beim Integrieren vor allem in der Auswahl der richtigen Methode liegt, wollen wir in folgender Übung noch einige weitere Aufgaben ohne Angabe der richtigen Technik auflisten. Dazu wollen wir noch erwähnen, dass es oft auch mehr als eine Methode gibt, die zum Erfolg führen kann.
Übung.
Berechnen Sie die unbestimmten Integrale
Übung.
Zeigen Sie, dass jede stetig differenzierbare Funktion auf einem kompakten Intervall mit Endpunkten beschränkte Variation (siehe die entsprechende Übung in Abschnitt 4.8.2) hat und dass gilt für alle .
Hinweis.
Gegeben eine Zerlegung , wenden Sie den Mittelwertsatz auf den Ausdruck an und betrachten Sie dann die richtige Riemann-Summe.
Übung (Abel-Summation und Partielle Integration).
Wir wollen in dieser Übung den Zusammenhang zwischen der Abel-Summation und der partiellen Integration erklären. Sei also und seien zwei stetig differenzierbare Funktionen. Verwenden Sie die Abel-Summation von Übung 3.3, um die partielle Integration zu beweisen.
Hinweis.
Erklären Sie zuerst, wieso Sie ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen können. Sei eine Zerlegung von in viele Teilintervalle der Länge . Verwenden Sie Abel-Summation auf die Summe
mit und . Verwenden Sie anschliessend den Mittelwertsatz auf an und vergleichen Sie die resultierende Summen mit der Riemann-Summen für das Integral .
Übung (Ein alternativer Beweis von Proposition 4.30).
Wir möchten hier einen Beweis von Proposition 4.30 unter der Annahme, dass stetig ist, durchführen. Gehen Sie wie folgt vor:
- (i)
- Zeigen Sie, dass die Abbildung differenzierbar ist und dass .
- (ii)
- Verwenden Sie nun den Fundamentalsatz der Integral- und Differentialrechnung, um auf Proposition 4.30 zu schliessen.
Übung (Volumen einer Vase).
Berechnen Sie das Volumen der Vase
Übung (Gleichmässige Konvergenz der Ableitungen).
Sei eine Folge stetig differenzierbarer reellwertiger Funktionen auf einem kompakten Intervall mit Endpunkten . Angenommen die Folge konvergiert gleichmässig gegen eine Funktion und die Folge der Ableitungen konvergiert gleichmässig gegen eine Funktion . Zeigen Sie, dass stetig differenzierbar ist mit .
Übung.
Wir verwenden obige Übung, um eine glatte Funktion zu konstruieren, deren Taylorreihe um einen Punkt Konvergenzradius Null hat.
- (i)
- Zeigen Sie, dass die Reihe für alle absolut konvergiert.
- (ii)
- Nach (i) definieren wir die Funktion
Zeigen Sie, dass glatt ist.
- (iii)
- Berechnen Sie die Taylorreihe von um Null und deren Konvergenzradius.
Übung (Krümmung ebener Kurven).
In dieser Übung möchten wir die Krümmung ebener Kurven betrachten. Alle Kurven, die wir dabei betrachten wollen, sollen zweimal differenzierbar, regulär und einfach sein, hier der Einfachheit vorerst inklusive den Endpunkten. Für eine solche Kurve und ein auf der Kurve sei der eindeutige Zeitpunkt mit . Dann ist die Krümmung von bei definiert als
wobei . Ist einfach, aber erfüllt , so reicht es anzunehmen, dass und gilt, damit obiger Ausdruck für die Krümmung Sinn ergibt.
- (i)
- Berechnen Sie die Krümmung der Kurven und (definiert auf geeigneten Intervallen).
- (ii)
- Zeigen Sie, dass die Krümmung unabhängig ist von der Parametrisierung, das heisst, dass für jede Reparametrisierung einer Kurve wie oben gilt für alle Punkte auf der Kurve.
Übung (Existenz von Kurven vorgegebener Krümmung).
Wie in vorheriger Übung möchten wir hier die Krümmung ebener Kurven betrachten, aber dabei zulassen, dass die betrachteten Kurven nicht einfach sind, womit für eine reguläre Kurve die Krümmung definiert ist als Funktion auf via .
Sei nun eine beliebige stetige Funktion auf einem Intervall mit Endpunkten . Wir möchten hier zeigen, dass eine zweimal stetig differenzierbare Kurve mit Krümmungsfunktion existiert. Dazu betrachten wir die Funktion
und setzen
Zeigen Sie, dass die Komponenten von jeweils zweimal stetig differenzierbar ist und dass eine reguläre, nach Bogenlänge parametrisierte Kurve ist. Verifizieren Sie anschliessend, dass gilt.
Übung (Irrationalität der Kreiszahl).
In dieser Übung möchten wir zeigen, dass irrational ist, wobei wir dem Beweis von Niven [Niv47] folgen werden.
Per Widerspruch wollen wir annehmen, dass ist für . Nun betrachten wir die Polynome
für ein , welches wir später wählen werden.
- (i)
- Begründen Sie, wieso , alle Ableitungen von und bei und bei ganzzahlige Werte annehmen. Verifizieren Sie des Weiteren, dass eine nicht-negative Funktion ist, welche genau bei und verschwindet.
- (ii)
- Zeigen Sie, dass
und .
- (iii)
- Schliessen Sie auf einen Widerspruch.
Übung (Summe der Reziproken der Primzahlen).
In dieser Übung möchten wir für natürliche Zahlen die Summe betrachten, wobei die Menge der Primzahlen bezeichnet. Dabei möchten wir zeigen, dass
für alle und eine Konstante . Insbesondere gibt es unendlich viele Primzahlen (wieso?). Die obige Ungleichung stellt eine (stark) abgeschwächte Version des zweiten Theorems von Mertens (und damit einen Vorreiter des Primzahlsatzes) dar.
- (i)
- Verifizieren Sie für alle die Ungleichung
- (ii)
- Zeigen Sie für alle
- (iii)
- Schliessen Sie auf die Aussage.
Hinweis.
Für den zweiten Teil können Sie die Existenz und Eindeutigkeit einer Primfaktorzerlegung verwenden, wonach sich insbesondere jede natürliche Zahl zwischen und als Produkt einer Quadratzahl mit einer Zahl schreiben lässt, in deren Faktorisierung jede Primzahl nur einmal vorkommt. Für den letzten Teil können Sie Übung 9.36 benutzen.