7.9 Weitere Lernmaterialien
7.9.1 Verwendung des Kapitels
Wie wir gesehen haben, sind Potenzreihen, deren Konvergenzradius und Konvergenzverhalten fundamentale Werkzeuge für die Definition von vielen Ihnen bereits bekannten Funktionen (und auch weiteren). Wir werden also ab nun sowohl die komplexe Exponentialfunktion, die trigonometrischen Funktionen auf und auf , als auch die hyperbolischen Funktionen gemeinsam mit den wichtigsten Eigenschaften dieser Funktionen (meist ohne Verweise) verwenden. (Die Umkehrfunktionen der trigonometrischen Funktionen werden wir erst im nächsten Kapitel einführen.)
Für den Begriff der Potenzreihe benötigten wir die grundlegenden Definitionen der Reihe und der Funktionenfolgen. Für Reihen ist die Unterscheidung der bedingten und absoluten Konvergenz fundamental, da gewisse Operationen (Umordnen, Cauchy-Produkt) nur für den letzteren Konvergenzbegriff erlaubt sind. Dabei ist es sehr hilfreich, dass für Potenzreihen im Inneren des Konvergenzbereichs absolute Konvergenz vorliegt und damit alle Operationen erlaubt sind. Die folgenden Konvergenzkriterien sind für Beispiele aber auch für die Theorie unabdingbar:
Wir bemerken noch, dass diese Kriterien sehr hilfreich sind für die Entscheidung ob Konvergenz oder Divergenz bei einer Reihe vorliegt, doch haben wir sehr wenige allgemeine Gesetze um den Grenzwert von Reihen zu bestimmen.
Wie bereits erwähnt war der Begriff der Funktionenfolge auch für die Besprechung der Potenzreihen notwendig. Für Funktionenfolgen haben wir zwei unterschiedliche Konvergenzbegriffe besprochen. Der Begriff der punktweisen Konvergenz mag zwar als der natürliche Konvergenzbegriff für Funktionen betrachtet werden, doch hat dieser keine guten Eigenschaften (weder für Stetigkeit noch für das Riemann-Integral). Sie sollten die entsprechenden Gegenbeispiele im Gedächtnis behalten. Dies motivierte die Definition der gleichmässigen Konvergenz, welche wegen den guten Eigenschaften für Stetigkeit und das Riemann-Integral für uns immer wieder wichtig sein wird. Die Unterscheidung dieser Konvergenzbegriffe ist wohlgemerkt keine Spitzfindigkeit.
7.9.2 Übungen
Übung.
Sei eine konvergente Reihe. Falls eine monoton fallende Folge ist, so ist nicht nur , sondern auch eine Nullfolge. Beweisen Sie dies.
Hinweis.
Überzeugen Sie sich von der Ungleichung
für .
Übung.
Sei eine bijektive Abbildung. Konvergiert die Reihe ?
Hinweis.
Für jedes gilt .
Übung (Raabes Quotientenkriterium).
Sei eine Folge komplexer Zahlen mit für alle , so dass und
existiert. Zeigen Sie, dass die Reihe konvergiert, falls . (J. Raabe war einer der ersten Mathematikprofessoren an der ETH Zürich.)
Hinweis: Finden Sie ein , so dass für alle bis auf endlich viele
gilt. Verwenden Sie die kontinuierliche Bernoulli-Ungleichung aus Übung 6.36, um zu zeigen, dass
Schliessen Sie nun auf die Aussage unter Verwendung von Korollar 7.29 und Beispiel 7.17.
Übung (Kronecker’s Lemma).
Sei eine konvergente Reihe und sei eine divergente monoton wachsende Folge positiver Zahlen. Dann gilt
Beweisen Sie Kronecker’s Lemma unter Verwendung von Abel-Summation (Übung 3.3).
Übung (Vertauschung der Summationsreihenfolge).
Wie schon vor dem Beweis des Produktsatzes (Satz 7.36) angedeutet, ist der Produktsatz stark mit Vertauschbarkeit von Summationsreihenfolge verwandt. Wir wollen dies hier genauer formulieren. Dazu betrachten wir eine doppelt indizierte Folge .
- a)
- Um zu sehen, dass die Vertauschbarkeit der Summationsreihenfolge für Reihen nicht immer gilt, definieren wir
für alle . Zeigen Sie, dass die Doppelreihen
konvergieren, aber verschieden sind.
- b)
- Angenommen erfüllt . Zeigen Sie, dass die beiden Reihen und konvergent sind und den gleichen Wert haben.
Übung (Zerlegung in gerade und ungerade Funktionen).
Sei eine Funktion. Zeigen Sie, dass sich als Summe einer geraden und einer ungeraden Funktion schreiben lässt.
Übung.
Seien . Zeigen Sie, dass es ein gibt, so dass
für alle .
Hinweis.
Betrachten Sie und finden Sie eine reelle Zahl mit und .
Übung (Irrationalität der Eulerschen Zahl).
Zeigen Sie, dass irrational. Nehmen Sie indirekt an, dass rational ist und verwenden Sie die Exponentialreihe.
Hinweis.
Nehmen Sie indirekt an, dass für . Nun vergleichen Sie, mit der Partialsumme . Vergleichen Sie den Fehler im Leibniz-Kriterium und die Aussage, dass zwei rationale Zahlen mit dem gleichem Nenner entweder gleich oder Mindestabstand haben.
Übung.
Wir wollen einen (spielsüchtigen) Kasinobesucher und ein unübliches, den Spieler bevorzugendes, Spiel betrachten. Das Spiel besteht aus einem einfachen Münzwurf mit zwei möglichen gleich wahrscheinlichen Ergebnissen, nämlich Kopf und Zahl. Bei Kopf gewinnt das Kasino den Einsatz des Spielers und bei Zahl gewinnt der Spieler das Vierfache seines Einsatzes. Wir wollen die verschiedenen Ergebnisse des iterierten Spieles anhand einer Funktion auf beschreiben. Hierbei verwenden wir die binäre Zifferndarstellung reeller Zahlen, wobei wir die Nichteindeutigkeit einfach ignorieren, da diese für sich gesehen extrem unwahrscheinlichen Ergebnissen des iterierten Spieles entsprechen.† Dies genauer und mathematisch exakt zu formulieren würde hier zu weit führen. Wir interpretieren die Ziffer als Kopf und die Ziffer als Zahl, womit die reelle Zahl für die wiederholten Würfe der Münze mit den Ergebnissen Zahl-Kopf-Kopf-Zahl-Kopf-Zahl und so weiter steht (und die Null vor dem Komma ignoriert wird).
- (i)
- Bestimmen Sie eine Funktion , die den Gewinn nach Wiederholungen des Spiels beschreibt, wobei der Spieler mit einem Franken das Spiel beginnt und bei Gewinn jeweils sein Gesamtvermögen im nächsten Spiel wieder einsetzt.
- (ii)
- Bestimmen Sie den Erwartungswert für den Spieler, wenn dieser das Spiel mal wiederholt (also das Integral von ).
- (iii)
- Wir nehmen nun an, dass der Spieler spielsüchtig ist und auch bei Gewinn von wirklich grossen Summen nicht aufhören kann zu spielen. Bestimmen Sie die Funktion, die den Gewinn des Spielers beschreibt. Sie sollten bemerken, dass dies der punktweise Grenzwert der Funktion ist.
- (iv)
- Bestimmen Sie den Erwartungswert des unbeschränkt langen Spiels für den spielsüchtigen Spieler.
Übung (Der Fall der absoluten Konvergenz am Rand).
Sei eine Potenzreihe mit Konvergenzradius . Sei des Weiteren . Zeigen Sie, dass in diesem Fall die Funktion
wohldefiniert und stetig ist.
Übung (Bestimmte Divergenz am Rand).
Sei eine Potenzreihe mit Konvergenzradius und nicht-negativen Koeffizienten für alle . Sei des Weiteren . Zeigen Sie, dass in diesem Fall
Übung (Challenge).
Wir betrachten das Gitter in der Ebene und fixieren uns ein Quadrat darin, . Auf den Punkten , , , , , platzieren wir nun jeweils eine Münze und beginnen dann folgendes Spiel. Sie als Spieler dürfen jeweils eine der Münzen entfernen, worauf Sie eine Münze oberhalb und eine Münze rechts von der entfernten Münze platzieren. Dieser Zug ist aber nur dann erlaubt, wenn die Plätze rechts und oberhalb der zu entfernenden Münze noch frei sind. Ihre Aufgabe besteht nun darin, nach endlich vielen Zügen keine Münzen mehr innerhalb des Quadrat liegen zu haben. Ist das möglich?
Hinweis.
Die Antwort ist nein. Um dies zu beweisen, suchen Sie nach einer Funktion , so dass die Summe von über die Positionen der Münzen im -ten Schritt nicht von oder von der gewählten Strategie abhängt. In anderen Worten soll diese Summe unter der in der Aufgabenstellung beschriebenen Operation erhalten bleiben.