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8.3 Trigonometrische Funktionen

8.3.1 Sinus und Arkussinus

Nach Übung 8.4 sind sin und cos glatt und es gelten die Formeln

(sin (x)) = cos (x),(cos (x)) = sin (x). (8.12)

Nach Satz 7.74 (genauer Übung 7.76) sind die Nullstellen von sin : die Menge π der ganzzahligen Vielfachen von π, womit nach dem Zwischenwertsatz und sin (π 2 ) = 1 folgt, dass sin (x) > 0 für alle x (0,π). In diesem Intervall hat des Weiteren der Kosinus eine Nullstelle in π 2 , ist positiv auf dem Intervall [0, π 2 ) und negativ auf dem Intervall (π 2 ,π]. Verbinden wir dies, Gleichung (8.12) und das Kriterium für Monotonie differenzierbarer Funktion aus Korollar 8.35, so ergibt sich, dass sin auf dem Intervall [0, π 2 ] streng monoton wachsend ist, auf dem Intervall [π 2 ,π] streng monoton fallend ist und auf dem Intervall [0,π] konkav (also nach unten gekrümmt) ist.

Da der Sinus eine ungerade Funktion ist, ergibt sich des Weiteren, dass der Sinus auf [π 2 , π 2 ] streng monoton wachsend ist. Wir erkennen diese Eigenschaften direkt wieder im Graphen des Sinus.

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     Figur 8.4: Der Graph des Sinus mit dem (Teil-)Graphen der Einschränkung sin | [π 2 ,π 2 ] hervorgehoben.     

Die Einschränkung

sin | [π 2 ,π 2 ] : [π 2, π 2 ] [1,1],xsin (x)

ist also streng monoton wachsend und bijektiv (nach dem Zwischenwertsatz). Die Umkehrfunktion bezeichnen wir mit

arcsin : [1,1] [π 2, π 2 ]

und nennen wir den Arkussinus. Nach dem Satz über die Differenzierbarkeit der inversen Funktion (Satz 8.14) ist der Arkussinus bei s differenzierbar, falls die Ableitung des Sinus bei x = arcsin (s) nicht Null ist. In der Tat verschwindet die Ableitung des Sinus sin = cos genau an den Randpunkten π 2 , π 2 von [π 2 , π 2 ]. Für x (π 2 , π 2 ) und s = sin (x) ergibt sich nach Satz 8.14

arcsin (s) = 1 cos (x) = 1 1 s2,

da cos (x) positiv ist für x (π 2 , π 2 ) und somit cos (x ) = 1 sin (x)2 = 1 s2 unter Verwendung von sin (x)2 + cos (x)2 = 1.

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8.3.2 Kosinus und Arkuskosinus

Die obige Diskussion über Monotonie des Sinus kann analog durchgeführt werden für den Kosinus. Es ergibt sich, dass der Kosinus bei 0 ein lokales Extremum annimmt, auf dem Intervall [0,π] streng monoton fallend ist, auf dem Intervall [π 2 , π 2 ] konkav ist und auf dem Intervall [π 2 ,π] konvex (nach oben gekrümmt) ist. Insbesondere ist die Einschränkung

cos |[0,π] : [0,π] [1,1]

bijektiv.

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     Figur 8.5: Der Graph des Kosinus mit hervorgehobenem (Teil-)Graphen der Einschränkung cos | [0,π] hervorgehoben.     

Die Umkehrabbildung heisst Arkuskosinus und wird als

arccos : [1,1] [0,π]

geschrieben.

Ebenso können wir die Ableitungsregeln für die Umkehrabbildung anwenden und erhalten bei s = cos (x) für x (0, π)

arccos (s) = 1 sin (x) = 1 1 s2,

da der Sinus auf (0,π) positiv ist.

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Wir möchten an dieser Stelle daran erinnern, dass sich jede Linearkombination von Sinus und Kosinus als ein Vielfaches des Sinus (oder des Kosinus) schreiben lässt (siehe die entsprechende Übung in Abschnitt 7.9.2).

8.3.3 Das innere Produkt und Winkel

Eine einfache Konsequenz der Existenz einer Umkehrfunktion für die Einschränkung cos |[0,π] : [0,π] [1,1] ist, dass wir den Winkel zwischen je zwei Vektoren im n-dimensionalen Euklidschen Vektorraum d definieren können. Sind v,w d {0}, so lässt sich die Cauchy-Schwarz-Ungleichung in Proposition 5.3 als die Aussage interpretieren, dass sich das innere Produkt in der Form

v,w = vwcos φ

schreiben lässt, wobei wir φ = arccos v,w vw [0,π] als den Winkel zwischen den Vektoren v und w bezeichnen. Wir empfehlen Ihnen, diese Definition an einigen expliziten Beispielen durchzuspielen und sich davon zu überzeugen, dass diese Definition des Winkels den Ihnen intuitiv bekannten Eigenschaften genügt.

8.3.4 Tangens und Arkustangens

Da sin (x + π) = sin (x) und cos (x + π) = cos (x) für alle x gilt, ergibt sich, dass tan (x + π) = tan (x) für alle x (π + π 2 ). Des Weiteren ist

tan (x) = (sin (x) cos (x) ) = cos (x)cos (x) sin (x)(sin (x)) cos 2(x) = 1 cos 2(x)

für alle x (π + π 2 ) nach der Quotientenregel in Korollar 8.11, Gleichung (8.12) und der trigonometrischen Identität sin 2(x) + cos 2(x) = 1. Insbesondere ist der Tangens auf jedem Intervall der Form (nπ π 2 ,nπ + π 2 ) für n streng monoton wachsend.

Des Weiteren gilt

lim xπ 2 tan (x) = lim xπ 2 sin (x) cos (x) = +

wegen sin (π 2 ) = 1, cos (π 2 ) = 0 und cos (x) > 0 für x (π 2 , π 2 ), und

lim xπ 2 tan (x) = lim xπ 2 sin (x) cos (x) =

wegen sin (π 2 ) = 1. Wie zuvor folgt nun aus dem Zwischenwertsatz, dass die Einschränkung

tan | (π 2 ,π 2 ) : (π 2, π 2 )

bijektiv ist.

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     Figur 8.6: Der Graph des Tangens mit hervorgehobener Einschränkung tan | (π 2 ,π 2 ).     

Die Umkehrabbildung

arctan : (π 2, π 2 )

wird als der Arkustangens bezeichnet.

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     Figur 8.7: Der Graph des Arkustangens.     

Nach Satz 8.14 ist der Arkustangens differenzierbar und es gilt bei x (π 2 , π 2 ) und s = tan (x)

arctan (s) = 1 1 cos 2(x) = cos 2 (x).

Des Weiteren gilt

1 + s2 = 1 + sin 2(x) cos 2(x) = cos 2(x) + sin 2(x) cos 2(x) = 1 cos 2(x).

Daraus folgt schlussendlich, dass für alle s

arctan (s) = 1 1 + s2

gilt.

8.3.5 Kotangens und Arkuskotangens

Der Kotangens respektive seine Umkehrfunktion, der Arkuskotangens, zeigen sehr ähnliches Verhalten gegenüber des Tangens respektive gegenüber des Arkustangens. Die Einschränkung cot |(0,π) : (0,π) ist streng monoton fallend und bijektiv. Die Umkehrabbildung

arccot : (0,π)

wird Arkuskotangens genannt und hat die Ableitung

arccot (s) = 1 1 + s2

für alle s .

8.3.6 Ein physikalisches Beispiel

Beispiel 8.54 (Brechungsgesetz von Snellius).

Wir werden hier das Brechungsgesetz der geometrischen Optik von Snellius (1580-1624) aus dem Fermat-Prinzip herleiten. Dabei besagt das Fermat-Prinzip, dass das Licht immer den Weg der kürzesten Reisezeit wählt. Gegeben sei eine geradlinige Grenze zwischen zwei Medien (zum Beispiel Luft und Glas oder Luft und Wasser) und die Lichtgeschwindigkeit c1 und c2 in diesen beiden Medien. (Die universelle Naturkonstante c ist die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum.) Wir wählen einen Punkt Q im ersten Medium als Lichtquelle und wollen den Weg, den das Licht zu einem Punkt A im zweiten Medium nimmt, bestimmen.

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Wir wählen unser Koordinatensystem so, dass die Grenze zwischen den beiden Medien genau die x-Achse ist, Q auf der positiven Hälfte der y-Achse liegt und die x-Koordinate von A gleich a > 0 ist. Die Reisezeit des Lichts, das zuerst geradlinig von Q nach (x, 0) (ein Ort des möglichen Grenzübertritts) und dann nach Brechung von (x, 0) nach A geht, ist durch

t (x) = 1 c1hQ 2 + x2 + 1 c2hA 2 + (a x)2

beschrieben. Die Funktion t : ,xt(x) ist auf ganz differenzierbar (wir nehmen hQ > 0 und hA > 0 an) und die Abbildung ist durch

t (x) = x c1hQ 2 + x2 a x c2hA 2 + (a x)2

für alle x gegeben. Diese verschwindet bei x genau dann, wenn

x c1hQ 2 + x2 = a x c2hA 2 + (a x)2, sin (αQ) c1 = sin (αA) c2 sin (αA) sin (αQ) = c2 c1,

wobei αA und αQ die beiden Winkel in obigem Bild bei dem Punkt (x,0) sind. Wir bemerken noch, dass obige Gleichung in x für genau ein x erfüllt ist und t : für dieses x0 (0,a) tatsächlich ein globales Minimum annimmt. Die letzte Gleichung, welche die Winkel αA , αQ und die Lichtgeschwindigkeiten c1,c2 in Verbindung bringt, wird das Brechungsgesetz von Snellius genannt.

Übung 8.55.

Beweisen Sie die letzte Aussage in Beispiel 8.54.

Hinweis: Kann die Gleichung für x 0 oder x a erfüllt sein? Verwenden Sie weiter, dass αQ = arctan ( x hQ ) (π 2 , π 2 ) streng monoton wachsend von x abhängt und αA = arctan (ax hA ) (π 2 , π 2 ) streng monoton fallend von x abhängt, wodurch sin (αA) sin (αQ) streng monoton fallend von x (0,a) abhängt. Wir bemerken noch, dass lim xt (x) = + und lim xt (x) = +.

8.3.7 Verwendung der trigonometrischen Funktionen

Ab jetzt werden wir die trigonometrischen Funktionen und all ihre Monotonieeigenschaften, ihre Ableitungen und auch die Ableitungen ihrer Umkehrabbildungen meist ohne Referenz auf diesen Abschnitt verwenden. Deswegen wollen wir die Ableitungsregeln hier nochmals zusammenfassen. Es gilt

sin (x) = cos (x), cos (x) = sin (x), tan (x) = 1 cos 2(x), cot (x) = 1 sin 2(x), arcsin (x) = 1 1 x2, arccos (x) = 1 1 x2, arctan (x) = 1 1 + x2, arccot (x) = 1 1 + x2

für x im jeweiligen Definitionsbereich der betrachteten Funktion.

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