7.3 Konvergenz von Funktionenfolgen
7.3.1 Punktweise Konvergenz
Definition 7.40 (Funktionenfolgen und punktweise Konvergenz).
Eine reellwertige (oder komplexwertige) Funktionenfolge auf einer Menge ist eine Folge von Funktionen (oder ). Wir sagen, dass eine Funktionenfolge punktweise gegen eine Funktion (oder ) konvergiert, falls für und alle . Wir bezeichnen die Funktion als den punktweisen Grenzwert (oder auch Grenzfunktion oder Limes) der Funktionenfolge . In Prädikatenlogik ist punktweise Konvergenz durch
gegeben.
Übung 7.41 (Eindeutigkeit).
Sei eine Funktionenfolge auf einer Menge . Zeigen Sie, dass der Grenzwert einer Funktionenfolge eindeutig bestimmt ist, falls er existiert.
Wir haben in Abschnitt 6.3 bereits ein Beispiel einer punktweise konvergenten Funktionenfolge gesehen, da wir die reelle Exponentialabbildung durch
für definiert haben.
Wir betrachten einige weitere Beispiele, die die Nachteile der punktweisen Konvergenz aufzeigen werden.
Beispiel 7.42 (Punktweise konvergent).
Sei und . Dann konvergieren die stetigen Funktionen punktweise gegen die Funktion gegeben durch
für , die nicht mehr stetig ist.
Beispiel 7.43 (Punktweise konvergent).
Sei wiederum und definiere durch
für und . Dann ist stetig (und somit auch Riemann-integrierbar) und konvergiert punktweise gegen die stetige Funktion .
Es gilt jedoch für alle
Also ist der Grenzwert der Integrale nicht gleich dem Integral der Limesfunktion, obwohl alle Funktionen stetig sind und die Limesfunktion stetig ist.
Beispiel 7.44 (Punktweise konvergent).
Sei wieder und eine Abzählung. Dann ist für jedes die charakteristische Funktion
der ersten rationalen Zahlen in Riemann-integrierbar mit . Die Limesfunktion der Folge ist aber die charakteristische Funktion , die nach Beispiel 4.17 nicht Riemann-integrierbar ist.
Zusammenfassend hat also der Begriff der punktweisen Konvergenz weder für die Stetigkeit noch für das Riemann-Integral besonders gute Eigenschaften. Wir wenden uns deswegen einem neuen Konvergenzbegriff zu.
7.3.2 Gleichmässige Konvergenz
Definition 7.45 (Gleichmässige Konvergenz).
Sei eine komplexwertige Funktionenfolge auf einer Menge und eine weitere komplexwertige Funktion auf . Wir sagen, strebt gleichmässig gegen für , oder dass der gleichmässige Grenzwert der Funktionenfolge ist, falls es zu jedem ein gibt, so dass für alle und alle die Abschätzung
gilt. In Prädikatenlogik ist gleichmässige Konvergenz durch
gegeben.
Im Gegensatz zur punktweisen Konvergenz von Funktionenfolgen nimmt man bei der gleichmässigen Konvergenz also an, dass ein existiert, so dass für alle und alle natürlichen gilt, wobei die Zahl nicht vom Punkt abhängt. Gleichmässigkeit bezieht sich meistens (wie hier und zum Beispiel auch bei der gleichmässigen Stetigkeit) auf die Unabhängigkeit einer gewissen Zahl (hier und bei gleichmässiger Stetigkeit ) von der Wahl eines Punktes (hier ).
Übung 7.46 (Gleichmässige Konvergenz).
Sei eine komplexwertige Funktionenfolge auf einer Menge und eine weitere komplexwertige Funktion auf .
- (i)
- Zeigen Sie, dass genau dann gleichmässig gegen konvergiert, wenn
für .
- (ii)
- Zeigen Sie, dass gleichmässig für auch punktweise für impliziert.
- (iii)
- Zeigen Sie, dass die punktweise konvergenten Funktionenfolgen aus den Beispielen 7.42, 7.43 und 7.44 nicht gleichmässig konvergieren. Insbesondere ist punktweise Konvergenz eine schwächere Forderung als gleichmässige Konvergenz.
Bemerkung.
Sei eine Menge und setze für jede beschränkte Funktion
Dies ist eine Norm auf dem Vektorraum der beschränkten komplexwertigen Funktionen auf ; in Beispiel 5.7 haben wir in einem ähnlichen Kontext bereits eine solche Norm angetroffen. Nach Übung 7.46(i) konvergiert eine Folge beschränkter komplexwertiger Funktionen auf in genau dann gleichmässig gegen eine beschränkte Funktion , wenn für . In anderen Worten ist der Konvergenzbegriff gegeben durch die Norm gerade der Begriff der gleichmässigen Konvergenz. Dem entgegengesetzt kann man zeigen, dass keine Norm existiert bezüglich welcher der Konvergenzbegriff gerade durch punktweise Konvergenz gegeben ist.
Für reellwertige Funktionen , und im Definitionsbereich ist die Abschätzung zu äquivalent. Dadurch lässt sich gleichmässige Konvergenz auch durch den Graphen einer Funktionenfolge und deren Limesfunktion beschreiben, wie wir in folgender Figur demonstrieren wollen.
Applet 7.47 (Punktweise und Gleichmässige Konvergenz).
Wir betrachten nochmals die Funktionenfolge aus Beispiel 7.42. Versuchen Sie anhand des Applets zu erkennen, dass man durch Einschränkung auf geeignete Teilintervalle gleichmässige Konvergenz der Funktionenfolge erreichen kann. Können Sie dies auch formal beweisen?
Gleichmässige Konvergenz hat für stetige Funktionen gute Eigenschaften.
Satz 7.48 (Gleichmässige Konvergenz und Stetigkeit).
Sei und eine Funktionenfolge stetiger Funktionen. Falls gleichmässig gegen konvergiert, dann ist ebenso stetig.
🪆Dies ist ein Matrjoschka-Beweis.
Beweis.
Sei und . Dann existiert ein , so dass
für alle . Da bei stetig ist, existiert ein , so dass
für alle gilt. Unter dem Strich gilt nun für alle mit , dass
Da beliebig war, ist bei stetig. Da beliebig war, folgt der Satz.
Gleichmässige Konvergenz hat auch für die Integrierbarkeit gute Eigenschaften.
Satz 7.49 (Gleichmässige Konvergenz und Riemann-Integrierbarkeit).
Sei ein kompaktes Intervall und eine Funktionenfolge Riemann-integrierbarer Funktionen. Falls gleichmässig gegen konvergiert, dann ist Riemann-integrierbar und
Bei gleichmässig konvergenten Folgen Riemann-integrierbarer Funktionen darf man also Integration und Grenzwert vertauschen. Dies gilt analog auch für Integrale von komplexwertigen oder vektorwertigen Funktionen (siehe Abschnitt 6.5.1), doch werden wir hier nur den Fall von reellwertigen Funktionen betrachten.
🪆An und für sich ist dies ein Matrjoschka-Beweis, wenn man sich ein Platz lässt.
Beweis.
Sei . Dann gibt es ein mit für alle und . Da nach Annahme Riemann-integrierbar ist, gibt es Treppenfunktionen auf mit und . Daraus folgt, dass
ist und
ist. Da beliebig war, folgt die Riemann-Integrierbarkeit von aus Proposition 4.12.
Für die zweite Aussage sei wiederum und , so dass für alle gilt. Aus der Monotonie des Riemann-Integrals in Satz 4.24 folgt nun
was zu
äquivalent ist. Dies beweist die Konvergenz in Gleichung (7.4) und damit den Satz.
Übung 7.50 (Gleichmässige Konvergenz auf Teilmengen).
Sei eine komplexwertige Funktionenfolge auf einer Menge und eine weitere komplexwertige Funktion auf .
- (i)
- Angenommen für zwei Teilmengen, strebt gleichmässig gegen für und strebt gleichmässig gegen für . Zeigen Sie, dass dann auch gleichmässig gegen strebt für .
- (ii)
- Zeigen Sie, dass sich Teil (i) im Allgemeinen nicht für unendliche Vereinigungen verallgemeinern lässt.
Übung 7.51 (Funktionenkonvergenz und Beschränktheit).
Sei eine komplexwertige Funktionenfolge auf einer Menge und eine weitere komplexwertige Funktion auf . Wir nehmen nun an, dass die Funktionen für jedes beschränkt ist.
- (i)
- Zeigen Sie, dass falls gleichmässig gegen strebt für , dann ist auch eine beschränkte Funktion.
- (ii)
- Finden Sie ein Beispiel für und beschränkte Funktionen, die punktweise gegen streben für , so dass nicht beschränkt ist.
Übung 7.52 (Funktionenkonvergenz und Auswertung entlang einer konvergenten Folge).
Sei und für eine Funktionenfolge stetiger Funktionen und eine weitere Funktion. Sei und eine Folge mit für .
- (i)
- Zeigen Sie für unter der Annahme, dass gleichmässig gegen konvergiert für .
- (ii)
- Finden Sie ein Beispiel, wo zwar punktweise gegen konvergiert für , aber nicht gegen konvergiert für .
Übung 7.53 (Gleichmässige Konvergenz und gleichmässige Stetigkeit).
Sei und für eine Funktionenfolge, die für gleichmässig gegen strebt. Angenommen ist gleichmässig stetig für alle . Zeigen Sie, dass ebenso gleichmässig stetig ist.