3.7 Der Satz über die Umkehrabbildung
In diesem Teilabschnitt wollen wir nun zeigen, dass jede stetige, streng monotone Abbildung eine inverse Abbildung (mit denselben schönen Eigenschaften) besitzt.
Satz 3.64 (Umkehrsatz).
Sei ein Intervall und eine stetige, streng monotone Funktion. Dann ist wieder ein Intervall und die Abbildung hat eine stetige, streng monotone inverse Abbildung . Falls für reelle Zahlen , dann gilt des Weiteren, dass die Endpunkte und hat.
Tatsächlich ist streng monoton wachsend (respektive streng monoton fallend), wenn streng monoton wachsend (respektive streng monoton fallend) ist. Dies folgt unmittelbar aus der Existenz der inversen Funktion und den Definitionen, siehe auch den Beweis weiter unten. Bevor wir uns dem Beweis zuwenden, wollen wir eine Anwendung dieses Satzes betrachten.
Beispiel 3.65 (Existenz von Wurzeln höherer Ordnung).
Sei . Dann ist die Funktion streng monoton wachsend und surjektiv. Um Surjektivität zu sehen betrachten wir ein beliebiges . Nach der Bernoullischen Ungleichung (Lemma 3.5) gilt , womit zwischen und liegt. Aus dem Zwischenwertsatz (Satz 3.58) folgt nun, dass es ein zwischen und gibt, für das ist.
Nach dem Umkehrsatz (Satz 3.64) existiert eine stetige, streng monoton wachsende Umkehrabbildung
die die n-te Wurzel genannt wird. Des Weiteren definieren wir für und
und für und auch
Wichtige Übung 3.66 (Rechenregeln für rationale Potenzen).
Zeigen Sie die Rechenregeln (in Analogie zu Übung 3.2)
für positive Basen und rationale Exponenten .
Beweis von Satz 3.64.
Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, dass streng monoton wachsend ist (sonst ersetzt man mit ). Wir bemerken zuerst, dass die Funktion bijektiv ist, da sie (per Definition) surjektiv ist und auf Grund der strengen Monotonie auch injektiv ist. Somit existiert eine (eindeutig bestimmte) Umkehrabbildung , welche auch streng monoton wachsend sein muss: Da streng monoton wachsend ist, gilt (siehe Übung 3.42)
für alle , was zu
für alle äquivalent ist.
Wir möchten nun zeigen, dass auch ein Intervall ist und nehmen dazu vorerst an, dass ein abgeschlossenenes, beschränkten Intervall für zwei reelle Zahlen ist. Auf Grund der Monotonie-Annahme gilt für alle . Nach dem Zwischenwertsatz (Satz 3.58) ist auch und damit ist insbesondere ein Intervall.
Sei nun ein beliebiges† Es gibt noch weitere 3 Fälle von beschränkten und weitere 5 Fälle von unbeschränkten Intervallen. Intervall in mit Endpunkten in . Wir definieren nun die Punkte und und behaupten, dass in enthalten ist. Sei . Dann gibt es nach Definition von und wegen ein mit . Ebenso gibt es nach Definition von und wegen ein mit . Nach dem Zwischenwertsatz (Satz 3.58) ist also und die Behauptung folgt. Wir haben damit insbesondere gezeigt, dass ein Intervall ist.
Falls der linke Endpunkt von zu gehört, dann ist . Falls nicht zu gehört, dann gibt es zu jedem ein Element mit , was wiederum wegen der strengen Monotonie impliziert, dass kein Minimum besitzt (da es zu jedem ein Element mit gibt). Das heisst, der linke Endpunkt von gehört zu genau dann, wenn zum Intervall gehört. Dasselbe gilt auch für den rechten Endpunkt.
Wir wollen nun zeigen, dass stetig ist. Sei also und . Wir definieren den Punkt .
Falls und damit auch ist, dann gibt es einen Punkt in mit . Wir definieren und erhalten für alle
oder auch
Falls und gilt, ist dies bereits die Stetigkeitsbedingung bei für und die Wahl . In der Tat falls und ist, so folgt aus und damit aus der Definition von .
Falls und damit auch ist, dann gibt es einen Punkt mit . Wir definieren und erhalten wie zuvor für alle
oder auch
Falls und ist dies wiederum die Stetigkeitsbedingung bei für und .
Für einen beliebigen Punkt setzen wir und können die Gleichungen (3.8) und (3.9) kombinieren zu
für alle , was zu beweisen war.
3.7.1 Wurzeln aus natürlichen Zahlen*
Wir wollen hier nochmals betonen, dass wann immer wir das Supremum verwenden, wir implizit auch das Vollständigkeitsaxiom (Axiom (16) in Abschnitt 2.1) verwenden. Dies ist insbesondere für den Zwischenwertsatz (Satz 3.58) und damit auch für den Umkehrsatz (Satz 3.64) der Fall. Manifestieren tut sich diese Tatsache darin, dass Wurzeln eher selten rationale Zahlen liefern.
Dieses Lemma vereinfacht unter anderem in konkreten Fällen die Verifikation, ob eine ganze Zahl eine rationale Wurzel hat oder nicht. Grund dafür ist beispielsweise, dass Primzahlen keine -te Wurzel in haben können. (Wieso?)
Beweis.
Angenommen für zwei natürliche Zahlen . Nach Kürzen mit dem grössten gemeinsamen Teiler können wir annehmen, dass durchgekürzt ist oder äquivalent dazu, dass und teilerfremd sind. Dann ist aber auch ein durchgekürzter Bruch, denn jeder Primfaktor von (resp. ) ist ein Primfaktor von (resp. ) und somit sind und teilerfremd. Nach Annahme ist aber , was , und also impliziert. Dann ist und . Die Umkehrung folgt aus .
Wir sehen also, dass alles irrationale Zahlen sind, und haben somit eine Kollektion von (konkreten) irrationalen Zahlen zur Verfügung. Genauer gilt folgendes Kriterion.
Übung 3.68.
Sei und . Zeigen Sie, dass genau dann rational ist, wenn jeder Primfaktor in der Primfaktorzerlegung von die Eigenschaft und für eine durch teilbare natürliche Zahl hat.