7.1 Reihen
Definition 7.1 (Reihen).
Sei eine Folge reeller oder komplexer Zahlen. Wir wollen die (unendliche) Reihe betrachten, wobei für das -te Glied oder der -te Summand der Reihe genannt wird. Für ist die -te Partialsumme der Reihe durch gegeben. Wir nennen die Reihe konvergent, falls der Grenzwert
in existiert, wobei wir diesen dann als Wert der Reihe bezeichnen. Ansonsten nennen wir die Reihe divergent.
Eine kleine Warnung: Mit „Sei eine Reihe …“ meinen wir trotz der Notation nicht wirklich, dass effektiv eine Zahl darstellt. Vor allem bevor wir wissen, ob die Reihe konvergent ist, ist vielmehr als formales Objekt zu verstehen (gewissermassen als die Folge der Partialsummen), dessen Konvergenzeigenschaften wir untersuchen wollen.† Manche Autoren verwenden in diesem Zusammenhang auch für die Reihe als formales Objekt, welches mit der Folge der Partialsummen identifiziert werden kann, und für den Wert der Reihe. Der erste Summand der Reihe muss nicht immer dem Index zugeordnet sein und obige Definition ist in solchen Fällen entsprechend anzupassen.
Eine einfache aber auch sehr wichtige Eigenschaft konvergenter Reihen ist in folgender Proposition enthalten.
Proposition 7.2 (Nullfolgen).
Falls die Reihe konvergiert, dann ist die Folge eine Nullfolge, das heisst .
Beweis.
Nach Annahme haben die Partialsummen für einen Grenzwert und damit gilt ebenso
Beispiel 7.3 (Geometrische Reihe).
Die geometrische Reihe zu (oder ) konvergiert genau dann, wenn ist. In diesem Fall ist
In der Tat impliziert Konvergenz der Reihe mittels Proposition 7.2, dass . Umgekehrt gilt für auf Grund der geometrischen Summenformel in Proposition 3.8 und der Konvergenz der geometrischen Folge in Beispiel 5.34, dass
für .
Beispiel 7.4 (Harmonische Reihe).
Die Umkehrung von Proposition 7.2 gilt nicht. Beispielsweise ist die harmonische Reihe divergent.
Wir beweisen die Divergenz mit einer konkreten Abschätzung. Sei , dann erfüllt die Partialsumme der harmonischen Reihe für die Abschätzung
Da beliebig war, erkennen wir, dass die Partialsummen nicht beschränkt sind, und daher ist die harmonische Reihe divergent.
Wir präsentieren noch eine kleine Anwendung der Divergenz der harmonischen Reihe aus dem Alltag.
Beispiel 7.5 (Harmonischer Springturm).
Wir wollen am Rande des Zürichsees einen Springturm bauen, der aus einzelnen quaderförmigen Bausteinen (von gleicher Form und gleichem Material) besteht und möglichst weit in den See hineinragen soll. Wie weit können wir kommen, ohne die Bausteine aneinander oder an das ebene, äusserst stabile, am Uferrand liegende Fundament zu befestigen? Wir wollen Bausteine von 2 Metern Länge verwenden und rechnen von oben weg jeweils aus, wie weit die Bausteine zueinander verschoben sein dürfen, ohne dass der Turm einstürzt. Für sehen wir in Figur 7.1, dass der Baustein in den See ragen kann.
Wir schieben jetzt einen Baustein von unten ein und wollen beide Bausteine soweit wie möglich in den See schieben.
Um zu bestimmen, wie weit man beide Steine in Richtung See schieben darf, berechnen wir den Schwerpunkt der beiden Steine gemeinsam. Hierfür verwenden wir ein geeignetes Koordinatensystem; nämlich messen wir nach rechts vom Uferrand (also der linken Kante des unteren Steins) aus – siehe dazu das linke Bild in Figur 7.2. Der Schwerpunkt des oberen Steins hat in diesem Koordinatensystem die Koordinate , der untere die Koordinate und damit beide zusammen die Koordinate . Also können wir beide in Richtung See verschieben und kommen somit total in den See hinein.
Wir heben jetzt diese beiden an und fügen einen weiteren Stein so hinzu, dass die linke Kante genau unter dem Schwerpunkt der ersten zwei und damit am Uferrand zu liegen kommt. Wir müssen also wieder den gemeinsamen Schwerpunkt dieser drei Steine bestimmen. Die oberen beiden haben den gemeinsamen Schwerpunkt , der untere hat die Koordinate und somit haben alle drei zusammen den Schwerpunkt . Wir verschieben also alle drei um in Richtung See, was eine totale Verschiebung von ergibt, und wiederholen den Vorgang so oft wie wir wollen. Da aber die Partialsummen der harmonischen Reihe unbeschränkt sind, können wir damit beliebig weit in den See hineinbauen. Eine interaktive Darstellung dieses Vorgehens findet man unter diesem Link und ein Video unter diesem.
Für die Praxis ist diese Methode kaum zu empfehlen, zum einen haben wir das Gewicht des Turmspringers ignoriert, und weiters haben wir nicht beschrieben, wie hoch der Turm wirklich wird, wenn wir auch nur in den See hineinreichen wollen (da in diesem Fall Bausteine notwendig sind).
Die folgenden drei Lemmata sind einfache Konsequenzen der Definition der Konvergenz von Reihen.
Lemma 7.6 (Linearität).
Seien , konvergente Reihen und . Dann sind die Reihen , konvergent und es gilt
Also bilden konvergente Reihen einen Vektorraum über und der Wert der Reihe stellt eine lineare Abbildung auf diesem Vektorraum nach dar.
Übung 7.7.
Beweisen Sie Lemma 7.6.
Lemma 7.8 (Indexverschiebung für Reihen).
Sei eine Reihe. Für jedes ist die Reihe genau dann konvergent, wenn die Reihe konvergent ist. In diesem Fall gilt
Insbesondere zeigt Lemma 7.8, dass das Konvergenzverhalten einer Reihe sich nicht ändert, wenn endlich viele Glieder der Reihe weggelassen, hinzugefügt oder geändert werden. Wir werden diese zentrale Eigenschaft oft und deswegen mitunter auch implizit verwenden.
Beweis.
Für gilt
Insbesondere konvergieren die Partialsummen von genau dann, wenn die Partialsummen von konvergieren und das Lemma folgt.
Lemma 7.9 (Zusammenfassen von benachbarten Gliedern).
Sei eine konvergente Reihe und eine streng monoton wachsende Folge natürlicher Zahlen. Definiere und für . Dann gilt
Beweis.
Die -te Partialsumme von ist
Somit bilden die Partialsummen von eine Teilfolge der konvergenten Folge der Partialsummen von .
Beispiel 7.10.
Die Umkehrung von Lemma 7.9 gilt im Allgemeinen nicht. Beispielsweise ist die Reihe nach Proposition 7.2 divergent, aber die Reihe , die aus zusammengefügten Gliedern von besteht, ist konvergent, da jedes Glied Null ist.
7.1.1 Reihen mit nicht-negativen Gliedern
Für Reihen mit nicht-negativen Gliedern gilt folgende fundamentale Eigenschaft.
Proposition 7.11 (Monotone Partialsummen).
Für eine Reihe mit nicht-negativen Gliedern für alle bilden die Partialsummen eine monoton wachsende Folge. Falls diese Folge der Partialsummen beschränkt ist, dann konvergiert die Reihe . Ansonsten gilt
Insbesondere können wir für die harmonische Reihe in Beispiel 7.4
schreiben.
Beweis.
Aus folgt für alle . Falls die Partialsummen zusätzlich noch beschränkt sind, dann sind diese (und damit auch die Reihe) konvergent nach Satz 6.5.
Korollar 7.12 (Vergleichssatz).
Seien , zwei Reihen mit der Eigenschaft für alle . Dann gilt und insbesondere gelten die Implikationen
Diese beiden Implikationen treffen auch dann zu, wenn nur für alle hinreichend grossen gilt.
Man nennt unter den Annahmen des Korollars die Reihe eine Majorante der Reihe , und letztere auch eine Minorante der Reihe . Daher spricht man auch von dem Majoranten- und dem Minorantenkriterium.
Beweis.
Aus für alle folgt für alle . Somit gilt nach Monotonie der Folge der Partialsummen
Die letzte Aussage der Proposition ist nun eine Konsequenz von Lemma 7.8 (wieso?).
Übung 7.13.
Zeigen Sie, dass die Annahme in Korollar 7.12, dass die Reihen , nicht-negative Glieder haben, notwendig ist.
Beispiel 7.14 (Reihe der Kehrwerte der Quadratzahlen).
Die Reihe ist konvergent. Tatsächlich gilt für und die Reihe ist konvergent, da deren -te Partialsumme unter Auflösen einer Teleskopsumme (siehe Abschnitt 3.1.1) durch
gegeben ist.
Beispiel 7.15 (Reihenkonvergenz und Folgenasymptotik).
Wir betrachten die Reihe
und wollen zeigen, dass diese konvergiert. Für dies bemerken wir, dass im Wesentlichen sich wie verhalten sollte. Genauer formuliert gilt für (siehe Abschnitt 6.6) da
Daher gibt es ein mit für alle (wieso?) und ein mit für alle . Verwenden wir nun Korollar 7.12 und Beispiel 7.14 ergibt sich die Konvergenz von .
Proposition 7.16 (Verdichtung).
Eine Reihe mit nicht-negativen, monoton abnehmenden Gliedern ist genau dann konvergent, wenn konvergent ist.
Beweis.
Es gelten auf Grund der angenommenen Monotonie von die Ungleichungen
und allgemeiner
für . Für die Summen ergibt sich daher die Ungleichung
und wir erhalten die Proposition durch den Grenzübergang und Korollar 7.12.
Beispiel 7.17 (-Test).
Die Reihe für konvergiert genau dann, wenn . Für ist für alle und die Reihe nach Proposition 7.2 somit divergent. Für gilt für alle und die Reihe divergiert nach Korollar 7.12, da die harmonische Reihe divergiert. Wir wenden nun Proposition 7.16 an. Für ist eine monoton abnehmende Folge und wir erhalten aus Proposition 7.16, dass genau dann konvergiert, wenn
konvergiert. Diese geometrische Reihe konvergiert aber nach Beispiel 7.3 genau dann, wenn ist.
Übung 7.18.
- (i)
- Zeigen Sie für , dass die Reihe genau dann konvergiert, wenn ist.
- (ii)
- Ist die Reihe konvergent oder divergent?
Übung 7.19 (q-äre Darstellungen).
Sei , . In Übung 3.7 haben wir gezeigt, dass jede ganze Zahl eine Ziffernentwicklung zur Basis besitzt. In dieser Übung wollen wir die analoge Aussage für reelle Zahlen formulieren und beweisen. Sei . Wegen Übung 3.7 wollen wir sogar annehmen, dass . Zeigen Sie, dass eine Folge von Ziffern mit für alle existiert, so dass die Reihe konvergiert und darstellt im Sinne von
Sind die Ziffern zu wie oben eindeutig bestimmt?
Hinweis.
Sei und . Dann gilt (wieso?). Betrachten Sie nun und . Wieder gilt , was nun aber impliziert. Führen Sie diese Argumentation iterativ fort und finden Sie eine Folge mit
für alle .
7.1.2 Bedingte Konvergenz
Wir sagen, dass eine Reihe mit komplexen Summanden absolut konvergiert, falls die Reihe konvergiert. Die Reihe ist bedingt konvergent, falls sie konvergiert, aber nicht absolut konvergiert.
Wie wir im nächsten Abschnitt besprechen werden, haben absolut konvergente Reihen, im Gegensatz zu bedingt konvergenten Folgen, sehr robuste Eigenschaften. Inwiefern letztere über gewisse (widersprüchlich erscheinende) Eigenheiten verfügen, wollen wir in diesem Teilabschnitt erklären.
Beispiel 7.20 (Alternierende harmonische Reihe).
Wir wollen zuerst zeigen, dass die alternierende harmonische Reihe
bedingt konvergiert. Nach Beispiel 7.4 divergiert die harmonische Reihe
(nach unendlich). Wir müssen also nur noch Konvergenz der alternierenden Reihe beweisen. Wir betrachten zuerst zu die -te Partialsumme
Die Folge ist somit monoton wachsend und beschränkt (wegen Beispiel 7.14) und konvergiert damit. Wegen konvergiert aber ebenso die Folge und gegen den gleichen Limes.† Wir werden den Wert dieser Reihe erst später berechnen können. Also konvergiert die Reihe (wieso?). Des Weiteren folgt , da nach obigem Argument die Partialsumme als Summe von positiven Summanden geschrieben werden kann, wovon der erste Term gleich ist.
Folgender Satz mag zuerst überraschend sein und zeigt, dass man mit bedingter Konvergenz vorsichtig umgehen muss, da diese sehr zerbrechliche Eigenschaften besitzt.
Satz 7.21 (Riemannscher Umordnungssatz).
Sei eine bedingt konvergente Reihe mit reellen Gliedern. Dann gibt es zu jedem eine bijektive Funktion (eine Umordnung) , so dass die Reihe bedingt konvergiert und ist. Weiters gibt es eine Umordnung der Reihe, die divergiert.
Beispiel 7.22 (Umordnen der alternierenden harmonischen Reihe).
Wir ordnen die alternierende harmonische Reihe um und erhalten
Wir bemerken, dass die so erhaltene Umordnung der alternierenden harmonischen Reihe konvergiert und den halben Wert der alternierenden harmonischen Reihe annimmt. Hierbei sind die Klammern als Hilfestellung gedacht, denn rechnet man die Klammern aus, so erhält man die Reihe in der jeder Summand genau die Hälfte der Summanden der alternierenden harmonischen Reihe ausmacht. Lässt man hingegen die Klammern weg, so erhält man die umgeordnete Reihe der alternierenden harmonischen Reihe. Des Weiteren weiss man für diese Reihe, dass die Teilfolge der Partialsummen konvergiert. Da aber und Nullfolgen sind, können wir daraus schliessen, dass die umgeordnete Reihe konvergiert und den halben Wert der ursprünglichen Reihe hat.
Da dieser Satz eher negativer Natur ist, begnügen wir uns mit einer Beweisskizze und verweisen auf [Wal04, Satz 5.17]. Sei also eine bedingt konvergente Reihe (wobei es helfen könnte, an zu denken). Dann gilt für und nach Annahme. Wir teilen die natürlichen Zahlen in die zwei Mengen
auf. Dann müssen und beide unendliche Kardinalität haben, denn wenn zum Beispiel endlich wäre, dann würden sich und nur um endlich viele Terme unterscheiden. (Für wäre und .) Wir zählen die Elemente in und so auf, dass
und
Weiters ist und . Denn falls beide Summen endlich wären, dann wäre . Wäre zum Beispiel , aber , dann wäre auch . (Für sind diese beiden Reihen und .)
Für ein gegebenes konstruieren wir die bijektive Abbildung gemeinsam mit der Reihe auf folgende Weise.
Wir beginnen die Reihe mit den ersten nicht-negativen Gliedern
und wählen minimal, so dass die obige Summe grösser als ist (was wegen möglich ist). Anschliessend addieren wir die ersten negativen Glieder und wählen , so dass die Summe
kleiner als ist. Als nächstes addieren wir, beginnend mit , nicht-negative Terme, um die Summe grösser als werden zu lassen. Wir führen dies fort und weil und können wir immer wieder nach endlich vielen Summanden von der einen Seite von zu der anderen Seite von wechseln. Da noch dazu für gilt, werden die einzelnen Schritte über hinweg immer kleiner und wir können auf diese Art als Grenzwert der umgeordneten Folge realisieren.
Übung 7.23.
Füllen Sie die unterlassenen Schritte am Ende der obigen Beweisskizze ein, um einen vollständigen Beweis von Satz 7.21 zu erhalten.
Falls Sie jetzt denken, dass der Riemann’sche Umordnungssatz (Satz 7.21) einen Widerspruch in der Mathematik darstellt, dann täuschen Sie sich. Denn wir haben eine klare Definition für den Wert einer Reihe in Definition 7.1 ausformuliert. Wir haben auch besprochen, wie sich das Zusammenfassen von benachbarten (!) Gliedern einer Reihe für diese Definition auswirkt (siehe Lemma 7.9) – hierbei geht man von der ursprünglichen Folge der Partialsummen zu einer Teilfolge der Partialsummen über und weder das Konvergenzverhalten noch der Wert ändern sich hier. Was hingegen passiert mit der Folge der Partialsummen, wenn sie die Summanden mittels einer beliebigen Bijektion permutieren? Dies ist unmöglich zu beantworten, denn es gibt im Allgemeinen überhaupt keinen Zusammenhang zwischen der Folge der Partialsummen der ursprünglichen Reihe und der Folge der Partialsummen der permutierten Reihe (da der Riemann’sche Umordnungssatz ja zeigt, dass wir das Konvergenzverhalten auf diese Weise komplett ändern können).
Wir sind immer mittels formaler Definitionen und Beweise vorgegangen und versuchen natürlich auch ein intuitives Verständnis für die so entstehenden Theorien zu entwickeln, doch wenn es (wie zum Beispiel hier) zu einer Diskrepanz zwischen unseren Sätzen und unserer Anschauung kommt, dann müssen wir daran arbeiten unsere Anschauung den gegebenen Fakten (also Definitionen und Sätzen) anzupassen. Für den Fall einer bedingt konvergenten Reihe müssen wir uns daran erinnern, dass der Wert der Reihe nicht als die Summe aller Summanden definiert wurde – wie sollen wir denn unendlich viele Additionen gleichzeitig durchführen? Stattdessen wurde der Wert der Reihe als der Grenzwert der Partialsummen definiert und für diese Definition müssen wir die Reihenfolge der Summanden kennen. Ändert sich die Reihenfolge, dann könnte sich dies auf die Definition auswirken (was bei bedingt konvergenten Reihen auf Grund von Satz 7.21 in der Tat der Fall ist).
Bedingt konvergente Reihen sind für uns am Rande interessant, da wir zum Beispiel zeigen werden, dass die alternierende harmonische Reihe den Wert hat. Doch die weitaus meisten Reihen, die wir betrachten werden, werden absolut konvergent sein und robusteres Verhalten zeigen.
Applet 7.24 (Drei Reihen).
Wir stellen in diesem Applet die harmonische Reihe, die alternierende harmonische Reihe und die Reihe mit den reziproken Quadratzahlen gegenüber und sehen drei unterschiedliche Verhaltensweisen. Erklären Sie diese Unterschiede. Wie nennen wir diese Verhaltensweisen?
Hinweis.
(*)
7.1.3 Alternierende Reihen
Das in Beispiel 7.20 aufgetretene Phänomen tritt auch in folgendem Resultat auf (welches wegen der sehr einfachen Abschätzung auch für absolut konvergente Reihen von Interesse sein wird). Für eine Folge positiver Zahlen bezeichnen wir die Reihe als eine alternierende Reihe.
Proposition 7.25 (Leibniz-Kriterium).
Gegeben sei eine monoton fallende Folge positiver Zahlen, die gegen Null konvergiert. Dann konvergiert die zugehörige alternierende Reihe und es gilt, dass
für alle . Weiters ist
für alle .
Abschätzungen des Typs (7.1) werden meist auch als Fehlerabschätzungen oder Fehlerschranken bezeichnet. Intuitiv beschreibt man damit, wie gross der Fehler höchstens ist, wenn man anstatt des Wertes der Reihe nur die Summe bis zu einem gewissen Glied (als Approximation gewissermassen) betrachtet.
Beweis.
Ähnlich wie in Beispiel 7.20 spielen wir die Folge der Partialsummen zu geraden und ungeraden Indices gegeneinander aus. Für sei . Es gilt
für alle . Insbesondere ist die Folge monoton fallend und die Folge ist monoton wachsend. Wegen und der Monotonieeigenschaften gilt
für alle . Somit ist von oben beschränkt und damit konvergent. Analog ist auch von unten beschränkt und konvergent. Wir fassen die erhaltenen Erkenntnisse in folgendem Bild zusammen.
Da aber gegen Null konvergiert, haben die Folgen und wegen für alle den gleichen Grenzwert. Insbesondere konvergiert die Reihe (wieso?).
Wir zeigen nun die Fehlerabschätzung und die behauptete Ungleichung. Für gilt auf Grund der besprochenen Monotonieeigenschaften, dass
Für ist aber und wir erhalten (7.1) . Für ungerade, gilt ebenso woraus sich (7.1) ergibt. Dies beweist die Fehlerabschätzung sowohl für einen geraden als auch für einen ungeraden Index und damit die Proposition.
7.1.4 Das Cauchy-Kriterium
Der nächste Satz übernimmt den Grossteil unserer Vorarbeiten über reellwertige und komplexwertige Folgen und gibt uns für den weiteren Aufbau der Theorie ein sehr wichtiges und genaues Kriterium für die Konvergenz von Reihen.
Satz 7.26 (Cauchy-Kriterium).
Die Reihe konvergiert genau dann, wenn es zu jedem ein gibt, so dass für
erfüllt ist.
Beweis.
Dies folgt aus dem Cauchy-Kriterium für Folgen (Satz 6.26) angewendet auf die Folge der Partialsummen , da für
Beispiel 7.27 (Harmonische Reihe).
Um die Divergenz der harmonischen Reihe zu sehen, können wir auch das Cauchy-Kriterium verwenden. Wir setzen dazu . Für ein beliebiges gilt dann
was wegen dem Cauchy-Kriterium für Reihen (Satz 7.26) die Divergenz impliziert.