74.1 – Osteoporose |
WICHTIG
Systemische Skeletterkrankung, bei der Knochenmasse und -qualität vermindert sind.
Die Widerstandsfähigkeit des Knochens ist vermindert und das Frakturrisiko somit erhöht.
74.1.1 – Diagnostik
MERKE
Die Patienten sind bis zum Auftreten von Frakturen asymptomatisch.
Anamnese
- Erfragen von Risikofaktoren (siehe Ursachen für sekundäre Osteoporose)
Klinische Untersuchung
- Körperhaltung
- Funktionen des Bewegungsapparates
- Körpergrößenverlust > 4-5 cm ist praktisch immer ein Hinweis auf eine Wirbelkörperfraktur
- Rundrücken und Tannenbaumphänomen (seitlich von der Wirbelsäule abfallende Hautfalten als Zeichen einer Wirbelsäulenverkürzung
- Hinweise auf sekundäre Formen der Osteoporose: z.B. blaue Skleren bei Osteogenesis imperfecta, Lymphknotenschwellung bei chronisch-lymphatischer Leukämie, cushingoider Habitus mit Striae rubrae bei Morbus Cushing
Konventionelles Röntgenbild
- Rx der Brust- und Lendenwirbelsäule ap und seitlich
MERKE
Rarefizierung der Trabekel oder Deformationen von Wirbelkörpern im Röntgenbild sind Hinweise auf eine mögliche osteoporotische Ursache. Zur Diagnose braucht es eine Wirbelkörperfraktur.
Osteodensitometrie
- Die Knochendichtemessung (Densitometrie) mittels Doppelröntgen-Absorptiometrie (DEXA) ist zusammen mit der Erhebung der Risikofaktoren die beste prädiktive Untersuchung zur Abklärung des osteoporotischen Frakturrisikos
- Knochenmineraldichten werden in absoluten Messwerten (z.B. g/cm2 ) angegeben und verglichen mit einer prämenopausalen Referenzpopulation (t-Score) und einer Population gleichen Alters (z-Score)
- bei Abnahme des Mineralgehalts um 1 Standardabweichung (t-Score -1,0) steigt das relative Frakturrisiko auf das 2-3-Fache
- Standardmäßige Untersuchung von Lendenwirbelsäule und proximalem Femur. Aus dem t-Score der einzelnen Regionen ergibt sich das Stadium der Osteoporose
Densitometrische Klassifikation der Osteoporose
normal | t-Score ≥ -1,0 |
Osteopenie | t-Score -1,0 bis -2,5 |
Osteoporose | t-Score ≤ -2,5 |
schwere (etablierte/manifeste) Osteoporose | t-Score ≤ -2,5 und ≥ 1 osteoporosebedingte Fraktur |
MERKE
Das absolute Frakturrisiko wird nicht alleine durch die Densitometrie bestimmt! Berücksichtigung von:
- Alter
- bestehende Frakturen
- zusätzliche Risikofaktoren und Zeichen eines erhöhten Knochenabbaus
Die Entscheidung, welcher Art eine Intervention sein soll, ergibt sich erst unter Berücksichtigung aller Befunde und Faktoren, die zu einer Erhöhung des absoluten Frakturrisikos führen (z.B. ab 15- 20%igem absolutem 10-Jahresfraktur-Risiko), und ist individuell zu fällen.
Laboruntersuchungen
- primäre Osteoporose ist eine Ausschlussdiagnose!
- Laborparameter sind i.d.R. unauffällig
- Blutuntersuchungen dienen daher v.a. der Abklärung einer sekundären Osteoporose sowie der Erfassung des Knochen-Turnovers
- Knochenabbaumarkerdienen auch der Verlaufskontrolle einer antiresorptiven Therapie
Laboruntersuchungen zur Abklärung einer Osteoporose
Serumparameter | wichtige damit verbundene Fragestellungen |
BSG, CRP | ↑ : entzündliche Ursachen von Wirbelkörperdeformitäten, multiples Myelom |
Differenzialblutbild | pathologisch bei malignen hämatologischen Erkrankungen |
Kalzium | ↑ : z.B. pHPT ↓ : z.B. sHPT, Malabsorption |
Phosphat | ↑ : sHPT, Malabsorption |
alkalische Phosphatase (AP) | ↑ : Osteomalazie |
γ-GT | Differenzialdiagnostik einer hepatisch bedingten AP-Erhöhung |
Kreatinin | ↑ : renale Osteopathie (abhängig von der Muskelmasse) |
Eiweisselektrophorese | Hinweise auf ein multiples Myelom (monoklonale Paraproteinämie) |
TSH | ↓ : Hyperthyreose |
25-(OH)-Vitamin-D bei Hyper- oder Hypokalzämie | ↓ : Vitamin-D-Mangel |
PTH bei Hyper- oder Hypokalzämie | ↑ : z.B. pHPT ↓ : z.B. Malignom |
evtl. Tryptase | Mastozytose |
Testosteron beim Mann | Hypogonadismus |
Knochen-Resorptionsmarker | Beurteilung des Knochenumbaus |
74.2 – Vitamin-D-Mangel – Osteomalazie und Rachitis |
WICHTIG
Bei absolutem oder funktionellem Vitamin-D- Mangel ist die Mineralisierung von neu gebildeter Knochenmatrix gestört. Bei Kindern resultiert daraus die Rachitis, bei Erwachsenen die Osteomalazie.
74.2.1 – Ätiologie
74.2.2 – Symptomatik
74.2.3 – Diagnostik
Röntgenbefunde
- verwaschene Knochenstruktur
- eventuell Bildung von Fischwirbeln mit Verdichtungen im Deck- und Bodenplattenbereich der Wirbelkörper (Rugger- jersey-Aspekt, Abb. C-1.15)
- das Skelett ist kalkarm
- typisch sind bilaterale und symmetrische sog. Looser-Zonen (Abb. C-1.16) mit Pseudofrakturen und -fissuren. Betroffen sind v.a. der proximale Femur und das Becken, seltener auch Skapula, Klavikula oder Rippen
Laborkonstellationen bei verschiedenen Ursachen der Osteomalazie bzw. Rachitis
Ca2+ | Phosphat | AP | PTH | 25-OH-D3 | 1,25-OH-D3 | |
Vitamin-D3-Mangel und verminderte 25-Hydroxilierung | ↓ | ↓ | ↑↑ | ↑- ↑↑ | ↓ | N-(↓) |
verminderte 1α-Hydroxilierung: VDDR-I | ↓ | ↓ | ↑↑ | ↑ | N-↓ | ↓↓ |
verminderte 1α-Hydroxilierung: Niereninsuffizienz | ↓ | ↑ | ↑- ↑↑ | ↑- ↑↑ | N | ↓ |
Zielorganresistenz: VDDR-II | ↓-↓↓ | ↓ | ↑↑ | ↑ | N-↓ | ↑-N |
Hypophosphatämie | N | ↓↓ | ↑↑ | N | N | N-↓ |
Mineralisationsdefekt: Hypophosphatasie | N | N | ↓- ↓↓ | ↓-(N) | N | N |
Im Urin werden Kalzium und evtl. Phosphat bestimmt, je nach Verdacht sind weiterführende Abklärungen indiziert
74.2.4 – Therapie
74.3 – Morbus Paget |
WICHTIG
Der Morbus Paget (Ostitis deformans, Osteodystrophia deformans) ist charakterisiert durch erhöhten Knochenumbau, Knochenhypertrophie und abnorme Knochenstruktur. Die Erkrankung kann lokalisiert, mono- oder polyostotisch auftreten.
MERKE
Viele Patienten sind v.a. zu Anfang beschwerdefrei, die Röntgenveränderungen oder die Erhöhung der alkalischen Phosphatase sind Zufallsbefunde.
74.3.1 – Diagnostik
- anamnestischen Symptome und klinischen Zeichen sind stark variabel und abhängig von der Lokalisation des Befalls und der Aktivität des gestörten Knochenumbaus
Das Skelett-Röntgenbild ist meist diagnoseweisend:
- typisch sind fortschreitende keilförmige Osteolysen
- eine Betonung und Vergröberung des trabekulären Musters und
- eine Verdickung der Kompakta mit Volumenzunahme des Knochens
Radiologisch werden 3 Stadien unterschieden, die gleichzeitig vorliegen können:
- lytisches Stadium: meist scharf begrenzte Osteolysen mit umschriebener Aufhellung, Beteiligung der Kompakta
- kombiniertes Stadium: osteolytische sowie strähnige, sklerotische Areale
- sklerotisches Stadium: fleckige, strähnige Veränderungen und Deformationen durch Volumenzunahme
- die betroffenen Skelettabschnitte zeigen starke Aktivitätserhöhungen in der Skelettszintigrafie
- die alkalische Phosphatase ist deutlich erhöht, außerdem die Knochenresorptionsmarker (Pyridinium-Crosslinks, Telopeptide)
74.3.2 – Therapie
- keine Therapie bei älteren, beschwerdefreien Patienten ohne Befall gefährdeter Knochenabschnitte und mit geringer Krankheitsaktivität
- Bisphosphonate wirken stark antiresorptiv und hemmen die gesteigerte Aktivität der Osteoklasten, was bei den meisten Patienten zur Beschwerdefreitheit führt
- bei Bedarf können zusätzlich Kalzitonin und/oder Analgetika (bei sekundärer Arthrose) eingesetzt werden. Kalzitonin ist antiresorptiv zwar weniger stark wirksam, wirkt jedoch zusätzlich analgetisch