WICHTIG
Stoffwechselstörung mit Hyperglykämie, bedingt durch:
- einen Insulinmangel
- eine ungenügende Insulinwirkung
- oder beides
55.1 – Einteilung des Diabetes mellitus nach WHO |
55.2 – Diagnostische Kriterien |
- Random-Plasmaglukose: Glukosemessung zu einem beliebigen Zeitpunkt : BZ ≥ 11.1mmol/l und typische Symptome
- Nüchternplasmaglukose ≥ 7 mmol/l
- Plasmaglukose ≥ 11.1 mmol/l 2 Stunden nach oraler Gabe von 75g Glukose (oraler Glukosetoleranztest, oGTT)
- HbA1c > 6.5%
- Diagnosestellung in Akutsituation (z.B. Sepsis, schwere Allgemeinerkrankung, Operation etc) ist nicht zulässig
- einmalig pathologischer Wert muss durch Wiederholung gesichert werden
- Screening: Nüchternplasmaglukose (NPG), OGTT nur noch in speziellen Situationen (Schwangerschaft), HbA1c > 6.5%
Diagnosestellung mittels Nüchternplasmaglukose
Glukosekonzentration | Diagnose |
< 5.6 mmol/l (< 100mg/dl) | kein Diabetes mellitus |
5.6 – 7 mmol/l (100 – 126mg/dl) | gestörte Nüchternglukose |
≥ 7 mmol/l (≥ 126mg/dl) | Diabetes mellitus |
55.3 – Typ 1 – Diabetes |
55.3.1 – Definition
WICHTIG
Insulinmangel mit konsekutiver Stoffwechselentgleisung, bedingt durch autoimmune Zerstörung der β-Zellen.
55.3.2 – Epidemiologie
- etwa 20% der Diabetiker haben einen Typ 1-Diabetes
- Auftreten v.a. bei Jüngeren (50% vor dem 40. Lebensjahr)
- bei älteren Patienten mit Typ 1-Diabetes verläuft der Autoimmunprozess langsamer; sie werden deshalb oft primär als Typ 2-Diabetiker behandelt
55.3.3 – Pathogenese
55.3.4 – Klinik
- Polydipsie, Polyurie
- Leistungsminderung, Müdigkeit, Gewichtsabnahme
- evtl. häufige Infektionen: Balanitis, Vulvitis, Furunkulose, Candidosen
- Sehstörungen (osmotische Einlagerung von Glukose und H2O in der Linse → Veränderung des Brechungsindexes)
55.3.5 – Diagnostik
- Hyperglykämie
- Glukosurie, Ketonurie
- evtl. Nachweis von Autoantikörpern (Anti-GAD-Ak, Anti-IA-2-Ak, u.a.)
55.3.6 – Therapie
- Insulintherapie: meist Basis-Bolus-Prinzip (Depotinsulin für Basalbedarf, raschwirkendes Insulin als «Boli» zum Essen, bzw. zur Korrektur hoher BZ-Werte)
- Schulung: Blutzuckerselbstmessung, selbständige Insulinanpassung, umfassende Beratung (Spätfolgen)
- Ernährungsberatung
- körperliche Aktivität (steigert Glukoseaufnahme in periphere Gewebe)
55.4 – Typ 2-Diabetes |
55.4.1 – Definition
WICHTIG
Glukosestoffwechselstörung, bedingt durch eine periphere Insulinresistenz und Störung der Insulinsekretion.
55.4.2 – Epidemiologie
- über 80% der Diabetiker haben einen Typ 2 Diabetes, ca. 5% der Gesamtbevölkerung
- familiäre Belastung («Diabetesgene»): Konkordanz bei eineiigen Zwillingen 90%, Familienanamnese in den meisten Fällen positiv
- Auftreten meist nach dem 30. Lebensjahr, sprunghafte Zunahme der Inzidenz nach dem 50. Lebensjahr
55.4.3 – Risikofaktoren
- genetische Faktoren: polygene Vererbung, Mutationen an bestimmten Genen (z.B. TCF7L2-Gen) erhöht Risiko an Typ 2 D.m. zu erkranken stark.
- Alter: Prävalenz des D.m. steigt mit zunehmendem Alter (Maximum der Neuerkrankung zw. 60.-70. Lebensjahr). Die Prävalenz bei Kindern und Jugendlichen ist als Folge von Übergewicht steigend
- Gewicht: wichtigster Risikofaktor! ca. 85% aller Typ 2 Diabetiker sind übergewichtig. Fettverteilung spielt ebenfalls eine Rolle: visceral-betonte Adipositas führt zu Insulinresistenz, kombiniertes Auftreten im Rahmen des metabolischen Syndroms
- körperliche Inaktivität: begünstigt Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2. Körperliche Aktivität führt zur Verminderung der Insulinresistenz und kann zur Gewichtsreduktion beitragen
- weitere Risikofaktoren: Medikamente (Glukokortikoide, Diuretika), Stress oder Schwangerschaft (verstärkt Insulinresistenz)
MERKE
Eine Gewichtszunahme von 8-10 Kg erhöht relatives Risiko an einem Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken um das 3-fache, eine Gewichtszunahme von 11-20 Kg um das 5-fache!
55.4.4 – Ätiopathogenese
55.4.5 – Klinik
- Müdigkeit, Polyurie, Polydipsie, Infekte
- Klinik ist wenig verlässlich! (50% zeigen keine Symptome)
- bei Diagnosestellung hat der Diabetes in der Regel schon 5-10 Jahre bestanden
WICHTIG
Häufig wird die Diagnose erst anhand von Folgeerkrankungen (Neuropathie, Nephropathie, koronare Herzkrankheit) gestellt.
55.4.6 – Therapie
55.5 – Spezifische Diabetestypen |
WICHTIG
Als spezifische Diabetestypen werden alle Diabetesformen, bei denen spezifische genetische Defekte bekannt sind (<5% der Diabetiker) oder welche sekundär infolge Pankreaserkrankungen, Endokrinopathien oder im Rahmen von Syndromen auftreten, werden nach der neuen Nomenklatur (WHO 1998) als spezifische Diabetestypen bezeichnet.
55.6 – Gestationsdiabetes |
WICHTIG
- als Gestationsdiabetes wird das erstmalige Auftreten einer diabetischen Stoffwechsellage im Verlauf der Schwangerschaft bezeichnet
- Risikofaktoren sind:
- Übergewicht
- familiäre Diabetesbelastung
- Alter über 30 Jahre
- Makrosomie eines Kindes ( > 4500 g) in früherer Schwangerschaft
55.7 – Coma diabeticum |
Definition
WICHTIG
Akute – unbehandelt letale – Erkrankung infolge eines Insulinmangels mit schwerer Stoffwechseldekompensation!
- ketoazidotisches Coma: absoluter Insulinmangel
- hyperosmolares Coma: relativer Insulinmangel
Klinik
Ketoazidotisches Koma | Hyperosmolares Koma | |
Alter | jedes | meist > 50. Lebensjahr |
Patienten | Diabetes mellitus Typ 1 | Diabetes mellitus Typ 2 (häufig bei Erstmanifestation) |
Beginn | akut | schleichend über Tage bis Wochen |
Anamnese | Polyurie, Polydipsie Erbrechen Gewichtsverlust |
Polyurie, inadäquate Flüssigkeitsaufnahme Steroide, Diuretika |
Symptome | Somnolenz bis Koma Kussmaul-Atmung Azentongeruch (Äpfel) |
Exsikkose Somnolenz bis Koma, evtl. Krampfanfall Atmung normal |
Vollbild | Koma Hyporeflexie Pseudoperitonismus |
Koma Hyporeflexie Krampfneigung |
Blutzucker | 20-35 mmol/l | 35-70 mmol/l |
Arterieller pH | < 7.30 | > 7.30 |
Serum-Bikarbonat | < 15 mmol/l | > 15 mmol/l |
Anionenlücke | vergrössert | normal |
Ketonurie | +++ | -/+ |