Wir beginnen in diesem Kapitel «Bewegungen» zu untersuchen, indem wir Grenzwerte von Folgen und allgemeineren Funktionen diskutieren. Dies wird uns insbesondere erlauben, die Exponentialabbildung zu definieren. Wir werden auch den Zusammenhang zwischen dem Riemann-Integral und Riemann-Summen als eine Art von Grenzwertprozess untersuchen.
Wir haben in den letzten beiden Kapiteln wiederholt Supremum und Infimum als wichtigste Hilfsmittel für den Aufbau der Theorie verwendet. Allerdings haben diese die fundamentale Einschränkung, nur für die reellen Zahlen sinnvoll zu sein. Wir werden hier bedeutende alternative Hilfsmittel, nämlich den Begriff der Cauchy-Folgen und die Existenz von konvergenten Teilfolgen einführen. Wie wir zum Teil in diesem Kapitel aber in grösserem Ausmass im zweiten Semester sehen werden sind diese Hilfsmittel auch im [latex]\mathbb {R}^d[/latex] für [latex]d\geq 2[/latex] sinnvoll und nützlich.
5.1 – Konvergenz von Folgen
Definition 5.1: Folge
Sei [latex]X[/latex] eine Menge. Eine Folge in [latex]X[/latex] ist eine Abbildung [latex]a: \mathbb {N} \to ~X[/latex]. Das Bild [latex]a(n)[/latex] von [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] schreibt man auch als [latex]a_n[/latex] und bezeichnet es als das [latex]n[/latex]-te Folgenglied von [latex]a[/latex]. Anstatt [latex]a:\mathbb {N}\to X[/latex] schreibt man oft [latex](a_n)_{n\in \mathbb {N}}[/latex], [latex](a_n)_{n=1}^\infty[/latex] oder kurz [latex](a_n)_{n}[/latex]. Die Menge der Folgen in [latex]X[/latex] wird auch als [latex]X^{\mathbb {N}}[/latex] bezeichnet. Eine Folge [latex](a_n)_n[/latex] heisst konstant, falls [latex]a_n = a_m[/latex] für alle [latex]m,n\in \mathbb {N}[/latex], und schliesslich konstant, falls ein [latex]N\in \mathbb {N}[/latex] existiert mit [latex]a_n = a_m[/latex] für alle [latex]m,n\in \mathbb {N}[/latex] mit [latex]m,n \geq N[/latex].
Wir werden vorerst nur Folgen in [latex]\mathbb {C}[/latex] betrachten. Diese bilden, wie wir in den Abschnitten 3.4 und 3.5.1 gesehen haben, einen Vektorraum ([latex]\mathbb {C}^\mathbb {N} = F_\mathbb {C}(\mathbb {N})[/latex]) mit den Verknüpfungen
für [latex]\alpha \in \mathbb {C}[/latex] und Folgen [latex](a_n)_{n},(b_n)_{n} \in \mathbb {C}^\mathbb {N}[/latex].
Für eine schliesslich konstante Folge [latex](a_n)_n[/latex] ist [latex]A\in \mathbb {C}[/latex] mit [latex]a_n=A[/latex] für alle hinreichend grossen [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] eine besondere Zahl, die wir mit der schliesslich konstanten Folge assoziieren können. Wir wollen diese Assoziation verallgemeinern, wobei wir eine beliebig kleine Fehlerschranke [latex]\varepsilon >0[/latex] erlauben und wiederum ein [latex]A\in \mathbb {C}[/latex] suchen, so dass für alle hinreichend grossen [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] das Folgenglied [latex]a_n[/latex] — bis auf einen Fehler kleiner als [latex]\varepsilon[/latex] — gleich [latex]A[/latex] sein soll. Wir formalisieren diesen Begriff wie folgt.
Definition 5.2: Grenzwert
Wir sagen, dass eine Folge [latex](a_n)_{n}[/latex] in [latex]\mathbb {C}[/latex] gegen eine Zahl [latex]A\in \mathbb {C}[/latex] strebt, gegen die Zahl [latex]A[/latex] konvergiert oder Grenzwert [latex]A[/latex] hat, falls es für jedes [latex]\varepsilon >0[/latex] ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] gibt, so dass [latex]|a_n-A|konvergent. Falls es keinen Grenzwert in [latex]\mathbb {C}[/latex] gibt, nennen wir die Folge divergent.
Nochmals anders formuliert ist eine Folge [latex](a_n)_{n}[/latex] nach [latex]A[/latex] konvergent, falls hinreichend späte Folgenglieder der Zahl [latex]A[/latex] beliebig nahe kommen müssen — siehe folgendes Bild:
In Prädikatenlogik ist Konvergenz gegen [latex]A[/latex] durch
gegeben. Wir bemerken noch, dass eine Folge [latex](a_n)_n[/latex] in [latex]\mathbb {C}[/latex] genau dann gegen [latex]A \in \mathbb {C}[/latex] konvergiert, wenn die Folge [latex](|a_n-A|)_n[/latex] gegen Null konvergiert.
Lemma 5.3: Eindeutigkeit des Grenzwerts
Der Grenzwert einer konvergenten Folge [latex](a_n)_{n}[/latex] ist eindeutig bestimmt. Wir bezeichnen ihn mit [latex]\lim _{n \to \infty }a_n[/latex].
Beweis
Die Folge [latex](a_n)_{n}[/latex] konvergiere gegen [latex]A_1\in \mathbb {C}[/latex] und [latex]A_2\in \mathbb {C}[/latex]. Wir nehmen an, dass [latex]A_1 \neq A_2[/latex] und sei [latex]\varepsilon = |A_1-A_2|> 0[/latex]. Dann können wir [latex]N_1,N_2 \in \mathbb {N}[/latex] finden, so dass für alle [latex]n \geq N_1[/latex] gilt [latex]|a_n - A_1|
Dies ist ein Widerspruch. Das heisst, [latex]A_1 = A_2[/latex] und das Lemma folgt. ∎
Wir empfehlen Ihnen, sich ein Bild zu obigem Beweis zu zeichnen. Falls [latex]A=\lim _{n\to \infty }a_n[/latex] für eine Folge [latex](a_n)_n[/latex], dann schreibt man oft auch [latex]a_n\to A[/latex] für [latex]n\to \infty[/latex].
Beispiel 5.4: Konvergente und divergente Folgen
- Eine konstante Folge [latex](a_n)_{n}[/latex] mit [latex]a_n = A\in \mathbb {C}[/latex] für alle [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] konvergiert gegen [latex]A[/latex]. Genauso konvergieren schliesslich konstante Folgen gegen den Wert, den sie schliesslich annehmen.
- Die Folge [latex](\frac {1}{n})_{n}[/latex] konvergiert gegen Null, das heisst [latex]\lim _{n \to \infty }\frac {1}{n} =0[/latex]. Denn für alle [latex]\varepsilon >0[/latex] existiert nach dem Archimedischen Prinzip (Satz 2.69) ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] mit [latex]\frac {1}{N}
- Die Folge [latex](a_n)_{n}[/latex] gegeben durch [latex]a_n = (-1)^n[/latex] für [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] ist divergent, da die Folgenglieder [latex]1,-1,1,-1,1,-1,\ldots[/latex] zwischen [latex]1[/latex] und [latex]-1[/latex] hin und her wechseln und sich insbesondere keiner bestimmten Zahl nähern.
Formal argumentiert: Für jede Zahl [latex]A\in \mathbb {C}[/latex] ist entweder [latex]A \neq 1[/latex] und somit [latex]\varepsilon = |A-1| > 0[/latex] oder [latex]A = 1[/latex]. Im ersten Fall gibt es für jedes [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] ein gerades [latex]n \geq N[/latex] mit [latex]a_n = (-1)^n = 1[/latex] und damit [latex]|a_n - A| = |A-1| = \varepsilon[/latex] (anstatt [latex]|a_n -A |
Oft werden wir anstelle von Folgen in [latex]\mathbb {C}[/latex] auch Folgen in [latex]\mathbb {R}[/latex] betrachten. Ist eine solche Folge konvergent, so liegt ihr Grenzwert in [latex]\mathbb {R}[/latex], wie wir in folgender Übung zeigen.
Wichtige Übung 5.5: Reelle Grenzwerte
Sei [latex](a_n)_{n}[/latex] eine konvergente Folge reeller Zahlen. Zeigen Sie, dass der Grenzwert [latex]\lim _{n \to \infty }a_n[/latex] reell ist.
Hinweis.
Nehmen Sie an, dass [latex]A = \lim _{n \to \infty }a_n \in \mathbb {C} \setminus \mathbb {R}[/latex] und wählen Sie [latex]\varepsilon > 0[/latex] so, dass der Ball von Radius [latex]\varepsilon[/latex] um [latex]A[/latex] die reelle Zahlengerade nicht schneidet.
Eine Folge [latex](a_n)_{n}[/latex] heisst beschränkt, falls es ein [latex]M > 0[/latex] gibt, so dass [latex]|a_n|\leq M[/latex] für alle [latex]n \in \mathbb {N}[/latex]. Wie in Übung 3.39 kann man zeigen, dass die Menge der beschränkten Folgen in [latex]\mathbb {C}^\mathbb {N}[/latex] einen Unterraum bildet.
Beweis
Sei [latex](a_n)_{n}[/latex] eine konvergente Folge und [latex]A = \lim _{n\to \infty }a_n[/latex]. Dann existiert ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex], so dass [latex]|a_n-A|
für alle [latex]n \geq N[/latex] und
für alle [latex]n \in \mathbb {N}[/latex]. ∎
Wie schon bei der Stetigkeit von Funktionen möchten wir auch hier nicht jedesmal «von Hand» mit [latex]\varepsilon >0[/latex] und [latex]N\geq 1[/latex] Grenzwerte berechnen müssen. Dazu ist folgende Proposition hilfreich.
Proposition 5.7: Additive und multiplikative Eigenschaften des Grenzwerts
Seien [latex](a_n)_{n}[/latex], [latex](b_n)_{n}[/latex] zwei konvergente Folgen.
- Die Folge [latex](a_n)_{n}+(b_n)_{n}[/latex] ist konvergent und es gilt
- Die Folge [latex](a_n b_n)_{n}[/latex] ist konvergent und es gilt
Insbesondere ist für [latex]\alpha \in \mathbb {R}[/latex] die Folge [latex]\alpha (a_n)_{n}[/latex] konvergent und
- Angenommen [latex]a_n \neq 0[/latex] für alle [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] und [latex]\lim _{n \to \infty }a_n \neq 0[/latex]. Dann ist die Folge [latex](\frac {1}{a_n})_{n}[/latex] konvergent und es gilt
Nach (i) und (ii) bildet die Menge der konvergenten Folgen in [latex]\mathbb {C}^\mathbb {N}[/latex] einen Unterraum und der Grenzwert stellt eine lineare Abbildung von diesem Unterraum nach [latex]\mathbb {C}[/latex] dar.
Beweis
Für (i) und (ii) verweisen wir auf Übung 5.8. Also angenommen [latex]a_n \neq 0[/latex] für alle [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] und [latex]A=\lim _{n \to \infty }a_n \neq 0[/latex]. Dann gilt
Wir sehen also, dass wir erzwingen können, dass [latex]\big |\frac {1}{a_n}- \frac {1}{A} \big |[/latex] klein ist, wenn [latex]|A-a_n|[/latex] klein ist. Dazu müssen wir allerdings verhindern, dass [latex]a_n[/latex] zu klein wird. Für den formalen Beweis sei [latex]\varepsilon >0[/latex]. Nach Definition von [latex]A=\lim _{n \to \infty }a_n[/latex] existiert ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex], so dass
für alle [latex]n \geq N[/latex]. Für [latex]n \geq N[/latex] gilt dann nach der umgekehrten Dreiecksungleichung
Also wird [latex]a_n[/latex] nicht zu klein und
was zu zeigen war. ∎
Übung 5.8
Modifizieren Sie die Argumente für Proposition 3.51, um einen Beweis von Proposition 5.7 (i) und (ii) zu erhalten.
Übung 5.9: Rationale Funktionen als Folgen
- Berechnen Sie folgende Grenzwerte, wenn sie existieren:
- Formulieren und beweisen Sie allgemeine Versionen von den Beispielen in a).
Verwenden Sie hier und auch sonst kein früher erlerntes Kochrezept, das Sie nicht begründen können.
Eine konvergente Folge mit Grenzwert Null wird auch eine Nullfolge genannt.
Übung 5.10: Nullfolgen und Divergenz
Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine komplex-wertige Folge mit [latex]a_n\neq 0[/latex] für alle [latex]n[/latex], so dass [latex](a_n^{-1})_n[/latex] gegen [latex]0[/latex] konvergiert. Zeigen Sie, dass [latex](a_n)_n[/latex] divergiert.
Lemma 5.11: Indexverschiebung
Für eine konvergente Folge [latex](a_n)_{n}[/latex] und [latex]\ell \in \mathbb {N}_0[/latex] ist die Folge [latex](a_{n+\ell })_{n}[/latex] konvergent und es gilt
Beispiel 5.13: Geometrische Folgen
Sei [latex]q\in \mathbb {C}[/latex]. Die Folge [latex]n \in \mathbb {N} \mapsto q^n \in \mathbb {R}[/latex] bezeichnen wir als geometrische Folge zum Skalierungsfaktor [latex]q[/latex]. Wir untersuchen nun diese geometrische Folge auf Konvergenz.
- Für [latex]q =1[/latex] ist [latex]q^n = 1[/latex] für alle [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] und [latex]\lim _{n\to \infty }q^n =1[/latex].
- Für [latex]q=-1[/latex] wissen wir bereits, dass die Folge [latex]n \in \mathbb {N}\mapsto (-1)^n[/latex] divergiert (also keinen Grenzwert hat).
- Allgemeiner gilt, dass für [latex]q\in \mathbb {C}[/latex] mit [latex]|q|=1[/latex] und [latex]q\neq 1[/latex] die Folge [latex](q^n)_n[/latex] divergiert.
- Für [latex]|q|>1[/latex] ist [latex](q^n)_n[/latex] unbeschränkt und daher divergent.
- Für [latex]q\in \mathbb {C}[/latex] mit [latex]|q|
Wir müssen noch (iii)-(v) beweisen. Für (iii) argumentieren wir indirekt. Angenommen [latex]q\in ~\mathbb {C}\setminus \left \lbrace {1} \right \rbrace[/latex] erfüllt [latex]|q|=1[/latex] und [latex]\lim _{n \to \infty }q^n = A[/latex]. Dann gilt
nach Proposition 5.7 und Lemma 5.11. Dies impliziert [latex](q^{-1}-1)A = 0[/latex] und wegen [latex]q\neq 1[/latex], dass [latex]A=0[/latex]. Da aber [latex]|q^n-A| = |q^n| = |q|^n =1[/latex] gilt, kann [latex]A=0[/latex] nicht der Grenzwert der Folge sein.
Für (iv) sei nun [latex]q\in \mathbb {C}[/latex] mit [latex]|q|>1[/latex]. Wir zeigen, dass die Folge [latex](q^n)_n[/latex] unbeschränkt ist, womit (iv) aus Lemma 5.6 folgt. Sei [latex]M > 0[/latex] und [latex]x = |q|-1>0[/latex]. Nach dem Archimedischen Prinzip (Satz 2.69) existiert ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] mit [latex]1+Nx > M[/latex]. Nun ergibt die Bernoulli-Ungleichung (Lemma 3.5) [latex]M
Für (v) sei [latex]q\in \mathbb {C}[/latex] mit [latex]|q|0[/latex]. Nach (iv) existiert ein [latex]N\in \mathbb {N}[/latex], so dass [latex]|q|^{-N}>\frac {1}{\varepsilon }[/latex]. Somit gilt für alle [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] mit [latex]n \geq N[/latex]
Übung 5.14
Sei [latex]q\in \mathbb {C}[/latex] mit [latex]|q|
Hinweis.
Zeigen Sie zuerst mit Hilfe der Bernoulli-Ungleichung, dass [latex](nq^n)_n[/latex] beschränkt ist.
Übung 5.15: Cesàro-Mittel
Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine konvergente Folge in [latex]\mathbb {C}[/latex]. Zeigen Sie, dass die Folge der Cesàro-Mittel (auch arithmetische Mittel oder Cauchy-Mittel genannt) [latex](b_n)_n[/latex] gegeben durch
für [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] konvergiert und denselben Grenzwert wie [latex](a_n)_n[/latex] hat.
Überzeugen Sie sich auch davon, dass die umgekehrte Implikation nicht gilt, das heisst, dass die Konvergenz der Cesàro-Mittel nicht Konvergenz der Folge impliziert.
Applet 5.16: Einige Folgen
Wir betrachten verschiedene Folgen und können mittels Verkleinern der [latex]x[/latex]-Achse die Konvergenz- und Divergenzeigenschaften der Folgen beobachten.
5.1.1 – Zusammenhang zur Stetigkeit
Stetigkeit lässt sich auch mit Hilfe von Folgen charakterisieren, wie wir in folgender Proposition diskutieren wollen.
Proposition 5.17: Folgenstetigkeit bei einem Punkt
Sei [latex]D\subseteq \mathbb {C}[/latex] eine Teilmenge, [latex]f:D \to \mathbb {C}[/latex] eine Funktion und [latex]z_0\in D[/latex]. Die Funktion [latex]f[/latex] ist genau dann stetig bei [latex]z_0[/latex], wenn für jede Folge [latex](a_n)_n[/latex] in [latex]D[/latex] mit [latex]\lim _{n\to \infty }a_n = z_0[/latex] auch [latex]\lim _{n\to \infty }f(a_n) = f(z_0)[/latex] gilt.
Sehr intuitiv ausgedrückt ist eine Funktion also stetig, wenn sie konvergente Folgen auf konvergente Folgen (mit dem richtigen Grenzwert) abbildet. Dies bezeichnet man auch als Folgenstetigkeit. Diese Eigenschaft kann für Grenzwertberechnungen von Folgen verwendet werden, indem man eine gegebene Folge als Bild einer Folge (deren Grenzwert idealerweise schon bekannt ist) unter einer stetigen Funktion darstellt.
Beweis
Angenommen [latex]f[/latex] ist bei [latex]z_0[/latex] stetig und [latex](a_n)_n[/latex] ist eine Folge in [latex]D[/latex] mit [latex]\lim _{n\to \infty }a_n = z_0[/latex]. Dann existiert für [latex]\varepsilon >0[/latex] ein [latex]\delta >0[/latex] mit
Des Weiteren existiert ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] mit
was gemeinsam
ergibt. Die Folge [latex](f(a_n))_n[/latex] konvergiert also gegen [latex]f(z_0)[/latex].
Für die Umkehrung nehmen wir an, dass [latex]f[/latex] nicht stetig ist in [latex]z_0[/latex]. Dann existiert ein [latex]\varepsilon >0[/latex], so dass für alle [latex]\delta >0[/latex] ein [latex]z\in D[/latex] existiert mit
Wir verwenden dies für [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] und [latex]\delta = \frac {1}{n}>0[/latex] und finden also ein [latex]a_n \in D[/latex] mit
[latex]
\begin{aligned}[]\label{eq:folg-seqcontpf1} |a_n -z_0|[/latex]
und
[latex]
\begin{aligned}[]\label{eq:folg-seqcontpf2} |f(a_n)-f(z_0)| \geq \varepsilon .\end{aligned}
[/latex]
Aus Ungleichung (5.1) schliessen wir, dass die Folge [latex](a_n)_n[/latex] gegen [latex]z_0[/latex] konvergiert und aus Ungleichung (5.2) folgt, dass [latex](f(a_n))_n[/latex] nicht gegen [latex]f(z_0)[/latex] konvergiert.
∎
Nach Proposition 5.17 verfügen wir nun über zwei Varianten, wie wir Stetigkeit (oder Nicht-Stetigkeit) einer Funktion nachweisen können: mit der Definition (dem [latex]\varepsilon ,\delta[/latex]-Spiel) oder mit Konvergenz von Folgen. Letztere Variante kann unter anderem sehr nützlich sein, wenn man Nicht-Stetigkeit einer Funktion zeigen will, da man demnach bloss eine spezielle Folge konstruieren muss, die auf eine nicht-konvergente Folge abgebildet wird.
Übung 5.18
Sei [latex]D\subseteq \mathbb {C}[/latex] eine Teilmenge und [latex]f:D \to \mathbb {C}[/latex] eine stetige Funktion. Angenommen [latex](a_n)_n[/latex] ist eine Folge in [latex]D[/latex], so dass [latex](f(a_n))_n[/latex] konvergiert. Muss auch [latex](a_n)_n[/latex] konvergieren?
Hinweis.
Betrachten Sie die einfachste stetige Funktion aus Beispiel 3.48.
5.1.2 – Teilfolgen
Oft möchte man anstelle einer Folge [latex](a_n)_n[/latex] nur einen «Teil» der Folge betrachten, wobei wir im Gegensatz zur Indexverschiebung in Lemma 5.11 manchmal auch unendlich viele Folgenglieder wegstreichen wollen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Folge nicht konvergiert.
Definition 5.19: Teilfolge
Wenn [latex](a_n)_n[/latex] eine Folge ist und [latex](n_k)_k:k \in \mathbb {N} \to n_k \in \mathbb {N}[/latex] eine streng monoton wachsende Folge ist, dann wird [latex](a_{n_k})_k[/latex] eine Teilfolge von [latex](a_n)_n[/latex] genannt.
Liegt eine Teilfolge einer konvergenten Folge vor, so konvergiert diese gegen denselben Grenzwert wie die Folge.
Lemma 5.20: Konvergenz von Teilfolgen
Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine konvergente Folge. Jede Teilfolge [latex](a_{n_k})_k[/latex] von [latex](a_n)_n[/latex] konvergiert und hat denselben Grenzwert [latex]\lim _{k\to \infty }a_{n_k} = \lim _{n\to \infty } a_n[/latex].
Wichtige Übung 5.21
Beweisen Sie Lemma 5.20.
Hinweis.
Für eine streng monoton wachsende Folge [latex](n_k)_k[/latex] in [latex]\mathbb {N}[/latex] gilt [latex]n_k \geq k[/latex] (wieso?).
Eine Folge kann konvergente Teilfolgen besitzen, ohne selbst zu konvergieren. Beispielsweise hat die Folge [latex]n \in \mathbb {N} \mapsto \ (-1)^n \in \mathbb {R}[/latex] die konvergente (konstante) Teilfolge [latex]n \in \mathbb {N} \mapsto (-1)^{2n}\in \mathbb {R}[/latex], konvergiert aber nicht, wie wir schon gesehen haben. In der Tat haben wir mit Lemma 5.20 jetzt ein kürzeres Argument. Falls die Folge [latex](a_n)_n = ((-1)^n)[/latex] gegen [latex]A\in \mathbb {R}[/latex] konvergieren würde, so müssten die beiden konstanten Folgen [latex](a_{2n})_n[/latex], [latex](a_{2n+1})_n[/latex] auch gegen [latex]A[/latex] konvergieren. Dies ist natürlich nicht möglich, da die eine gegen [latex]1[/latex] und die andere gegen [latex]-1[/latex] konvergiert.
In gewissen Situationen lässt sich aus dem Konvergenzverhalten von Teilfolgen trotzdem etwas über das Konvergenzverhalten der gesamten Folge sagen.
Übung 5.22: Teilfolgen von Teilfolgen und Konvergenz
Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine Folge und sei [latex]A \in \mathbb {C}[/latex]. Zeigen Sie, dass die Folge [latex](a_n)_n[/latex] genau dann gegen [latex]A[/latex] konvergiert, wenn jede Teilfolge von [latex](a_n)_n[/latex] eine Teilfolge besitzt, die gegen [latex]A[/latex] konvergiert.
Hinweis.
Betrachten Sie zu [latex]\varepsilon >0[/latex] die Menge [latex]\left \lbrace {n \in \mathbb {N}} \mid {|a_n - A|\geq \varepsilon }\right \rbrace[/latex] und zeigen Sie indirekt, dass diese endlich sein muss.
Proposition 5.23: Häufungspunkte einer Folge
Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine Folge in [latex]\mathbb {C}[/latex]. Eine Zahl [latex]A \in \mathbb {C}[/latex] heisst Häufungspunkt von [latex](a_n)_n[/latex], falls die folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt sind.
- Es gibt eine Teilfolge [latex]a_{n_k}[/latex], so dass [latex]\lim _{k \to \infty }a_{n_k} = A[/latex].
- Für alle [latex]\varepsilon >0[/latex] und [latex]N\in \mathbb {N}[/latex] gibt es ein [latex]n\geq N[/latex] mit [latex]|a_n-A|
Beweis
Angenommen (a) gilt. Sei also [latex](a_{n_k})_k[/latex] eine konvergente Teilfolge von [latex](a_n)_n[/latex] mit Grenzwert [latex]A[/latex] und sei [latex]\varepsilon > 0[/latex]. Dann existiert ein [latex]K\in \mathbb {N}[/latex] mit [latex]|a_{n_k}-A|
Angenommen (b) gilt. Wir möchten rekursiv eine Teilfolge [latex](a_{n_k})_k[/latex] finden mit
für alle [latex]k\in \mathbb {N}[/latex]. Diese konvergiert dann gegen [latex]A[/latex], da für [latex]\varepsilon >0[/latex] die Ungleichung [latex]|a_{n_\ell }-A| \frac {1}{\varepsilon }[/latex] erfüllt ist.
Sei [latex]\varepsilon = 1[/latex] und [latex]N=1[/latex]. Dann gibt es ein [latex]n_1 \geq N=1[/latex] mit [latex]|a_{n_1}-A|
für [latex]\ell =1, \ldots , k[/latex]. Wir setzen [latex]\varepsilon = \frac {1}{k+1}[/latex] und [latex]N = n_k+1[/latex]. Dann existiert nach Voraussetzung ein [latex]n_{k+1} \geq N > n_k[/latex] mit
Dies beendet den Induktionsschritt und wir erhalten durch Rekursion die gewünschte Teilfolge [latex](a_{n_k})_k[/latex] mit Grenzwert [latex]A[/latex]. ∎
Bemerkung
Obiger Beweis ist formal nicht ganz unproblematisch. Denn zum Unterschied von der Rekursion, welche wir am Ende von Abschnitt 2.2.1 besprochen haben, müssen wir hier eigentlich eine Wahl für [latex]n_{k+1}[/latex] treffen. Da diese Wahl nicht nur einmal notwendig ist, sondern abzählbar oft, so haben wir in obiger Formulierung eigentlich eine (schwache) Version des Auswahlaxioms verwendet. Wir werden uns diese Freiheit hier und auch in ähnlichen Situationen erlauben, ohne dieses Auswahlaxiom genauer zu besprechen. Mit ein Grund dafür ist, dass ein Grossteil der modernen Mathematik an diesem Auswahlaxiom der Axiomatischen Mengenlehre gebunden ist. Es ist aber auch möglich (wenn auch anstrengend) die Verwendung dieses Auswahlaxioms in obigem Beweis zu vermeiden indem man bei jeder Wahl sicherstellt, dass man das minimale [latex]n_{k+1}\in \mathbb {N}[/latex] mit allen gewünschten Eigenschaften verwendet.
5.1.3 – Cauchy-Folgen
Wir führen eine weitere Eigenschaft von Folgen ein.
Definition 5.24: Cauchy-Folge
Eine Folge [latex](a_n)_n[/latex] in [latex]\mathbb {C}[/latex] ist eine Cauchy-Folge, falls es für jedes [latex]\varepsilon > 0[/latex] ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] gibt, so dass
für alle [latex]m,n \geq N[/latex].
Intuitiv ausgedrückt ist eine Cauchy-Folge also eine Folge, deren Folgenglieder für grosse Indizes immer näher beieinanderliegen. In dieser Formulierung macht die Aussage folgender Übung Sinn.
Wichtige Übung 5.25: Konvergente Folgen sind Cauchy-Folgen
Zeigen Sie, dass eine konvergente Folge in [latex]\mathbb {C}[/latex] eine Cauchy-Folge ist.
Hinweis.
Verwenden Sie für ein gegebenes [latex]\varepsilon >0[/latex] die Definition des Grenzwerts zu [latex]\frac {\varepsilon }{2}[/latex] und die Dreiecksungleichung.
Ein Ziel dieses Kapitels ist die Umkehrung zu zeigen, also dass jede Cauchy-Folge selbst bereits einen Grenzwert besitzt. Dies ist nützlich, da wir für den Beweis der Konvergenz nach Definition eigentlich den Grenzwert bereits kennen müssen. Wollen wir hingegen zeigen, dass eine Folge eine Cauchy-Folge ist, so müssen wir nur die Folgenglieder der Folge betrachten. Damit werden wir im nächsten Kapitel viele neue Funktionen definieren können.[1]
Um Konvergenz einer Cauchy-Folge zu zeigen, kann man folgendes nützliches Kriterium verwenden.
Wichtige Übung 5.26: Konvergente Teilfolgen von Cauchy-Folgen
Zeigen Sie, dass eine Cauchy-Folge genau dann konvergiert, wenn sie eine konvergente Teilfolge besitzt.
5.1.4 – Reduktion auf reelle Folgen
Anstelle von Folgen in [latex]\mathbb {C}[/latex] ist es meistens ausreichend, Folgen in [latex]\mathbb {R}[/latex] zu betrachten.
Lemma 5.27: Reduktion
Eine komplexwertige Folge [latex](a_n)_n[/latex] ist genau dann konvergent (mit Grenzwert [latex]a\in \mathbb {C}[/latex]), wenn die beiden reellwertigen Folgen [latex](\operatorname {Re}(a_n))_n[/latex] und [latex](\operatorname {Im}(a_n))_n[/latex] konvergent sind (mit Grenzwerten [latex]\operatorname {Re}(a)[/latex] respektive [latex]\operatorname {Im}(a)[/latex]).
Beweis
Angenommen [latex](a_n)_n[/latex] konvergiert gegen [latex]a\in \mathbb {C}[/latex]. Für [latex]\varepsilon >0[/latex] existiert dann ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex], so dass [latex]|a_n-a|
für alle [latex]n \geq N[/latex]. Dies zeigt wie gewünscht, dass die Folgen [latex](\operatorname {Re}(a_n))_n[/latex] und [latex]((\operatorname {Im}(a_n))_n[/latex] gegen [latex]\operatorname {Re}(a)[/latex] respektive [latex]\operatorname {Im}(a)[/latex] konvergieren.
Die Umkehrung folgt aus [latex]a_n = \operatorname {Re}(a_n) + \operatorname {Im}(a_n)\mathrm {i}[/latex] für alle [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] und Proposition 5.7(i). ∎
Übung 5.28
Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine konvergente Folge in [latex]\mathbb {C}[/latex]. Zeigen Sie, dass [latex](|a_n|)_n[/latex] konvergiert und geben Sie den Grenzwert an. Impliziert umgekehrt die Konvergenz von [latex](|a_n|)_n[/latex] die Konvergenz von [latex](a_n)_n[/latex]?
Übung 5.29
Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine Folge in [latex]\mathbb {C}[/latex]. Dann ist [latex](a_n)_n[/latex] genau dann eine Cauchy-Folge, wenn [latex](\operatorname {Re}(a_n))_n[/latex] und [latex](\operatorname {Im}(a_n))_n[/latex] Cauchy-Folgen sind.
5.2 – Reelle Folgen
Wie wir im letzten Abschnitt gesehen haben, lässt sich die Konvergenz von komplexwertigen Folgen auf die Konvergenz von reellwertigen Folgen zurückführen. Unter anderem deswegen möchten wir nun reelle Folgen (also Folgen in [latex]\mathbb {R}[/latex]) genauer betrachten und beginnen damit, das Verhalten von Ungleichungen bei Konvergenz zu untersuchen.
Proposition 5.30: Grenzwerte und Ungleichungen
Seien [latex](a_n)_n,(b_n)_n[/latex] reelle Folgen mit Grenzwerten [latex]a = \lim _{n\to \infty }a_n, b= \lim _{n\to \infty }b_n[/latex].
- Falls [latex]a_n \leq b_n[/latex] für alle [latex]n\in \mathbb {N}[/latex], dann gilt auch [latex]a \leq b[/latex].
- Falls [latex]a
Wir möchten noch kurz anmerken, dass die Annahme der strikten Ungleichung in (i) nicht [latex]a
Wir beginnen mit der zweiten Behauptung. Angenommen [latex]a0[/latex] und es existiert ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] (definiert als ein Maximum), so dass Da aber [latex]a+\varepsilon = b-\varepsilon[/latex] nach Wahl von [latex]\varepsilon[/latex], ergibt sich [latex]a_n
Dies beweist auch die erste Behauptung. Denn falls [latex]a>b[/latex] wäre, dann gäbe es nach obigem Folgenglieder [latex]a_n,b_n[/latex] mit [latex]a_n > b_n[/latex]. ∎Beweis
Sie sollten sich ein Bild zu obigem Beweis überlegen, da das Bild es deutlich einfacher machen sollte, sich diesen Beweis (oder auch ähnliche Beweise) zu merken. Wir können Ungleichungen zwischen verschiedenen Folgen auch dazu verwenden, Konvergenz zu zeigen.
Lemma 5.31: Sandwich
Es seien [latex](a_n)_n,(b_n)_n,(c_n)_n[/latex] drei reelle Folgen, so dass [latex]a_n \leq b_n \leq c_n[/latex] für alle [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] gilt. Angenommen [latex](a_n)_n[/latex] und [latex](c_n)_n[/latex] sind konvergent und [latex]A = \lim _{n\to \infty }a_n = \lim _{n\to \infty }c_n[/latex]. Dann ist auch die Folge [latex](b_n)_n[/latex] konvergent und [latex]A = \lim _{n \to \infty }b_n[/latex].
Lemma 5.31 ist sehr nützlich um Konvergenz spezifischer Folgen zu zeigen, wie wir in folgendem Beispiel illustrieren wollen.
Beispiel 5.33: Anwendungen von Lemma 5.31
- Wir wissen bereits, dass [latex]\lim _{n \to \infty } \frac {1}{n} = 0 = \lim _{n \to \infty } \frac {-1}{n}[/latex]. Für jedes [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] gilt jedoch [latex]\frac {-1}{n} \leq \frac {(-1)^n}{n} \leq \frac {1}{n}[/latex] und somit haben wir auch [latex]\lim _{n \to \infty } \frac {(-1)^n}{n} = 0[/latex].
- Für eine beliebige Zahl [latex]a > 0[/latex] definieren wir die Folge [latex](a_n)_n[/latex] durch [latex]a_n = \sqrt [n]{a} = a^{\frac {1}{n}}[/latex]. Wir behaupten, dass
Angenommen [latex]a > 1[/latex]. Wir definieren [latex]b_n = a_n - 1 \geq 0[/latex] für [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] und wollen zeigen, dass die Folge [latex](b_n)_n[/latex] gegen Null konvergiert. Es gilt
nach der Bernoulli-Ungleichung (Lemma 3.5). Daher ist [latex]0 \leq b_n \leq \frac {a}{n}[/latex] für alle [latex]n \in \mathbb {N}[/latex], womit [latex]\lim _{n\to \infty }b_n =0[/latex] nach Lemma 5.31 und damit [latex]\lim _{n \to \infty } a_n = \lim _{n \to \infty }b_n +1 = 1[/latex] nach Proposition 5.7.
Der Fall [latex]a \in (0,1)[/latex] folgt auch aus obigem, denn nach Proposition 5.7 ist
- Wir behaupten des Weiteren, dass
und argumentieren dafür ähnlich, verwenden aber statt der Bernoulli-Ungleichung den Binomialsatz (Satz 3.28). Definiere [latex]b_n = \sqrt [n]{n}-1\geq 0[/latex], so dass
für alle [latex]n\geq 2[/latex]. Wir dividieren durch [latex]\frac {n(n-1)}{2}[/latex] und erhalten
für alle [latex]n \geq 2[/latex]. Da die Wurzelfunktion nach dem Umkehrsatz (Satz 3.65) stetig ist, konvergiert nach Satz 5.17 die Folge [latex]\bigl (\sqrt {\frac {2}{n}}\bigr )_n[/latex] gegen Null. Verwenden wir nun die Indexverschiebung (Lemma 5.11) und das Sandwich-Lemma (Lemma 5.31) so erhalten wir [latex]\lim _{n \to \infty } b_n = 0[/latex] und unsere Behauptung folgt.
5.2.1 – Monotone Folgen
Für monotone Folgen gibt es folgendes hinreichendes und notwendiges Kriterium, das den Nachweis von Konvergenz deutlich vereinfacht. Dies bringt das erste Mal das Vollständigkeitsaxiom in Beziehung zur Konvergenz einer Folge.
Satz 5.34: Konvergenz von monotonen Folgen
Eine monotone reelle Folge [latex](a_n)_n[/latex] konvergiert genau dann, wenn sie beschränkt ist. Falls die Folge [latex](a_n)_n[/latex] monoton wachsend ist, gilt
Falls die Folge [latex](a_n)_n[/latex] monoton fallend ist, gilt
Wir illustrieren den Satz an einem Bild.
Beweis
Falls [latex](a_n)_n[/latex] konvergent ist, ist [latex](a_n)_n[/latex] beschränkt nach Lemma 5.6. Sei also [latex](a_n)_n[/latex] eine beschränkte, reelle Folge. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, dass [latex](a_n)_n[/latex] monoton wachsend ist (sonst ersetzen wir einfach [latex](a_n)_n[/latex] durch [latex](-a_n)_n[/latex]). Sei [latex]a = \sup \left \lbrace {a_n} \mid {n \in \mathbb {N}}\right \rbrace[/latex]. Dann existiert nach der Charakterisierung des Supremums in Satz 2.60 für jedes [latex]\varepsilon >0[/latex] ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] mit [latex]a_N > a- \varepsilon[/latex]. Für [latex]n \geq N[/latex] folgt damit aus der Monotonie von [latex](a_n)_n[/latex], dass
was zu zeigen war. ∎
Übung 5.35: Eine rekursiv definierte konvergente Folge
Sei [latex](a_n)_n[/latex] die durch
für [latex]n\geq 1[/latex] rekursiv definierte Folge. Zeigen Sie, dass [latex](a_n)_n[/latex] konvergiert und bestimmen Sie den Grenzwert.
Hinweis.
Finden Sie zuerst unter Betrachtung der Rekursionsformel einen Kandidaten für den Grenzwert.
Übung 5.36: Gegengerichtete Folgen
Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine monoton wachsende, reelle Folge und [latex](b_n)_n[/latex] eine monoton fallende, reelle Folge mit [latex]a_n \leq b_n[/latex] für alle [latex]n \in \mathbb {N}[/latex]. Zeigen Sie, dass beide Folgen konvergieren und dass [latex]\lim _{n \to \infty } a_n \leq \lim _{n \to \infty } b_n[/latex] gilt.
Hinweis.
Verwenden Sie den Beweis vom Intervallschachtelungsprinzip (Satz 2.78).
5.2.2 – Limes superior und Limes inferior
Wir bringen nochmals das Vollständigkeitsaxiom (in der Form der Existenz des Supremums — Satz 2.60) in die Diskussion ein, aber betrachten im Gegensatz zum letzten Teilabschnitt eine allgemeine beschränkte reelle Folge [latex](a_n)_n[/latex]. Wir bemerken, dass für die Definition der Konvergenz der Folge [latex](a_n)_n[/latex] die sogenannten Endabschnitte [latex](a_k)_{k=n}^\infty[/latex] der Folge (formal definiert durch die Einschränkung von [latex]k \mapsto a_k[/latex] auf [latex]\left \lbrace {k \in \mathbb {N}} \mid {k \geq n}\right \rbrace[/latex]) eine entscheidende Rolle spielen. Deswegen definieren wir für jedes [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] das Supremum
über den Endabschnitt [latex]\left \lbrace {a_k} \mid {k\geq n}\right \rbrace[/latex] der Folge. Wir schreiben diese Definition auch in der Kurzform
Da [latex]\left \lbrace {a_k} \mid {k \geq n+1}\right \rbrace \subseteq \left \lbrace {a_k} \mid {k \geq n}\right \rbrace[/latex] ist, folgt (siehe die Bemerkung direkt nach Satz 4.19), dass [latex]S_{n+1}\leq S_n[/latex]. Die Folge [latex](S_n)_n[/latex] ist also monoton fallend. Da [latex](a_n)_n[/latex] nach Annahme beschränkt ist, existiert ein [latex]M > 0[/latex] mit [latex]|a_k| \leq M[/latex] für alle [latex]k \in \mathbb {N}[/latex]. Dies impliziert für alle [latex]n \in \mathbb {N}[/latex], dass [latex]S_n \leq M[/latex], da [latex]M[/latex] eine obere Schranke von [latex]\left \lbrace {a_k} \mid {k \geq n}\right \rbrace[/latex] ist, und dass [latex]S_n \geq -M[/latex], da [latex]S_n \geq a_n \geq -M[/latex]. Unter dem Strich ist [latex](S_n)_n[/latex] also eine monoton fallende, beschränkte Folge und muss daher nach Satz 5.34 gegen das Infimum der Folge konvergieren.
Definition 5.37: Limes superior
Für eine beschränkte reelle Folge [latex](a_n)_n[/latex] ist der Limes superior definiert durch
Es ergibt sich beispielsweise für die Folge [latex](a_n)_n[/latex] gegeben durch [latex]a_n = (-1)^n[/latex] für [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] unmittelbar [latex]S_n=1[/latex] für alle [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] und somit [latex]\limsup _{n\to \infty }(-1)^n = 1[/latex].
Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine beschränkte, reelle Folge. Analog zu obiger Diskussion definiert [latex]I_n = \inf _{k \geq n}a_k[/latex] für [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] eine monoton wachsende, beschränkte Folge [latex](I_n)_n[/latex], die nach Satz 5.34 gegen [latex]\sup _{n\in \mathbb {N}}I_n[/latex] konvergiert.
Definition 5.38: Limes inferior
Für eine beschränkte, reelle Folge [latex](a_n)_n[/latex] ist der Limes inferior definiert durch
Wie zuvor erhält man beispielsweise [latex]\liminf _{n\to \infty }(-1)^n = -1[/latex]. Wir wollen die Begriffe Limes superior und Limes inferior an einem konkreten Zahlenbeispiel erproben.
Beispiel 5.39
Sei [latex](a_n)_n[/latex] die reelle Folge definiert durch [latex]a_n = (-1)^n + \frac {1}{n}[/latex] für [latex]n\in \mathbb {N}[/latex]. Wir stellen [latex]a_n,\ S_n = \sup _{k \geq n}a_k,\ I_n = \inf _{k \geq n}a_k[/latex] in folgender Tabelle dar.
Man beachte dabei, dass [latex]S_n = a_n[/latex] ist, wenn [latex]n[/latex] gerade ist und sonst [latex]S_n = a_{n+1}[/latex]. Daher ist [latex]\limsup _{n \to \infty }((-1)^n+\frac {1}{n}) = \lim _{n\to \infty }((-1)^{2n}+\frac {1}{2n}) = 1[/latex]. Weiters ist wegen [latex]\lim _{n\to \infty }a_{2n+1}=-1[/latex] das Infimum [latex]I_n=-1[/latex] für alle [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] (wieso?), womit [latex]\liminf _{n \to \infty } ((-1)^n+\frac {1}{n})=-1[/latex].
Satz 5.40: Eigenschaften des Limes superior
Für eine reelle, beschränkte Folge [latex](a_n)_n[/latex] erfüllt der Limes superior [latex]\limsup _{n \to \infty }a_n[/latex] die folgenden Eigenschaften:
- Für alle [latex]\varepsilon >0[/latex] gibt es nur endlich viele Folgenglieder [latex]a_n[/latex] mit [latex]a_n > \limsup _{n \to \infty }a_n + \varepsilon[/latex].
- Für alle [latex]\varepsilon >0[/latex] gibt es unendlich viele Folgenglieder [latex]a_n[/latex] mit [latex]a_n \geq \limsup _{n \to \infty }a_n - \varepsilon[/latex].
Intuitiv bleibt die Folge also nicht lange weit über dem Limes superior und nähert sich immer wieder dem Limes superior. Wir empfehlen Ihnen zur Veranschaulichung die Aussagen des Satzes im Beispiel 5.39 direkt zu überprüfen und im Bild dazu zu veranschaulichen.
Beweis
Zur ersten Aussage: Sei [latex]\varepsilon >0[/latex] und [latex]S = \limsup _{n \to \infty }a_n[/latex]. Da [latex]S_n= \sup _{k\geq n}a_k[/latex] gegen [latex]S[/latex] konvergiert für [latex]n \to \infty[/latex], gibt es ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex], so dass [latex]S_N
Für die zweite Aussage sei [latex]\varepsilon >0[/latex] und wieder [latex]S = \limsup _{n \to \infty }a_n[/latex]. Sei [latex]N \in \mathbb {N}[/latex]. Dann gilt [latex]S_N \geq S = \inf _{n\geq 1}S_n[/latex]. Nach Definition von [latex]S_N = \sup _{k \geq n}a_k[/latex] und Satz 2.60 existiert ein [latex]k \geq N[/latex] mit [latex]a_k \geq S_N - \varepsilon > S-\varepsilon[/latex]. Da [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] beliebig war, beweist dies die zweite Eigenschaft des Limes superior. ∎
Übung 5.41: Charakterisierung des Limes Superior
Zeigen Sie, dass die beiden Eigenschaften in Satz 5.40 den Limes superior einer beschränkten, reellen Folge eindeutig charakterisieren.
Der Limes Inferior hat zu dem Limes Superior analoge Eigenschaften (siehe Übung 5.42).
Übung 5.42: Limes superior und Limes inferior
Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine beschränkte reelle Folge.
- Beweisen Sie
- Verwenden Sie diese Gleichheit, um eine analoge Version von Satz 5.40 für den Limes inferior zu formulieren und zu beweisen.
- Zeigen Sie [latex]\liminf _{n\to \infty }a_n\leq \limsup _{n\to \infty }a_n[/latex].
- Zeigen Sie, dass der Limes superior als Abbildung definiert auf dem Unterraum der beschränkten Folgen in [latex]\mathbb {R}^\mathbb {N}[/latex] mit Zielraum [latex]\mathbb {R}[/latex] nicht linear ist. Genauer: Verifizieren Sie, dass sich der Limes superior weder unter Addition noch unter skalarer Multiplikation geeignet verhält.
Korollar 5.43: Charakterisierung der Konvergenz
Für eine reelle, beschränkte Folge [latex](a_n)_n[/latex] gilt [latex]\liminf _{n\to \infty }a_n=\limsup _{n\to \infty }a_n[/latex] genau dann wenn [latex](a_n)_n[/latex] konvergent ist.
Beweis
Angenommen [latex]A=\liminf _{n\to \infty }a_n=\limsup _{n\to \infty }a_n[/latex] und [latex]\varepsilon >0[/latex]. Dann existiert nach Satz 5.40 ein [latex]N[/latex] so dass [latex]a_n\leq A+\varepsilon /2[/latex] für alle [latex]n\geq N[/latex] (auf Grund der Eigenschaften des Limes Superior) und [latex]a_n\geq A-\varepsilon /2[/latex] für alle [latex]n\geq N[/latex] (auf Grund der Eigenschaften des Limes Inferior). Zusammen erhalten wir [latex]|a_n-A|
Wir nehmen nun an, dass [latex]A=\lim _{n\to \infty }a_n[/latex] existiert. Sei [latex]\varepsilon >0[/latex]. Dann existiert ein [latex]N[/latex] so dass [latex]A-\varepsilon für alle [latex]n\geq N[/latex], und daher Da dies für alle [latex]\varepsilon >0[/latex] gilt, folgt daraus [latex]A=\liminf _{n\to \infty }a_n=\limsup _{n\to \infty }a_n[/latex]. ∎
5.2.3 – Konvergente Teilfolgen
Wir betrachten wiederum eine beschränkte, reelle Folge [latex](a_n)_n[/latex] und wollen die Konvergenz von Teilfolgen von [latex](a_n)_n[/latex] untersuchen.
Satz 5.44: Konvergenz von Teilfolgen
Für jede konvergente Teilfolge [latex](a_{n_k})_k[/latex] einer beschränkten, reellen Folge [latex](a_n)_n[/latex] gilt
Des Weiteren existiert eine konvergente Teilfolge [latex](a_{n_k})_k[/latex] mit [latex]\lim _{k \to \infty }a_{n_k} = \limsup _{n \to \infty }a_n[/latex] und eine konvergente Teilfolge [latex](a_{m_k})_k[/latex] mit [latex]\lim _{k \to \infty }a_{m_k} = \liminf _{n \to \infty }a_n[/latex].
Betrachtet man die Folge [latex](a_n)_n[/latex] mit [latex]a_n = (-1)^n[/latex] für [latex]n \in \mathbb {N}[/latex], so erfüllt beispielsweise die Teilfolge [latex](a_{2k})_k[/latex], dass [latex]\lim _{k \to \infty }a_{2k} = \limsup _{n \to \infty } a_n = 1[/latex], und die Teilfolge [latex](a_{2k+1})_k[/latex], dass [latex]\lim _{k \to \infty }a_{2k+1} = \liminf _{n \to \infty } a_n = -1[/latex], wie wir schon gesehen haben.
Beweis von Satz 5.44
Sei [latex](a_{n_k})_k[/latex] eine konvergente Teilfolge von [latex](a_n)_n[/latex], [latex]I = \liminf _{n \to \infty }a_n[/latex], [latex]S = \limsup _{n \to \infty }a_n[/latex] und [latex]\varepsilon >0[/latex]. Dann gibt es nach der ersten Eigenschaft in Satz 5.40 ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex], so dass
[latex]
\begin{aligned}[]\label{eq:folg-konvvonteilfbew1} a_n \leq S + \varepsilon\end{aligned}
[/latex]
für alle [latex]n \geq N[/latex]. Wenn nötig können wir [latex]N[/latex] noch grösser wählen, so dass ebenso gilt
[latex]
\begin{aligned}[]\label{eq:folg-konvvonteilfbew2} a_n \geq I- \varepsilon\end{aligned}
[/latex]
für alle [latex]n \geq N[/latex] (siehe auch Übung 5.42). Insbesondere gelten (5.3) und (5.4) auch für [latex]a_{n_k}[/latex] und genügend grosse [latex]k[/latex] (zum Beispiel [latex]k \geq N[/latex], da dann [latex]n_k \geq k \geq N[/latex]). Für den Limes der Folge [latex](a_{n_k})_k[/latex] ergibt sich daraus
(siehe Proposition 5.30 und Lemma 5.11). Da [latex]\varepsilon >0[/latex] beliebig war und [latex]\lim _{k \to \infty } a_{n_k}[/latex] nicht von [latex]\varepsilon[/latex] abhängt, ergibt sich daraus [latex]I \leq \lim _{k \to \infty } a_{n_k} \leq S[/latex], wie im Satz behauptet wurde.
Wir wollen nun eine konvergente Teilfolge von [latex](a_n)_n[/latex] mit Grenzwert [latex]\limsup _{n\to \infty }a_n[/latex] finden. In anderen Worten wollen wir also zeigen, dass [latex]\limsup _{n\to \infty }a_n[/latex] ein Häufungspunkt der Folge [latex](a_n)_n[/latex] ist. Wir bedienen uns dabei der zweiten äquivalenten Bedingung in Proposition 5.23. Sei also [latex]\varepsilon >0[/latex] und [latex]N\in \mathbb {N}[/latex]. Dann existiert ein [latex]M\geq N[/latex] mit [latex]S\leq S_M
Auf Grund der Definition des Supremums existiert damit ein [latex]n\geq M\geq N[/latex] mit
Der Beweis der Existenz einer Teilfolge mit Grenzwert [latex]\liminf _{n \to \infty }a_n[/latex] ist analog. ∎
Wir wollen noch einen zweiten Beweis der Existenz von konvergenten Teilfolgen unter Verwendung des Intervallschachtelungsprinzips andeuten. Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine reelle, beschränkte Folge und [latex]c_1,d_1\in \mathbb {R}[/latex], so dass [latex]c_1 \leq a_n \leq d_1[/latex] für alle [latex]n \in \mathbb {N}[/latex]. Wir definieren [latex]n_1 = 1[/latex]. Als nächsten Schritt teilen wir das Intervall [latex][c_1,d_1][/latex] in zwei Hälften
auf und erkennen, dass zumindest eine der beiden Hälften unendlich viele Folgenglieder enthalten muss. Wir definieren [latex]c_2 = c_1[/latex], [latex]d_2 = \frac {c_1+d_1}{2}[/latex], falls [latex]a_n \in [c_1,\frac {c_1+d_1}{2}][/latex] für unendlich viele [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] und ansonsten [latex]c_2 = \frac {c_1+d_1}{2}[/latex], [latex]d_2 = d_1[/latex]. Insbesondere existiert ein [latex]n_2>n_1[/latex] mit [latex]a_{n_2} \in [c_2,d_2][/latex]. Wiederum teilen wir [latex][c_2,d_2][/latex] in zwei Hälften auf und wählen eine Hälfte [latex][c_3,d_3][/latex] aus, die unendlich viele Folgenglieder [latex]a_n[/latex] enthält. Auch wählen wir [latex]n_3>n_2[/latex] mit [latex]a_{n_3} \in [c_3,d_3][/latex].
Iterieren wir dieses Argument, so erhalten wir zwei weitere Folgen [latex](c_k)_k,(d_k)_k[/latex] und eine Teilfolge [latex](a_{n_k})_k[/latex] von [latex](a_n)_n[/latex], so dass
für alle [latex]k \in \mathbb {N}[/latex]. Nach Satz 2.78 (wo ebenso wie in Satz 5.44 die Existenz von Supremum und Infimum verwendet wurde) gibt es ein [latex]A\in \bigcap _{k\in \mathbb {N}} [c_k,d_k][/latex]. Aus [latex]c_k \leq A \leq d_k[/latex] und [latex]c_k \leq a_{n_k}\leq d_k[/latex] folgt
für alle [latex]k \in \mathbb {N}[/latex]. Nach Lemma 5.31 und Beispiel 5.13 gilt nun [latex]\lim _{k \to \infty }a_{n_k}= A[/latex]. Dieses Argument beweist die Existenz von konvergenten Teilfolgen, ohne diese aber in Zusammenhang mit dem Limes Superior und dem Limes Inferior wie in Satz 5.44 zu bringen.
Für eine beschränkte, reelle Folge [latex](a_n)_n[/latex] liegen nach Satz 5.44 alle Häufungspunkte zwischen [latex]\liminf _{n\to \infty }a_n[/latex] und [latex]\limsup _{n \to \infty }a_n[/latex] und diese beiden Punkte sind Häufungspunkte von [latex](a_n)_n[/latex]. Lässt man die Annahme der Beschränktheit fallen, so muss eine Folge nicht unbedingt Häufungspunkte besitzen. Ein Beispiel einer Folge ohne Häufungspunkte ist [latex](n)_n[/latex].
Wir möchten auch anmerken, dass die Menge der Häufungspunkte einer Folge [latex](a_n)_n[/latex] in [latex]\mathbb {R}[/latex] nicht gleich den Häufungspunkten der Teilmenge [latex]\left \lbrace {a_n} \mid {n \in \mathbb {N}}\right \rbrace[/latex] (siehe Definition 2.74) sein muss. Beispielsweise hat die Folge [latex](a_n)_n[/latex] gegeben durch [latex]a_n = (-1)^n[/latex] für [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] die beiden Häufungspunkte [latex]-1[/latex] und [latex]1[/latex] und die Menge [latex]\left \lbrace {-1,1} \right \rbrace[/latex] hat aber keine Häufungspunkte.
Übung 5.45: Häufungspunkte
- Finden Sie eine Folge [latex](a_n)_n[/latex], so dass jede reelle Zahl [latex]A[/latex] ein Häufungspunkt der Folge [latex](a_n)_n[/latex] ist.
Hinweis. [latex]\mathbb {Q}[/latex] ist abzählbar.
- Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine Folge in [latex]\mathbb {R}[/latex]. Zeigen Sie, dass ein Häufungspunkt der Menge [latex]\left \lbrace {a_n} \mid {n\in \mathbb {N}}\right \rbrace[/latex] auch ein Häufungspunkt der Folge [latex](a_n)_n[/latex] ist.
- Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine Folge in [latex]\mathbb {R}[/latex] und nehmen Sie an, dass [latex]n\in \mathbb {N}\mapsto a_n[/latex] injektiv ist. Zeigen Sie, dass ein Häufungspunkt der Folge [latex](a_n)_n[/latex] in diesem Fall auch ein Häufungspunkt der Menge [latex]\left \lbrace {a_n} \mid {n\in \mathbb {N}}\right \rbrace[/latex] ist.
Übung 5.46: Mischung von drei Folgen
Seien [latex](a_n)_n,(b_n)_n,(c_n)_n[/latex] konvergente reelle Folgen und seien [latex]A= \lim _{n\to \infty }a_n[/latex], [latex]B = \lim _{n\to \infty }b_n[/latex], [latex]C = \lim _{n\to \infty }c_n[/latex]. Betrachten Sie die reelle Folge [latex](x_n)_n[/latex] definiert durch
für [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] und berechnen Sie [latex]\limsup _{n \to \infty }x_n[/latex], [latex]\liminf _{n\to \infty }x_n[/latex] und die Menge der Häufungspunkte von [latex](x_n)_n[/latex].
Zu jeder natürlichen Zahl [latex]K[/latex] lässt sich eine Folge konstruieren, die [latex]K[/latex] Häufungspunkte hat. Die Folge [latex](a_n)_n[/latex] definiert für [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] durch [latex]a_n = j[/latex] falls [latex]K|n-j[/latex] und [latex]j \in \left \lbrace {1,\ldots , K} \right \rbrace[/latex] ist ein Beispiel dafür. Es lassen sich auch Folgen mit abzählbar vielen Häufungspunkten konstruieren. In folgender Übung zeigt sich, dass auch Folgen existieren, deren Häufungspunkte ein ganzes abgeschlossenes Intervall bilden.
Übung 5.47: Folgen mit vielen Häufungspunkten
- Angenommen [latex](a_n)_n[/latex] ist eine beschränkte reelle Folge mit [latex]\lim _{n \to \infty } (a_{n+1}-a_n) = 0[/latex]. Sei [latex]I = \liminf _{n \to \infty } a_n[/latex] und [latex]S = \limsup _{n \to \infty } a_n[/latex]. Dann ist die Menge der Häufungspunkte gegeben durch [latex][I,S][/latex].
- Konstruieren Sie ein Beispiel einer Folge wie in a) mit [latex][I,S] = [0,1][/latex]
Hinweis für a): Für jedes [latex]L \in (I,S)[/latex], [latex]\varepsilon >0[/latex] und [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] mit [latex]|a_{k+1}-a_k| S-\varepsilon > L-\varepsilon[/latex]. Zeigen Sie, dass es auch ein [latex]n \geq N[/latex] gibt mit [latex]a_n \in (L-\varepsilon ,L+ \varepsilon )[/latex].
Hinweis für b): Setzen Sie [latex]a_1=0[/latex], [latex]a_2 = 1[/latex], [latex]a_3 =1[/latex], [latex]a_4 = \frac {1}{2}[/latex], [latex]a_5 =0[/latex], [latex]a_6 = 0[/latex], [latex]a_7 = \frac {1}{3}[/latex], [latex]a_8 = \frac {2}{3}[/latex], [latex]a_9 = 1[/latex], [latex]a_{10} = 1[/latex], [latex]a_{11} = \frac {3}{4}[/latex], …geeignet zu einer Folge fort.
Wir wollen noch einen wichtigen topologischen Begriff einführen, welchen wir im zweiten Semester genauer untersuchen wollen. Eine Teilmenge [latex]K\subseteq \mathbb {R}[/latex] heisst folgenkompakt falls jede Folge in [latex]K[/latex] eine konvergente Teilfolge mit Grenzwert in [latex]K[/latex] besitzt. Wir bemerken, dass für [latex]a5.44 hat jede Folge in [latex][a,b][/latex] eine konvergente Teilfolge, für welche wegen Proposition 5.30 der Grenzwert wieder in [latex][a,b][/latex] liegt.
5.2.4 – Reelle Cauchy-Folgen
Wir haben Cauchy-Folgen bereits in Abschnitt 5.1.3 eingeführt und bemerkt, dass wir, um Konvergenz einer solchen Folge zu zeigen, nur eine konvergente Teilfolge finden müssen. In der Zwischenzeit haben wir Methoden gelernt, um genau dies zu erreichen und können deswegen nun folgenden Satz beweisen.
Satz 5.48: Cauchy-Kriterium für Folgen
Eine reelle Folge ist genau dann konvergent, wenn sie eine Cauchy-Folge ist.
Der Begriff der Cauchy-Folge gemeinsam mit Satz 5.48 haben gegenüber der Definition der Konvergenz den entscheidenden Vorteil, dass wir den Grenzwert nicht kennen müssen, um zu zeigen, dass eine Folge eine Cauchy-Folge ist (und damit nach Satz 5.48 einen Grenzwert besitzt). Dies ist zum Beispiel dann wichtig, wenn man eine Zahl (die man nicht konkret kennt) als Grenzwert einer Folge definieren will (die man kennt). Des Weiteren hat Satz 5.48 gegenüber Satz 5.34 den Vorteil, dass er nicht nur für spezielle Folgen anwendbar ist.
Beweis
Angenommen [latex](a_n)_n[/latex] ist eine reelle Folge mit [latex]a_n \to A \in \mathbb {R}[/latex] für [latex]n \to \infty[/latex]. Sei [latex]\varepsilon >0[/latex]. Dann existiert ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex], so dass für alle [latex]n \geq N[/latex] gilt [latex]|a_n - A |
Dies beweist, dass [latex](a_n)_n[/latex] eine Cauchy-Folge ist.
Sei nun umgekehrt [latex](a_n)_n[/latex] eine Cauchy-Folge. Für [latex]\varepsilon =1[/latex] existiert dann ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex], so dass [latex]|a_m-a_n|
für alle [latex]n \geq N[/latex]. Daher ist [latex](a_n)_n[/latex] eine beschränkte Folge (wieso? — siehe auch den Beweis von Lemma 5.6). Des Weiteren existiert nach Annahme für jedes [latex]\varepsilon >0[/latex] ein [latex]N\in \mathbb {N}[/latex], so dass [latex]|a_m-a_n|
Wir betrachten nun Limes Inferior und Limes Superior der Folge (welche ja nach Satz 5.44 Grenzwerte konvergenter Teilfolgen sind) und erhalten
Insbesondere gilt [latex]|\liminf _{n\to \infty }a_n-\limsup _{n\to \infty }a_n|\leq 2\varepsilon[/latex]. Da aber [latex]\varepsilon >0[/latex] beliebig war, erhalten wir Gleichheit von Limes Superior und Limes Inferior und daher Konvergenz der Folge nach Korollar 5.43. ∎
Beispiel 5.49: Falsches Kriterium
Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine reelle Folge. Wir behaupten, dass die Bedingung
nicht zur Konvergenz der Folge äquivalent ist.
Wir setzen [latex]1,2,2,2+ \frac 12,3,3+\frac {1}{3},3+\frac 23,4,4,4+\frac 14, 4+\frac 24,4+\frac 34,5,5,\ldots[/latex] zu einer Folge fort, in dem wir alle rationalen Zahlen zwischen [latex]\ell[/latex] und [latex]\ell +1[/latex] mit Nenner [latex]\ell[/latex] für [latex]\ell \in \mathbb {N}[/latex] aufsteigend auflisten. Falls [latex]\ell \leq a_n \leq a_{n+1}\leq \ell +1[/latex] für [latex]n \in \mathbb {N}[/latex], dann haben [latex]a_n[/latex] und [latex]a_{n+1}[/latex] höchstens Abstand [latex]\frac {1}{\ell }[/latex]. Dies zeigt, dass [latex]\lim _{n \to \infty }|a_{n+1}-a_n| = 0[/latex], aber [latex](a_n)_n[/latex] ist trotzdem nicht beschränkt und insbesondere nicht konvergent.
Die Aussage von Satz 5.48 ist fundamental für die Analysis und ist das, was man in einem allgemeineren Kontext unter Vollständigkeit der reellen Zahlen versteht (siehe auch Kapitel 9). In anderen Worten ist Satz 5.48 zum Vollständigkeitsaxiom äquivalent im Sinne der folgenden Übung.
Übung 5.50: Vollständigkeit der reellen Zahlen
Wir möchten hier erklären, wie aus dem Archimedischen Prinzip und der Aussage von Satz 5.48 das Vollständigkeitsaxiom folgt. Genauer sei [latex]\mathbb {R}[/latex] ein geordneter Körper, der [latex]\mathbb {Q}[/latex] als dichte Teilmenge enthält (im Sinne von Korollar 2.71) und in dem alle Cauchy-Folgen konvergent sind. Zeigen Sie, dass [latex]\mathbb {R}[/latex] das Vollständigkeitsaxiom erfüllt.
Hinweis.
Seien [latex]X,Y[/latex] zwei nicht-leere Teilmengen von [latex]\mathbb {R}[/latex] mit [latex]x \leq y[/latex] für alle [latex]x \in X[/latex] und [latex]y \in Y[/latex]. Beginnen Sie mit zwei Punkten [latex]x_0 \in X[/latex] und [latex]y_0 \in Y[/latex], betrachten Sie den Punkt [latex]\frac {x_0+y_0}{2}[/latex] und unterscheiden Sie die Fälle
- Es gibt ein [latex]x \in X[/latex] mit [latex]x>\frac {x_0+y_0}{2}[/latex].
- Es gibt ein [latex]y \in Y[/latex] mit [latex]y
- Weder (a) noch (b) treffen zu.
Fahren Sie je nach Fall verschieden fort.
5.2.5 – Uneigentliche Grenzwerte
Folgende Erweiterung des Konvergenzbegriffs ist für uns auch wichtig.
Definition 5.51: Uneigentliche Grenzwerte
Eine reelle Folge [latex](a_n)_n[/latex] divergiert gegen [latex]\infty[/latex], wenn für jedes [latex]\varepsilon >0[/latex] ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] existiert, so dass [latex]a_n \geq \varepsilon ^{-1}[/latex] gilt für alle [latex]n \geq N[/latex]. In diesem Fall schreiben wir [latex]\lim _{n \to \infty }a_n = \infty[/latex]. Genauso sagen wir, dass [latex](a_n)_n[/latex] gegen [latex]-\infty[/latex] divergiert, falls für jedes [latex]\varepsilon >0[/latex] ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] existiert, so dass [latex]a_n \leq -\varepsilon ^{-1}[/latex] für alle [latex]n \geq N[/latex]. In letzterem Fall schreiben wir [latex]\lim _{n \to \infty }a_n = -\infty[/latex]. In beiden Fällen spricht man auch von uneigentlicher Konvergenz und uneigentlichen Grenzwerten.
Man beachte, dass eine divergente Folge (oder auch eine unbeschränkte Folge) nicht gegen [latex]\infty[/latex] oder [latex]-\infty[/latex] divergieren muss. Zum Beispiel ist die Folge [latex](a_n)_n[/latex] definiert durch
divergent, aber sie divergiert nicht gegen [latex]\infty[/latex]. Es gilt jedoch folgende Aussage.
Übung 5.52: Teilfolgen von unbeschränkten Folgen
Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine unbeschränkte, reelle Folge. Zeigen Sie, dass eine Teilfolge existiert, die gegen [latex]\infty[/latex] oder [latex]-\infty[/latex] divergiert.
Wir können auch uneigentliche Grenzwerte verwenden, um den Limes superior und den Limes inferior für unbeschränkte Folgen zu definieren. In der Tat, falls die reellwertige Folge [latex](a_n)_n[/latex] nicht von oben beschränkt ist, dann gilt [latex]\sup _{k\geq n}a_k=\infty[/latex] für alle [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] (siehe Abschnitt 2.5.3) und wir setzen [latex]\limsup _{n\to \infty }a_n=\infty[/latex]. Falls [latex](a_n)_n[/latex] zwar von oben, aber nicht von unten beschränkt ist, dann setzen wir [latex]\limsup _{n\to \infty }a_n=\lim _{n\to \infty }\bigl (\sup _{k\geq n}a_k\bigr )[/latex] (wobei aber [latex]\sup _{k\geq n}a_k[/latex] möglicherweise gegen [latex]-\infty[/latex] divergiert). Diese Erweiterungen der Definitionen gelten analog für den Limes inferior.
Übung 5.53: Sandwich für uneigentlich Grenzwerte
Beweisen Sie folgende uneigentliche Sandwich-Lemmata für zwei reelle Folgen [latex](a_n)_n[/latex] und [latex](b_n)_n[/latex] mit [latex]a_n\leq b_n[/latex] für alle [latex]n\in \mathbb {N}[/latex]:
5.2.6 – Ein Diagramm für die Zusammenhänge der Begriffe und Sätze
Wir fassen obiges Wissen über reelle Folgen in folgendem Diagramm zusammen und empfehlen Ihnen sich zu überlegen, was genau die einzelnen Pfeile bedeuten und welche Sätze sie andeuten.
5.3 – Die Exponentialfunktion
Wir werden jetzt Grenzwerte von Folgen und insbesondere Satz 5.34 anwenden, um die Exponentialfunktion zu definieren und einige ihrer Eigenschaften zu beweisen. Die Exponentialfunktion [latex]\exp :\mathbb {R} \to \mathbb {R}_{>0}[/latex] ist definiert durch
[latex]
\begin{aligned}[]\label{eq:folg-expdef} \exp (x) = \lim _{n \to \infty } \left (1+\frac {x}{n}\right )^n >0\end{aligned}
[/latex]
für alle [latex]x\in \mathbb {R}[/latex]. Des Weiteren ist die Eulersche Zahl definiert als
Wir wollen zeigen, dass (5.5) Sinn ergibt (also der Grenzwert tatsächlich existiert) und dass dadurch die Abbildung [latex]\exp :\mathbb {R} \to \mathbb {R}_{>0}[/latex] definiert wird. Dies führt uns dann auch zum natürlichen Logarithmus und zu allgemeinen Potenzfunktionen.
Proposition 5.54: Reelle Exponentialfunktion
Für alle [latex]x\in \mathbb {R}[/latex] existiert der Grenzwert in (5.5) und dies definiert die streng monotone, bijektive, stetige Abbildung [latex]\exp :\mathbb {R}\to \mathbb {R}_{>0}[/latex], die die Additionsformel
[latex]
\begin{aligned}[]\label{eq:folg-expaddformel} \exp (x+y) = \exp (x)\exp (y)\end{aligned}
[/latex]
für alle [latex]x,y\in \mathbb {R}[/latex] erfüllt.
Der Beweis der Proposition erfolgt in den Unterabschnitten 5.3.2—5.3.7.
5.3.1 – Eine Interpretation
Die Definition (5.5) hat für [latex]x\in (0,1)[/latex] folgende ökonomische Interpretation. Angenommen [latex]x[/latex] steht für den jährlichen Zinssatz in der Bank [latex]1[/latex]. Bank [latex]2[/latex] verrechnet die Zinsen halbjährlich und gibt [latex]\frac {x}{2}[/latex] Zinsen in einem halben Jahr, …, die Bank [latex]n[/latex] verrechnet die Zinsen [latex]n[/latex]-mal im Jahr und gibt in einem [latex]n[/latex]-tel Jahr genau [latex]\frac {x}{n}[/latex] Zinsen. Bei welcher Bank sollte man sein Geld deponieren? Auf Grund des Zinseszinses sollte man wahrscheinlich Kunde der Bank mit dem grössten [latex]n[/latex] werden. Also drängt sich die Vermutung auf, dass [latex]a_n = (1+\frac {x}{n})^n[/latex] eine monoton wachsende Folge ist. Aber kann man seinen jährlichen Gewinn grenzenlos steigern, in dem man immer weiter sucht und bei einer Bank mit noch grösserem [latex]n[/latex] um ein Konto anfragt? Dies klingt vielleicht ein bisschen zu optimistisch. Es drängt sich also die Vermutung auf, dass [latex](a_n)_n[/latex] eine beschränkte monoton wachsende Folge ist.
5.3.2 – Konvergenz der Folge
Sei [latex]x\in \mathbb {R}[/latex] fest gewählt. Falls [latex]x\geq 0[/latex] ist, dann ist
und damit
für alle [latex]n\in \mathbb {N}[/latex]. Ansonsten ist [latex]x-x[/latex]. Für diese [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] können wir die Bernoulli-Ungleichung in Lemma 3.5 verwenden und erhalten
Für [latex]x\geq 0[/latex] beweist dies die Monotonie der Folge [latex]\big (1+\frac {x}{n }\big )^{n}[/latex]. Für [latex]x0[/latex] also auch [latex]\big (1+\frac {x}{n+1}\big )^{n+1}\geq \big (1+\frac {x}{n }\big )^{n}[/latex] gilt. Da monoton wachsende, beschränkte Folgen konvergieren (Satz 5.34) und da die ersten paar Glieder der Folge nicht über Konvergenz entscheiden (Lemma 5.11) reicht es für die Konvergenz somit, Beschränktheit zu zeigen.
Für [latex]x \leq 0[/latex] gilt [latex]\left (1+\frac {x}{n}\right )^n \leq 1[/latex]. Daher gilt
wobei [latex]N_x[/latex] wie oben gewählt wurde.
Für [latex]x\geq 0[/latex] verwenden wir
woraus für alle [latex]n\geq N_{-x}[/latex] die Abschätzung
folgt. Da aber die Folge [latex]a_n[/latex] auf Grund von obigem und Proposition 5.7(iii) konvergent und damit beschränkt ist, folgt nun die Beschränktheit der Folge [latex]\left (\left (1+\frac {x}{n}\right )^n\right )_n[/latex].
Wir wollen ein zweites Argument für die Beschränktheit der Folge für ein [latex]x\geq 0[/latex] skizzieren. Hierfür betrachten wir für ein [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] die Umformung
unter Verwendung des Binomialsatz (Satz 3.28). Damit erhalten wir für [latex]x \in (0,1][/latex], dass
wobei wir [latex]k! \geq 2^{k-1}[/latex] für [latex]k \in \mathbb {N}[/latex] und die geometrische Summenformel (Proposition 3.8) verwendet haben.
Übung 5.55: Alternative obere Schranke
Verallgemeinern Sie obige Abschätzung für beliebige [latex]x \geq 0[/latex].
Hinweis: Für [latex]x\in [0,1][/latex] und [latex]\ell ,n \in \mathbb {N}[/latex] können Sie die Abschätzung
beweisen und verwenden.
Auf Grund von Satz 5.34 ergibt sich daher, dass
für alle [latex]x\in \mathbb {R}[/latex] existiert. Insbesondere für [latex]x=1[/latex] erhalten wir [latex]\mathrm {e}=\exp (1)\in [2,3][/latex] auf Grund obiger Abschätzungen.
Für ein beliebiges [latex]x\in \mathbb {R}[/latex] ist [latex]\frac {x}{n}\geq -1[/latex] für alle hinreichend grossen [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] und damit [latex]1+x \leq 1+n\frac {x}{n} \leq (1+\frac {x}{n})^n[/latex] nach der Bernoulli-Ungleichung (Lemma 3.5). Daraus folgt
[latex]
\begin{aligned}[]\label{eq:folg-exp(x)geq 1+x} 1+x\leq \exp (x)\end{aligned}
[/latex]
für alle [latex]x \in \mathbb {R}[/latex].
Übung 5.56: Rosinen im Brot
Angenommen wir schneiden ein Brot, das [latex]n=10[/latex] Rosinen enthält, in [latex]n[/latex] Stücke. Wir nehmen nun ein Stück. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieses keine Rosine enthält? Wie verhält sich diese Wahrscheinlichkeit für [latex]n\to \infty[/latex].
Übung 5.57: Quadratisches Wachstum
Zeigen Sie, dass für [latex]x\geq 0[/latex] gilt [latex]1+x + \frac {x^2}{2} \leq \exp (x)[/latex].
Hinweis.
Sei für [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] die Zahl [latex]a_n[/latex] der Koeffizient von [latex]x^2[/latex] im Polynom [latex](1+\frac {x}{n})^n[/latex]. Berechnen Sie [latex]a_n[/latex] und zeigen Sie, dass [latex]\lim _{n\to \infty }a_n = \frac {1}{2}[/latex].
5.3.3 – Inversionsformel
Wir behaupten nun, dass
[latex]
\begin{aligned}[]\label{eq:folg-expbeiminusxistinvers} \exp (-x)=\exp (x)^{-1}\end{aligned}
[/latex]
für alle [latex]x\in \mathbb {R}[/latex]. Es gilt
Wir betrachten also die Folge [latex](b_n)_n[/latex] definiert durch [latex]b_n = \big (1-\frac {x^2}{n^2}\big )^n[/latex]. Nach der Bernoulli-Ungleichung gilt für [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] mit [latex]n \geq |x|[/latex] (und damit [latex]-\frac {x^2}{n^2}\geq -1[/latex])
was gemeinsam mit dem Sandwich-Lemma (Lemma 5.31) [latex]\lim _{n\to \infty }\big (1-\frac {x^2}{n^2}\big )^n =1[/latex] zur Folge hat und Gleichung (5.8) zeigt.
5.3.4 – Additionsformel
Seien [latex]x,y \in \mathbb {R}[/latex]. Für [latex]x=0[/latex] oder [latex]y=0[/latex] ist die Additionsformel (5.6) gültig (wieso?). Wir wollen den verbleibenden Fall ([latex]x\neq 0[/latex] und [latex]y\neq 0[/latex]) durch ein ähnliches Argument wie oben beweisen. Deswegen berechnen wir zuerst für [latex]n \in \mathbb {N}[/latex] das Produkt
wobei die konvergente reelle Folge [latex](c_n)_n[/latex] durch
gegeben ist. Damit erhalten wir
wegen (5.8). Wir zeigen nun, dass [latex]\lim _{n\to \infty } \left (1+\frac {c_n}{n^2}\right )^n[/latex] gleich [latex]1[/latex] ist. Da [latex]xy\frac {x+y}{n} \to 0[/latex] für [latex]n \to \infty[/latex], erhalten wir [latex]c_n\to -(x^2+y^2)-xy[/latex] für [latex]n \to \infty[/latex]. Weiters ist [latex]-(x^2+y^2)-xy
und daher gilt [latex]\lim _{n\to \infty } \left (1+\frac {c_n}{n^2}\right )^n = 1[/latex]. Dies beweist die Additionsformel (5.6).
5.3.5 – Stetigkeit
Wir zeigen zuerst die Stetigkeit von [latex]\exp : \mathbb {R} \to \mathbb {R}_{>0}[/latex] bei [latex]0 \in \mathbb {R}[/latex]. Sei also [latex]\varepsilon >0[/latex] und wähle [latex]\delta = \min \left \lbrace {\varepsilon ,1-\frac {1}{1+\varepsilon }} \right \rbrace[/latex] (womit [latex]\delta 5.7) an und erhalten
(also insbesondere [latex]|\exp (x)-\exp (0)|
Um Stetigkeit bei jedem [latex]x_0 \in \mathbb {R}[/latex] zu zeigen, verwenden wir die Additionseigenschaft. Denn es gilt für alle [latex]x\in \mathbb {R}[/latex]
wodurch wir [latex]\exp (x)[/latex] als Verknüpfung der Abbildungen
schreiben können, wobei [latex]h[/latex] bei [latex]x_0[/latex], [latex]g[/latex] bei [latex]0=h(x_0)[/latex], beziehungsweise [latex]f[/latex] bei [latex]1=g(0)[/latex] stetig sind. Es folgt die Stetigkeit von [latex]\exp[/latex] bei [latex]x_0[/latex] aus Proposition 3.53.
5.3.6 – Strenge Monotonie
Für [latex]x>0[/latex] gilt [latex]\exp (0) = 1 5.7). Falls [latex]x 0[/latex] und [latex]\exp (y-x)>1[/latex] mit der Additionsformel (5.6), dass
Daher ist [latex]\exp : \mathbb {R} \to \mathbb {R}_{>0}[/latex] streng monoton wachsend und insbesondere injektiv.
5.3.7 – Surjektivität
Wir verwenden (5.7) und den Zwischenwertsatz (Satz 3.59) um [latex]\exp (\mathbb {R}) = \mathbb {R}_{>0}[/latex] zu zeigen. Sei also [latex]y>0[/latex]. Dann gilt [latex]y5.7). Weiters ist [latex]\frac 1y3.59), dass es ein [latex]x \in \mathbb {R}[/latex] (zwischen den Punkten [latex]-\frac {1}{y}[/latex] und [latex]y[/latex]) mit [latex]\exp (x) = y[/latex] gibt. Dies beendet den Beweis von Proposition 5.54.
5.3.8 – Der Logarithmus und Potenzen
Zusammenfassend haben wir also gezeigt, dass [latex]\exp :\mathbb {R}\to \mathbb {R}_{>0}[/latex] eine bijektive, streng monoton wachsende stetige Funktion darstellt, so dass die Additionsformel [latex]\exp (x+y)=\exp (x)\exp (y)[/latex] für alle [latex]x,y\in \mathbb {R}[/latex] gilt.
Die Umkehrfunktion der bijektiven Abbildung [latex]\exp : \mathbb {R} \to \mathbb {R}_{>0}[/latex] nennen wir den (natürlichen) Logarithmus [latex]\log : \mathbb {R}_{>0} \to \mathbb {R}[/latex]. Aus dem Umkehrsatz (Satz 3.65) folgt nun folgendes Korollar.
Korollar 5.58: Natürlicher Logarithmus
Der natürliche Logarithmus [latex]\log : \mathbb {R}_{>0} \to \mathbb {R}[/latex] ist eine streng monoton wachsende, stetige und bijektive Funktion. Des Weiteren gilt
für alle [latex]a,b\in \mathbb {R}_{>0}[/latex].
Wir bemerken, dass die letzte Aussage in obigem Korollar aus der Additionsformel der Exponentialabbildung folgt wenn wir [latex]x=\log a[/latex] und [latex]y=\log b[/latex] setzen.
Der Logarithmus und die Exponentialabbildung können wir verwenden, um allgemeinere Potenzen zu definieren. Für eine positive Basis [latex]x >0[/latex] und beliebige Exponenten [latex]a\in \mathbb {R}[/latex] setzen wir
Insbesondere gilt [latex]\mathrm {e}^x = \exp (x\log (\mathrm {e})) = \exp (x)[/latex] für alle [latex]x\in \mathbb {R}[/latex].
Übung 5.59: Rechenregel für Potenzen
Zeigen Sie, dass für [latex]a \in \mathbb {Q}[/latex] diese Definition mit der Definition von rationalen Potenzen aus Beispiel 3.66 übereinstimmt. Verifizieren Sie des Weiteren die Rechenregeln
für [latex]x,y>0[/latex] und [latex]a,b\in \mathbb {R}[/latex].
Übung 5.60: Obere Schranke für den Logarithmus
Sei [latex]\alpha >0[/latex] eine positive Zahl. Zeigen Sie, dass eine Konstante [latex]C_\alpha >0[/latex] existiert mit [latex]\log (x) \leq C_\alpha x^\alpha[/latex] für alle [latex]x> 0[/latex].
Hinweis.
Schreiben Sie [latex]x = \exp (t)[/latex] für [latex]t \in \mathbb {R}[/latex] und unterscheiden Sie die Fälle [latex]t5.7.
Übung 5.61: Eine kontinuierliche Bernoulli-Ungleichung
Zeigen Sie, dass für alle [latex]x \geq -1[/latex] und [latex]p \geq 1[/latex] gilt
Hinweis: Analysieren Sie das Argument für die Monotonie aus Abschnitt 5.3.2 genauer, um zu zeigen, dass für alle [latex]m \leq n[/latex] und [latex]t>-m[/latex]
gilt. Betrachten Sie nun [latex]x = \frac {t}{n}[/latex], um die gewünschte Ungleichung für rationale [latex]p[/latex] zu zeigen. Verwenden Sie dann Stetigkeit und Dichtheit von [latex]\mathbb {Q}[/latex].
Bemerkung
Sie dürfen nun auch den Logarithmus [latex]\log _a:\mathbb {R}_{>0}\to \mathbb {R}[/latex] zu einer Basis [latex]a>1[/latex] definieren. In der Tat können Sie [latex]\log _a(x)=\frac {\log x}{\log a}[/latex] für alle [latex]x\in \mathbb {R}_{>0}[/latex] setzen und nun überprüfen, dass [latex]a^{\log _a x}=x[/latex] für alle [latex]x\in \mathbb {R}_{>0}[/latex] gilt. Wir werden diese Definition aber nicht benötigen, auch nicht für [latex]a=10[/latex], und [latex]\log (x)=\ln (x)[/latex] wird immer den natürlichen Logarithmus von [latex]x\in \mathbb {R}_{>0}[/latex] zur Basis [latex]a=\mathrm {e}[/latex] bezeichnen.
Applet 5.62: Rechenschieber
Falls Sie dies noch nicht gesehen haben, empfehlen wir Ihnen mit dem Rechenschieber einige Produkte und Quotienten zu berechnen. Erinnern Sie sich an die Eigenschaften des Logarithmus um zu erkennen, wie man diese Berechnungen durchführt. Vor der Einführung von elektronischen Taschenrechnern waren diese mechanischen Hilfsmittel sehr verbreitet.
5.4 – Grenzwerte von Funktionen
Wir betrachten jetzt wieder allgemeine Funktionen [latex]f:D \to \mathbb {R}[/latex] auf einer allgemeinen Teilmenge [latex]D \subseteq \mathbb {R}[/latex] und wollen (eigentliche und uneigentliche) Grenzwerte für den Fall definieren, wenn [latex]x \in D[/latex] gegen ein [latex]x_0 \in \mathbb {R}[/latex] strebt (oder auch wenn [latex]x\in D[/latex] gegen [latex]+\infty[/latex] oder gegen [latex]-\infty[/latex] divergiert). Da es mit allen Kombinationen viele verschiedene Möglichkeiten gibt, wollen wir einige konkrete Fälle definieren und dann ein allgemeines Schema für solche Definitionen betrachten.
5.4.1 – Grenzwerte und punktierte Umgebungen
Sei [latex]D \subseteq \mathbb {R}[/latex] eine Teilmenge und [latex]x_0 \in \mathbb {R}[/latex]. Wir erinnern daran, dass [latex]x_0[/latex] ein Häufungspunkt ist falls
[latex]
\begin{aligned}[]\label{eq:folg-haufungspkt} D \cap (x_0-\delta ,x_0 + \delta )\setminus \{ x_0\} \neq \emptyset\end{aligned}
[/latex]
für alle [latex]\delta > 0[/latex]. Wir bemerken, dass [latex]x_0[/latex] genau dann ein Häufungspunkt ist, wenn es eine Folge in [latex]D\setminus \{ x_0\}[/latex] gibt, die gegen [latex]x_0[/latex] strebt.
Für eine Funktion [latex]f: D \to \mathbb {R}[/latex] ist [latex]A= \lim _{x \to x_0}f(x)[/latex] der Grenzwert von [latex]f(x)[/latex] für [latex]x\to x_0[/latex], oder auch der Grenzwert bei [latex]x_0[/latex], falls
Informell ausgedrückt bedeutet dies, dass die Funktionswerte von [latex]f[/latex] beliebig nahe bei [latex]A[/latex] liegen wenn [latex]x\in D\setminus \{ x_0\}[/latex] nahe an [latex]x_0[/latex] heranrückt. Der Grenzwert von [latex]f(x)[/latex] für [latex]x\to x_0[/latex] muss natürlich nicht existieren; wenn er existiert, ist er aber eindeutig bestimmt (diese Eigenschaft ist der Grund, wieso wir (5.9) angenommen haben, siehe Übung 5.63).
Der Grenzwert erfüllt, analog zu Proposition 5.7, die gewohnten Eigenschaften. Er ist
- linear (das heisst, falls [latex]\lim _{x\to x_0}f(x)[/latex] und [latex]\lim _{x\to x_0}g(x)[/latex] existieren, so existiert auch der Grenzwert [latex]\lim _{x\to x_0}f(x)+g(x) = \lim _{x\to x_0}f(x) + \lim _{x\to x_0}g(x)[/latex] und analog für skalare Multiplikation),
- multiplikativ (das heisst, falls [latex]\lim _{x\to x_0}f(x)[/latex] und [latex]\lim _{x\to x_0}g(x)[/latex] existieren, so existiert auch [latex]\lim _{x\to x_0}f(x)g(x) = (\lim _{x\to x_0}f(x) )(\lim _{x\to x_0}g(x))[/latex]),
- monoton ([latex]f \leq g[/latex] impliziert [latex]\lim _{x\to x_0}f(x) \leq \lim _{x\to x_0}g(x)[/latex], falls die Grenzwerte existieren)
- und erfüllt ein Sandwich-Lemma.
Übung 5.63: Erste Eigenschaften
- Beweisen Sie, dass der Grenzwert [latex]\lim _{x \to x_0}f(x)[/latex] eindeutig bestimmt ist, falls er existiert.
- Beweisen Sie die oben aufgelisteten Eigenschaften des Grenzwerts von Funktionen auf [latex]D[/latex] für [latex]x\to x_0[/latex].
- Formulieren und beweisen Sie ein Sandwich-Lemma für den Grenzwert von Funktionen auf [latex]D[/latex] für [latex]x\to x_0[/latex].
Lemma 5.64: Grenzwerte und Stetigkeit
Sei [latex]D \subseteq \mathbb {R}[/latex] eine Teilmenge, [latex]x_0 \in D[/latex] ein Häufungspunkt von [latex]D[/latex] und [latex]f[/latex] eine reellwertige Funktion auf [latex]D[/latex]. Dann ist [latex]f[/latex] genau dann stetig bei [latex]x_0[/latex], wenn [latex]\lim _{x\to x_0}f(x)=f(x_0)[/latex].
Beweis
Falls [latex]f[/latex] bei [latex]x_0[/latex] stetig ist, dann existiert zu jedem [latex]\varepsilon >0[/latex] ein [latex]\delta >0[/latex], so dass für alle [latex]x\in D[/latex] die Implikation [latex]|x-x_0|
Falls umgekehrt [latex]\lim _{x\to x_0}f(x)=f(x_0)[/latex] gilt, so müssen wir wiederum nur die Definition der Stetigkeit (und die Gleichheit des Grenzwerts mit [latex]f(x_0)[/latex]) verwenden, um Stetigkeit von [latex]f[/latex] bei [latex]x_0[/latex] zu erhalten. ∎
Obiges Lemma hat auch eine Interpretation für den Fall [latex]x_0 \not \in D[/latex], denn in diesem Fall wäre der Grenzwert [latex]\lim _{x\to x_0}f(x)[/latex] (falls dieser existiert) ein guter Kandidat für eine Fortsetzung der Funktion auf die Menge [latex]D\cup \left \lbrace {x_0} \right \rbrace[/latex], da diese Fortsetzung dann bei [latex]x_0[/latex] stetig wird.
Man nennt einen Häufungspunkt [latex]x_0\in D[/latex] eine hebbare Unstetigkeitsstelle von [latex]f[/latex], falls [latex]\lim _{x \to x_0} f(x)[/latex] existiert, aber nicht gleich [latex]f(x_0)[/latex] ist (siehe auch Figur 5.5). In diesem Fall kann man eine neue Funktion [latex]f_{\text {neu}}:D \to \mathbb {R}[/latex] durch
für [latex]x \in D[/latex] definieren, die bei [latex]x_0[/latex] stetig ist.
Genauso wie in dem Beweis von Proposition 5.17 sieht man nun, dass für eine Folge [latex](x_n)_n[/latex] in [latex]D\setminus \{ x_0\}[/latex] mit [latex]x_n \to x_0[/latex] für [latex]n\to \infty[/latex] die Gleichheit [latex]\lim _{n \to \infty }f(x_n) = \lim _{x \to x_0} f(x)[/latex] gilt, falls letzter Grenzwert existiert.
Lemma 5.65: Grenzwerte mittels Folgen
Sei [latex]D\subseteq \mathbb {R}[/latex] eine Teilmenge, [latex]f:D \to \mathbb {R}[/latex] eine Funktion und [latex]x_0\in D[/latex] ein Häufungspunkt von [latex]D[/latex]. Dann gilt [latex]A=\lim _{x\to x_0}f(x)[/latex] genau dann, wenn für jede Folge [latex](a_n)_n[/latex] in [latex]D\setminus \{ x_0\}[/latex] mit [latex]\lim _{n\to \infty }a_n = x_0[/latex] auch [latex]\lim _{n\to \infty }f(a_n) = A[/latex] gilt.
Beweis
Angenommen [latex]A=\lim _{x\to x_0}f(x)[/latex] und [latex](a_n)_n[/latex] ist eine Folge in [latex]D\setminus \{ x_0\}[/latex] mit [latex]\lim _{n\to \infty }a_n = x_0[/latex]. Dann existiert für [latex]\varepsilon >0[/latex] ein [latex]\delta >0[/latex] mit
für alle [latex]x\in D[/latex]. Des Weiteren existiert ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] mit
was gemeinsam
ergibt. Die Folge [latex](f(a_n))_n[/latex] konvergiert also gegen [latex]A[/latex].
Für die Umkehrung nehmen wir an, dass [latex]A=\lim _{x\to x_0}f(x)[/latex] nicht erfüllt ist (also entweder der Grenzwert nicht existiert oder nicht gleich [latex]A[/latex] ist). Dann existiert ein [latex]\varepsilon >0[/latex], so dass für alle [latex]\delta >0[/latex] ein [latex]x\in D[/latex] existiert mit
Wir verwenden dies für [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] und [latex]\delta = \frac {1}{n}>0[/latex] und finden also ein [latex]a_n \in D[/latex] mit
[latex]
\begin{aligned}[]\label{funktionengrenzwertbeweins} 0[/latex] und [latex]
\begin{aligned}[]\label{funktionengrenzwertbewzwei} |f(a_n)-A| \geq \varepsilon .\end{aligned}[/latex]
Aus Ungleichung (5.10) schliessen wir, dass die Folge [latex](a_n)_n[/latex] Werte in [latex]D\setminus \{ x_0\}[/latex] annimmt und gegen [latex]x_0[/latex] konvergiert. Aus Ungleichung (5.11) folgt, dass [latex](f(a_n))_n[/latex] nicht gegen [latex]A[/latex] konvergiert.
∎
Proposition 5.66: Grenzwerte und Verknüpfung mit stetigen Funktionen
Seien [latex]D,E\subseteq \mathbb {R}[/latex], [latex]x_0[/latex] ein Häufungspunkt von [latex]D[/latex], [latex]f:D\to E[/latex] eine Funktion, [latex]y_0=\lim _{x\to x_0}f(x)\in E[/latex], und [latex]g:E\to \mathbb {R}[/latex] eine bei [latex]y_0[/latex] stetige Funktion. Dann gilt [latex]\lim _{x\to x_0}g(f(x))=g(y_0)[/latex].
Beweis
Sei [latex](a_n)_n[/latex] eine Folge in [latex]D[/latex] mit [latex]\lim _{n\to \infty }a_n=x_0[/latex]. Nach Lemma 5.65 gilt [latex]\lim _{n\to \infty }f(a_n)=\lim _{x\to x_0} f(x)=y_0[/latex]. Die Stetigkeit von [latex]g[/latex] bei [latex]y_0[/latex] impliziert nun gemeinsam mit Proposition 5.17, dass [latex]\lim _{n\to \infty }g(f(a_n))=g(y_0)[/latex]. Da [latex](a_n)_n[/latex] eine beliebige Folge in [latex]D[/latex] mit [latex]\lim _{n\to \infty }a_n=x_0[/latex] war, folgt wiederum aus Lemma 5.65, dass [latex]\lim _{x\to x_0}g(f(x))=g(y_0)[/latex]. ∎
Diese Eigenschaften von Grenzwerten können bereits für die Berechnung von vielen Grenzwerten verwendet werden.
Weiters können wir uneigentliche Grenzwerte definieren. Wir sagen zum Beispiel, dass [latex]f(x)[/latex] gegen [latex]+\infty[/latex] für [latex]x \to x_0[/latex] divergiert und schreiben [latex]\lim _{x\to x_0}f(x)=+\infty[/latex], falls
Wir nennen die Menge [latex]\dot {U}_{\delta }(x_0)=(x_0-\delta ,x_0 + \delta )\setminus \left \lbrace {x_0} \right \rbrace[/latex] die punktierte [latex]\delta[/latex]-Umgebung um [latex]x_0[/latex], und bemerken, dass diese Mengen implizit in der Definition des Grenzwerts aufgetreten sind.
5.4.2 – Links- und rechtsseitige Grenzwerte
Angenommen [latex]D \subseteq \mathbb {R}[/latex] ist eine Teilmenge und [latex]x_0 \in \mathbb {R}[/latex] hat die Eigenschaft [latex]D \cap (x_0,x_0 + \delta ) \neq \emptyset[/latex] für alle [latex]\delta > 0[/latex]. Intuitiv hat der Punkt [latex]x_0[/latex] also die Eigenschaft, dass ihm [latex]D[/latex] von rechts beliebig nahe kommt, was also eine stärkere Forderung ist als (5.9). Einen solchen Punkt [latex]x_0[/latex] wollen wir einen rechtsseitigen Häufungspunkt von [latex]D[/latex] nennen. Für eine Funktion [latex]f: D \to \mathbb {R}[/latex] ist [latex]A = \lim _{x \searrow x_0} f(x)[/latex] (alternativ [latex]\lim _{x \to x_0^+} f(x)[/latex] oder auch [latex]\lim _{x \to x_0,\ x > x_0} f(x)[/latex]) der rechtsseitige Grenzwert von [latex]f(x)[/latex] bei [latex]x_0[/latex], falls
Wir schreiben [latex]\lim _{x \searrow x_0} f(x) = +\infty[/latex], falls
und [latex]\lim _{x \searrow x_0} f(x) = -\infty[/latex], falls
Falls [latex]x_0[/latex] die Eigenschaft [latex]D \cap (x_0-\delta ,x_0) \neq \emptyset[/latex] für alle [latex]\delta >0[/latex] hat ([latex]x_0[/latex] ist ein linksseitiger Häufungspunkt), können wir ebenso den linksseitigen Grenzwert [latex]\lim _{x \nearrow x_0}f(x)[/latex] (alternativ [latex]\lim _{x \to x_0^-} f(x)[/latex] oder auch [latex]\lim _{x \to x_0,\ x
Falls [latex]x_0[/latex] ein links- und rechtsseitiger Häufungspunkt ist, dann existiert der Grenzwert [latex]\lim _{x \to x_0} f(x)[/latex] genau dann, wenn die links- und rechtseitigen Grenzwerte von [latex]f(x)[/latex] bei [latex]x_0[/latex] existiert und [latex]\lim _{x \nearrow x_0}f(x) = \lim _{x \searrow x_0}f(x)[/latex] erfüllt ist.
Beispiele von links- und rechtsseitigen Grenzwerten sind
5.4.3 – Einseitige Stetigkeit und Sprungstellen
Sei [latex]D \subseteq \mathbb {R}[/latex] eine Teilmenge, [latex]x_0 \in D[/latex] ein rechtseitiger Häufungspunkt von [latex]D[/latex] und [latex]f:~D~\to ~\mathbb {R}[/latex] eine Funktion. Falls [latex]\lim _{x \searrow x_0} f(x)[/latex] existiert und gleich [latex]f(x_0)[/latex] ist, dann sagen wir, dass [latex]f[/latex] rechtsseitig stetig bei [latex]x_0[/latex] ist. Ist [latex]x_0 \in D[/latex] ein linksseitiger Häufungspunkt von [latex]D[/latex], dann sagen wir analog, dass [latex]f[/latex] linksseitig stetig bei [latex]x_0[/latex] ist, falls [latex]\lim _{x \nearrow x_0} f(x)[/latex] existiert und gleich [latex]f(x_0)[/latex] ist.
Sei nun [latex]D \subseteq \mathbb {R}[/latex] und [latex]x_0 \in D[/latex] ein links- und rechtsseitiger Häufungspunkt von [latex]D[/latex] (insbesondere ein Häufungspunkt von [latex]D[/latex]). Für eine Funktion [latex]f:D\to \mathbb {R}[/latex] heisst [latex]x_0[/latex] eine Sprungstelle, falls die einseitigen Grenzwerte [latex]\lim _{x\nearrow x_0}f(x)[/latex] und [latex]\lim _{x\searrow x_0}f(x)[/latex] existieren, aber verschieden sind.
Applet 5.67: Grenzwerte einer Funktion
Wir sehen eine Funktion mit Definitionsbereich [latex]D=\{ 0\} \cup (\frac 12,2)\cup (2,5)\cup (5,8)\cup (8,11][/latex], und betrachten verschiedene Bewegungen im Definitionsbereich und Grenzwerte für diese Funktion.
5.4.4 – Die Bewegung nach Unendlich
Angenommen [latex]D \subseteq \mathbb {R}[/latex] ist eine nicht von oben beschränkte Teilmenge (das heisst, für alle [latex]\delta > 0[/latex] gilt [latex](\frac {1}{\delta },\infty ) \cap D \neq \emptyset[/latex]) und [latex]f: D \to \mathbb {R}[/latex] ist eine Funktion. Wir sagen, dass [latex]f[/latex] gegen [latex]A \in \mathbb {R}[/latex] strebt für [latex]x \to \infty[/latex], und schreiben [latex]\lim _{x \to \infty } f(x) = A[/latex], falls
Übung 5.68: Beispiele für uneigentliche Grenzwerte
Definieren Sie für [latex]D[/latex] wie oben und eine Funktion [latex]f: D \to \mathbb {R}[/latex] die uneigentlichen Grenzwerte [latex]\lim _{x \to \infty } f(x)= \infty[/latex], [latex]\lim _{x \to \infty } f(x) = -\infty[/latex] und finden Sie je eine Funktion [latex]f[/latex] auf [latex](0,\infty )[/latex] mit [latex]\lim _{x \to \infty } f(x) = 1[/latex], [latex]\lim _{x \to \infty } f(x) = + \infty[/latex] und [latex]\lim _{x \to \infty } f(x) = -\infty[/latex].
5.4.5 – Umgebungsfilter und Konvergenz entlang eines Filters*
*Alle natürlich auftretenden Konvergenzbegriffe (siehe Applet) sind auch Prüfungsstoff, doch der allgemeine Rahmen der Filterkonvergenz wird nicht bei der Prüfung vorkommen.
Wir haben oben insgesamt [latex]6[/latex] Konvergenzen ausführlich definiert, wobei es aber insgesamt [latex]15[/latex] Kombinationen (wieso?) für reellwertige Funktionen [latex]D \subseteq \mathbb {R}[/latex] zu definieren gäbe. Betrachten wir Teilmengen [latex]D \subseteq \mathbb {C}[/latex], reellwertige Funktionen [latex]f: D \to \mathbb {R}[/latex] und Punkte [latex]z_0\in \mathbb {C}[/latex], so gibt es nochmals drei Möglichkeiten (reelle oder uneigentliche Grenzwerte). Für komplexwertige Funktionen gibt es noch eine weitere Definition für jede der möglichen Bewegungen. Es wäre wohl eher langweilig, all diese Definitionen einzeln auszuformulieren und ihre (jeweils sehr analogen) Eigenschaften zu besprechen (siehe aber folgendes Applet).
Applet 5.69: 40 Definitionen
Wir fassen alle (und einige weitere) Definitionen für Konvergenz in diesem Applet zusammen. Versuchen Sie die Ähnlichkeiten und Unterschiede der verschiedenen Definitionen zu finden.
Stattdessen analysieren wir kurz die Struktur der Definition. In allen Fällen der obigen Definitionen verschiedener Typen von Konvergenz werden gewisse Teilmengen des Definitionsbereichs (zum Beispiel punktierte oder einseitige Umgebungen) gemeinsam mit [latex]\varepsilon[/latex]-Umgebungen des vermeintlichen Grenzwerts [latex]A[/latex] verwendet, um Konvergenz zu definieren.
Wir erinnern daran, dass für [latex]\varepsilon > 0[/latex] die [latex]\varepsilon[/latex]-Umgebung von [latex]A \in \mathbb {R}[/latex] das offene Intervall
ist. Für das Symbol [latex]+\infty[/latex] definieren wir die [latex]\varepsilon[/latex]-Umgebung durch [latex]U_\varepsilon (\infty ) = (\frac {1}{\varepsilon },\infty )[/latex] und für [latex]-\infty[/latex] analog [latex]U_\varepsilon (-\infty ) = (-\infty ,-\frac {1}{\varepsilon })[/latex]. Für [latex]A \in \mathbb {C}[/latex] ist die [latex]\varepsilon[/latex]-Umgebung durch den offenen Ball [latex]U_\varepsilon (A) = \left \lbrace {z\in \mathbb {C}} \mid {|z-A|
Eine Menge ist eine Umgebung von [latex]A[/latex] (wobei [latex]A \in \mathbb {R}[/latex], [latex]A = \pm \infty[/latex] oder [latex]A \in \mathbb {C}[/latex]), falls sie die [latex]\varepsilon[/latex]-Umgebung [latex]U_\varepsilon (A)[/latex] für ein [latex]\varepsilon >0[/latex] enthält. Dies motiviert die folgende Definition.
Definition 5.70: Filter
Für eine gegebene Menge [latex]X[/latex] ist eine nicht-leere Familie [latex]\mathcal {F}[/latex] von Teilmengen von [latex]X[/latex] ein Filter auf [latex]X[/latex], falls folgende drei Eigenschaften erfüllt sind:
- Die leere Menge ist kein Element von [latex]\mathcal {F}[/latex].
- Für [latex]U_1,U_2 \in \mathcal {F}[/latex] gilt auch [latex]U_1\cap U_2\in \mathcal {F}[/latex].
- Falls [latex]U\in \mathcal {F}[/latex] und [latex]V\subseteq X[/latex] eine Teilmenge, die [latex]U[/latex] enthält, dann ist auch [latex]V \in \mathcal {F}[/latex].
Die in [latex]\mathcal {F}[/latex] enthaltenen Mengen werden auch Filtermengen genannt.
Intuitiv ausgedrückt enthält jede Filtermenge alle wesentlichen Punkte für die durch den Filter beschriebene Bewegung. Zum Beispiel enthalten die Filtermengen [latex]U[/latex] im Filter auf [latex]\mathbb {N}[/latex] gegeben durch
immer einen ganzen «Endabschnitt von [latex]\mathbb {N}[/latex]» und damit alle Punkte, die relevant sind für die Bewegung in [latex]\mathbb {N}[/latex] gegen unendlich (Folgenkonvergenz). Wir definieren also die «Bewegung» indirekt mittels dem Begriff «Filter» , welcher beschreibt in welchen Mengen man schlussendlich liegen muss.
Beispiel 5.71: Umgebungsfilter
Folgende Mengenfamilien sind weitere Beispiele für Filter.
- Die Familie der Umgebungen von [latex]A \in \overline {\mathbb {R}}[/latex] bildet den Filter
auf [latex]X = \mathbb {R}[/latex], den wir den Umgebungsfilter von [latex]A[/latex] nennen. In der Tat ist die Familie [latex]\mathcal {U}_A[/latex] nicht-leer, da sie alle [latex]\varepsilon[/latex]-Umgebungen von [latex]A[/latex] enthält. Da jede Umgebung von [latex]A[/latex] den Punkt [latex]A[/latex] enthält, ist die leere Menge kein Element des Umgebungsfilters. Des Weiteren gibt es für [latex]V_1,V_2 \in \mathcal {U}_A[/latex] per Definition [latex]\varepsilon _1,\varepsilon _2>0[/latex] mit [latex]U_{\varepsilon _i}(A) \subseteq V_i[/latex] für [latex]i \in \left \lbrace {1,2} \right \rbrace[/latex] und somit ist [latex]U_{\min \left \lbrace {\varepsilon _1,\varepsilon _2} \right \rbrace }(A) = U_{\varepsilon _1}(A) \cap U_{\varepsilon _2}(A) \subseteq V_1\cap V_2[/latex]. Also ist [latex]V_1 \cap V_2 \in \mathcal {U}_A[/latex]. Ist [latex]U \in \mathcal {U}_A[/latex] und [latex]V\supseteq U[/latex], dann enthält [latex]V[/latex] alle [latex]\varepsilon[/latex]-Umgebungen, die in [latex]U[/latex] enthalten sind, und ist somit auch in [latex]\mathcal {U}_A[/latex].
- Für [latex]A \in \mathbb {C}[/latex] erhalten wir ebenso einen Umgebungsfilter [latex]\mathcal {U}_A[/latex] von [latex]A[/latex] auf [latex]X = \mathbb {C}[/latex].
- Sei [latex]D\subseteq \mathbb {R}[/latex] eine Teilmenge und [latex]x_0 \in \mathbb {R}[/latex] ein Häufungspunkt von [latex]D[/latex]. Die Familie von Teilmengen von [latex]D[/latex]
ist ein Filter auf [latex]D[/latex], den wir den Filter der punktierten Umgebungen von [latex]x_0[/latex] auf [latex]D[/latex] nennen. Die Annahme, dass [latex]x_0[/latex] ein Häufungspunkt von [latex]D[/latex] ist, ist hier zwingend notwendig, damit der erste Punkt in Definition 5.70 erfüllt ist.
- Für eine Teilmenge [latex]D \subseteq \mathbb {R}[/latex] und einen rechtsseitigen Häufungspunkt [latex]x_0 \in D[/latex] ist
der Filter der rechtsseitigen Umgebungen von [latex]x_0[/latex] auf [latex]D[/latex].
- Für eine Teilmenge [latex]D \subseteq \mathbb {R}[/latex] und einen linksseitigen Häufungspunkt [latex]x_0 \in D[/latex] ist der Filter [latex]\mathcal {U}_{x_0}^-[/latex] der linksseitigen Umgebungen von [latex]x_0[/latex] auf [latex]D[/latex] analog definiert.
Definition 5.72: Filterkonvergenz
Seien nun [latex]D \subseteq \mathbb {R}[/latex] eine beliebige Teilmenge, [latex]f:D \to \mathbb {R}[/latex] eine Funktion, [latex]\mathcal {F}[/latex] ein Filter auf [latex]D[/latex] und [latex]A \in \overline {\mathbb {R}}[/latex] gegeben. Dann sagen wir, dass [latex]f[/latex] entlang [latex]\mathcal {F}[/latex] gegen [latex]A[/latex] konvergiert und schreiben [latex]\lim _\mathcal {F} f(x) = A[/latex], falls
Für komplexwertige Funktionen verwendet man auf die gleiche Weise den Umgebungsfilter von möglichen Grenzwerten [latex]A \in \mathbb {C}[/latex] für die Definition der Konvergenz entlang des Filters. Alle oben besprochenen Konvergenzen lassen sich nun mit diesem Begriff von Konvergenz entlang von Filtern auffassen. Es gilt zum Beispiel
jeweils unter geeigneten Annahmen an [latex]D \subseteq \mathbb {R}[/latex], [latex]x_0 \in \mathbb {R}[/latex] und [latex]f:D \to \mathbb {R}[/latex]. Sie sollten nun zum Beispiel die nicht besprochenen Definitionen von [latex]\lim _{x\nearrow x_0}f(x)=A\in \mathbb {C}[/latex] für eine komplexwertige Funktion oder [latex]\lim _{x\to -\infty }f(x)=+\infty[/latex] für eine reellwertige Funktion als Spezialfälle obiger Definition sehen. Der Grenzwert entlang eines Filters ist nach folgender Übung eindeutig, womit man sinnvoll von dem Grenzwert sprechen kann.
Übung 5.73: Eindeutigkeit
Seien [latex]D[/latex] eine nicht-leere Menge, [latex]f:D \to \mathbb {R}[/latex] eine Funktion und [latex]\mathcal {F}[/latex] ein Filter auf [latex]D[/latex]. Zeigen Sie, dass der Grenzwert [latex]A \in \overline {\mathbb {R}}[/latex] von [latex]f[/latex] entlang des Filters [latex]\mathcal {F}[/latex] eindeutig durch [latex]f[/latex] bestimmt ist, falls er existiert.
Um die Nützlichkeit der vereinheitlichten Herangehensweise via Filter noch stärker hervorzuheben, wollen wir das Analogon von Lemma 5.31 und Übung 5.63(iii) für alle diskutierten Grenzwerte von Funktionen in folgendem Lemma beweisen.
Lemma 5.74: Sandwich für Filterkonvergenz
Sei [latex]D[/latex] eine nicht-leere Menge und [latex]\mathcal {F}[/latex] ein Filter auf [latex]D[/latex]. Angenommen [latex]f,g_1,g_2: D \to \mathbb {R}[/latex] sind Funktionen mit [latex]g_1 \leq f \leq g_2[/latex] und wir haben [latex]\lim _\mathcal {F}g_1(x) = \lim _\mathcal {F}g_2(x) = A \in \bar {\mathbb {R}}[/latex]. Dann existiert auch der Grenzwert [latex]\lim _\mathcal {F}f[/latex] und ist durch [latex]A[/latex] gegeben.
Beweis
Sei [latex]V \in \mathcal {U}_A[/latex] und [latex]\varepsilon > 0[/latex] mit [latex]U_\varepsilon (A) \subseteq V[/latex]. Da auch [latex]U_\varepsilon (A) \in \mathcal {U}_A[/latex], existieren per Annahme [latex]F_1,F_2 \in \mathcal {F}[/latex] , so dass für [latex]i \in \left \lbrace {1,2} \right \rbrace[/latex] und für alle [latex]x \in F_i[/latex] gilt [latex]g_i(x) \in U_\varepsilon (A)[/latex]. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, dass [latex]F_1 = F_2 = F[/latex], in dem wir [latex]F_1[/latex] respektive [latex]F_2[/latex] durch [latex]F_1 \cap F_2 \in \mathcal {F}[/latex] ersetzen. Des Weiteren liegt für [latex]x \in F[/latex] der Punkt [latex]f(x)[/latex] zwischen [latex]g_1(x)[/latex] und [latex]g_2(x)[/latex], die beide in [latex]U_\varepsilon (A)[/latex] liegen. Da aber [latex]U_\varepsilon (A)[/latex] ein Intervall ist, muss auch [latex]f(x)[/latex] in diesem liegen. Somit gilt für alle [latex]x \in F[/latex], dass [latex]f(x) \in U_\varepsilon (A) \subseteq V[/latex] und, da [latex]V \in \mathcal {U}_A[/latex] beliebig war, gilt somit [latex]\lim _\mathcal {F} f(x) = A[/latex]. ∎
Übung 5.75: Weitere Filter
In dieser Übung möchten wir zwei Beispiele von Filtern auf einer allgemeinen, nicht-leeren Menge [latex]X[/latex] diskutieren.
- Sei [latex]B \subseteq X[/latex] eine nicht-leere Teilmenge. Zeigen Sie, dass [latex]\mathcal {F}_B = \left \lbrace {V \subseteq X} \mid {B \subseteq V}\right \rbrace[/latex] ein Filter auf [latex]X[/latex] ist. Verifizieren Sie des Weiteren, dass der Filter [latex]\mathcal {F}_B[/latex] genau dann in keinem grösseren Filter enthalten ist, wenn die Teilmenge [latex]B[/latex] aus einem Punkt besteht.
- Angenommen [latex]X[/latex] ist unendlich. Zeigen Sie, dass [latex]\mathcal {F} = \left \lbrace {V \subseteq X} \mid {X\setminus V \text { ist endlich}}\right \rbrace[/latex] einen Filter auf [latex]X[/latex] bildet.
- Beschreiben Sie den «Konvergenzbegriff» für reellwertige Funktionen [latex]f[/latex] auf [latex]X[/latex], der durch diese beiden Filter beschrieben wird. Ist Ihnen einer der beiden für [latex]X=\mathbb {N}[/latex] bereits bekannt?
5.4.6 – Einige Rechenbeispiele
Wir werden bei Rechnungen wie den folgenden oft davon ausgehen, dass ein Formelausdruck eine Funktion mit dem maximalen für den Formelausdruck sinnvollen Definitionsbereich definiert.
Beispiel 5.76
Wir wollen hier [latex]\lim _{x\to 0}x^x=\lim _{x\searrow 0}x^x[/latex] berechnen, und müssen für dies zwei weitere Grenzwerte berechnen.
- Wir behaupten zuerst
[latex]
\begin{aligned}[]\label{eq:folg-yexpygehtnach0} \lim _{y\to \infty } y\exp (-y)=0.\end{aligned}
[/latex]
In der Tat gilt [latex]\exp (y)\geq (1+\frac {y}2)^2[/latex] für [latex]y\geq 0[/latex] auf Grund der Monotonie der Folge [latex](1+\frac {y}n)^n[/latex], die in Abschnitt 5.3 für die Definition der Exponentialabbildung verwendet wurde. Daraus ergibt sich [latex]0\leq y\exp (-y)\leq \frac {y}{(1+\frac {y}2)^2}\leq \frac 4y[/latex], was wegen dem Sandwich-Lemma (Lemma 5.74) eben (5.12) impliziert. - Als nächstes wollen wir
[latex]
\begin{aligned}[]\label{eq:folg-xlogxgehtnach0} \lim _{x\to 0}x\log x=0\end{aligned}
[/latex]
zeigen. Sei also [latex]\varepsilon >0[/latex]. Dann gibt es wegen (5.12) ein [latex]\delta >0[/latex] so dass [latex]|y\exp (-y)|\frac 1\delta[/latex]. Sei nun [latex]x\in (0,\exp (-\frac 1\delta ))[/latex] und [latex]y=-\log x[/latex], dann ist [latex]y>\frac 1\delta[/latex] auf Grund der strengen Monotonie der Logarithmus-Abbildung und damit [latex]|x\log x|=|\exp (-y)y| - Auf Grund von Proposition 5.66 und da die Exponentialabbildung stetig ist, ergibt sich aus (5.13) nun
Hieraus ergibt sich auch ein weiterer Beweis für Beispiel 5.33 (iii). (Wieso?
Nach Lemma 5.65 folgt aus obigem [latex]\lim _{n\to \infty }(\frac 1n)^{\frac 1n}=1[/latex]. Nimmt man nun den Kehrwert so erhalten wir mit Proposition 5.7 (iii) den Grenzwert [latex]\lim _{n\to \infty }n^{\frac 1n}=1[/latex].
)
Übung 5.77
Berechnen Sie die folgenden Grenzwerte (falls sie existieren)
für ein [latex]a \in \mathbb {R}[/latex]. Beschreiben Sie weiters, wie man die Grenzwerte
für zwei Polynome [latex]p,q\in \mathbb {R}[x][/latex] mit [latex]q\neq 0[/latex] berechnet.
5.5 – Riemann-Summen
Riemann gab [latex]1854[/latex] eine formale Definition des Integrals mit Hilfe sogenannter Riemann-Summen und eines Grenzübergangs, welchen wir hier besprechen wollen. Wie zuvor sei [latex]f[/latex] eine reellwertige Funktion auf einem kompakten Intervall [latex][a,b][/latex] mit [latex]a
Definition 5.78: Riemann-Summen
Für eine Zerlegung [latex]\mathfrak {Z} = \left \lbrace {a = x_0 Maschenweite der Zerlegung [latex]\mathfrak {Z}[/latex] als [latex]|\mathfrak {Z}| = \max _{k=1,\ldots ,n} (x_k - x_{k-1})[/latex]. Weiters bezeichnen wir [latex]\mathbf {{z}} = (z_1,\ldots ,z_n) \in [a,b]^n[/latex] als eine erlaubte Wahl von Zwischenpunkten der Zerlegung [latex]\mathfrak {Z}[/latex] falls [latex]z_k \in [x_{k-1},x_k][/latex] für [latex]k \in \left \lbrace {1,\ldots ,n} \right \rbrace[/latex]. Für eine reellwertige Funktion [latex]f[/latex] auf [latex][a,b][/latex], eine Zerlegung [latex]\mathfrak {Z}[/latex] von [latex][a,b][/latex] und eine erlaubte Wahl von Zwischenpunkten [latex]\mathbf {{z}}[/latex] definieren wir die Riemann-Summe durch
Das heisst, wir betrachten beliebige Punkte [latex]z_k \in [x_{k-1},x_k][/latex], die Funktionswerte [latex]f(z_k)[/latex] an diesen Punkten und hoffen, dass diese halbwegs repräsentativ für die Funktionswerte von [latex]f|_{[x_{k-1},x_k]}[/latex] sind. Diese Hoffnung mag zwar nicht in allen Teilintervallen immer zutreffen, trotzdem ist die Riemann-Summe eine Approximation des Riemann-Integrals in folgendem Sinne.
Satz 5.79: Riemann-Integral über Riemann-Summen
Sei [latex]f[/latex] eine Riemann-integrierbare reellwertige Funktion auf [latex][a,b][/latex]. Dann ist [latex]\int _a^b f(x) \thinspace {\rm {d}} x[/latex] der Grenzwert der Riemann-Summen [latex]R(f,\mathfrak {Z},z)[/latex], wenn die Maschenweite [latex]|\mathfrak {Z}|[/latex] der Zerlegung gegen Null geht. Formal geschrieben gilt also
wobei [latex]\mathfrak {Z}[/latex] über die Zerlegungen von [latex][a,b][/latex] läuft und [latex]\mathbf {{z}}[/latex] über die erlaubten Wahlen von Zwischenpunkten der Zerlegung [latex]\mathfrak {Z}[/latex] (wie in Definition 5.78) läuft.
Bemerkung
(a) Die Konvergenz der Riemann-Summen wie in obigem Satz ist sogar eine Charakterisierung der Riemann-Integrierbarkeit. Es gibt auch noch weitere, äquivalente Bedingungen, aber wir begnügen uns mit der Aussage in Satz 5.79.
(b) Die Konvergenz in Satz 5.79 lässt sich auch mittels dem Filter [latex]\mathcal {F}[/latex] auf der Menge
formulieren, wobei [latex]F\in \mathcal {F}[/latex] genau dann, wenn es ein [latex]\delta >0[/latex] gibt so dass [latex]F_\delta \subseteq F[/latex], wobei [latex]F_\delta[/latex] die Menge der Zerlegungen mit erlaubten Zwischenpunkten [latex](\mathfrak {Z},\mathbf {{z}})[/latex] ist mit [latex]|\mathfrak {Z}|
Die Idee des Beweises ist einfach formuliert, denn eigentlich sollten die Untersummen untere Schranken und die Obersummen obere Schranken für die Riemann-Summen darstellen. Doch gibt es hierbei mehrere technische Probleme, die mit den Endpunkten (welche bei den Unter- und Obersummen ignoriert werden und bei den Riemann-Summen erlaubt sind) zu tun haben. Wir müssen also im korrekten Beweis die quantitativen Auswirkung dieser Endpunkte untersuchen und abschätzen.
Beweis von Satz 5.79
Sei [latex]\varepsilon > 0[/latex]. Dann existieren nach Proposition 4.12 Treppenfunktionen [latex]u,o \in TF([a,b])[/latex] mit [latex]u \leq f \leq o[/latex],[latex]\int _a^b (o-u) \thinspace {\rm {d}} x
eine Zerlegung von [latex][a,b][/latex] in gemeinsame Konstanzintervalle für [latex]u[/latex] und [latex]o[/latex] und seien
die Konstanzwerte von [latex]u[/latex] und [latex]o[/latex] für [latex]\ell \in \{ 1,\ldots ,N\}[/latex]. Da [latex]f,u,o[/latex] beschränkt sind, existiert auch ein [latex]M> 0[/latex] mit [latex]|f(x)|,|u(x)|,|o(x)|\leq M[/latex] für alle [latex]x \in [a,b][/latex].
Wir wollen [latex]\delta >0[/latex] wie im Satz erst später definieren, doch versprechen wir bereits, [latex]\delta[/latex] nur abhängig von [latex]\mathfrak {Z}_0[/latex] und [latex]M[/latex] zu definieren.
Sei nun [latex]\mathfrak {Z} = \left \lbrace {a = x_0 0[/latex] und [latex]\mathbf {{z}}\in [a,b]^n[/latex] eine erlaubte Wahl von Zwischenpunkten (so dass [latex]z_k \in [x_{k-1},x_k][/latex] für [latex]k \in \left \lbrace {1,\ldots ,n} \right \rbrace[/latex]). Wir werden folgendes Bild im Beweis verwenden.
Für [latex]\ell \in \left \lbrace {1,\ldots ,N} \right \rbrace[/latex] definieren wir [latex]y_{\ell -1}^+[/latex] als das kleinste [latex]x_k[/latex] in [latex]\mathfrak {Z}[/latex] mit [latex]x_k>y_{\ell -1}[/latex]. Wegen [latex]|\mathfrak {Z}|5.6). Analog definieren wir die Zahl [latex]y_{\ell }^-[/latex] für [latex]\ell \in \left \lbrace {1,\ldots ,N} \right \rbrace[/latex] als das grösste [latex]x_k[/latex] in [latex]\mathfrak {Z}[/latex] mit [latex]x_k
was die Abfolge der Punkte
wie in Figur 5.6 bestätigt. Wir verkleinern nun die Intervalle [latex][y_{\ell -1},y_\ell ][/latex] zu den Intervallen [latex][y_{\ell -1}^+,y_{\ell }^-][/latex], definieren
und erhalten wegen [latex]|u(x)|\leq M[/latex] für alle [latex]x \in [a,b][/latex]
Ebenso gilt für [latex]O' = \sum _{\ell =1}^N d_{\ell }(y_\ell ^- - y_{\ell -1}^+)[/latex], dass [latex]\Big | \int _a^b o(x) \thinspace {\rm {d}} x - O' \Big | \leq 2NM\delta[/latex].
Für [latex]\ell \in \left \lbrace {1,\ldots ,N} \right \rbrace[/latex] wollen wir den Teil der Riemann-Summe über die Teilintervalle der Zerlegung [latex]\mathfrak {Z}[/latex], die in [latex](y_{\ell -1},y_\ell )[/latex] enthalten sind, als [latex]R_\ell[/latex] bezeichnen. Genauer formuliert ist
Summieren wir über [latex]\ell \in \left \lbrace {1,\ldots ,N} \right \rbrace[/latex], so erhalten wir [latex]R' = \sum _{\ell =1}^N R_\ell[/latex], wobei sich [latex]R'[/latex] von [latex]R(f,\mathfrak {Z},\mathbf {{z}})[/latex] um höchstens [latex]2N[/latex] Summanden unterscheidet. (Falls [latex]\mathfrak {Z}[/latex] feiner ist als [latex]\mathfrak {Z}_0[/latex], dann sind es in der Tat [latex]2N[/latex] Summanden, sonst weniger.) Daher ist
Für [latex]\ell \in \left \lbrace {1,\ldots ,N} \right \rbrace[/latex] und [latex]k \in \left \lbrace {1,\ldots ,n} \right \rbrace[/latex] mit [latex][x_{k-1},x_k] \subseteq (y_{\ell -1},y_\ell )[/latex] folgt aus [latex]u \leq f \leq o[/latex] und [latex]z_k \in [x_{k-1},x_k]\subseteq (y_{\ell -1},y_\ell )[/latex], dass
(da [latex]u[/latex] und [latex]o[/latex] auf [latex](y_{\ell -1},y_\ell )[/latex] konstant sind). Wir multiplizieren diese Ungleichung mit [latex](x_k-x_{k-1})[/latex] und summieren über jene [latex]k \in \left \lbrace {1,\ldots ,n} \right \rbrace[/latex] mit [latex][x_{k-1},x_k] \subseteq (y_{\ell -1},y_\ell )[/latex]. Es ergibt sich dank zwei Teleskopsummen
Summiert man jetzt über [latex]\ell \in \left \lbrace {1,\ldots ,N} \right \rbrace[/latex], so erhält man
[latex]
\begin{aligned}[]\label{eq:folg-proof rint ueber rsum1} U'\leq R'\leq O'.\end{aligned}
[/latex]
Zusammenfassend haben wir also gezeigt, dass man durch Entfernen von höchstens [latex]2N[/latex] Teilintervallen die Untersumme [latex]\int _a^b u(x) \thinspace {\rm {d}} x[/latex], die Obersumme [latex]\int _a^bo(x)\thinspace {\rm {d}} x[/latex] und die Riemann-Summe [latex]R(f,\mathfrak {Z},\mathbf {{z}})[/latex] um jeweils höchstens [latex]2NM\delta[/latex] verändern und dann (5.14) erreichen kann. Kombinieren wir dies mit
so erhalten wir
und
Wir setzen [latex]\delta = \min \left \lbrace {\frac {\varepsilon }{MN},\frac {1}{3} (y_1-y_0),\ldots ,\frac 13 (y_N-y_{N-1})} \right \rbrace[/latex] und erhalten
Da [latex]\varepsilon > 0[/latex], die Zerlegung [latex]\mathfrak {Z}[/latex] mit Maschenweite kleiner [latex]\delta[/latex] und die erlaubt Wahl der Zwischenpunkte [latex]\mathbf {{z}}[/latex] beliebig waren, folgt der Satz. ∎
Applet 5.80: Riemann-Summen für die Parabel
Wir sehen Riemann-Summen für die Parabel aus Abschnitt 1.1, wobei die Zwischenpunkte zufällig gewählt werden.
Übung 5.81: Charakterisierung
Seien [latex]a5.79, also dass die Konvergenz der Riemann-Summen für [latex]f[/latex] zu einer Zahl [latex]I[/latex] (wie in Satz 5.79) die Riemann-Integrierbarkeit von [latex]f[/latex] und die Gleichung [latex]\int _a^bf(x)\thinspace {\rm {d}} x=I[/latex] impliziert.
Hinweis.
Wählen Sie für ein [latex]\varepsilon >0[/latex] ein [latex]\delta >0[/latex] wie in der Konvergenz der Riemann-Summen. Sei [latex]\mathfrak {Z}[/latex] eine Zerlegung mit Maschenweite [latex]|\mathfrak {Z}|
5.6 – Landau Notation
Wir führen nun zwei geläufige Notationen ein, die das asymptotische Verhalten einer Funktion mit dem asymptotischen Verhalten einer anderen Funktion vergleichen — also ein relatives asymptotisches Verhalten beschreiben.
Sei [latex]D\subseteq \mathbb {R}[/latex] eine Teilmenge und [latex]x_0\in \overline {\mathbb {R}}[/latex] ein Häufungspunkt (also mit [latex]\dot U_\delta (x_0) \cap D \neq \emptyset[/latex] für alle [latex]\delta >0[/latex]). Seien [latex]f,g: D \to \mathbb {R}[/latex] Funktionen. Wir schreiben
falls ein [latex]\delta > 0[/latex] und eine Konstante [latex]M > 0[/latex] existieren, so dass [latex]|f(x)| \leq M |g(x)|[/latex] für alle [latex]x \in D \cap \dot U_\delta (x_0)[/latex]. In anderen Worten, [latex]f[/latex] ist «Gross-O» von [latex]g[/latex] für [latex]x\to x_0[/latex], falls in einer punktierten Umgebung von [latex]x_0[/latex] die Funktion [latex]f[/latex] durch eine Konstante mal [latex]|g|[/latex] beschränkt werden kann. Obwohl dies für obige Defintion nicht notwendig ist, werden wir eigentlich immer vorraussetzen, dass [latex]g(x)\neq 0[/latex] für alle [latex]x\in D[/latex] oder zumindest für alle [latex]x\in \dot {U}_{\delta _0}(x_0)[/latex] für ein [latex]\delta _0>0[/latex]. In diesem Fall ist [latex]f[/latex] genau dann Gross-O von [latex]g[/latex], wenn [latex]\frac {f}{g}[/latex] in einer [latex]\delta[/latex]-Umgebung von [latex]x_0[/latex] beschränkt ist. Nochmals in anderen Worten ist [latex]f=O(g)[/latex] gleichbedeutend damit, dass [latex]f[/latex] nicht viel grösser als [latex]g[/latex] ist wenn [latex]x[/latex] in der Nähe von [latex]x_0[/latex] liegt. Zum Beispiel gilt
- [latex]\frac {x}{x+1}=O(1)[/latex] für [latex]x\to \infty[/latex],
- für jedes [latex]x_0\in \mathbb {R}[/latex] gilt [latex]x^2=O(x)[/latex] für [latex]x\to x_0[/latex], und insbesondere auch
- [latex]x^2=O(x)[/latex] für [latex]x\to 0[/latex], aber
- [latex]x^2[/latex] ist nicht gleich [latex]O(x)[/latex] für [latex]x\to \infty[/latex] da [latex]\frac {x^2}x=x[/latex] in keiner Umgebung von [latex]\infty[/latex] beschränkt ist.
Der Vorteil der Notation ist, dass wir den Namen (oben [latex]M[/latex]) für die obere Schranke nicht einführen. Falls uns diese Konstante nicht besonders interessiert, dann können wir uns dadurch bei Rechnungen von einer Zeile zur nächsten auf das Wesentlich konzentrieren. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der impliziten Konstante, falls diese nach einigen Rechenschritten doch erwähnt werden muss.
Wenn [latex]f[/latex] nicht nur durch [latex]g[/latex] beschränkt ist, sondern asymptotisch gegenüber [latex]g[/latex] vernachlässigbar ist, dann sagen wir, dass [latex]f[/latex] «Klein-o» von [latex]g[/latex] ist für [latex]x\to x_0[/latex]. Genauer formuliert, wir schreiben
falls für jedes [latex]\varepsilon >0[/latex] ein [latex]\delta >0[/latex] existiert mit [latex]|f(x)|\leq \varepsilon |g(x)|[/latex] für alle [latex]x \in D \cap \dot U_\delta (x_0)[/latex]. Wie zuvor wollen wir meist [latex]g(x)\neq 0[/latex] auf [latex]D[/latex] annehmen. In diesem Fall gilt [latex]f(x) = o(g(x))[/latex] für [latex]x \to x_0[/latex] genau dann, wenn
Man beachte, dass, falls die eigentlichen Grenzwerte [latex]\lim _{x \to x_0}f(x)[/latex] und [latex]\lim _{x \to x_0}g(x)[/latex] existieren und nicht Null sind, sicherlich [latex]f(x) = O(g(x))[/latex] für [latex]x \to x_0[/latex] erfüllt ist, aber die stärkere Aussage [latex]f(x) = o(g(x))[/latex] für [latex]x \to x_0[/latex] falsch ist. Beide Notationen sind also vor allem dann interessant, wenn die Grenzwerte entweder null oder unendlich sind. Zum Beispiel gilt
- [latex]x=o(x^2)[/latex] für [latex]x\to \infty[/latex] (aber nicht umgekehrt) und
- [latex]x^2=o(x)[/latex] für [latex]x\to 0[/latex] (aber nicht umgekehrt).
Diese Notationen machen analog Sinn für andere Bewegungen wie zum Beispiel [latex]x\searrow x_0[/latex], allgemeine Filter, und können insbesondere auch für Folgen verwendet werden.
Übung 5.82: Klein-o Asymptotiken
Zeigen Sie, dass die Asymptotiken
für jedes [latex]p>1[/latex], [latex]a\in \mathbb {R}[/latex] und [latex]b > 0[/latex] zutreffen, wobei sie Übung 5.60 verwenden dürfen.
Übung 5.83: Rechnen mit der Landau Notation
Seien [latex]D,x_0[/latex] wie oben und [latex]f,f_1,f_2,g[/latex] reellwertige Funktionen auf [latex]D[/latex]. Zeigen Sie, dass falls [latex]f(x) = o(g(x)),\ f_1(x) = o(g(x))[/latex] und [latex]\ f_2(x) = o(g(x))[/latex] für [latex]x \to x_0[/latex], dann auch
für [latex]\alpha \in \mathbb {R}[/latex] und analog für Gross-O.
Die Landau Notation wird in vielen Situationen auch als Platzhalter verwendet, um beispielsweise auszudrücken, dass ein Term in einer Summe schneller anwächst oder abfällt als die anderen. In einem Ausdruck der Form
steht der Term [latex]o(g(x))[/latex] für eine implizite Funktion [latex]h:D\to \mathbb {R}[/latex] mit der Eigenschaft
also soll [latex]\tilde {f}(x) = f(x) + o(f(x))[/latex] die Asymptotik [latex]\tilde {f}(x)-f(x) =h(x)= o(g(x))[/latex] für [latex]x\to x_0[/latex] erfüllen. Dies gilt analog ebenso für die Gross-O Notation.
Beispielsweise schreibt man (nach Polynomdivision mit Rest)
und erinnert sich auf der rechten Seite somit nur an jene Terme, die den Hauptteil der Bewegung [latex]x\to \infty[/latex] ausmacht. Es mag vielleicht überraschen, dass im obigen Beispiel alle drei Formeln zutreffen oder nützlich sein könnten. Doch folgen diese Behauptungen direkt aus der Polynomdivision und je nach Zusammenhang will man vielleicht die etwas genauere Aussage mit Fehler [latex]o(1)[/latex] oder die gröbere Aussage mit Hilfe des Fehlers [latex]o(x)[/latex] verwenden.
Derartige asymptotische Aussagen helfen in komplizierteren Argumenten und Berechnungen den Fokus auf die wesentlichen Teile einer Berechnungen zu lenken. Doch liegen in diesem Verstecken von gewissen Ausdrücken auch Risiken für Fehler, zum Beispiel wenn wir die Fehlerterme unbeschränkt oft addieren wollen oder die Fehlerterme von weiteren Parametern abhängen und diese Abhängigkeit auf Grund der Notation vergessen wird. Wir werden die Landau Notation sporadisch aber doch immer wieder einmal einsetzen um das Wesentliche an einer Aussage zu betonen.
5.7 – Normen und Konvergenz auf Vektorräumen
In Kapitel 2 haben wir bereits gesehen, wie man Distanzen auf [latex]\mathbb {R}[/latex] oder [latex]\mathbb {C}[/latex] messen kann. In Analogie dazu möchten wir hier verschiedene Varianten von Normen definieren, welche die Rolle des Absolutbetrags übernehmen und Abstände in Vektorräumen messen werden. Da wir im zweiten Semester auf das Konzept einer Norm nochmals zu sprechen kommen werden, werden wir uns hier vor allem auf die Vektorräume [latex]\mathbb {R}^d[/latex] oder [latex]\mathbb {C}^d[/latex] konzentrieren. Wir fixieren für den ganze Abschnitt eine Dimension [latex]d\in \mathbb {N}[/latex] (wobei wir eigentlich an den Fall [latex]d\geq 2[/latex] interessiert sind). Wir schreiben Vektoren in [latex]\mathbb {R}^d[/latex] oder [latex]\mathbb {C}^d[/latex] in der Form
wobei [latex]t[/latex] die «Transposition» des platzsparenden Zeilenvektors zu einem Spaltenvektor bezeichnet.
Definition 5.84: Normen
Sei [latex]V[/latex] ein Vektorraum über [latex]\mathbb {K} = \mathbb {R}[/latex] (oder [latex]\mathbb {K} = \mathbb {C}[/latex]). Eine Norm auf [latex]V[/latex] ist eine Abbildung [latex]\| {\cdot }\| : v \in V \mapsto \| {v}\| \in \mathbb {R}_{\geq 0}[/latex], die folgende drei Eigenschaften erfüllt.
- (Definitheit) Für alle [latex]v \in V[/latex] gilt [latex]\| {v}\| = 0 \iff v =0[/latex].
- (Homogenität) Für alle [latex]v \in V[/latex] und alle [latex]\alpha \in \mathbb {K}[/latex] gilt [latex]\| {\alpha v}\| = |\alpha | \| {v}\|[/latex].
- (Dreiecksungleichung) Für alle [latex]v_1,v_2 \in V[/latex] gilt [latex]\| {v_1 + v_2}\| \leq \| {v_1}\| + \| {v_2}\|[/latex].
Man nennt [latex]V[/latex] gemeinsam mit der Norm [latex]\| {\cdot }\|[/latex] auch einen normierten Vektorraum.
Beispiel 5.85: Maximumsnorm und Einsnorm
Sei [latex]d \in \mathbb {N}[/latex]. Zu [latex]j \in \left \lbrace {1,\ldots ,d} \right \rbrace[/latex] bezeichnen wir mit [latex]\pi _j[/latex] die Projektion
auf die [latex]j[/latex]-te Komponente. Die Maximumsnorm oder Unendlichnorm [latex]\| {\cdot }\| _\infty[/latex] ist definiert durch
für [latex]v \in \mathbb {C}^d[/latex] und die [latex]\mathbf {1}[/latex]–Norm ist definiert durch
für [latex]\mathbf {{v}} \in \mathbb {C}^d[/latex]. Die Maximumsnorm und die [latex]1[/latex]-Norm auf [latex]\mathbb {R}^d[/latex] sind durch die gleichen Formeln definiert (oder äquivalent dazu durch Einschränkung auf [latex]\mathbb {R}^d[/latex]). Wir überlassen Ihnen die Überprüfung der Eigenschaften in Definition 5.84.
5.7.1 – Die euklidsche Norm
Sei [latex]d \in \mathbb {N}[/latex]. Wir möchten nun eine für die sogenannte «Euklidische Geometrie» natürliche Norm auf [latex]V=\mathbb {C}^d[/latex] definieren und besprechen. Das Euklidische innere Produkt (oder Skalarprodukt) von
ist definiert durch
Dieses erfüllt folgende Eigenschaften:
- (Sesquilinearität) Für alle [latex]\mathbf {{v}}_1,\mathbf {{v}}_2,\mathbf {{v}},\mathbf {{w}}_1,\mathbf {{w}}_2,\mathbf {{w}} \in V[/latex] und [latex]\alpha _1,\alpha _2\in \mathbb {C}[/latex] gilt
- (Symmetrie) Für alle [latex]\mathbf {{v}},\mathbf {{w}}\in V[/latex] gilt [latex]\left \langle {\mathbf {{v}}}, {\mathbf {{w}}} \right \rangle = \overline {\left \langle {\mathbf {{w}}}, {\mathbf {{v}}} \right \rangle }[/latex].
- (Definitheit) Für [latex]\mathbf {{v}} \in V[/latex] gilt [latex]\left \langle {\mathbf {{v}}}, {\mathbf {{v}}} \right \rangle \geq 0[/latex] und [latex]\left \langle {\mathbf {{v}}}, {\mathbf {{v}}} \right \rangle =0[/latex] genau dann, wenn [latex]\mathbf {{v}} = 0[/latex] ist.
Wir bemerken, dass das Wort «sesqui» für eineinhalb steht: das innere Produkt ist linear im ersten Argument und «halblinear» im zweiten Argument. Das reelle innere Produkt auf [latex]\mathbb {R}^d[/latex] ist durch dieselbe Formel definiert und erfüllt an Stelle der Sesquilinearität die Bilinearität, also die Linearität in beiden Argumenten (bei festgehaltenem anderem Argument).
Den Beweis der Sesquilinearität und der Symmetrie überlassen wir als Übung. Wir beweisen Definitheit. Sei also [latex]\mathbf {{v}} = (v_1,\ldots ,v_d)^t \in V=\mathbb {C}^d[/latex]. Dann gilt
Wenn [latex]\mathbf {{v}}= 0[/latex] ist, dann ist auch [latex]\left \langle {\mathbf {{v}}}, {\mathbf {{v}}} \right \rangle = 0[/latex]. Wenn [latex]\left \langle {\mathbf {{v}}}, {\mathbf {{v}}} \right \rangle = \sum _{k=1}^n |v_k|^2 = 0[/latex] ist, dann muss jeder Summand verschwinden. Also gilt [latex]v_k=0[/latex] für alle [latex]k \in \left \lbrace {1,\ldots ,d} \right \rbrace[/latex] und damit [latex]\mathbf {{v}}=0[/latex].
Unter Verwendung der obigen Eigenschaften des Euklidschen inneren Produkts lässt sich nun eine Norm definieren. Die Euklidsche Norm auf [latex]V=\mathbb {C}^d[/latex] ist gegeben durch
für alle [latex]\mathbf {{v}}= (v_1,\ldots ,v_d)^t \in \mathbb {C}^d[/latex]. Sie wird auch die 2-Norm genannt und dementsprechend als [latex]\| {\cdot }\| _2[/latex] geschrieben.
Wir möchten im Folgenden zeigen, dass die Euklidsche Norm in der Tat eine Norm ist. Definitheit und Homogenität des Euklidschen Norm folgen direkt aus den Eigenschaften des Euklidschen inneren Produkts (wieso?). Um die Dreiecksungleichung zu beweisen, benötigen wir folgende fundamentale Abschätzung.
Proposition 5.86: Cauchy-Schwarz Ungleichung
Sei [latex]d\in \mathbb {N}[/latex] und [latex]V=\mathbb {C}^d[/latex]. Dann gilt für alle [latex]\mathbf {{v}},\mathbf {{w}}\in V[/latex] die Ungleichung
[latex]
\begin{aligned}[]\label{eq:konv-cauchy-schwarz} |\left \langle {\mathbf {{v}}}, {\mathbf {{w}}} \right \rangle | \leq \| {\mathbf {{v}}}\| \| {\mathbf {{w}}}\| .\end{aligned}
[/latex]
Des Weiteren gilt Gleichheit in (5.15) genau dann, wenn [latex]\mathbf {{v}},\mathbf {{w}}[/latex] linear abhängig sind (das heisst, wenn ein [latex]\alpha \in \mathbb {C}[/latex] existiert mit [latex]\alpha \mathbf {{v}} = \mathbf {{w}}[/latex] oder [latex]\mathbf {{v}} = \alpha \mathbf {{w}}[/latex]).
Das innere Produkt zweier Vektoren lässt sich also durch die «Normen» der beiden Vektoren auf eine konkrete Art und Weise kontrollieren. Wir merken an, dass der folgende Beweis nur die «Axiome» des inneren Produktes Sesquilinearität, Symmetrie und Definitheit und nicht die konkrete Formel in der Definition des Euklidschen inneren Produktes verwendet.
Beweis
Falls [latex]\mathbf {{v}}=0[/latex] oder [latex]\mathbf {{w}}=0[/latex] ist, so steht auf beiden Seiten von (5.15) Null und die Vektoren [latex]\mathbf {{v}},\mathbf {{w}}[/latex] sind linear abhängig. Wir nehmen also an, dass [latex]\mathbf {{v}}\neq 0[/latex] und [latex]\mathbf {{w}} \neq 0[/latex]. Dann gilt für [latex]\alpha = \frac {\left \langle {\mathbf {{v}}}, {\mathbf {{w}}} \right \rangle }{\| {\mathbf {{w}}}\| ^2}[/latex]
Der Ausdruck [latex]\| {\mathbf {{v}}-\alpha \mathbf {{w}}}\| ^2[/latex] ist aber nicht-negativ und es folgt
Somit folgt [latex]\| {\mathbf {{v}}}\| ^2\| {\mathbf {{w}}}\| ^2 \geq |\left \langle {\mathbf {{v}}}, {\mathbf {{w}}} \right \rangle |^2[/latex], was die gewünschte Ungleichung (5.15) impliziert. Gleichheit gilt genau dann, wenn [latex]\| {\mathbf {{v}}-\alpha \mathbf {{w}}}\| = 0[/latex] und somit [latex]\mathbf {{v}}=\alpha \mathbf {{w}}[/latex] ist. ∎
Alternativ lässt sich die Cauchy-Schwarz-Ungleichung auch wie folgt beweisen.
Übung 5.87: Cauchy-Ungleichung mit einem [latex]\varepsilon[/latex]
Sei [latex]\varepsilon > 0[/latex]. Zeigen Sie, dass alle [latex]\mathbf {{v}},\mathbf {{w}}\in \mathbb {R}^d[/latex] die Abschätzung
erfüllen und schliessen Sie daraus auf die Cauchy-Schwarz Ungleichung (5.15).
Hinweis.
Für [latex]j=1,\ldots ,d[/latex] gilt [latex](v_j-w_j)^2\geq 0[/latex]. Schreiben Sie diese Ungleichung anders und addieren Sie über [latex]j=1,\ldots ,d[/latex]. Nun ersetzen Sie zuerst [latex]v[/latex] durch [latex]\varepsilon v[/latex] und [latex]w[/latex] durch [latex]\varepsilon ^{-1}w[/latex], und setzen Sie anschliessend für [latex]v\neq 0[/latex] und [latex]w\neq 0[/latex] den Zahlenwert [latex]\varepsilon =\sqrt {\frac {\| {\mathbf {{w}}}\| }{\| {\mathbf {{v}}}\| }}[/latex] ein.
Korollar 5.88: Euklidische Norm
Sei [latex]d\in \mathbb {N}[/latex]. Die Euklidische Norm definiert eine Norm auf [latex]\mathbb {C}^d[/latex].
Beweis
Es verbleibt die Dreiecksungleichung zu beweisen. Seien [latex]\mathbf {{v}},\mathbf {{w}} \in \mathbb {C}^d[/latex]. Wir schätzen direkt ab unter Verwendung der Cauchy-Schwarz-Ungleichung
womit die Aussage nach Ziehen der Wurzel folgt. ∎
Durch Einschränkung auf [latex]\mathbb {R}^d \subseteq \mathbb {C}^d[/latex] erhalten wir auch das Euklidische innere Produkt und die Euklidische Norm auf [latex]\mathbb {R}^d[/latex]. Alle oben bewiesenen Aussagen gelten analog für [latex]\mathbb {R}^d[/latex].
5.7.2 – Normäquivalenz
Sei [latex]d\in \mathbb {N}[/latex]. Auf [latex]\mathbb {R}^d[/latex] haben wir soweit [latex]3[/latex] verschiedene Normen kennengelernt: die [latex]1[/latex]-Norm [latex]\| {\cdot }\| _1[/latex] (siehe Beispiel 5.85), die obige [latex]2[/latex]-Norm [latex]\| {\cdot }\| _2[/latex] (die Euklidsche Norm) und die Maximumsnorm (siehe Beispiel 5.85). Um diese zu vergleichen ist folgender Begriff nützlich.
Definition 5.89: Normäquivalenz
Sei [latex]V[/latex] ein Vektorraum über [latex]\mathbb {K} = \mathbb {R}[/latex] (oder [latex]\mathbb {K} = \mathbb {C}[/latex]) und seien [latex]\| {\cdot }\|[/latex] und [latex]\| {\cdot }\| '[/latex] zwei Normen auf [latex]V[/latex]. Wir nennen [latex]\| {\cdot }\|[/latex] und [latex]\| {\cdot }\| '[/latex] äquivalent, falls Konstanten [latex]c,C > 0[/latex] existieren mit
für alle [latex]v \in V[/latex].
In der Tat sind die [latex]1[/latex]-Norm, die euklidische Norm und die Maximumsnorm äquivalent. Denn es gelten die Ungleichungen
für alle [latex]\mathbf {{v}} \in \mathbb {R}^d[/latex]. In der Tat behauptet die erste Ungleichung bloss, dass der maximale Absolutbetrag kleiner gleich der Summe der Absolutbeträge, und die Summe der Absolutbeträge kleiner gleich [latex]d[/latex] mal dem maximalen Absolutbetrages ist. Der erste Teil der zweiten Ungleichung ergibt sich analog und der zweite Teil folgt aus der Cauchy-Schwarz Ungleichung indem man den Vektor
definiert und damit
beweist.
Daher sind also die [latex]1[/latex]-, die [latex]2[/latex]– und die Maximumsnorm auf [latex]\mathbb {R}^d[/latex] äquivalent. (Tatsächlich werden wir im zweiten Semester zeigen, dass alle Normen auf [latex]\mathbb {R}^d[/latex] äquivalent sind.)
Übung 5.90: Zu Normäquivalenz
Sei [latex]\mathbb {K} = \mathbb {R}[/latex] oder [latex]\mathbb {K} = \mathbb {C}[/latex] und sei [latex]V[/latex] ein Vektorraum über dem Körper [latex]\mathbb {K}[/latex]. Zeigen Sie, dass die Normäquivalenz (wie der Name sagt) eine Äquivalenzrelation auf der Menge der Normen auf [latex]V[/latex] definiert.
5.7.3 – Folgenkonvergenz
Wir möchten nun damit beginnen, Folgen und vor allem den Konvergenzbegriff für diese zu untersuchen. In Analogie zu Definition 5.2 führen wir folgenden Konvergenzbegriff ein.
Definition 5.91: Konvergenz von Folgen in normierten Vektorräumen
Sei [latex]V[/latex] ein reeller oder komplexer Vektorraum und sei [latex]\| {\cdot }\|[/latex] eine Norm auf [latex]V[/latex]. Ein Grenzwert einer Folge [latex](v_n)_n[/latex] in [latex]V[/latex] ist ein [latex]v \in V[/latex] mit der Eigenschaft, dass es für jedes [latex]\varepsilon >0[/latex] ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] gibt, so dass [latex]\| {v_n-v}\| konvergent, falls ein Grenzwert existiert. Um die Abhängigkeit von der Norm hervorzuheben, sagt man auch, dass [latex](v_n)_n[/latex] bezüglich der Norm [latex]\| {\cdot }\|[/latex] gegen [latex]v[/latex] konvergiert.
Genauso wie in Lemma 5.3 kann man nun zeigen, dass ein Grenzwert einer Folge eindeutig bestimmt ist, wenn er existiert. Man kann also wieder von dem Grenzwert sprechen.
Wir untersuchen nun die Abhängigkeit des Konvergenzbegriffes von der Wahl der Norm.
Lemma 5.92: Normäquivalenz und Konvergenz
Sei [latex]V[/latex] ein reeller oder komplexer Vektorraum und seien [latex]\| {\cdot }\|[/latex], [latex]\| {\cdot }\| '[/latex] zwei äquivalente Normen auf [latex]V[/latex]. Sei [latex](v_n)_n[/latex] eine Folge in [latex]V[/latex]. Dann ist die Folge [latex](v_n)_n[/latex] genau dann bezüglich der Norm [latex]\| {\cdot }\|[/latex] konvergent, wenn sie bezüglich der Norm [latex]\| {\cdot }\| '[/latex] konvergent ist. Weiter sind die Grenzwerte in diesem Fall gleich.
Beweis
Da die Normen [latex]\| {\cdot }\|[/latex], [latex]\| {\cdot }\| '[/latex] äquivalent sind, gibt es positive Zahlen [latex]c,C[/latex] mit
für alle [latex]v \in V[/latex]. Wir nehmen nun an, dass [latex](v_n)_n[/latex] bezüglich [latex]\| {\cdot }\|[/latex] gegen [latex]v \in V[/latex] konvergiert. Sei [latex]\varepsilon > 0[/latex] beliebig. Dann gibt es ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] mit [latex]\| {v_n-v}\|
für alle [latex]n \geq N[/latex]. Also konvergiert [latex](v_n)_n[/latex] auch bezüglich der Norm [latex]\| {\cdot }\| '[/latex] gegen [latex]v[/latex].
Für die Umkehrung können wir im obigem Argument die beiden Normen vertauschen. ∎
5.7.4 – Konvergenz in endlich dimensionalen Vektorräumen
Lemma 5.92 und die Diskussion in Abschnitt 5.7.2 zeigen, dass in [latex]\mathbb {R}^d[/latex] Konvergenzbegriffe bezüglich den Normen [latex]\| {\cdot }\| _1[/latex], [latex]\| {\cdot }\| _2[/latex] und [latex]\| {\cdot }\| _\infty[/latex] äquivalent sind. Wie schon erwähnt, ist dies in der Tat für jede Norm auf [latex]\mathbb {R}^d[/latex] der Fall, da alle Normen auf [latex]\mathbb {R}^d[/latex] äquivalent sind (was wir im zweiten Semester beweisen werden). Insbesondere werden wir bei Konvergenz einer Folge in [latex]\mathbb {R}^d[/latex] jeweils nicht dazusagen, ob wir die Konvergenz bezüglich [latex]\| {\cdot }\| _1[/latex], bezüglich [latex]\| {\cdot }\| _2[/latex] oder bezüglich [latex]\| {\cdot }\| _\infty[/latex] betrachten.
Lemma 5.93: Koordinatenweise Konvergenz
Sei [latex]d\in \mathbb {N}[/latex]. Eine Folge im [latex]\mathbb {R}^d[/latex] konvergiert genau dann, wenn sie koordinatenweise konvergiert. Genauer konvergiert eine Folge [latex](\mathbf {{v}}_n)_n[/latex] in [latex]\mathbb {R}^d[/latex] genau dann gegen [latex]\mathbf {{v}}[/latex], wenn für alle [latex]j =1,\ldots ,d[/latex] die Folge der Komponenten [latex]( \pi _j(\mathbf {{v}}_n) )_n[/latex] gegen [latex]\pi _j(\mathbf {{v}})[/latex] konvergiert.
Beweis
Sei [latex](\mathbf {{v}}_n)_n[/latex] eine Folge in [latex]\mathbb {R}^d[/latex]. Angenommen [latex](\mathbf {{v}}_n)_n[/latex] konvergiert gegen [latex]\mathbf {{v}} \in V[/latex] und sei [latex]\varepsilon > 0[/latex]. Es gibt somit ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] mit [latex]\| {\mathbf {{v}}_n - \mathbf {{v}}}\| _\infty
für alle [latex]n \geq N[/latex], womit [latex]( \pi _j(\mathbf {{v}}_n) )_n[/latex] gegen [latex]\pi _j(\mathbf {{v}})[/latex] konvergiert, da [latex]\varepsilon >0[/latex] beliebig war.
Wir nehmen nun umgekehrt an, dass [latex]( \pi _j(\mathbf {{v}}_n) )_n[/latex] gegen [latex]\pi _j(\mathbf {{v}})[/latex] konvergiert für jedes [latex]j= 1,\ldots ,d[/latex]. Sei [latex]\varepsilon >0[/latex]. Dann gibt es zu [latex]j \in \left \lbrace {1,\ldots ,d} \right \rbrace[/latex] ein [latex]N_j \in \mathbb {N}[/latex] mit [latex]|\pi _j(\mathbf {{v}}_n) - \pi _j(\mathbf {{v}})|
Da [latex]\varepsilon >0[/latex] beliebig ist, folgt die Konvergenz von [latex](\mathbf {{v}}_n)[/latex] gegen [latex]\mathbf {{v}}[/latex], was das Lemma beweist. ∎
Sei [latex]X[/latex] eine beliebige nicht-leere Menge und [latex]V[/latex] ein normierter reeller oder komplexer Vektorraum mit Norm [latex]\| {\cdot }\|[/latex]. Wir sagen, dass eine Funktion [latex]f:X\to V[/latex] beschränkt ist, falls es eine reelle Zahl [latex]M>0[/latex] gibt so dass [latex]\| {f(x)}\| \leq M[/latex] für alle [latex]x\in X[/latex]. Diese Definition macht insbesondere für [latex]V=\mathbb {R}^d[/latex] Sinn, wobei wir wiederum nicht angeben müssen, welche der äquivalenten Normen [latex]\| {\cdot }\| _1[/latex], [latex]\| {\cdot }\| _2[/latex] oder [latex]\| {\cdot }\| _\infty[/latex] wir betrachten. Falls [latex]X=\mathbb {N}[/latex] erhalten wir den Begriff der Beschränktheit für Folgen.
Theorem 5.94: Heine-Borel
Sei [latex]d\in \mathbb {N}[/latex]. Jede beschränkte Folge in [latex]\mathbb {R}^d[/latex] besitzt eine konvergente Teilfolge.
Der Begriff der Folgenkompaktheit lässt sich nun ohne Probleme auf Teilmengen von [latex]\mathbb {R}^d[/latex] erweitern. Eine Teilmenge [latex]K\subseteq \mathbb {R}^d[/latex] heisst folgenkompakt, falls jede Folge in [latex]K[/latex] eine konvergente Teilfolge mit Grenzwert in [latex]K[/latex] besitzt. Die Aussage von Theorem 5.94 zeigt dann unter Verwendung dieses Begriffes, dass zum Beispiel Teilmengen von [latex]\mathbb {R}^d[/latex] der Form [latex][-M,M]^d[/latex] für [latex]M > 0[/latex] folgenkompakt sind.
Beweis
Wir beweisen die Aussage mittels Induktion nach [latex]d[/latex]. Für [latex]d=1[/latex] gilt die Aussage des Satzes bereits wegen Satz 5.44.
Sei nun [latex](\mathbf {{v}}_n)_n[/latex] eine beschränkte Folge in [latex]\mathbb {R}^{d+1}[/latex] und sei [latex]M >0[/latex] mit [latex]\| {\mathbf {{v}}_n}\| _\infty \leq M[/latex] für alle [latex]n \in \mathbb {N}[/latex]. Wir fassen die ersten [latex]d[/latex] Kompontenten von [latex]\mathbf {{v}}_n\in \mathbb {R}^{d+1}[/latex] zu einem Vektor [latex]\mathbf {{w}}_n\in \mathbb {R}^d[/latex] zusammen so dass [latex]\mathbf {{v}}_n=(\mathbf {{w}}_n,\pi _{d+1}(\mathbf {{v}}_n))^t[/latex]. Es gilt [latex]\| {\mathbf {{w}}_n}\| \leq M[/latex] und [latex]|\pi _{d+1}(\mathbf {{v}}_n)|\leq M[/latex] für alle [latex]n\in \mathbb {N}[/latex]. Also ist [latex](\mathbf {{w}}_n)[/latex] eine beschränkte Folge in [latex]\mathbb {R}^d[/latex] und nach Induktionsvorraussetzung existiert eine Teilfolge [latex]n_k[/latex] so dass [latex](\mathbf {{w}}_{n_k})_k[/latex] in [latex]\mathbb {R}^d[/latex] konvergiert. Des Weiteren ist ebenso [latex]\pi _{d+1}(\mathbf {{v}}_{n_k})[/latex] eine beschränkte Folge in [latex]\mathbb {R}[/latex] und es existiert nach Satz 5.44 eine weitere Teilfolge [latex](\mathbf {{v}}_{n_{k_\ell }})_{\ell }[/latex], so dass der Grenzwert [latex]\lim _{\ell \to \infty } \pi _1(\mathbf {{v}}_{n_{k_\ell }})[/latex] existiert.
Zusammenfassend erhalten wir mit Lemma 5.93 also, dass jede Komponente von der Folge [latex](\mathbf {{v}}_{n_{k_\ell }})_\ell[/latex] konvergiert und daher auch die Folge in [latex]\mathbb {R}^{d+1}[/latex] konvergiert. Dies beendet den Induktionsschritt. ∎
In Analogie zu Definition 5.24 nennen wir eine Folge [latex](\mathbf {{v}}_n)_n[/latex] in einem normierten Vektorraum [latex](V,\| {\cdot }\| )[/latex] eine Cauchy-Folge, falls für alle [latex]\varepsilon > 0[/latex] eine [latex]N \in \mathbb {N}[/latex] existiert, so dass
für alle [latex]m,n\geq N[/latex] gilt. Sind zwei Normen [latex]\| {\cdot }\|[/latex], [latex]\| {\cdot }\| '[/latex] äquivalent, so ist eine Folge genau dann eine Cauchy-Folge bezüglich [latex]\| {\cdot }\|[/latex], wenn sie bezüglich [latex]\| {\cdot }\| '[/latex] eine Cauchy-Folge ist. Dies kann man wie in Lemma 5.92 verifizieren. Insbesondere können wir schlicht von Cauchy-Folgen im [latex]\mathbb {R}^d[/latex] sprechen und werden die Norm nicht angeben.
Wie in Übung 5.50 erklärt, ist die Aussage von Satz 5.48 («alle Cauchy-Folgen in [latex]\mathbb {R}[/latex] sind konvergent» ) äquivalent zum Vollständigkeitsaxiom. Wir möchten diese Aussage nun auf höherdimensionale Vektorräume erweitern.
Satz 5.95: Vollständigkeit endlich-dimensionaler Vektorräume
Sei [latex]d\in \mathbb {N}[/latex]. Jede Cauchy-Folge im [latex]\mathbb {R}^d[/latex] ist konvergent.
Die wesentliche Idee des Beweises ist zu zeigen, dass eine Cauchy-Folge beschränkt sein muss und damit nach dem Satz von Heine-Borel eine konvergente Teilfolge haben muss. Da aber eine Cauchy-Folge genau dann konvergiert, wenn sie eine konvergente Teilfolge hat, sind alle Cauchy-Folgen konvergent.
Beweis
Sei [latex](\mathbf {{v}}_n)_n[/latex] eine Cauchy-Folge im [latex]\mathbb {R}^d[/latex]. Dann gibt es ein [latex]N \in \mathbb {N}[/latex], so dass [latex]\| {\mathbf {{v}}_m-\mathbf {{v}}_n}\| _2
Nach Theorem 5.94 besitzt [latex](\mathbf {{v}}_n)_n[/latex] eine konvergente Teilfolge [latex](\mathbf {{v}}_{n_k})_k[/latex] mit Grenzwert [latex]\mathbf {{v}}[/latex]. Sei nun [latex]\varepsilon > 0[/latex] und [latex]K \in \mathbb {N}[/latex] mit [latex]\| {\mathbf {{v}}_{n_k}-\mathbf {{v}}}\| _2
Also konvergiert auch [latex](\mathbf {{v}}_n)_n[/latex] gegen [latex]\mathbf {{v}}[/latex], womit der Satz folgt. ∎
5.7.5 – Stetigkeit
Definition 5.96: Stetigkeit
Seien [latex](V,\| {\cdot }\| _V)[/latex], [latex](W,\| {\cdot }\| _W)[/latex] normierte Vektorräume, [latex]D \subseteq V[/latex] eine Teilmenge und sei [latex]f:D \to W[/latex] eine Abbildung. Wir nennen [latex]f[/latex] stetig bei einem Punkt [latex]x_0 \in D[/latex], falls für alle [latex]\varepsilon >0[/latex] ein [latex]\delta >0[/latex] mit
für alle [latex]x \in D[/latex] existiert. Die Funktion [latex]f[/latex] ist stetig, falls sie bei jedem Punkt in [latex]D[/latex] stetig ist.
Da wir später in grösserer Allgemeinheit auf den Stetigkeitsbegriff zurückkehren werden, wollen wir uns hier ausschliesslich mit stetigen Funktionen auf einem Intervall [latex][a,b][/latex] mit Werten in [latex]\mathbb {R}^d[/latex] befassen. Solche Funktionen werden wir später auch Wege nennen. Ist [latex]f:[a,b] \to \mathbb {R}^d[/latex] stetig so können wir die Komponenten [latex]f_1,\ldots ,f_d:[a,b] \to \mathbb {R}[/latex] von [latex]f[/latex] definieren durch [latex]f_j = \pi _j \circ f[/latex] für [latex]j=1,\ldots ,d[/latex], wobei [latex]\pi _j[/latex] wieder die Projektion auf die [latex]j[/latex]-te Koordinate bezeichnet. Die Komponenten von [latex]f[/latex] beschreiben [latex]f[/latex] vollständig, da für alle [latex]x \in [a,b][/latex] gilt
Auch die Stetigkeit von [latex]f[/latex] lässt sich mit ihren Komponenten charakterisieren.
Lemma 5.97: Komponentenweise Stetigkeit
Sei [latex]d \in \mathbb {N}[/latex], sei [latex][a,b][/latex] ein Intervall zu [latex]a
5.7.6 – Vektorwertige Integrale
Unsere ursprüngliche Definition des Riemann-Integrals in Kapitel 4 verwendete die Ungleichung [latex]\leq[/latex] in [latex]\mathbb {R}[/latex] in zentraler Weise und kann deswegen nicht auf diese Weise für vektorwertige Funktionen verallgemeinert werden. Riemann-Summen lassen sich hingegen leicht verallgemeinern. Für [latex]\mathbf {{f}}:[a,b] \to \mathbb {R}^d[/latex], [latex]\mathfrak {Z} = \left \lbrace {a = x_0 5.78 setzen wir wie zuvor
Des Weiteren sagen wir, dass [latex]\mathbf {{f}}:[a,b] \to \mathbb {R}^d[/latex] Riemann-integrierbar ist, falls
für alle [latex]x \in [a,b][/latex], und die Komponentenfunktionen [latex]f_j: [a,b]\to \mathbb {R}[/latex] für [latex]j=1,\ldots ,d[/latex] Riemann-integrierbar sind (man vergleiche dies zu Lemma 5.97). Das Riemann-Integral wird dann komponentenweise definiert durch
Satz 5.79 gilt nun analog für Riemann-integrierbare Funktionen von [latex][a,b][/latex] nach [latex]\mathbb {R}^d[/latex]. In der Tat gilt [latex]\| {\int _a^b \mathbf {{f}}(x) \thinspace {\rm {d}} x-R(\mathbf {{f}},\mathfrak {Z},z)}\| _\infty 5.79 für genügend kleine Maschenweiten von [latex]\mathfrak {Z}[/latex] erzielen können.
Des Weiteren gilt auch die Dreiecksungleichung (vergleiche zu Satz 4.24) für vektorwertige Integrale: Für eine stetige Funktion [latex]\mathbf {{f}}:[a,b]\to \mathbb {R}^d[/latex] ist [latex]\| {\mathbf {{f}}}\| _2: [a,b] \to \mathbb {R}[/latex] Riemann-integrierbar (da stetig) und es gilt
[latex]
\begin{aligned}[]\label{eq:triangineq-vk} \Big \| \int _a^b \mathbf {{f}}(x) \thinspace {\rm {d}} x\Big \| _2 \leq \int _a^b \| {\mathbf {{f}}(x)}\| _2 \thinspace {\rm {d}} x.\end{aligned}
[/latex]
Die analoge Ungleichung gilt auch für andere Normen.
Wichtige Übung 5.99: Dreiecksungleichung für vektorwertige Integrale
Beweisen Sie Ungleichung 5.16.
Hinweis.
Verwenden Sie die Tatsache, dass Satz 5.79 auch für vektorwertige Funktionen gültig ist.
Obige Diskussion enthält mit [latex]d=2[/latex] auch den Fall von komplexwertigen Funktionen
welche also genau dann Riemann-integrierbar sind, wenn [latex]\operatorname {Re}(f)[/latex] und [latex]\operatorname {Im}(f)[/latex] Riemann-integrierbar sind. Das Riemann-Integral ist in diesem Fall gegeben durch
5.8 – Weitere Lernmaterialien
5.8.1 – Verwendung des Kapitels
Dieses Kapitel stellt die Grundlagen für Konvergenzbetrachtungen bereit, wobei wir auch einige elementare Grenzwerte bereits berechnen konnten. Die Berechnung dieser Grenzwerte erforderte mit unserem derzeitigen Wissen noch sehr viel Geschick, was mit Hilfe der Regel von de l’Hôpital später erheblich einfacher werden wird. Das heisst, dass die wichtigsten Resultate dieses Kapitels nicht durch die konkreten Beispiele oder auch die ersten speziellen Berechnungsmethoden gegeben sind, sondern vielmehr durch die folgenden Sätze:
- Zusammenhang zwischen Folgenkonvergenz und Stetigkeit in Proposition 5.17, da dies für die Berechnung von Grenzwerten auch später oft notwendig sein wird.
- Konvergenzverhalten für monotone Folgen in Satz 5.34.
- Definition und Eigenschaften von Limes Superior in Satz 5.40 (und analog für Limes Inferior).
- Die Existenz von konvergenten Teilfolgen in Satz 5.44 und der mehrdimensionalen Verallgemeinerung in Theorem 5.94.
- Der Begriff der Cauchy-Folge und das Cauchy-Kriterium in Satz 5.48.
- Sandwich-Lemma für Folgen und Funktionen.
Wir bemerken noch, dass Limes Superior und Limes Inferior nützliche allgemeine Werkzeuge sind, die mitunter auch im Beweis der Konvergenz einer Folge auftreten können. Denn [latex]\limsup _{n\to \infty }a_n\in \overline {\mathbb {R}}[/latex] und [latex]\liminf _{n\to \infty } a_n\in \overline {\mathbb {R}}[/latex] können für jede reellwertige Folge [latex](a_n)_n[/latex] betrachtet werden, und das Erfüllen der Gleichung [latex]\limsup _{n\to \infty }a_n=\liminf _{n\to \infty } a_n\in \mathbb {R}[/latex] ist nach Korollar 5.43 zur Konvergenz der Folge äquivalent. Dies ist vergleichbar damit, dass (wie zum Beispiel im Beweis von Korollar 3.72 über das Maximum von stetigen Funktionen) das Supremum im Beweis für die Existenz eines Maximums wichtig sein kann.
Des Weiteren konnten wir die reelle Exponentialfunktion mit einem Grenzwert definieren, welche wir gemeinsam mit der Logarithmusfunktion und allgemeinen Potenzen ab nun mit den gewohnten Eigenschaften verwenden dürfen. Die Definition der Exponentialfunktion hat auch zu der Ungleichung
für alle [latex]x\geq 0[/latex] und [latex]n\in \mathbb {N}[/latex] (siehe Abschnitt 5.3.2) geführt, welche für einige Grenzwertberechnungen nützlich war.
Auch haben wir gesehen, dass das Riemann-Integral sich als ein Grenzwert der sogenannten Riemann-Summen auffassen lässt, was auch zu einer Definition eines vektorwertigen Riemann-Integrals geführt hat.
Schlussendlich haben wir gesehen, dass sich die Begriffe der Stetigkeit und der Konvergenz auf Vektorräume übertragen lassen. Letzteres werden wir im zweiten Semester zu einer vollständigeren Theorie weiter ausbauen.
5.8.2 – Übungen
Übung: Stetige Fortsetzung
Seien [latex]f_1,f_2: \mathbb {R} \to \mathbb {R}[/latex] stetige Funktionen mit der Eigenschaft, dass [latex]f_1|_\mathbb {Q} = f_2|_\mathbb {Q}[/latex]. Zeigen Sie, dass [latex]f_1 = f_2[/latex] gilt.
Übung: Eine Umkehrung des Zwischenwertsatzes
Sei [latex]I = [a,b]\subseteq \mathbb {R}[/latex] ein Intervall zu [latex]a
Zeigen Sie, dass [latex]f[/latex] stetig ist.
Übung
Zeigen Sie die Ungleichung [latex]\mathrm {e}^{1-n} \leq \frac {n!}{n^n}[/latex] für alle [latex]n\in \mathbb {N}[/latex]. In der Tat werden wir später eine explizite Form der Asymptotik von [latex]\frac {n!}{n^n}[/latex] (das Gesetz von Stirling) sehen, welche diese Ungleichung verschärft.
Hinweis.
Verwenden Sie Induktion und die Tatsache, dass die Folge [latex](a_n)_n[/latex] gegeben durch [latex]a_n = (1+\frac {1}{n})^n[/latex] monoton wachsend ist.
Übung: Häufungspunkte
Sei [latex]A\subseteq \mathbb {R}[/latex] und [latex]x_0\in \mathbb {R}[/latex]. Zeigen Sie, dass folgende drei Aussagen äquivalent sind.
- [latex]x_0[/latex] ist ein Häufungspunkt der Menge [latex]A[/latex].
- [latex]x_0[/latex] ist ein Häufungspunkt einer injektiven Folge [latex](a_n)_n[/latex] mit Folgengliedern [latex]a_n\in A[/latex] für alle [latex]n\in \mathbb {N}[/latex].
- [latex]x_0[/latex] ist der Grenzwert einer injektiven Folge [latex](a_n)_n[/latex] mit Folgengliedern [latex]a_n\in A[/latex] für alle [latex]n\in \mathbb {N}[/latex].
Übung: Abgeschlossene Menge der Häufungspunkte
Zeigen Sie, dass die Menge der Häufungspunkte einer reellwertigen Folge (oder einer Teilmenge [latex]A\subseteq \mathbb {R}[/latex]) eine abgeschlossene Teilmenge von [latex]\mathbb {R}[/latex] bildet.
Übung: Landau Notation
Begründen Sie, inwiefern die Gleichungen zu [latex]k,\ell \in \mathbb {N}[/latex]
für [latex]x \to \infty[/latex] Sinn ergeben. Verwenden Sie dies, um die Asymptotik für [latex]x \to \infty[/latex] von
sowie
zu beschreiben.
Übung: Gross- und Klein-Omega
Seien zwei Funktionen [latex]f,g: D \to \mathbb {R}[/latex] auf einer Teilmenge [latex]D \subseteq \mathbb {R}[/latex] gegeben und sei [latex]x_0\in \overline { \mathbb {R}}[/latex] ein Häufungspunkt von [latex]D[/latex]. Definieren Sie in Analogie zur Definition von Gross-O und Klein-o die Beziehungen
und
welche zum Ausdruck bringen, dass [latex]g[/latex] in der Nähe von [latex]x_0[/latex] durch ein positives Vielfaches von [latex]|f|[/latex] beschränkt ist respektive dass [latex]\frac {g(x)}{f(x)}[/latex] gegen Null geht für [latex]x\to x_0[/latex].
Wir wollen in der nächsten Übung den Zusammenhang zwischen «unseren axiomatisch eingeführten reellen Zahlen» und den «reellen Zahlen als Steigung von quasi-linearen Abbildungen» von Abschnitt 2.7.5 besprechen.
Übung: Steigungen von quasi-linearen Abbildungen
- Sei [latex]f:\mathbb {Z}\to \mathbb {Z}[/latex] eine quasi-lineare Abbildung wie in Abschnitt 2.7.5. Zeigen Sie, dass
in [latex]\mathbb {R}[/latex] existiert.
- Sei nun [latex]\mathcal {Q}[/latex] die additive Gruppe der quasi-linearen Abbildungen. Zeigen Sie, dass die Abbildung
ein Homomorphismus ist und [latex]\Psi (\mathcal {K})=\{ 0\}[/latex].
- Konstruieren Sie zu jedem [latex]a\in \mathbb {R}[/latex] eine quasi-lineare Abbildung [latex]f\in \mathcal {Q}[/latex] so dass [latex]\Psi (f)=a[/latex] ist.
- Sei [latex]f\in \mathcal {Q}[/latex] quasi-linear so dass [latex]\Psi (f)=0[/latex]. Zeigen Sie, dass [latex]f\in \mathcal {K}[/latex] nur endlich viele Werte annimmt.
Zusammen sehen wir also in der Tat, dass [latex]\mathcal {Q}/\mathcal {K}[/latex] als abelsche Gruppe isomorph zu [latex]\mathbb {R}[/latex] ist. Mit etwas mehr Arbeit lässt sich beweisen, dass in der Tat ein Körperisomorphismus vorliegt.
Übung: Folgenstetigkeit
Seien [latex]D\subseteq \mathbb {R}[/latex] nicht-leer, [latex]d\in \mathbb {N}[/latex], und [latex]f:D \to \mathbb {R}^d[/latex] eine Funktion. Zeigen Sie, dass [latex]f[/latex] genau dann stetig ist, wenn [latex]f[/latex] folgenstetig ist, dass heisst, wenn für jede Folge [latex](x_n)_n[/latex] in [latex]D[/latex] mit Grenzwert [latex]x \in D[/latex] die Folge [latex](f(x_n))_n[/latex] in [latex]\mathbb {R}^d[/latex] nach [latex]f(x)[/latex] konvergiert.
Übung: Cauchy-Folgen
Zeigen Sie direkt, dass eine Folge im [latex]\mathbb {R}^d[/latex] genau dann eine Cauchy-Folge ist, wenn für jedes [latex]j \in \left \lbrace {1,\ldots ,d} \right \rbrace[/latex] die reelle Folge der [latex]j[/latex]-ten Komponenten eine Cauchy-Folge ist.
Übung: Bilder von Cauchy-Folgen
Sei [latex]D \subseteq \mathbb {R}[/latex] eine Teilmenge und [latex]f: D \to \mathbb {R}[/latex] eine gleichmässig stetige Funktion. Zeigen Sie, dass [latex]f[/latex] Cauchy-Folgen auf Cauchy-Folgen abbildet (für jede Cauchy-Folge [latex](x_n)_n[/latex] in [latex][a,b][/latex] ist auch [latex](f(x_n))_n[/latex] eine Cauchy-Folge). Gilt dies auch für Funktionen, die stetig, aber nicht gleichmässig stetig sind?
Unter Verwendung von Folgen und Satz 5.44 lassen sich viele Aussagen aus Kapitel 3 anders beweisen, was wir in den folgenden Übung illustrieren möchten.
Übung: Beschränktheit mit Hilfe von Folgen
Sei [latex]f:[a,b]\to \mathbb {R}[/latex] eine stetige Funktion auf einem kompakten Intervall [latex][a,b][/latex] zu [latex]a
Übung: Gleichmässige Stetigkeit mit Hilfe von Folgen
Sei [latex]f:[a,b]\to \mathbb {R}[/latex] eine stetige Funktion auf einem kompakten Intervall [latex][a,b][/latex] zu [latex]a
5.8.3 – Lernkarten
Sie können wiederum die Lernkarten oder den Graphen für Ihre Wiederholung der Themen des Kapitels verwenden.
- Falls wir den Grenzwert für die Konstruktion dieser Funktionen bereits kennen müssten, so könnten wir ja damit keine neuen Funktionen definieren. ↵