Wir werden in diesem Kapitel die Idee von Abschnitt 1.1 aufgreifen und diese mit Hilfe des Supremums und des Infimums (also implizit des Vollständigkeitsaxioms) aus Kapitel 2 und der ∑∑-Notation aus Kapitel 3 zum Begriff des Riemann-Integrals ausbauen.
Leser fragen sich vielleicht, warum wir hier schon das Integral besprechen, obwohl wir die Ableitung noch nicht besprochen haben. Es gibt viele Wege, die zum Ziel führen, und wir könnten in der Tat ebenso das Integral nach der Ableitung einführen. Für diese Reihenfolge sprechen die folgenden Argumente:
- Flächeninhalte wurden bereits seit der Antike untersucht und (teilweise) berechnet. Die Ableitung hat eine kürzere Geschichte und ist eigentlich ein schwierigeres Konzept als das Integral.
- Auch vom rein mathematischen Gesichtspunkt gesehen, ist das Integral viel einfacher. Wie wir hier sehen werden, erfüllt das Integral einige sehr nette Eigenschaften (zum Beispiel Monotonie und eine verallgemeinerte Dreiecksungleichung), welche keine Entsprechung für die Ableitung haben. Wir werden später diese netten Eigenschaften des Integrals verwenden, um gewisse Aussagen für die Ableitung zu zeigen. Da wir in dieser Vorlesung die Analysis nach ihren inneren Strukturen aufbauen wollen, spricht dies dafür das Integral zuerst zu besprechen.
- Der Zusammenhang zwischen Ableitung und Integral ist eines der Hauptziele für dieses erste Semester in Analysis. Wir hoffen, dass die frühe Einführung des Integrals die Wichtigkeit dieses Zusammenhangs weiter betont.
4.1 – Treppenfunktionen und deren Integral
Im Folgenden seien [latex]a
4.1.1 – Zerlegungen
Definition 4.1: Zerlegung
Eine Zerlegung (oder Unterteilung) ZZ von [a,b][a,b] ist gegeben durch endlich viele Punkte
mit n∈Nn∈N. Die Punkte x0,…,xn∈[a,b]x0,…,xn∈[a,b] werden die Teilungspunkte der Zerlegung genannt. Wir schreiben [latex]\mathfrak {Z} = \left \lbrace {a= x_0
Formal gesehen ist eine Zerlegung also eine endliche Teilmenge unseres Intervalls [a,b][a,b], die aa und bb enthält, gemeinsam mit einer Auflistung ihrer Elemente durch eine streng monotone Funktion k∈{0,…,n}↦xkk∈{0,…,n}↦xk. (Die Aufzählung ist eindeutig durch die Teilmenge bestimmt, da wir die Forderung [latex]x_0
die fortan implizit in den Diskussionen verwendet wird.
Definition 4.2: Treppenfunktion
Eine Funktion f:[a,b]→Rf:[a,b]→R ist eine Treppenfunktion (abgekürzt TFTF), falls es eine Zerlegung [latex]\mathfrak {Z} = \left \lbrace {a= x_0
Eine Treppenfunktion soll also konstant sein auf den Intervallen in der Partition P(Z)P(Z). Die Intervalle (xk−1,xk)(xk−1,xk) für k∈{1,…,n}k∈{1,…,n} heissen auch Konstanzintervalle der Treppenfunktion ff und ZZ heisst eine Zerlegung in Konstanzintervalle von ff. Die Zahlen c1,…,cnc1,…,cn nennen wir Konstanzwerte von ff bezüglich ZZ.
Beispielsweise sind konstante Funktionen auch Treppenfunktionen.
Definition 4.3
Seien Z,Z′Z,Z′ zwei Zerlegungen von [a,b][a,b]. Wir sagen, dass Z′Z′ feiner als ZZ ist, falls jeder Teilungspunkt von ZZ ein Teilungspunkt von Z′Z′ ist. Die gemeinsame Verfeinerung zweier Zerlegungen ZZ und Z′Z′ ist die Zerlegung, deren Menge von Teilungspunkten durch die Vereinigung der Menge der Teilungspunkte von ZZ und von Z′Z′ gegeben ist.
4.1.2 – Das Integral einer Treppenfunktion
Definition 4.4
Sei f:[a,b]→Rf:[a,b]→R eine Treppenfunktion und [latex]\mathfrak {Z} = \left \lbrace {a= x_0
wobei Δxk=(xk−xk−1)Δxk=(xk−xk−1) für die Länge des kk-ten Konstanzintervalls in der Zerlegung ZZ für k=1,…,nk=1,…,n steht.
Für eine nicht-negative Treppenfunktion f≥0f≥0 interpretieren wir I(f,Z)I(f,Z) als Flächeninhalt der Ordinatenmenge
und im Allgemeinen als vorzeichenbehafteter Nettoflächeninhalt (siehe Bild unten).
Lemma 4.5: Unabhängigkeit von Zerlegung in Konstanzintervalle
Sei f:[a,b]→Rf:[a,b]→R eine Treppenfunktion und [latex]\mathfrak {Z} = \left \lbrace {a= x_0
Dieses Lemma wird uns erlauben, den Wert I(f,Z)I(f,Z) als das Integral von ff zu definieren.
Beweis
Seien f,f′f,f′ zwei Treppenfunktionen auf [a,b][a,b] mit derselben Zerlegung in Konstanzintervalle [latex]\mathfrak {Z} = \left \lbrace {a= x_0
und die erste Behauptung im Lemma folgt.
Sei nun ff eine Treppenfunktion auf [a,b][a,b] und sowohl ZZ als auch Z′Z′ Zerlegungen in Konstanzintervalle von ff. Die zweite Behauptung des Lemmas besagt I(f,Z)=I(f,Z′)I(f,Z)=I(f,Z′). (Zum Beispiel könnte [latex]\mathfrak {Z}=\{ x_0=a
Wir beweisen diese Behauptung in drei Schritten. Im ersten Schritt nehmen wir an, dass Z′Z′ feiner als [latex]\mathfrak {Z} = \left \lbrace {a= x_0
da f(x)=cℓf(x)=cℓ für alle x∈(xℓ−1,y)∪(y,xℓ)⊆(xℓ−1,xℓ)x∈(xℓ−1,y)∪(y,xℓ)⊆(xℓ−1,xℓ).
Mittels vollständiger Induktion nach |Z′∖Z||Z′∖Z| folgt aus obigem Fall, dass I(f,Z)=I(f,Z′)I(f,Z)=I(f,Z′), falls Z′Z′ feiner als ZZ ist. In der Tat kann man eine Liste von Zerlegungen finden, die mit ZZ beginnt, mit Z′Z′ endet, und in der die nächste jeweils einen Punkt mehr besitzt als die vorhergehende Zerlegung in der Liste.
Falls nun Z,Z′Z,Z′ beliebige Zerlegungen in Konstanzintervalle von ff sind, dann können wir die gemeinsame Verfeinerung Z″Z′′ betrachten und erhalten aus dem vorherigen Fall
was den Beweis des Lemmas abschliesst. ∎
Definition 4.6
Für eine Treppenfunktion f:[a,b]→Rf:[a,b]→R definieren wir das Integral der Treppenfunktion ff als
wobei ZZ eine Zerlegung in Konstanzintervalle von ff ist.
Nach Lemma 4.5 hängt diese Definition des Integrals nicht von der Wahl der Zerlegung ab.
Wir bemerken auch, dass das Symbol ∫∫ für ein stilisiertes SS steht und damit an den Zusammenhang zu einer Summe erinnert. Des Weiteren ist die Variable xx in der Notation ∫f(x)dx∫f(x)dx eine interne Variable für die Notation des Integrals (genauso wie die Variable kk in der Summe ∑nk=1ckΔxk∑nk=1ckΔxk), die ausserhalb des Integrals keine Bedeutung hat (und, um vorprogrammierte Verwirrungen zu vermeiden, auch keine haben sollte).
Lemma 4.7: Linearität des Integrals von Treppenfunktionen
Die nicht-leere Menge
der Treppenfunktionen auf dem Intervall [a,b][a,b] ist ein Unterraum des Vektorraums F([a,b])F([a,b]) der reellwertigen Funktionen auf [a,b][a,b]. Des Weiteren ist die Abbildung ∫:TF([a,b])→R∫:TF([a,b])→R linear. Das heisst, für alle f,g∈TF([a,b])f,g∈TF([a,b]) und s∈Rs∈R ist f+g∈TF([a,b])f+g∈TF([a,b]), sf∈TF([a,b])sf∈TF([a,b]) und es gilt
Beweis
Falls ZfZf eine Zerlegung in Konstanzintervalle von ff und ZgZg eine Zerlegung in Konstanzintervalle von gg ist, dann existiert eine gemeinsame Verfeinerung
von ZfZf und ZgZg. Dies ist eine Zerlegung in Konstanzintervalle von ff und gg. Seien c1,…,cnc1,…,cn respektive d1,…,dn∈Rd1,…,dn∈R die Konstanzwerte von ff respektive gg bezüglich der Zerlegung ZZ, das heisst, es gilt
∀x∈(xk−1,xk):f(x)=ck und g(x)=dk∀x∈(xk−1,xk):f(x)=ck und g(x)=dk
für alle k∈{1,…,n}k∈{1,…,n}. Insbesondere ergibt dies für alle k∈{1,…,n}k∈{1,…,n}
und wir erhalten f+g,sf∈TF([a,b])f+g,sf∈TF([a,b]). Des Weiteren gilt
und ebenso
∎
Lemma 4.8: Monotonie des Integrals von Treppenfunktionen
Sind f,g∈TF([a,b])f,g∈TF([a,b]) zwei Treppenfunktionen mit f≤gf≤g. Dann gilt
Insbesondere impliziert f∈TF([a,b])f∈TF([a,b]) und f≥0f≥0, dass ∫bafdx≥0∫bafdx≥0.
Beweis
Wie schon im Beweis des letzten Lemmas können wir für f,g∈TF([a,b])f,g∈TF([a,b]) eine gemeinsame Zerlegung [latex]\mathfrak {Z} = \left \lbrace {a= x_0 4.1)). Falls nun f≤gf≤g (also f(x)≤g(x)f(x)≤g(x) für alle x∈[a,b]x∈[a,b]) ist, dann ist ck≤dkck≤dk für alle k∈{1,…,n}k∈{1,…,n} und wir erhalten
Die zweite Aussage folgt aus der ersten angewendet auf 00 und ff. ∎
Durch genauere Betrachtung des obigen Beweises oder Lemma 4.5 sieht man sogar, dass die Ungleichung f≤gf≤g auf den durch eine Zerlegung gegebenen offenen Intervallen für die Konklusion ∫bafdx≤∫bagdx∫bafdx≤∫bagdx ausreichend ist.
Übung 4.9: Integral von «zusammengeklebten» Treppenfunktionen
Seien [a,b],[b,c][a,b],[b,c] zwei beschränkte und abgeschlossene Intervalle und sei f1∈TF([a,b])f1∈TF([a,b]) und f2∈TF([b,c])f2∈TF([b,c]). Zeigen Sie, dass die Funktion
eine Treppenfunktion auf [a,c][a,c] ist und geben Sie eine Zerlegung in Konstanzintervalle von ff an. Beweisen Sie anschliessend, dass das Integral von ff gegeben ist durch
Zeigen Sie des Weiteren, dass jede Treppenfunktion auf [a,c][a,c] von obiger Form ist.
Hinweis.
Die Notation [latex]\mathfrak {Z}_1=\left \lbrace {a=x_{1,0}
4.2 – Definition des Riemann-Integrals
Wie schon im letzten Abschnitt betrachten wir im Folgenden Funktionen auf einem kompakten Intervall [a,b]⊆R[a,b]⊆R zu reellen Zahlen [latex]a
Wir bemerken, dass Treppenfunktionen beschränkt sind, da sie endliche Wertemengen haben. Des Weiteren ist eine reellwertige Funktion ff genau dann beschränkt, wenn es Treppenfunktionen u,o∈TF([a,b])u,o∈TF([a,b]) gibt, die u≤f≤ou≤f≤o erfüllen. In der Tat, falls u≤f≤ou≤f≤o für gewisse Treppenfunktionen u,ou,o gilt, dann ist f([a,b])f([a,b]) von oben durch das Maximum von o([a,b])o([a,b]) beschränkt und von unten durch das Minimum von u([a,b])u([a,b]) beschränkt. (Wieso?). Umgekehrt können wir konstante Treppenfunktionen u,o∈TF([a,b])u,o∈TF([a,b]) verwenden, falls ff beschränkt ist.
Definition 4.10
Sei f∈F([a,b])f∈F([a,b]) beschränkt. Dann definieren wir die (nicht-leere) Menge der Untersummen durch
und die (nicht-leere) Menge der Obersummen durch
Für u,o∈TF([a,b])u,o∈TF([a,b]) mit u≤f≤ou≤f≤o gilt nach Lemma 4.8 auch
Jede Untersumme ist also kleiner gleich jeder Obersumme. Äquivalenterweise ist jede Obersumme ∫bao dx∫bao dx eine obere Schranke der nicht-leeren Menge der Untersummen und daher ist
da das Supremum die kleinste obere Schranke ist. Insbesondere ist supU(f)supU(f) eine untere Schranke der Menge der Obersummen O(f)O(f) und es gilt
supU(f)≤infO(f),supU(f)≤infO(f),
da das Infimum die grösste untere Schranke ist.
Definition 4.11: Riemann-Integrierbarkeit
Für eine beschränkte Funktion f∈F([a,b])f∈F([a,b]) wird I_(f)=supU(f)I–(f)=supU(f) das untere Integral von ff und ¯I(f)=infO(f)¯¯¯I(f)=infO(f) das obere Integral von ff genannt. Die Funktion ff heisst Riemann-integrierbar, oder kurz R-integrierbar, falls I_(f)=¯I(f)I–(f)=¯¯¯I(f). In diesem Fall wird dieser gemeinsame Wert das Riemann-Integral
genannt. Des Weiteren definieren wir
Wir bezeichnen aa als die untere und bb als die obere Integrationsgrenze und die Funktion als den Integrand für das Integral ∫bafdx∫bafdx.
Wir haben hier den Zugang von Darboux für die Definition des Riemann-Integrals gewählt; im nächsten Kapitel werden wir aber auch kurz die sogenannten Riemann-Summen besprechen, die von Riemann als Ausgangspunkt seiner Definition verwendet wurden. Es gibt neben diesen beiden äquivalenten Definitionen noch weitere, die wir nicht besprechen werden.
Falls f∈F([a,b])f∈F([a,b]) nicht-negativ (das heisst, es gilt f≥0f≥0), beschränkt und Riemann-integrierbar ist, dann interpretieren wir die Zahl ∫bafdx∫bafdx als den Flächeninhalt der Menge
Proposition 4.12: Charakterisierungen der Riemann-Integrierbarkeit
Sei f∈F([a,b])f∈F([a,b]) beschränkt. Folgende Bedingungen sind äquivalent:
- ff ist Riemann-integrierbar.
- Es existiert höchstens eine (oder auch genau eine) reelle Zahl II, die die Ungleichungen
für alle u,o∈TF([a,b])u,o∈TF([a,b]) mit u≤f≤ou≤f≤o erfüllt.
- Für alle ε>0ε>0 existieren u,o∈TF([a,b])u,o∈TF([a,b]) mit u≤f≤ou≤f≤o, so dass [latex]\int _a^b (o-u)\thinspace {\rm {d}} x
Der dritte Punkt in obiger Proposition bedeutet intuitiv, dass ff sich zwischen zwei Treppenfunktionen «einquetschen» lässt, so dass deren Differenz im Mittel (geometrisch formuliert, der Flächeninhalt zwischen den beiden Treppenfunktionen) klein ist.
Beweis
Angenommen ff ist Riemann-integrierbar wie in (i). Wir wollen (iii) zeigen. Sei also ε>0ε>0. Dann existiert (wegen der zweiten Charakterisierung des Supremums in Satz 2.60) ein u∈TF([a,b])u∈TF([a,b]) mit u≤fu≤f und ∫baudx>I_(f)−ε2∫baudx>I–(f)−ε2. Genauso existiert ein o∈TF([a,b])o∈TF([a,b]) mit o≥fo≥f und [latex]\int _a^b o\thinspace {\rm {d}} x 4.7
wie in (iii) behauptet.
Angenommen f∈F([a,b])f∈F([a,b]) ist beschränkt und erfüllt die Aussage in (iii). Wir wollen (ii) zeigen und nehmen also an, dass I1,I2∈RI1,I2∈R die Ungleichungen
für alle u,o∈TF([a,b])u,o∈TF([a,b]) mit u≤f≤ou≤f≤o erfüllen. Für ein beliebiges ε>0ε>0 können wir wegen (iii) u,o∈TF([a,b])u,o∈TF([a,b]) finden, so dass die obigen Ungleichungen kombiniert zu
und
führen. Daher ist |I2−I1|0|I2−I1|0 und es muss I1=I2I1=I2 gelten. Dies zeigt, dass es höchstens eine Zahl I∈RI∈R gibt, die die Ungleichung in (ii) erfüllt.
Angenommen (ii) gilt. Wir behaupten, dass die Ungleichungen dann von genau einer Zahl erfüllt werden und dass ff Riemann-integrierbar ist. In der Tat gilt nach Gleichung (4.2), dass
für alle u,o∈TF([a,b])u,o∈TF([a,b]) mit u≤f≤ou≤f≤o. Das heisst, dass sowohl ¯I(f)¯¯¯I(f) wie auch I_(f)I–(f) die Ungleichungen in (ii) erfüllen. Nach Voraussetzung (von (ii)) folgt ¯I(f)=I_(f)¯¯¯I(f)=I–(f) und damit, dass ff Riemann-integrierbar ist.
Wir haben gesehen, dass die Implikationen (i)⟹⟹(iii), (iii)⟹⟹(ii) und (ii)⟹⟹(i) gelten, also folgt die Proposition. ∎
Applet 4.13: Unter- und Obersummen
Wir sehen den Graph einer Funktion, können die betrachtete Zerlegung verfeinern (mit dem Punkt ++) und dann (mit den Pfeilen) sowohl bessere Untersummen also auch besser Obersummen zu der Funktion finden. Können Sie die optimalen Unter- und Obersummen zu einer Zerlegung in 5 Intervalle finden? Nach einigen Experimenten sollten Sie davon überzeugt sein, dass die betrachtete Funktion Riemann-integrierbar ist — dies wird aus den späteren Sätzen dieses Kapitels recht schnell folgen.
Gut zu wissen ist, dass das Riemann-Integral eine Verallgemeinerung des Integrals von Treppenfunktionen darstellt und in diesem Sinne auch einfach vom Riemann-Integral einer Treppenfunktion gesprochen werden kann.
Übung 4.14: Zur Wohldefiniertheit
Sei t∈TF([a,b])t∈TF([a,b]) eine Treppenfunktion. Zeigen Sie, dass tt Riemann-integrierbar ist und dass das Riemann-Integral von tt gleich dem Integral von tt als Treppenfunktion ist.
Übung 4.15: Integral der Parabelfunktion
Wiederholen Sie den Beweis von Proposition 1.1 und zeigen Sie (in der Sprache dieses Abschnitts), dass f:x∈[0,1]↦x2∈Rf:x∈[0,1]↦x2∈R Riemann-integrierbar ist mit ∫10x2dx=13∫10x2dx=13. Verifizieren Sie an dieser Stelle auch, dass
Die Charakterisierung (iii) in Proposition 4.12 ist unter anderem dann nützlich, wenn man von spezifischen Funktionen die Riemann-Integrierbarkeit zeigen will. Ihre Bedingungen lassen sich sogar noch abschwächen, was wir in folgender Übung diskutieren wollen.
Wichtige Übung 4.16: Betrachten spezieller Ober- und Untersummen
Sei f∈F([a,b])f∈F([a,b]) eine beschränkte Funktion und sei TUTU eine Menge von Treppenfunktionen mit u≤fu≤f für alle u∈TUu∈TU und TOTO eine Menge von Treppenfunktionen mit f≤of≤o für alle o∈TOo∈TO. Angenommen für jedes ε>0ε>0 existieren u∈TUu∈TU und o∈TOo∈TO mit
Zeigen Sie, dass ff Riemann-integrierbar ist und
Hinweis.
Verwenden Sie den Beweis von Proposition 4.12.
Beispiel 4.17: Eine nicht-Riemann-integrierbare Funktion
Wir betrachten wieder die sogenannte Dirichlet-Funktion, das heisst, die charakteristische Funktion
Die Behauptung ist, dass diese nicht Riemann-integrierbar ist. Dazu berechnen wir das untere und das obere Integral von ff. Sei o∈TF([0,1])o∈TF([0,1]) mit f≤of≤o. Sei
eine Zerlegung in Konstanzintervalle von oo. Sei k∈{1,…,n}k∈{1,…,n} und ck∈Rck∈R mit o(x)=cko(x)=ck für alle x∈(xk−1,xk)x∈(xk−1,xk). Da QQ dicht in RR ist (siehe Korollar 2.71), existiert ein x∈(xk−1,xk)x∈(xk−1,xk) mit x∈Qx∈Q. Wegen f≤of≤o gilt 1=f(x)≤o(x)=ck1=f(x)≤o(x)=ck. Somit gilt
unter Verwendung von Teleskopsummen. Damit ist das obere Integral von ff durch 11 gegeben, da die Treppenfunktion mit konstantem Wert 11 Integral 11 hat und oo beliebig war. Ähnlich (siehe Übung 4.18) zeigt man, dass das untere Integral von ff durch 00 gegeben ist. Somit ist ff nicht Riemann-integrierbar.
Es ist etwas schwierig den Graphen der Dirichlet-Funktion zu zeichnen (vor allem da für die meisten Computerprogramme alle Zahlen rational sind). Wir wollen dies aber trotzdem versuchen, wobei die verschiedenen Kreuze die Funktionswerte der ersten rationalen Zahlen andeuten.
Übung 4.18
Zeigen Sie, dass die Funktion ff aus Beispiel 4.17 unteres Integral 00 hat.
Hinweis.
Gehen Sie genauso wie im Beispiel vor und zeigen Sie dazu, dass R∖QR∖Q dicht in RR liegt. Für letzteres kann man beispielsweise Dichtheit von √2Q∖{0}√2Q∖{0} zeigen.
4.3 – Erste Integrationsgesetze
Wie schon zuvor betrachten wir hier Funktionen und den Begriff des Riemann-Integrals auf einem kompakten Intervall [a,b]⊆R[a,b]⊆R für [latex]a4.7 und Lemma 4.8) analog sind.
4.3.1 – Linearität
Satz 4.19: Linearität des Riemann-Integrals
Die Menge
der Riemann-integrierbaren Funktionen auf [a,b][a,b] bildet einen Unterraum von F([a,b])F([a,b]) und das Integral ist eine lineare Funktion auf R([a,b])R([a,b]). Das heisst, für f1,f2,f∈R([a,b])f1,f2,f∈R([a,b]) und s∈Rs∈R ist f1+f2,sf∈R([a,b])f1+f2,sf∈R([a,b]) und
Im Beweis werden wir folgendes allgemeines Prinzip mehrmals anwenden. Falls A⊆BA⊆B nicht-leere Teilmengen von RR sind und BB von oben beschränkt ist, dann ist sup(B)sup(B) eine obere Schranke von AA und daher sup(A)≤sup(B)sup(A)≤sup(B) (nach Definition des Supremums). Analog gilt inf(A)≥inf(B)inf(A)≥inf(B), falls BB von unten beschränkt ist.
Beweis
Sei f∈R([a,b])f∈R([a,b]) und s≥0s≥0. Für Treppenfunktionen u,o∈TF([a,b])u,o∈TF([a,b]) mit u≤f≤ou≤f≤o gilt somit su≤sf≤sosu≤sf≤so. Mit s∫bau(x)dx=∫basu(x)dxs∫bau(x)dx=∫basu(x)dx und s∫bao(x)dx=∫baso(x)dxs∫bao(x)dx=∫baso(x)dx nach Lemma 4.7 folgt sU(f)⊆U(sf)sU(f)⊆U(sf) und sO(f)⊆O(sf)sO(f)⊆O(sf). In der Tat ist
eine Teilmenge von U(sf)U(sf) und analog für sO(f)⊆O(sf)sO(f)⊆O(sf). Aus der Bemerkung vor dem Beweis folgt also
Nach Proposition 2.63 ist jedoch
Da aber ff Riemann-integrierbar ist und somit I_(f)=¯I(f)=∫baf(x)dxI–(f)=¯¯¯I(f)=∫baf(x)dx erfüllt ist, gilt in obiger Abschätzung (wegen Gleichheit der kleinsten und der grössten Zahl) überall Gleichheit und wir schliessen
Damit ist sfsf Riemann-integrierbar mit Integral s∫baf(x)dxs∫baf(x)dx. Ist s4.20).WirzeigennunAdditivitätdesIntegrals.Seienalso[latex]f1,f2∈R([a,b])s4.20).WirzeigennunAdditivitätdesIntegrals.Seienalso[latex]f1,f2∈R([a,b]) zwei Riemann-integrierbare Funktionen auf [a,b][a,b] und u1,u2,o1,o2∈TF([a,b])u1,u2,o1,o2∈TF([a,b]) Treppenfunktionen mit
Dann ist auch u1+u2≤f1+f2≤o1+o2u1+u2≤f1+f2≤o1+o2, was gemäss Lemma 4.7
U(f1)+U(f2)⊆U(f1+f2),O(f1)+O(f2)⊆O(f1+f2)U(f1)+U(f2)⊆U(f1+f2),O(f1)+O(f2)⊆O(f1+f2)
zur Folge hat. Des Weiteren gilt nach Proposition 2.64, dass
nach Riemann-Integrierbarkeit von f1f1 und f2f2 und ebenso
Gemeinsam mit der Bemerkung vor dem Beweis ergibt sich nun wiederum
Dies zeigt
und insbesondere Riemann-Integrierbarkeit von f1+f2. Wir haben also die Linearität des Riemann-Integrals bewiesen. ∎
Übung 4.21
Zeigen Sie, dass Gleichheit in (4.3) (siehe obigen Beweis) nicht erfüllt sein muss.
Hinweis.
Verwenden Sie die Polynome f1(x)=x2 und f2(x)=−x2 und Übung 4.15.
Übung 4.22: Ändern bei einem Punkt
Sei f∈R([a,b]) Riemann-integrierbar. Sei f∗∈F([a,b]) eine Funktion, die erhalten wurde, indem der Wert von f an nur einem Punkt in [a,b] abgeändert wurde. Zeigen Sie, dass f∗ Riemann-integrierbar ist und das gleiche Riemann-Integral wie f hat.
Hinweis.
Verwenden Sie Satz 4.19 und für x0∈[a,b] und c∈R die Treppenfunktion t∈TF([a,b]) gegeben durch
für x∈[a,b].
4.3.2 – Monotonie
Für f∈F([a,b]) definieren wir Funktionen f+,f−,|f|∈F([a,b]) durch
für x∈[a,b]. Die Funktion f+ ist der Positivteil von f, f− ist der Negativteil von f und |f| ist der Absolutbetrag von f.
Satz 4.24: Monotonie des Riemann-Integrals
Für zwei Funktionen f1,f2∈R([a,b]) gelten folgende Monotonie-Eigenschaften des Riemann-Integrals:
- Falls f1≥0 ist, so gilt ∫baf(x)dx≥0.
- Falls f1≤f2 ist, so gilt ∫baf1(x)dx≤∫baf2(x)dx.
- Die Funktion |f1| ist Riemann-integrierbar auf [a,b] und es gilt die Dreiecksungleichung
Wir möchten kurz erklären, wieso sich die Ungleichung in Punkt (iii) des obigen Satzes Dreiecksungleichung nennt. Tatsächlich sieht man kein Dreieck, im Gegensatz zur Dreiecksungleichung
für z1,z2∈C, die geometrisch direkt begründet werden kann (wie?). Es gilt auch die verallgemeinerte Dreiecksungleichung
für z1,…,zn∈C, wie man direkt aus der Dreiecksungleichung und vollständiger Induktion folgern kann (siehe Übung 3.4). Die Aussage (iii) in Satz 4.24 ist eine «kontinuierliche Version» der verallgemeinerten Dreiecksungleichung, weswegen wir von der Dreiecksungleichung für das Riemann-Integral sprechen.
Beweis
Für f1≥0 wie in (i) ist die konstante Funktion u=0 eine Treppenfunktion mit u≤f1 und
folgt.
Falls f1≤f2 wie in (ii) gilt, so ist f2−f1≥0 und
nach Linearität des Riemann-Integrals (Satz 4.19) und Teil (i). Dies zeigt (ii).
Für (iii) wollen wir zuerst zeigen, dass für ein f∈R([a,b]) auch f+ Riemann-integrierbar ist. Dazu bemerken wir zuerst, dass für s,t∈R die Ungleichung s≤t impliziert, dass
Dies ergibt sich aus der Unterscheidung der Fälle s≤t≤0, [latex]s \leq 0
Falls s≤t≤0 dann ist s+=t+=0 und t+−s+=0≤t−s. Falls [latex]s\leq 0
). Da f Riemann-integrierbar ist, gibt es nach Proposition 4.12 (iii) zu jedem ε>0 zwei Treppenfunktion u,o∈TF([a,b]) mit u≤f≤o und [latex]\int _a^b (o-u)(x)\thinspace {\rm {d}} x
und daher nach (ii) auch
Allerdings sind u+,o+ wieder Treppenfunktionen. Nach der dritten Charakterisierung in Proposition 4.12 ergibt sich somit, dass f+ Riemann-integrierbar ist, da ε>0 beliebig war.
Mittels Satz 4.19 erhalten wir, dass |f|=2f+−f auch Riemann-integrierbar ist. Aus f≤|f| und −f≤|f| folgt aus (ii) nun
was zur Dreiecksungleichung äquivalent ist. ∎
Übung 4.25: Modifizierte Dirichlet- oder Riemann-Funktion
Zeigen Sie, dass die Funktion
Riemann-integrierbar ist. Als Hilfestellung stellen wir den Graphen dar, aber überlassen Ihnen die Interpretation des Graphen und die sich daraus ergebenden Überlegungen.
4.3.3 – Teilintervalle
Es seien [latex]a
für x∈[a,c] zu definieren. In diesem Sinne entspricht die Funktion f∈F([a,c]) zwei Funktionen f1∈F([a,b]), f2∈F([b,c]) mit f1(b)=f2(b).
Satz 4.26: Additionseigenschaft bezüglich Intervallen
Unter Verwendung obiger Notation gilt, dass f∈F([a,c]) genau dann Riemann-integrierbar ist, wenn f1 und f2 Riemann-integrierbar sind. In diesem Fall ist
Beweis
Wir verifizieren zuerst die behauptete Formel für Treppenfunktionen. Dazu betrachten wir eine Treppenfunktion t auf [a,c] und eine Zerlegung in Konstanzintervalle von t
Dabei dürfen wir wegen Lemma 4.5 ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, dass xm=b für ein m∈{1,…,n−1}. Für k∈{1,…,n} sei ck der Konstanzwert von t auf (xk−1,xk). Dann gilt
∫cat(x)dx=n∑k=1ckΔxk=m∑k=1ckΔxk+n∑k=m+1ckΔxk=∫bat|[a,b](x)dx+∫cbt|[b,c](x)dx
Sei f∈F([a,c]) eine Funktion und definiere f1=f|[a,b], f2=f|[b,c]. Gegeben u∈TF([a,c]) mit u≤f kann man ebenso u1=u|[a,b], u2=u|[b,c] definieren. Es gilt u1≤f1 und u2≤f2. Wegen Gleichung (4.4) erhalten wir, dass
∫cau(x)dx=∫bau1(x)dx+∫cbu2(x)dx,
was wiederum U(f)⊆U(f1)+U(f2) zur Folge hat. Umgekehrt kann man, gegeben Treppenfunktionen u1,u2 mit u1≤f1, u2≤f2 eine Treppenfunktion u auf [a,c] definieren, die ebenso u≤f und Gleichung (4.5) erfüllt. (Wie?
Wegen Lemma 4.5 spielt der Funktionswert einer Treppenfunktion bei einem einzelnen Wert keine Rolle. Deswegen können wir beispielsweise die Funktion u definiert durch u(x)=u1(x) für x∈[a,b) und u(x)=u2(x) für x∈[b,c] verwenden.
). Dadurch ist
und wegen der Additionseigenschaft des Supremums in Proposition 2.64 gilt
I_(f)=I_(f1)+I_(f2).
Analog zeigt man, dass
¯I(f)=¯I(f1)+¯I(f2).
Ist nun f Riemann-integrierbar, dann ist
Überall in dieser Kette von Ungleichungen gilt also Gleichheit. Somit ist ¯I(f1)=I_(f1) und dadurch auch ¯I(f2)=I_(f2). Das heisst, dass f1 und f2 Riemann-integrierbar sind und Gleichung (4.6) wird zur gewünschten Additionseigenschaft für das Riemann-Integral.
Falls f1,f2 Riemann-integrierbar sind, dann gilt ¯I(f1)=I_(f1) und ¯I(f2)=I_(f2). Dies impliziert gemeinsam mit den Gleichungen (4.6), (4.7) auch I_(f)=¯I(f) und die Additionseigenschaft. ∎
Sei [a,b] ein kompaktes Intervall mit [latex]a
∫abfdx=−∫bafdxund∫aafdx=0.
Diese Definition vereinfacht die Notation und macht auf Grund der Aussage in folgender Übung Sinn.
Wichtige Übung 4.27: Intervalladditivität
Sei I=[a0,b0] für a04.26füralle[latex]a,b,c∈I.
Lösung
Wir unterscheiden Fälle abhängig von der Anordnung der Punkte a,b,c im Intervall I und zeigen jeweils, dass
∫cafdx=∫bafdx+∫cbfdx.
gilt wie gewünscht.
- Angenommen [latex]a 4.26.
- Angenommen a=b. Dann ist ∫baf(x)dx=0 per Definition und es gilt
- Falls b=c gilt, so geht man wie in vorherigem Fall vor.
- Angenommen es gilt [latex]b 4.26
Somit gilt nach den Definitionen vor dieser Übung
- Die Fälle [latex]a
Übung 4.28: Stetigkeit des partikulären Integrals
Sei [latex]a
eine stetige reellwertige Funktion auf [a,b] definiert. Ist diese Funktion auch gleichmässig oder Lipschitz-stetig (siehe Übung 3.81 für letzteren Begriff)?
4.4 – Anwendungen
4.4.1 – Intervallfunktionen
Wir möchten nun spezielle Abbildungen auf der Menge der Teilintervalle eines Intervalles betrachten, wobei wir Ordnungsvertauschungen im Stile von (4.8) zulassen wollen. Genauer untersuchen wir folgenden Begriff.
Definition 4.29
Seien a≤b in R und sei I:(α,β)∈[a,b]2↦I(α,β)∈R eine Funktion. Wir nennen I eine additive Intervallfunktion auf [a,b], falls
- Für alle α∈[a,b] gilt I(α,α)=0.
- Für alle α,β∈[a,b] gilt I(α,β)=−I(β,α).
- Für alle α,β,γ∈[a,b] mit I(α,β)+I(β,γ)=I(α,γ).
Wir wollen hier kurz erklären, woher die Bezeichnung «additive Intervallfunktion» stammt. Ist I eine additive Intervallfunktion auf einem kompakten Intervall [a,b], so kann man eine reellwertige Funktion J auf der Menge der nicht-leeren Teilintervalle von [a,b] durch J([α,β])=I(α,β) für [α,β]⊆[a,b] definieren. Diese hat die Eigenschaften
J([α,α])=0,J([α,β]∪[β,γ])=J([α,β])+J([β,γ])
für alle α≤β≤γ in [a,b] (wieso?). Vor allem letztere Eigenschaft begründet die Bezeichnung «additive Intervallfunktion» .
Hat man umgekehrt eine reellwertige Funktion J auf der Menge der nicht-leeren Teilintervalle von [a,b] gegeben, die (4.10) genügt, so definiert I(α,β)=J([α,β]) für α≤β und I(α,β)=−J([β,α]) für α>β eine additive Intervallfunktion I auf [a,b] (wieso?).
Somit haben wir also zwei Arten, wie wir uns additive Intervallfunktionen vorstellen können. Eine grosse Kollektion von Beispielen erhält man mit Satz 4.26 und Übung 4.27, nach welchen die Abbildung
I:(α,β)∈[a,b]2↦∫βαf(x)dx
für jede Riemann-integrierbare Funktion f:[a,b]→R eine additive Intervallfunktion ist. Die folgende Proposition charakterisiert derartige additive Intervallfunktionen.
Proposition 4.30
Seien a[latex](β−α)infx∈[α,β]f(x)≤I(α,β)≤(β−α)supx∈[α,β]f(x)
für alle [latex]\alpha
für alle α,β∈[a,b].
Wir möchten anmerken, dass jedoch nicht alle additiven Intervallfunktionen von der Form in (4.11) sein müssen.
Beweis
Seien [latex]\alpha 4.12) gilt
Da ε∈(0,b−a2) beliebig war, ergibt sich daraus die erste Ungleichung in
(Wieso?) Die zweite Ungleichung ergibt sich analog zu obigem aus der zweiten Ungleichung in (4.12).
Sei nun u≤f eine Treppenfunktion auf [a,b] mit Zerlegung [latex]\mathfrak {Z} = \left \lbrace {a = x_0
Ebenso ergibt sich I(α,β)≤∫βαo(x)dx für jede Treppenfunktion o mit f≤o. Daher gelten für das untere Integral I_ und das obere Integral ¯I von f über [α,β] die Ungleichungen
Da f aber Riemann-integrierbar ist, gilt I_=¯I und somit I(α,β)=∫βαf(x)dx. ∎
Man kann Proposition 4.30 als Wegweiser verwenden, um verschiedene Interpretationen des Riemann-Integrals zu finden. Formal gesehen sind diese Anwendungen jeweils Definitionen.
4.4.2 – Flächeninhalt
Die einfachste Anwendung von Proposition 4.30 ist die Interpretation von ∫baf(x)dx als Flächeninhalt des Gebietes
unter dem Graphen einer Riemann-integrierbaren Funktion f:[a,b]→R≥0. Die Argumentation, die zu dieser Definition führt, haben wir bereits in Abschnitt 1.1 besprochen. Formal gesehen erachten wir ∫baf(x)dx als Definition des Flächeninhalts des obigen Gebietes.
4.4.3 – Masse, Momente und Schwerpunkt
Es gibt natürlich auch viele physikalische Beispiele für die Bedeutung des Riemann-Integrals. Sei zum Beispiel [latex]a4.30, dass wir m=∫baρ(x)dx als das Gesamtmasse (in kg) interpretieren sollten. (Wieso?)
Wir erinnern daran, dass bei einem Hebel das Moment (in Nm) einer Krafteinwirkung durch das Produkt der Krafteinwirkung (in Newton N) und des Weges (in m) definiert ist. Wir stellen uns vor, dass [latex]a=0
erfüllt, woraus sich für das entsprechende Moment M(α,β) die Ungleichung
ergibt. Diese Eigenschaft von M unterscheidet sich zwar formal von (4.12) doch lässt sich mit Hilfe der Stetigkeit von x∈[a,b]↦x der Beweis von Proposition 4.30 anpassen. Ebenso ist es physikalisch sinnvoll die Additivität dieser Momentfunktion anzunehmen, dadurch erhalten wir die Definition
für das Gesamtmoment des Stabes.
Der Schwerpunkt des Stabes ist definiert als die x-Koordinate x0, so dass eine Punktmasse bei x0 mit derselben Masse wie der Stab auch dasselbe Moment besitzt. Also ist
der Schwerpunkt des Stabes.
Die Annahme a=0 ist für diese Diskussion (abgesehen von der Vorstellung dass der Stab am Ursprung gehalten wird) nicht notwendig, falls [latex]a
4.4.4 – Geleistete Arbeit
Wenn [latex]a Energie oder vom Stromnetz eingespeiste Arbeit (in Joule J=Ws) zwischen den Zeitpunkten t=a und t=b (in Sekunden s). Diese Interpretation ergibt sich wiederum aus Proposition 4.30 und der Definition, dass Arbeit gleich Leistung mal Zeitdauer ist. Hier ist es ebenso physikalisch sinnvoll, Funktionen mit positiven und negativen Werten zuzulassen, wenn zum Beispiel das Hausdach mit einer Solaranlage ausgestattet ist, die bei Schönwetter etwaige Energieüberschüsse des Hauses ins Stromnetz zurückspeist. Das Vorzeichen des Integrals entscheidet in diesem Fall, ob insgesamt innerhalb der Zeitspanne [a,b] das Haus ein Energieverbraucher oder Energielieferant war.
4.4.5 – Vorteil des Integralbegriffs
Wir haben das Integral abstrakt mittels der Definition 4.6 des Integrals einer Treppenfunktion und der Definition 4.11 des Integrals einer Riemann-integrierbaren Funktion eingeführt. Bei Besprechung dieser Definitionen haben wir uns zwar von einer geometrischen Interpretation des Integrals als (vorzeichenbehafteter) Flächeninhalt leiten lassen, doch war diese Vorstellung formal nicht notwendig für unsere Diskussionen. Wir hoffen, dass der Vorteil dieses abstrakten Zugang nun ersichtlich ist: Das Integral hat je nach Zusammenhang verschiedene (zum Beispiel physikalische) Bedeutungen. Wenn unsere Definition des Integrals «der Flächeninhalt unter der Kurve» gewesen wäre, dann wäre es nicht klar, was genau der Zusammenahng zwischen einem Flächeninhalt und einer Momentberechnung sein sollte.[1] In diesem Sinne ist unser abstrakter Zugang nicht Selbstzweck, sondern geradezu notwendig auf Grund der vielfältigen Anwendungen des Integralbegriffs.
4.5 – Integrierbarkeit monotoner Funktionen
Wir betrachten wie zuvor ein kompaktes Intervall [a,b]⊆R für reelle Zahlen a,b mit [latex]a
Satz 4.31: Integrierbarkeit monotoner Funktionen
Jede monotone Funktion in F([a,b]) ist Riemann-integrierbar.
Beweis
Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir eine monoton wachsende Funktion f∈F([a,b]) betrachten (ansonsten ersetzt man f mit −f und wendet Satz 4.19 an). Wir möchten die dritte Charakterisierung in Proposition 4.12 anwenden. Das heisst, wir wollen für ein gegebenes ε>0 zwei Treppenfunktionen u,o∈TF([a,b]) finden, so dass u≤f≤o und [latex]\int _a^b (o-u)(x)\thinspace {\rm {d}} x
Wir konstruieren u und o mittels einer natürlichen Zahl n∈N (die wir später wählen werden) und der Zerlegung
von [a,b] gegeben durch xk=a+b−ank für k∈{0,…,n}. Seien u,o gegeben durch
respektive
für alle x∈[a,b]. Da f monoton wachsend ist, gilt u≤f≤o. In der Tat ist für x∈[a,b] entweder x=b, womit u(x)=f(x), oder es gibt ein k∈{1,…,n} mit x∈[xk−1,xk). In letzterem Fall erhalten wir u(x)=f(xk−1)≤f(x) und somit gilt u≤f. Ein analoges Argument liefert f≤o. Des Weiteren gilt
nach Vereinfachen der Teleskopsumme. Nach dem Archimedischen Prinzip können wir nun ein n wählen, so dass ∫ba(o−u)(x)dx4.12(iii)folgtsomit,dass[latex]f Riemann-integrierbar ist. ∎
Mit Hilfe der Additionseigenschaft in Satz 4.26 lässt sich die Aussage von Satz 4.31 auf Funktionen erweitern, die nur stückweise monoton sind.
Definition 4.33: Stückweise Monotonie
Sei I=[a,b] ein abgeschlossenes, beschränktes Intervall mit [latex]astückweise monoton, falls es eine Zerlegung
von [a,b] gibt, so dass f|(xk−1,xk) monoton ist für alle k∈{1,…,n}.
Jede monotone Funktion ist stückweise monoton (man braucht dazu nur die Zerlegung [latex]\mathfrak {Z} = \left \lbrace {a
Korollar 4.34: Riemann-Integrierbarkeit von stückweise monotonen Funktionen
Sei I=[a,b] ein kompaktes Intervall mit [latex]a
Übung 4.35: Riemann-Integrierbarkeit von stückweise monotonen Funktionen
Beweisen Sie Korollar 4.34 unter Verwendung der Sätze 4.31 und 4.26 und der Übung 4.22.
Insbesondere sind also alle Monome auf einem abgeschlossenen, beschränkten, nicht-leeren Intervall I Riemann-integrierbar. Mit der Linearität des Riemann-Integrals folgt nun mittels vollständiger Induktion, dass alle Polynome auf I Riemann-integrierbar sind.
Übung 4.36: Gauss-Abbildung
Zeigen Sie, dass die sogenannte Gauss-Abbildung
Riemann-integrierbar ist, wobei {⋅} den gebrochenen Anteil bezeichnet (siehe Abschnitt 2.6.1).
Hinweis.
Beschreiben Sie g auf den Intervallen (12,1), (13,12), (14,13),… und zeigen Sie, dass g auf diesen Riemann-integrierbar ist.
4.6 – Integration von Polynomen
Wir betrachten wiederum ein Intervall [a,b] mit Endpunkten [latex]a
Satz 4.37: Riemann-Integrierbarkeit von Polynomen
Die Einschränkung einer reellen Polynomfunktion auf [a,b] ist Riemann-integrierbar. Für alle Monome xd mit d∈N0 gilt
Beweis
Dass Polynomfunktionen eingeschränkt auf [a,b] Riemann-integrierbar sind, folgt, wie schon diskutiert, aus der Linearität des Riemann-Integrals (Satz 4.19) und der Riemann-Integrierbarkeit von stückweise monotonen Funktionen (Korollar 4.34). Die zweite Aussage behandeln wir hier nur im Spezialfall [latex]0= a 4.26 (siehe Übung 4.38).
Da x∈[0,b]↦xd∈R monoton wachsend ist, können wir dieselbe Methode wie im Beweis von Satz 4.24 (und daher auch wie in Proposition 1.1) verwenden. Sei also n∈N und u,o Treppenfunktionen auf [0,b] mit Zerlegung in Konstanzintervalle
wobei xk=knb für k∈{1,…,n}, und Konstanzwert xdk−1 respektive xdk auf (xk−1,xk) für k∈{1,…,n} (siehe Beweis von Satz 4.24). Es ergibt sich
oder äquivalent
bd+1nd+1n−1∑k=1kd≤∫b0xddx≤bd+1nd+1n∑k=1kd
Nach Proposition 3.31 gilt
für gewisse Koeffizienten cd,…,c0∈Q. Damit möchten wir die linke und die rechte Summe in (4.13) nach unten respektive nach oben abschätzen. Wir erhalten für die Summe auf der rechten Seite
Für die Summe auf der linken Seite von (4.13) erhalten wir analog
Wir definieren
und setzen die oben erhaltenen Ungleichungen mit (4.13) zusammen. Wir erhalten
bd+1d+1−c−bd+1n≤∫b0xddx≤bd+1d+1+c+bd+1n.
Aus dem Archimedischen Prinzip (Satz 2.69) folgt nun, dass ∫b0xddx=bd+1d+1. ∎
Applet 4.39: Integral eines Polynoms
Wir betrachten nochmals das partikuläre Integral, wobei wir diesmal mit einer Polynomfunktion beginnen und dadurch Satz 4.37 anwenden können.
Beispiel 4.40
Als Anwendung von Satz 4.37 berechnen wir
wobei wir für eine Funktion f, deren Definitionsbereich [a,b] enthalten sollte, die Notation [f(x)]ba=f(b)−f(a) verwendet haben.
Übung 4.41: Integration der Wurzelfunktion
Sei [a,b] ein beschränktes, abgeschlossenes Intervall mit 0≤a0 die Zerlegung von [0,1] aus dem Beweis von Satz 4.24 und die dort definierten Treppenfunktionen u,o für das Polynom xm.
- Finden Sie von u respektive o ausgehend eine Treppenfunktion o′ respektive eine Treppenfunktion u′ mit u′(x)≤x1m≤o′(x) für x∈[0,1] und
- Zeigen Sie, dass
und berechnen Sie damit das Integral ∫10x1mdx.
Hinweis.
Betrachten Sie den Graphen von xm auf [0,1] und spiegeln Sie ihn an der Diagonalen. Die so erhaltene Funktion ist gerade die Funktion x∈[0,1]↦x1m∈R, deren Fläche unter dem Graphen vor Spiegelung also durch folgendes Bild gegeben ist.
Versuchen Sie insbesondere bei (i) zuerst informell vorzugehen und sich an obigem Bild zu veranschaulichen, was die Zuweisungen u nach o′ und o nach u′ sein sollten.
4.7 – Integrierbarkeit stetiger Funktionen
Aus Abschnitt 4.6 wissen wir bereits, dass Polynomfunktionen integrierbar sind. In diesem Abschnitt möchten wir nun unter Verwendung der Beschränktheit und der gleichmässigen Stetigkeit stetiger Funktionen auf kompakten Intervallen (Satz 3.70 respektive Satz 3.78) folgendes allgemeines Resultat beweisen.
Satz 4.42: Stetige Funktionen und das Riemann-Integral
Eine stetige Funktion auf einem kompakten Intervall [a,b] mit [latex]a
Beweis
Sei f∈C([a,b]) und ε>0. Nach Satz 3.78 ist f gleichmässig stetig und es gibt ein δ>0, so dass für alle x,y∈[a,b] gilt
Sei nun [latex]\mathfrak {Z} = \left \lbrace {a=x_0
Wir definieren für jedes k∈{1,…,n} die Zahlen
wobei wir Satz 3.70 für die Existenz dieser Infima und Suprema benötigt haben. Wir behaupten nun, dass für alle k∈{1,…,n}
gilt. In der Tat ist [latex]|x-y|
Dies beweist aber, dass mk+ε eine obere Schranke für f([xk−1,xk]) darstellt, womit wir auf Mk≤mk+ε schliessen.
Wir definieren nun Treppenfunktionen u,o durch
für x∈[a,b]. Nach Definition von mk,Mk für k∈{1,…,n} gilt daher u≤f≤o. Des Weiteren ist
Da ε>0 beliebig war (und b−a fix ist), zeigt dies mittels Proposition 4.12, dass f Riemann-integrierbar ist. ∎
Applet 4.43: Integrierbarkeit einer «zittrigen» Funktion
Wir sehen, dass eine stetige aber zittrige Funktion wie im dargestellten Graphen auch Riemann-integrierbar ist.
(*)
Was wir auch mitunter sehen können, ist, dass geogebra mit der verwendeten Funktion manchmal Problem hat und manche der dargestellten Untersummen oder Obersummen eigentlich nicht richtig dargestellt und berechnet werden. Unabhängig davon haben wir aber in unserem Beweis schon die Riemann-Integrierbarkeit gesehen, sind also für die gewünschte Aussage nicht auf geogebra angewiesen.
4.8 – Weitere Lernmaterialien
4.8.1 – Verwendung des Kapitels
Im Folgenden werden wir meist nicht direkt auf die Definition des Riemann-Integrals mit Hilfe von Treppenfunktionen zurückgreifen, sondern stattdessen die hier besprochenen Eigenschaften verwenden, um weitere Integrationsgesetze und Integrationsformeln für noch zu findende, weitere Funktionen zu beweisen. Trotzdem ist es wichtig sich an die Definition des Riemann-Integrals und die Vorraussetzungen an Funktion und Integrationsbereich zu erinnern, damit der Unterschied zu etwaigen späteren Verallgemeinerungen klar wird. Das Verständnis der Definition des Riemann-Integrals ist auch wichtig, da wir dieses im zweiten Semester zu einem mehrdimensionalen Integral verallgemeinern wollen und dabei analog vorgehen werden (siehe auch Abschnitt 4.9). Die Berechnung von Riemann-Integralen wird uns später mit Hilfe des Fundamentalsatzes der Differential- und Integralrechnung erheblich einfacher fallen.
Bei einigen Beweisen dieses Kapitels waren Sie vielleicht versucht, den Grenzübergang für n→∞ oder ε↘0 zu verwenden. Unsere bisherigen Argumente haben diesen Begriff nicht verwendet, aber wir führen Grenzwerte im nächsten Kapitel ein und Sie dürfen daher demnächst die Beweise von Satz 4.31, Satz 4.37 oder Satz 4.42 umformulieren und zum Beispiel in (4.14) den Grenzwert für n→∞ nehmen.
4.8.2 – Weitere Übungsaufgaben
Übung: Maximum und Minimum
Charakterisieren Sie die Riemann-integrierbaren Funktionen, für welche sowohl bei den Untersummen als auch bei den Obersummen ein Maximum beziehungsweise ein Minimum in der Definition des Riemann-Integrals angenommen wird.
Hinweis.
Zeigen Sie, dass in diesem Fall die Funktion selbst eine Treppenfunktion ist.
Übung: Nicht umkehrbar
Finden Sie eine Funktion f auf einem kompakten Intervall [a,b] für [latex]a
Hinweis.
Manipulieren Sie die Funktion f aus Beispiel 4.17.
Übung: Verhalten unter Verknüpfung
Wir möchten in dieser Übung zeigen, dass Verknüpfungen von Riemann-integrierbaren Funktionen im Allgemeinen nicht Riemann-integrierbar sind. Dazu betrachten wir die Riemann-integrierbare Funktion g:[0,1]→[0,1] aus Übung 4.25. Finden Sie eine Riemann-integrierbare Funktion f:[0,1]→R, so dass f∘g die nicht-Riemann-integrierbar ist.
Hinweis.
Wählen Sie f so, dass f∘g die Funktion aus Beispiel 4.17 ist.
Übung: Definitheit
Sei f∈C([a,b]) eine stetige Funktion auf einem kompakten Intervall [a,b] zu [latex]a
- Es gilt f(x)=0 für alle x∈[a,b].
- Es gilt ∫baf(x)dx=0.
Übung: Sandwich mit Riemann-integrierbaren Funktionen
Sei f∈F([a,b]) eine Funktion auf einem kompakten Intervall [a,b] mit [latex]a
- Die Funktion f ist Riemann-integrierbar.
- Für jedes ε>0 existieren Riemann-integrierbare Funktionen fε,−,fε,+:[a,b]→R mit fε,−≤f≤fε,+ sowie [latex]\int _a^b f_{\varepsilon ,+} - f_{\varepsilon ,-} \thinspace {\rm {d}} x
Wie wir später sehen werden, kann man zu ε>0 wie oben sogar stetige Funktionen fε,−,fε,+ mit den gewünschten Eigenschaften wählen.
Übung: Funktionen beschränkter Variation
Sei I=[a,b] ein kompaktes Intervall mit [latex]abeschränkte Variation, falls
In dieser Übung möchten wir zeigen, dass sich jede Funktion f∈F([a,b]) mit beschränkter Variation als Differenz von zwei monotonen Funktionen schreiben lässt und daher auch Riemann-integrierbar ist. Sei also f∈F([a,b]) mit beschränkter Variation und sei
für x∈[a,b]. Zeigen Sie, dass für x,x′ mit [latex]a \leq x
indem Sie von einer beliebigen Zerlegung von [a,x] ausgehen und diese geeignet zu einer Zerlegung von [a,x′] erweitern. Schliessen Sie damit, dass die Funktionen V(f) und V(f)−f monoton wachsend sind.
4.8.3 – Multiple-Choice Fragen
4.8.4 – Lernkarten
Sie können wiederum die Lernkarten oder den Graphen für Ihre Wiederholung der Themen des Kapitels verwenden.
4.9 – Einschub: Mehrdimensionale Integrale*
*Dieser Abschnittes existiert als Hilfestellung für die Physik I-Vorlesung, wo diese Begriffe bereits auftauchten. Der Abschnitt kann natürlich beim Lernen übersprungen werden, da alles sowieso nochmals kommt. Doch könnte eine ungenaue aber knappe Darstellung auch beim Lernen helfen, weswegen dieser Abschnitt kein * bekommt.
Wir wollen hier unseren vollständigen Aufbau der Analysis kurz unterbrechen und anwendungsbezogen mehrdimensionale Integrale besprechen. Insbesondere werden wir die vorgestellten Methoden informell begründen, aber nicht vollständig erklären oder beweisen können — wir werden dies erst im zweiten Semester nachholen. Der Grund für den Einschub ist einfach zu erklären: Sie werden ein intuitives Verständnis für diese Themen und die wichtigsten Rechenmethoden in den Vorlesungen Physik I und Physik II benötigen.
4.9.1 – Definition mittels Treppenfunktionen
Wir beginnen unsere Diskussionen damit, die Definition eines mehrdimensionalen Integrals anzudeuten. Für diese Definition sollten wir Funktionen f auf einem d-dimensionalen Quader [a1,b1]×⋯×[ad,bd] betrachten, wobei d≥1 die Dimension des Quaders angibt und die Zahlen [latex]a_1
Eine Treppenfunktion t∈TF(Q) ist in diesem Zusammenhang eine Funktion, so dass man Q in Teilrechtecke zerlegen kann und t auf den einzelnen Teilrechtecken jeweils konstant ist. Genauer sollte die Zerlegung rasterförmig von der Form
sein, wobei
zwei beliebige Zerlegung der Kanten [a1,b1] und [a2,b2] des Rechtecks Q sind und die Vereinigung über alle Paare (j,k) läuft mit j∈{1,…,m} und k∈{1,…,n}. Die Menge N besteht hier aus den Rändern der einzelnen Rechtecke und wird im folgenden einfach ignoriert (da dies eine sogenannte Nullmenge darstellt). Falls nun die Treppenfunktion t für jedes Tupel (j,k) auf dem entsprechenden Teilrechteck den Konstanzwert cj,k annimmt, dann definieren wir das Integral der Treppenfunktion durch
∫Qtdvol=∑j,kcj,k(xj−xj−1)(yk−yk−1).
Wir nehmen an, dass f:Q→R beschränkt ist. Dies impliziert wiederum, dass es Treppenfunktionen u,o∈TF(Q) gibt, die u≤f≤o erfüllen. Wir bezeichnen ∫udvol beziehungsweise ∫odvol als Untersumme und Obersumme zu f. Das untere Integral I_(f) ist nun als Supremum der Untersummen und das obere Integral ¯I(f) als Infimum der Obersummen definiert. Wenn diese beiden Zahlen übereinstimmen, dann definieren diese das Riemann-Integral
Wir wollen dies auch im folgenden Applet erklären, wobei wir das zwei-dimensionale Integral als Volumen des Körpers in Figur 4.4 interpretieren.
Applet 4.44: Zelt
Wir sehen, dass wir das Volumen des Zeltes von unten und von oben abschätzen können, wodurch wir immer genauere Annäherungen für das Volumen erhalten können. Das zwei-dimensionale Integral ∫[−1,1]2(2−x2−y2)dvol gibt das Volumen fehlerfrei an.
Auch dreidimensionale Integrale können konkrete physikalische Bedeutungen besitzen. Falls zum Beispiel Q=[a1,b1]×[a2,b2]×[a3,b3] ein drei-dimensionaler Quader mit Abmessungen b1−a1,b2−a2,b3−a3>0 (in m) ist und ρ(x,y,z) die vom Punkt (x,y,z)∈Q abhängige Dichte des Quaders (in kg/m3) angibt, so gibt das drei-dimensionale Integral
die Gesamtmasse des Quaders an. Dies ergibt sich durch Verallgemeinerung der Diskussion in Abschnitt 4.4.3.
4.9.2 – Iterierte Integrale
In der Definition des Begriffes «Integral einer Treppenfunktion» t:Q→R haben wir über alle Paare (j,k) mit j∈{1,…,m} und k∈{1,…,n} summiert (siehe Definition 4.15). Wollen wir dies genauer mittels der Summennotation aus Abschnitt 3.1 formulieren, so haben wir die zwei äquivalenten Möglichkeiten
Da das mehrdimensionale Integral gewissermassen ein kontinuierliches Analog zu derartigen Doppelsummen darstellt, könnte man erwarten, dass das mehrdimensionale Integral einer Riemann-integrierbaren Funktion f:Q→R analog
erfüllt, wobei die inneren Integrale (oben das Integral bezüglich y) die äussere Integrationsvariable (oben die Variable x) als Konstante interpretieren und diese Integrale wiederum eine Funktion bezüglich der äusseren Integrationsvariable (oben x) definieren. Dies trifft in der Tat für stetige Funktionen f zu — geeignet interpretiert auch allgemeiner — und wird als der Satz von Fubini bezeichnet. Informell können wir dies in zwei Dimensionen auch durch die Gleichung dvol=dxdy ausdrücken.
Applet 4.45: Volumen des Zeltes
Wir können den Satz von Fubini und das Vorgehen der Berechnung des Volumens auch geometrisch veranschaulichen. Dabei bestimmt die x-Koordinate einen ebenen Querschnitt durch das Zelt, und die y-Koordinate animiert die Berechnung des Flächeninhaltes des Querschnittes. Versuchen Sie mit den Schiebern die Addition der iterierten Summen nachzustellen.
Der Satz von Fubini ist extrem nützlich, da wir mit diesem Satz die Berechnung von mehrdimensionalen Integrale auf die Berechnung eindimensionaler Integrale zurückführen können (und wir für letztere im Laufe dieses Semester viele Methoden zur Berechnung lernen werden).
Beispiel 4.46: Volumen des Zeltes
Wir definieren das Zelt
Das Volumen des Zeltes ist auf Grund von f(x,y)=2−x2−y2≥0 für alle (x,y)∈[−1,1]2 und obiger Diskussionen durch
gegeben, wobei wir für das innere Integral über y∈[−1,1] die Variable x als Konstante betrachtet haben und die Rechnung
verwendet haben.
4.9.3 – Schwerpunkt eines Körpers
Wir wollen als weitere Anwendung von mehrdimensionalen Integralen den Schwerpunkt von Körpern K⊆R3 berechnen, wobei ρ:K→R≥0 die vom Punkt abhängige Dichte des Körpers beschreibt. In Analogie zu Abschnitt 4.4.3 sind dann die Gesamtmasse m des Körpers und die Koordinaten (x0,y0,z0) des Schwerpunktes durch die Formeln
gegeben. Wir haben in diesen Definition auch eine Verallgemeinerung des mehrdimensionalen Integrals versteckt, da wir nicht immer annehmen wollen, dass K=Q ein Quader ist. Im Sinne der Anwendung liegt es aber nahe anzunehmen, dass K beschränkt ist. Dadurch existiert ein Quader wie in obiger Diskussion Q, der K enthält. Nun setzen wir die Dichtefunktion ρ von K auf ganz Q fort, indem wir ρ|Q∖K=0 setzen. Dies macht Sinn, denn wir wollen ja Masse und Schwerpunkt des betrachteten Körpers berechnen und werden dabei davon ausgehen, dass ausserhalb des Körpers Vakuum herrscht. In diesem Sinne ist ein Integral über eine Funktion f auf K durch
definiert, wobei
Beispiel 4.47: Schwerpunkt des gleichmässig gefüllten Zeltes
Wir wollen nun diese Formeln ausprobieren und den Schwerpunkt des gleichmässig gefüllten Zeltes (mit Dichte 1kg/m3) berechnen. Auf Grund der Symmetrie des Zeltes sind die x– und y-Koordinaten des gleichmässig gefüllten Zeltes gleich x0=y0=0. Für die z-Koordinate des Zeltes verwenden wir den Quader Q=[−1,1]2×[0,2] und obige Formel, woraus sich
ergibt. Wir haben hier die Reihenfolge der Variablen anders gewählt, da in einer anderen Reihenfolge die Betrachtung der Funktion \mathds1Z erheblich komplizierter wäre. In der Tat hat in dieser Reihenfolge die Funktion \mathds1Z einfach die Auswirkung, dass das innerste Integral über die Variable z mit den ursprünglichen Integrationsgrenzen z=0 und z=2 (wie in der Definition unseres Quaders Q) stattdessen die Integrationsgrenzen z=0 und z=2−x2−y2 (was unserer Definition des Zeltes entspricht) verwendet. Um nun z0 tatsächlich zu berechnen, nützen wir nochmals die Symmetrie des Zeltes aus, um die Rechnung ein wenig zu vereinfachen. Dadurch ergibt sich
Übung 4.48
Wir betrachten nun den Körper
und die Dichtefunktion ρ(x,y,z)=xyz für (x,y,z)∈K.
- Berechnen Sie das Volumen von K.
- Berechnen Sie die Masse des Körpers.
- Berechnen Sie die Koordinaten des Schwerpunktes. (Auf Grund einer Symmetrie genügt es hierfür zwei dreidimensionale Integrale zu berechnen.)
Zahlenwerte der Lösung
Das Volumen ist 136, die Masse ist 17200 und der Schwerpunkt hat die Koordinaten x0=y0=47 und z0=2798.
Wir erwähnten bereits, dass man den Satz von Fubini für zwei-dimensionale Integrale auf zwei verschiedene Arten anwenden kann. Dies hilft manchmal um die Berechnung des Integrals zu beschleunigen, wie in der nächsten Übungsaufgabe.
Übung 4.49
Berechnen Sie den Flächeninhalt und den Schwerpunkt (bei gleichmässiger Massenverteilung mit Gesamtmasse 1) der Fläche zwischen den Kurven, die durch die Gleichungen x−y2=0 und x−y=2 beschrieben wird. Hierzu müssen Sie zuerst eine Skizze des Gebietes erstellen. Versuchen Sie anschliessend die Wahl der Integrationsreihenfolge zu optimieren, so dass Sie möglichst wenige Integrale berechnen müssen (konkret 3 anstatt 6).
Zahlenwerte der Lösung
Der Flächeninhalt ist 92 und der Schwerpunkt hat die Koordinaten x0=85 und y0=12.
4.9.4 – Polarkoordinaten
Gelegentlich ist es in gewissen Problemen nützlich, ein Integral in anderen Koordinaten als den Kartesischen Koordinaten x,y,z zu berechnen. Beispielsweise kann eine gegebene Funktion oder ein Integrationsbereich über gewisse Symmetrien verfügen, welche man sich zu Nutzen machen möchte. Wir illustrieren dies hier an den Polarkoordinaten in der Ebene und im nächsten Unterabschnitt an den Kugelkoordinaten im dreidimensionalen Raum.
Jeder Punkt (x,y)∈R2 lässt sich schreiben als
für den Radius r=√x2+y2 und einen Winkel φ∈[0,2π).[2] Die Koordinaten (r,φ) des Punktes (x,y) werden dabei die Polarkoordinaten genannt. Wir bemerken natürlich, dass die Funktionen cos:R→R und sin:R→R noch nicht formal definiert wurden; wir werden diesen Mangel später beheben. Für den Moment begnügen wir uns mit folgendem Bild:
Gegeben eine Riemann-integrierbare Funktion f:BR(0)→R möchten wir nun das Integral ∫BR(0)f als Integral bezüglich den neuen Koordinaten (r,φ) ausdrücken. Dabei können wir aber nicht einfach dvol wie in der Diskussion vom Satz von Fubini als dφdr interpretieren, denn dies würde die vorliegende geometrische Bedeutung der Polarkoordinaten komplett ignorieren. Stattdessen gilt
∫BR(0)fdvol=∫R0∫2π0f(rcosφ,rsinφ)rdφdr,
Der zusätzliche Faktor r beschreibt das Volumen kleiner Quader in den Koordinaten (r,φ), wie wir im folgenden Bild erklären möchten.
Beispiel 4.50: Kreisrundes Zelt
Wir betrachten das adaptierte Zelt
mit kreisförmiger Basis und berechnen das Volumen. Es gilt
unter Verwendung der Formel (4.16). Nun berechnet man
Beispiel 4.51: Trägheitsmoment der Kreisscheibe
Wir betrachten zu einem Radius R>0 die Kreisscheibe BR(0)⊆R2, welche wir nun um die Null rotieren lassen möchten. Sei ω∈R die dazugehörige Winkelgeschwindigkeit (mit Einheit s−1). Betrachtet man nun einen Punkt p∈BR(0) und ein sehr kleines «Polarrechteck» U um diesen Punkt wie in Figur 4.5, so rotieren Punkte in U etwa mit Geschwindigkeit ‖p‖ω. Die kinetische Energie für die Bewegung von U ist also in etwa gegeben durch 12‖p‖2ω2△m, wobei △m die Masse von U bezeichnet. Summiert man dies über alle Polarrechtecke, so erhält man eine intuitive Begründung für die folgende Formel für die kinetische Energie der Rotation (kurz Rotationsenergie)
Dabei ist ρ die Massenverteilung auf BR(0). Die Grösse J=∫BR(0)(x2+y2)ρ(x,y)dxdy (mit Einheit kgm2) verhält sich also wie die Masse für die geradlinige Bewegung und ist in diesem Sinne intrinsisch. Sie wird das Trägheitsmoment von BR(0) um Null genannt. Wir wollen dieses nun berechnen, wobei wir annehmen wollen, dass ρ konstant ist und BR(0) Masse m hat. Wir haben also ρ=mπR2, und damit ist das Trägheitsmoment durch
gegeben.
Im Vergleich dazu wäre das Trägheitsmoment für einen Kreisring mit Masse m am Kreis mit Radius R gleich mR2: Denn bei vernachlässigbarer Dicke des Kreisrings hat jeder Teil der Masse Geschwindigkeit ωR, womit die kinetische Energie der Rotation durch
gegeben ist.
Applet 4.52: Trägheitsmomente
Wir sehen verschiedene Körper, welche an einer Rampe frei runter rollen. Dabei kommt es je nach Trägheitsmoment des Körpers zu unterschiedlichen Geschwindigkeiten, da die potentiellen Energie in Rotationsenergie und kinetische Energie umgewandelt wird und Erot=12ω2J ist. Zum Vergleich wird auch noch ein nicht rotierender Würfel dargestellt, der ohne Reibung die Rampe runter rutscht. Wir werden die Trägheitsmomente der anderen dargestellten Körper unten berechnen.
Was passiert, wenn wir am Ende der Rampe alle Objekte (mit Hilfe einer Stange durch die Rotationsachsen) stoppen ohne die Rotation zu stören und dann nochmals gleichzeitig weiterrollen lassen? Es ist klar, dass der Würfel dann einfach liegen bleibt, da wir beim Stoppen seine kinetische Energie auf Null gesetzt haben und er keine Rotationsenergie hat. Was passiert mit den anderen Körpern?
4.9.5 – Kugelkoordinaten
Ähnlich zum zweidimensionalen Fall gibt es im dreidimensionalen Raum sphärische Koordinaten. Jeder Punkt (x,y,z)∈R3 lässt sich schreiben als
für den Radius r=√x2+y2+z2 und Winkel φ∈[0,2π), θ∈[0,π) wie im folgenden Bild.
Für eine Riemann-integrierbare Funktion
gilt dann
∫BR(0)fdvol=∫R0∫π0∫2π0f(rsinθcosϕ,rsinθsinφ,rcosθ)r2sinθdφdθdr.
Wie im vorherigen Abschnitt beschreibt der Faktor r2sinθ das Verhältnis des Volumens eines sehr kleinen Quaders bezüglich den neuen Kugelkoordinaten (r,θ,φ) im Vergleich zu dem Produkt der Differenzen der einzelnen (Kugel-)Koordinaten.
Beispiel 4.53: Volumen des Balles mit Radius R
Wir berechnen das Volumen des Balles BR(0)={(x,y,z)∈R3∣x2+y2+z2≤R2}. Es gilt
wobei wir die Integrationsregel ∫basin(θ)dθ=[−cos(θ)]ba verwendet haben.
Beispiel 4.54: Trägheitsmoment des Balles
Wir wollen das Trägheitsmoment des Balles mit Radius R berechnen, wobei wir annehmen wollen, dass die Masse m gleichmässig mit Dichte ρ=3m4πR3 im Ball verteilt ist. Wir gehen hier ähnlich wie in Beispiel 4.51 vor und wollen annehmen, dass der Ball BR(0) mit Mittelpunkt 0 gegeben ist und wir diesen um die z-Achse rotieren lassen wollen. Daraus ergibt sich
Beispiel 4.55: Trägheitsmoment einer Kugelschale
Wir wollen nun annehmen, dass die Masse m mit gleichmässiger Dichte ρ (in kg/m2) an der Oberfläche des Balles mit Radius R verteilt ist, und wiederum das Trägheitsmoment berechnen. Da die Oberfläche zwei-dimensional ist, liegt es nahe zu erwarten, dass wir auch ein zwei-dimensionales Integral berechnen müssen. Wir werden auch dies im zweiten Semester genauer definieren und dessen Eigenschaften vollständig erklären, doch begnügen wir uns hier mit folgenden beiden Rechnungen.
Die Oberfläche der Kugel ist gegeben durch
wobei wir uns die Kugeloberfläche als Vereinigung von kleinen «Sphärenrechtecken» (ähnlich wie in Figur 4.7) vorgestellt haben und dabei das Ihnen wahrscheinlich bekannte Ergebnis erhalten haben.
Durch diesen Erfolg bestätigt berechnen wir die Dichte ρ=m4πR2 und das Trägheitsmoment
4.9.6 – Zusammenfassung
Wir hoffen, dass Sie in dieser Diskussion folgende Punkte erkennen konnten:
- Der Satz von Fubini erlaubt uns mehrdimensionale Integrale mit Hilfe von eindimensionalen Integralen zu berechnen. Dies liefert zusätzliche Motivation weitere Methoden zur Berechnung von eindimensionalen Integralen zu finden, da wir diese Methoden auch für die Berechnung von mehrdimensionalen Riemann-Integralen benötigen werden.
- Die geometrische Anschauung ist sehr hilfreich — fast schon notwendig — um die betrachteten Integralausdrücke zu finden. Vor allem bei Polar- und Kugelkoordinaten ist es wichtig den zusätzlichen «geometrischen Faktor» in die Integrale einzubauen.
- Das Wort «etwa» ist in diesem Abschnitt unüblich oft aufgetreten, da eine genauere Begründung oder sogar ein Beweis der Aussagen für uns erst im nächsten Semester möglich ist. In der Tat hatten wir bei der Besprechung sehr viel Vertrauen in die Welt, da wir des Öfteren kleine Fehler erlaubten, aber dann über alle Teilquader summierten, ohne uns Gedanken zu machen, ob denn die kleinen Fehler auch in der Summe (über sehr viele kleine Teilquader) noch klein bleiben.
- Wir hoffen, dass Sie dies auch als Motivation sehen, unsere Theorie weiterhin schrittweise und ausführlich aufzubauen. Damit wir eben nicht wie oben «Integral-Alchemie» betreiben sondern auch die mehrdimensionale Integralrechnung und die dafür nötigen Theorien vollständig verstehen. Zum Beispiel werden wir dann auch die geometrischen Faktoren der Polar- und Kugelkoordinaten vollständig erklären und für beliebige «glatte Koordinatensysteme» berechnen können.
- Des Weiteren wäre diese Definition zirkulär gewesen, da wir ohne Definition des Integrals keine Definition des Flächeninhalts unter der Kurve haben. ↵
- Wie wir später bei der Einführung der Winkelfunktionen sehen werden, stellt die Bogenlänge am Einheitskreis die einzige natürliche Wahl für die Angabe eines Winkels dar. ↵