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Christmas-Special: Ein Crash-Kurs zu Fourier-Reihen*

In diesem kurzen Abschnitt möchten wir das sogenannte «Basler Problem» lösen und

ζ(2)=n=11n2=π26ζ(2)=n=11n2=π26

zeigen. Die Konvergenz der Reihe haben wir bereits in Beispiel 6.14 als eine der ersten Beispiele konvergenter Reihen gesehen, doch haben wir den Wert der Reihe mit den Methoden der Analysis 1 nicht berechnen können. Ähnlich wie bei der Besprechung des Werts der alternierenden harmonischen Reihe oder der Leibniz-Reihe in Abschnitt 8.1 werden wir ein allgemeineres Resultat zeigen, nämlich dass
16nZ{0}12π2n2e2πinx=16n=11π2n2cos(2πnx)=x(1x)
für alle x[0,1]. Hier werden wir jedoch sogenannte Fourier-Reihen im Beweis verwenden.

Eine weitere Motivation zur Betrachtung von Fourier-Reihen findet man in der Musiktheorie. Was macht den Unterschied der Note A auf der Klanggabel, dem Horn und der Klarinette aus? Alle drei haben die Frequenz 440 Hz. Im Gegensatz zur Klanggabel sind beim Horn und bei der Klarinette abgesehen von der Grundschwingung zu 440 Hz weitere Obertöne vorhanden. Die Amplituden dieser Schwingungen sind für die Klangfarbe verantwortlich. In diesem Sinne ist die mathematische «Definition der Klarinette» durch

f(t)=sin(ω1t)+0.75sin(3ω1t)+0.5sin(5ω1t)+0.14sin(7ω1t)+0.5sin(9ω1t)+0.12sin(11ω1t)+0.17sin(13ω1t)

gegeben (siehe auch diesen Link). Detailliertere Erklärungen finden sich unter diesem Link. Dieses Experiment des Physik-Departments zeigt verschiedene Arten von Schwingungen, die auf einer Saite erzeugt werden können; weitere solche findet man hier.

Wir kehren nun zur mathematischen Diskussion zurück.

Definition A.1

Eine Funktion f:RC ist Zperiodisch (periodisch mit Periode 1), falls

f(x+n)=f(x)

für alle xR und nZ.

Die wichtigsten Beispiele von Z-periodischen Funktionen sind die Funktionen

xRe2πinxC

für nZ. Die Z-periodischen Funktionen sind, wie wir gleich sehen werden, genau die Funktionen auf dem eindimensionalen Torus.

Definition A.2

Der eindimensionale Torus ist durch

T=\raise 0.4ex\hbox {R}\big /\lower 0.4ex\hbox {Z}={x+ZxR}

definiert.

Formal ist der eindimensionale Torus also der Quotient von R bezüglich der Äquivalenz­relation  gegeben durch xyxyZ für alle x,yR (wieso?). Als Menge kann man T durch die Bijektion

x+ZT{x}[0,1)

mit dem Intervall [0,1) identifizieren.

Wie schon erwähnt wurde, gibt es eine eineindeutige Korrespondenz (das heisst, eine Bijektion)

{Funktionen F:TC}{Z-periodische Funktionen f:RC}.

Zum einen definiert eine Funktion F:TC die Z-periodische Funktion f:xRF(x+Z)C. Umgekehrt induziert eine Z-periodische Funktion f:RC eine wohldefinierte Funktion F:TC, indem man F(x+Z)=f(x) für x+ZT setzt. Hierbei war Z-Periodizität fundamental (wieso?). Interessierte können diese Diskussion mit der allgemeineren Diskussion nach Beispiel 1.65 vergleichen. Wir werden im Folgenden Z-periodische Funktionen auf R und Funktionen auf T oft miteinander identifizieren.

Rxx+ZT fFC

Im Sinne der obigen Korrespondenz nennen wir eine Funktion F:TC stetig, falls f:xRF(x+Z)C stetig ist. Unter dieser Auffassung ist die Abbildung x+ZT{x}[0,1) nicht stetig (wieso?). Somit ist T geometrisches ein anderes Objekt als [0,1). In der Tat ist die Bijektion

x+ZTe2πixS1

zwischen T und dem Einheitskreis S1C in beiden Richtungen stetig und in diesem Sinne ist T ein Kreis.

Wir möchten kurz eine weitere Methode erwähnen, mit der man stetige Funktionen auf dem Torus erhalten kann. Ist f:[0,1]C stetig mit f(0)=f(1), dann definiert

˜f:xRf(xx)

eine stetige Funktion auf R (wieso?) und es gilt ˜f(x)=f(x) für alle x[0,1]. Die Funktion ˜f nennt sich auch die Zperiodische Fortsetzung von f auf R und ist eindeutig bestimmt (wieso?).

Hoffnung

Z-periodische Funktionen lassen sich als Linearkombinationen (Superposition) der Funktionen e2πinx für nZ oder alternativ 1, cos(nx), sin(nx) für nN (der Grundschwingungen des Kreises) schreiben.
f(x)=nZane2πinx
Die Zahl an nennt sich der Fourier-Koeffizient oder die Amplitude zur Frequenz n. In Anwendungen sieht man häufiger die reellwertigen Funktionen 1, cos(nx), sin(nx) für nN. Mathematisch gesehen ist es jedoch einfacher, die komplexwertigen Funktionen e2πinx für nZ zu verwenden.

Applet A.3: Einige Fourier-Reihen

Wir sehen anhand einiger Beispiele wie endliche Fourier-Reihen die vorgegebenen Funktionen approximieren.

Für welche Funktionen kann (A.2) stimmen? Das hängt davon ab, in welchem Sinn die Konvergenz und die Gleichheit verstanden wird. Wir wollen gleichmässige Konvergenz und Gleichheit für alle xR verwenden. Da die Partialsummen Nn=Nane2πinx stetig sind, muss auch der gleichmässige Limes f stetig sein (wieso?). Somit können wir eine derartige Dartstellung einer Z-periodischen Funktion nur für stetige Funktionen f erhoffen.

Stetigkeit von f ist aber nicht hinreichend, um gleichmässige Konvergenz in (A.2) zu erzielen. Stetige Differenzierbarkeit der Funktion f ist hierfür hinreichend — dies werden wir hier nicht zeigen. Wir wollen stattdessen zweimalige stetige Differenzierbarkeit annehmen.

Theorem A.4

Angenommen f:RC ist eine Z-periodische und zweimal stetig differenzierbare Funktion oder angenommen f ist die Z-periodische Fortsetzung von x(1x) für x[0,1]. Dann gilt

f(x)=nZane2πinx,

wobei die Reihe auf ganz R gleichmässig konvergiert und die Koeffizienten an durch

an=10f(x)e2πinxdx

für nZ gegeben sind.

Definition A.5

Für nZ und f wie in Theorem A.4 ist

an=10f(x)e2πinxdx

der n-te Fourier-Koeffizient von f und nZane2πinx ist die Fourier-Reihe von f.

Im Vergleich zu Taylor-Reihen in Abschnitt 8.5 ist Theorem A.4 ebenfalls sehr befriedigend — man nimmt zweimalige stetige Differenzierbarkeit an und schon hat man eine gleichmässig konvergente Darstellung der Funktion durch eine Fourier-Reihe. Für solche Funktionen sind die Taylor-Reihen im Allgemeinen nicht einmal definiert.

Wir beginnen den Beweis des Theorems damit, Fourierreihen selbst zu analysieren und diskutieren erst später die Frage der Darstellbarkeit aus Theorem A.4.

Proposition A.6: Eindeutigkeit der Fourier-Koeffizienten

Sei f(x)=nZane2πinx eine gleichmässig konvergente Fourier-Reihe. Dann ist f eine Z-periodische, stetige Funktion und

an=10f(x)e2πinxdx.

für alle nZ.

Beweis

Nach Annahme strebt Nn=Nane2πinx gleichmässig gegen f(x). Nach Satz 6.48 ist f stetig. Des Weiteren gilt für xR und mN

f(x+m)=limNNn=Nane2πin(x+m)=limNNn=Nane2πinx=f(x),

da die Summe Nn=Nane2πinx Z-periodisch ist. Somit ist f eine Z-periodische Funktion.

Sei kZ. Dann gilt nach Satz 6.49

10f(x)e2πikxdx=10limN(Nn=Nane2πinx)e2πikxdx=limNNn=Nan10e2πi(nk)xdx.

Nun berechnet man für nk

10e2πi(nk)xdx=10cos(2π(nk)x)dx+i10sin(2π(nk)x)dx=0.

Somit ist für NN mit |k|N

Nn=Nan10e2πi(nk)xdx=ak

und daher folgt

ak=10f(x)e2πikxdx,

was zu beweisen war. ∎

Proposition A.7

Falls f:RC eine Z-periodische, zweimal differenzierbare Funktion ist, dann ist

an=10f(x)e2πinxdx=O(1n2)

für n und n. Insbesondere ist nZane2πinx eine gleichmässig konvergente Reihe.

Beweis

Für n0 gilt nach partieller Integration

an=10f(x)e2πinxdx=[f(x)e2πinx2πin]10=0  12πin10f(x)e2πinxdx=[f(x)e2πinx(2πin)2]10=0 + 1(2πin)210f(x)e2πinxdx=14π2n210f(x)e2πinxdx,

wobei wir Z-Periodizität von f und f verwendet haben. Nun gilt aber

|10f(x)e2πinxdx|10|f(x)|dxmaxx[0,1]|f(x)|,

womit |an|C1n2 für eine positive Konstante C und also an=O(1n2).

Insbesondere ist für NN

|nZane2πinxNn=Nane2πinx|=||n|>Nane2πinx|C|n|N1n2

für eine positive Konstante C und die Reihe nZane2πinx konvergiert gleichmässig. ∎

Sei nun f:RC die periodische Fortsetzung des Polynoms x(1x) auf [0,1]. Konkret ist diese gegeben durch f(x)={x}(1{x}) für alle xR (wieso?).

image

Aus obigem Bild ist ersichtlich, dass f nicht zweimal differenzierbar ist, wobei Probleme nur an den Randpunkten erscheinen. Insbesondere kommt Proposition A.7 nicht zur Anwendung. Wir berechnen deswegen die Fourier-Koeffizienten von f. Für n=0 ist

a0=10f(x)dx=10x(1x)dx=(x22x33)]10=1213=16.

Für n0 gilt

an=10f(x)e2πinxdx=10(xx2)e2πinxdx=[12πin(xx2)e2πinx]10=0  12πin10(12x)e2πinxdx=[1(2πin)2(12x)e2πinx]10+1(2πin)210(2)e2πinxdx=0=14π2n2(11)=12π2n2.

Insbesondere gilt an=O(1n2) für n und n und die Fourier-Reihe von f konvergiert ebenso gleichmässig wie die Fourier-Reihe einer Z-periodischen, zweimal stetig differenzierbaren Funktion. Nach Proposition A.6 ist 16nZ{0}e2πinx2π2n2 der einzig mögliche Kandidat für eine Fourierreihe von f.

Um Gleichheit zu zeigen, müssen wir zuerst die Faltung definieren.

A..1 – Faltung auf dem Torus

Für eine stetige oder «Riemann-integrierbare» Funktion f:TC definieren wir

Tf(x)dx=10f(x)dx,

wobei wir f im zweiten Integral als Z-periodische Funktion auf R auffassen.

Lemma A.8: Rotations- und Spiegelungsinvarianz des Integrals auf dem Torus

Sei f wie oben. Dann gilt für alle yR

Tf(x+y)dx=Tf(x)dx.

Des Weiteren ist

Tf(x)dx=Tf(x)dx.

Dabei ist x+y für x=˜x+ZT und yR durch (˜x+y)+Z gegeben. Analog ist x für x=˜x+ZT durch (˜x)+Z definiert.

Anschaulich lässt sich obiges Lemma wie folgt erklären. Unter der Auffassung von T als Einheitskreis S1 wird die Addition mit yR zu einer Rotation des Kreises mit Winkel 2πy und die Abbildung xTxT zu einer Spiegelung (wieso?). Nun integriert man f über den Kreis und über die rotierte (respektive gespiegelte) Version des Kreises und erhält beide Male dasselbe.

Beweis

Es gilt

Tf(x+y)dx=10f(x+y)dx=y+1yf(t)dt=nyf(t)dt+y+1nf(t)dt,

wobei wir t=x+y substituiert haben und nZ mit [latex]y \leq n

Tf(x+y)dx=1y(n1)f(t)dt+y+1n0f(t)dt=1y+1nf(t)dt+y+1n0f(t)dt=10f(t)dt=Tf(x)dx

wie gewünscht. Für die zweite Eigenschaft berechnet man

Tf(x)dx=10f(x)dx=10f(1t)dt=10f(t)dt=Tf(t)dt

durch die Substitution x=1t und Z-Periodizität von f. ∎

Definition A.9

Seien f,g:RC zwei Z-periodische und stetige Funktionen. Dann definieren wir die Faltung fg:RC von f und g durch

fg(x)=Tf(t)g(xt)dt.

für xR.

Man beachte dabei, dass fg wieder Z-periodisch ist und somit die Faltung zweier stetigen Funktionen auf dem Torus definiert wurde. Des Weiteren ist fg=gf für alle f,g wie oben, das heisst, die Faltung ist kommutativ. In der Tat ist nach Anwendung von Lemma A.8 und der Substitution s=xt

fg(x)=Tf(t)g(xt)dt=Tf(xs)g(s)ds=gf(x).

Übung A.10

Zeigen Sie, dass der Ausdruck fg bilinear (das heisst, linear in f und linear in g) ist für f,g wie oben.

Der Zusammenhang der Faltung zu Fourier-Reihen wird im nächsten Beispiel klarer.

Beispiel A.11

Wir betrachten g=en:xRe2πinx für nZ und f beliebig. Dann ist

(fen)(x)=Tf(t)e2πin(xt)dt=e2πinx(Tf(t)e2πintdt)=e2πinxan

der n-te Term der Fourier-Reihe von f, wobei an der n-te Fourier-Koeffizient von f ist.

Sei f:TC stetig (oder Riemann-integrierbar). Nach obigem Beispiel und Bilinearität der Faltung gilt für NN

(f(Nn=Nen))(x)=Nn=Nane2πinx

für alle xR.

Definition A.12

Zu NN0 ist die Abbildung DN:TC definiert durch

DN(x)=Nn=Ne2πinx=Nn=Nen(x)

für alle xT der N-te Dirichlet-Kern.

Nach obigem gilt, dass das Faltungsprodukt fDN genau die N-te Partialsumme der Fourier-Reihe von f.

Lemma A.13: Eine Charakterisierung des Dirichlet-Kerns

Für NN0 und alle xR ist

DN(x)={e2πi(N+1)xe2πiNxe2πix1falls xZ2N+1falls xZ.
Beweis

Für xZ ist en(x)=1 für alle n und somit DN(x)=2N+1. Wir berechnen für xZ

DN(x)=Nn=Ne2πinx=e2πiNx2Nm=0(e2πix)m=e2πiNxe2πi(2N+1)x1e2πix1,

woraus sich die Aussage im Lemma ergibt. ∎

Wir wollen eigentlich zeigen, dass fDN(x) gegen f(x) strebt für N und für xT. Wir schlagen aber einen weiteren Umweg ein.

Definition A.14

Sei NN. Der N-te Fejér-Kern FN:TC ist gegen durch

FN(x)=1N+1Nn=0Dn(x)

für alle xT.

Der N-te Fejér-Kern ist also das Mittel der ersten N+1 Dirichlet-Kerne. Wir werden zeigen, dass FN «gute» Eigenschaften hat. (Diese Eigenschaften sind der Grund warum wir mit FN anstatt mit DN arbeiten wollen.)

Proposition A.15: Eine Charakterisierung des Fejér-Kerns

Für alle NN und xR gilt

FN(x)={1N+1sin2((N+1)πx)sin2(πx)falls xZN+1falls xZ
Beweis

Für xZ ist nach Lemma A.13

FN(x)=1N+1Nn=0(2n+1)=1N+1((N+1)+2Nn=0n)=1N+1((N+1)+N(N+1))=N+1.

wie behauptet. Sei also xZ. Dann gilt nach Lemma A.13

FN(x)=1N+1Nn=0e2πi(n+1)xe2πinxe2πix1=1(N+1)(e2πix1)(e2πixNn=0e2πinxNn=0e2πinx)=1(N+1)(e2πix1)(e2πixe2πi(N+1)x1e2πix1e2πi(N+1)x1e2πix1)=1(N+1)(e2πix1)(e2πixe2πi(N+1)x1e2πix1e2πixe2πi(N+1)x11e2πix)=e2πix(N+1)(e2πix1)2(e2πi(N+1)x2+e2πi(N+1)x)=1N+1(eπi(N+1)xeπi(N+1)x)2(eπixeπix)2=1N+1sin2((N+1)πx)sin2(πx),

was zu zeigen war. ∎

Übung A.16

Argumentieren Sie, wieso die Dirichlet-Kerne und die Fejér-Kerne stetig sind. Zeigen Sie damit in Lemma A.13 und Proposition A.15 jeweils den Fall xZ unter Verwendung der Regel von de l’Hôpital (siehe Satz 7.49).

Mit Proposition A.15 lässt sich insbesondere das asymptotische Verhalten der Fejér-Kerne besser charakterisieren.

Korollar A.17

Die Fejér-Kerne erfüllen folgende Eigenschaften.

  • Zu NN ist FN(x)0 für alle xR.
  • Es gilt FN(x)0 für N und für alle xRZ.
  • Es gilt FN(x) für N und für alle xZ.
  • Für alle δ(0,12) konvergiert die Funktionenfolge FN gleichmässig gegen Null auf [δ,1δ] für N.
  • Für alle NN gilt
    10FN(x)dx=1.
  • Für alle δ(0,12) gilt
    1δδFN(x)dx0

    für N.

Beweis

Die ersten drei Eigenschaften folgen unmittelbar aus Proposition A.15. Sei nun ein δ(0,12) gegeben. Dann ist α=minx[δ,1δ]sin2(πx)>0 und somit für alle x[δ,1δ]

|FN(x)|=1N+1sin2((N+1)πx)sin2(πx)1N+1α10,

woraus die vierte Eigenschaft folgt. Diese impliziert auch die sechste Eigenschaft nach Satz 6.49 über die Vertauschbarkeit eines gleichmässigen Grenzwerts und des Riemann-Integrals. Nach Definition der Dirichlet-Kerne gilt

TDn(x)dx=nk=0Te2πikxdx=1.

für alle nN0. Damit folgt auch

TFN(x)=1N+1Nn=0TDn(x)dx=1

für NN, was die fünfte Eigenschaft beweist. ∎

Wir fassen die Erkenntnisse über die Fejér-Kerne aus Proposition A.15 und Korollar A.15 in folgendem Bild zusammen.

image

Der wichtigste Schritt für den Beweis von Theorem A.4 ist der folgende.

Proposition A.18

Sei f:RC eine Z-periodische, stetige Funktion. Dann konvergiert die Funktionenfolge fFN auf R gleichmässig gegen f für N.

Beweis

Für NN und xT gilt

fFN(x)f(x)=FNf(x)f(x)=FNf(x)f(x)TFN(t)dt=TFN(t)f(xt)dtTFN(t)f(x)dt=TFN(t)(f(xt)f(x))dt

unter Verwendung der Kommutativität der Faltung, der Gleichheit TFN(t)dt=1 und der Definition der Faltung. Per Definition des Integrals über dem Torus und wegen der Z-Periodizität von FN und f können wir schreiben

fFN(x)f(x)=TFN(t)(f(xt)f(x))dt=1212FN(t)(f(xt)f(x))dt,

was bezweckt, dass sich FN nur um einen Punkt konzentriert (im Sinne von Bild ). Sei nun ε>0. Dann gibt es wegen der gleichmässigen Stetigkeit von f (Satz 3.78) ein δ>0 (unabhängig von x), so dass für alle x,y[3,3] mit [latex]|x-y|

fFN(x)f(x)=δ12FN(t)(f(xt)f(x))dt+δδFN(t)(f(xt)f(x))dt+12δFN(t)(f(xt)f(x))dt

Nach der Dreiecksungleichung in R und derjenigen für Riemann-Integrale ist

\begin{aligned}[]|f\ast F_N (x) -f(x)| &\leq \int _{-\frac 12}^{-\delta } F_N(t) \big |f(x-t)-f(x) \big |\thinspace {\rm {d}} t \\  &\quad \quad \quad \quad + \int _{-\delta }^{\delta } F_N(t) \big |f(x-t)-f(x) \big |\thinspace {\rm {d}} t\\  &\quad \quad \quad \quad + \int _{\delta }^{\frac 12} F_N(t) \big |f(x-t)-f(x) \big |\thinspace {\rm {d}} t\\  &

Nach Korollar A.17 kann man nun N gross genug wählen, so dass der erste Ausdruck oben (inklusive Vorfaktor) kleiner als ε ist. Da δδFN(t)dt1 ist, folgt damit, dass

\begin{aligned}[]|f\ast F_N (x) -f(x)|

für alle xT und für alle hinreichend grossen N. ∎

Applet A.19: Faltung von periodischen Funktionen

Das Faltungsprodukt mit dem Fejér-Kern mittelt die ursprüngliche Funktion in der Nähe eines variablen Punktes. Wir stellen den Fejér-Kern etwas gestaucht dar, da dieser auf Grund der Konzentration der fast kompletten Gesamtmasse in immer kleineren Teilintervallen ansonsten weit über das Fenster ragen würde.

Beweis von Theorem A.4

Sei f zweimal stetig differenzierbar oder die periodische Fortsetzung des Polynoms x(1x) auf [0,1]. Dann haben wir schon gesehen, dass die Fourier-Reihe von f gleichmässig konvergiert — weil an=O(1n2) für n und für n. Wir müssen noch zeigen, dass der Wert der Fourierreihe von f gleich dem Wert von f ist bei jedem Punkt. Sei also

g(x)=nZane2πinx

der Wert der Fourierreihe von f bei einem Punkt x. Dann gilt also

fDn(x)g(x)

für n aber

fFN(x)f(x)

für N nach Proposition A.18. Nach Definition ist aber

fFN(x)=1N+1Nn=0fDn(x)

das Cauchy-Mittel der Folge fDn(x), welche gegen g(x) konvergiert. Deswegen konvergiert fFN(x) gegen g(x) und wir schliessen g(x)=f(x) für alle xT aus der Eindeutigkeit des Grenzwerts. ∎

Übung A.20

Berechnen Sie den Wert der Reihe n=1(1)nn2 und n=11(2n+1)2.

Hinweis.

Treffen Sie in Gleichung (A.1) eine passende Wahl eines Punktes x[0,1).

Übung A.21: Dreiecksfunktion

Wir betrachten die periodische Fortsetzung f:RR der Funktion

[0,1]R, x{xfalls x121xfalls x>12.

Berechnen Sie die Fourierkoeffizienten (an)nZ von f und zeigen Sie, dass an=O(1n2) für n und n. Verwenden Sie dies dann, um zu zeigen, dass die Fourierreihe von f gleichmässig gegen f konvergiert.

A..2 – Bezug zu weiteren Themen

Die Ideen der Fourier-Theorie auf dem Torus haben viele und weitreichende Verallgemeinerungen auf beispielsweise mehrdimensionalen Tori Td=Rd/\hspace {-0.3ex}\vspace {-0.5ex}Zd und führen weiter auch noch zur Theorie der Fourier-Transformation auf Rd.

Des Weiteren wird der Skalar

f(x),e2πinx=10f(x)e2πinxdx

das innere Produkt der Funktionen f(x) und e2πinx genannt. Dieses ist für zwei stetige Funktionen f,g auf [0,1] durch

f,g=10f(x)¯g(x)dx

definiert. Innere Produkte werden sowohl in der Linearen Algebra 2, in der Analysis 2, aber auch in weiterführenden Vorlesungen bei Betrachtung von Fourier-Reihen, Hilberträumen, Riemannschen Metriken und anderen Themen eine zentrale Rolle spielen (siehe zum Beispiel die Vorlesungen «Methoden der mathematischen Physik» im 2. Jahr, «Funktionalanalysis» und «Differentialgeometrie» ab dem 3. Jahr).

Das innere Produkt erlaubt uns folgende einfache geometrische Interpretation der Fourier-Reihen. Die Funktionen en(x)=e2πinx haben «Länge» 1 für jedes nZ und der Ausdruck anen mit an=f,en, der in der Fourier-Reihe für jedes nZ auftritt, ist die «orthogonale Projektion» von f auf den eindimensionalen Teilraum Cen.

Wir möchten des Weiteren erwähnen, dass die von uns gewünschte gleichmässige Konvergenz der Fourier-Reihe nicht der beste Konvergenzbegriff für Fourier-Reihen ist. Wenn man stattdessen den Begriff der Konvergenz im quadratischen Mittel verwendet, dann besitzt jede Riemann-integrierbare Funktion auf dem Torus (und noch viele weitere) eine Fourier-Reihe. Um dies in einem Special erklären zu können, müssten aber Weihnachten und Ostern zusammenfallen.

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Analysis-Skript CHAB MATH PHYS: 18/19 Copyright © by Manfred Einsiedler and Andreas Wieser. All Rights Reserved.

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