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4 Vergleich der Hauptstile

Vorgängig habe ich die zwei Hauptstile der Capoeira vorgestellt. Nun möchte ich sie vergleichen und deren verschiedene Elemente zusammengefasst aufzeigen.

Die Spielweisen differenzieren sich hauptsächlich dadurch, dass bei der Capoeira Regional der Kontakt zum Boden verloren geht, schnell gespielt wird und das Spiel mehr Kampfelemente beinhaltet. Bei der Capoeira Angola wird der Kontakt zum Boden gehalten und langsam gespielt. Dadurch erhält der geistliche Aspekt mehr Gewicht, ein Spiel kann sogar einem Theater ähneln.

Die Rituale in den Rodas sind ebenfalls anders. Bei der modernen Capoeira darf ein Capoeirista das Spiel unterbrechen, bei der ursprünglichen Capoeira jedoch nicht. Ein Angoleiro wartet bis der Mestre das vorherige Spiel beendet.

Die üblichen Instrumente sind bei der Capoeira Regional das Berimbau und zwei Pandeiros, wohingegen bei der Capoeira Angola weitere hinzugefügt werden. Beim ersteren Hauptstil werden schnelle Rhythmen gespielt, bei letzterem langsame, was wiederum der Grund für die gegensätzlichen Geschwindigkeiten der Spiele sind.

Die Kleidung unterscheidet sich meistens in der Farbe. Zur Uniform gehört bei der Capoeira Regional eine Kordel dazu, bei der Capoeira Angola wird an ihrer Stelle meistens ein Gurt getragen. Zudem spielen die Angoleiros mit Schuhen und die Capoeiristas der Capoeira Regional barfuss.

Dies sind viele und auch starke Unterschiede betreffend Spielweise, Rituale und Musik. Aus diesem Grund frage ich mich, ob es einem Capoeira-Regional-Spieler überhaupt möglich wäre, mit einem Capoeira-Angola-Spieler zu spielen und die Capoeira Regional mit der Capoeira Angola zu einen. Unterscheiden sich die Bewegungen, die Musik und die Rituale zu sehr, als dass ein gemeinsames Spiel gelingen würde? Inwiefern ist eine Anpassung der beiden Spieler nötig, damit es gelingen könnte?

Um diese Fragen zu beantworten habe ich mit Sekundärliteratur recherchiert, doch es war mir nicht möglich, eine Antwort darauf zu finden. Aus diesem Grunde bin ich zum Schluss gekommen, dass es mir nur durch Feldforschung und die eigene körperliche Erfahrung möglich sein wird, herauszufinden, ob ein Spiel zwischen Capoeiristas verschiedener Hauptstile ausführbar ist.

4.1 – Besuch der Gruppe „Ashé Odara“ in Zürich

4.1.1 – Vorhaben und Erwartungen

Da ich selber einer Capoeira-Regional-Gruppe angehöre, habe ich mich entschieden, eine Capoeira-Angola-Gruppe zu besuchen. Ich konnte ein Treffen mit der Gruppe „Ashé Odara“ organisieren. Diese Gruppe mit sieben Teilnehmern trainiert in Zürich zweimal die Woche unter der Leitung von Contra Mestre Marcos Urubú, der schon seit 1996 Capoeira Angola in Zürich unterrichtet.

Bevor ich die Gruppe besucht habe, zweifelte ich sehr daran, dass es uns gelingen würde, die Capoeira zu einen. Ich befürchtete, dass es schwierig werden würde, einen Rhythmus zu finden, welcher für beide passend ist. Entweder ich oder die Angoleiros hätten Mühe mit der Geschwindigkeit des Spieles. Für mich wäre es zu langsam und für meinen Mitspieler zu schnell. Wie würden wir so spielen können, ohne dass das Spiel an Fluss und Schönheit verlöre?

Obwohl unsere Absicht ein friedliches Spiel war, könnte es gefährlich werden. Ich könnte total überrascht werden von der Malícia des Angoleiros. Gleichzeitig aber auch umgekehrt, mein Mitspieler würde wahrscheinlich unter der Gewohnheit leiden, langsam zu spielen. Würde er meinen Schlägen rechtzeitig ausweichen können? Könnte ich rechtzeitig stoppen? Wären wir beide überfordert? Schaffen wir es, einen Zwischenweg zu finden?

Die Schwierigkeiten, die unsere Rituale verursachen könnten, vermutete ich hingegen überwinden zu können. Ich hatte diesbezüglich bereits recherchiert und wusste Bescheid, was die Unterschiede sein würden. Ich konnte mich darauf vorbereiten.

4.1.2 – Treffen und Erkenntnisse

Bei unserem Zusammentreffen machte ich zuerst das Training mit, um einen Vorgeschmack zu bekommen, welche Probleme mich in der Roda erwarten würden. Erstaunlicherweise konnte ich dem Unterricht gut folgen. Mir fiel schnell auf, dass wir gleiche Bewegungen kannten, sie jedoch anders nannten und teilweise ein wenig unterschiedlich ausführten. Die meisten Bewegungen waren bei der Capoeira Angola verspielter, so schien die Deckung des Kopfes mit dem Arm weniger wichtig. Einige Ausweichbewegungen lernte auch ich neu dazu, doch sie ähnelten solchen, welche ich schon kannte.

Die Zwischenbilanz nach dem Training war überraschend positiv, entgegen meinen Erwartungen. Weil wir einige Bewegungen verschieden nannten, hatte ich nur das Problem, dass ich warten musste, bis die anderen die Bewegungen machten, sodass ich sie abschauen konnte. Eine Bewegung kannte ich zum Beispiel unter dem Namen Meia-Lua de Compasso und dort wurde sie Rabo de Arraia genannt.

Später starteten wir eine Roda. Da wir wenige Leute waren, beschlossen wir, nur ein Berimbau zu spielen, die restlichen Instrumente liessen wir weg. Wie immer bei einer Roda wurde mitgeklatscht und mitgesungen. Dabei hatte ich anfangs Schwierigkeiten, da wir teils etwas andere Lieder singen und in einem anderen Rhythmus klatschen. Da ich nur eine Person und zu Besuch war, entschied ich mich, mich so gut wie möglich an ihre Musik anzupassen, was nicht einfach, aber dennoch machbar war.

 

Figure 4.1 – Spiel mit einem Angoleiro und mir

 

Beim Spiel in der Roda hatten ich und meine Mitspieler fast keine Mühe. Wir spielten zwar nicht immer in der Geschwindigkeit, welche uns das Berimbau vorgab, aber dafür fliessend. Jeder spielte mit seinem eigenen Stil und liess manchmal Elemente, die wir sonst öfters gebraucht hätten, weg. Folglich spielten wir beide auf eine andere Weise als sonst, aber dennoch wäre es nicht aufgefallen, wenn ich wiederum in dieser veränderten Weise in einer Roda der Capoeira Regional gespielt hätte. Es ist uns gelungen, die zwei Hauptstile zu einen. Ich war überrascht, dass es so gut geklappt hatte, jedoch ein bisschen enttäuscht, denn ich hatte erwartet, dass wir ein spezielles, neues und sehr herausforderndes Spiel spielen würden. Es hatte sich gezeigt, dass die Unterschiede der beiden Stile in der Theorie grösser sind als in der Praxis.

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