Was mich bei meiner Feldforschung am meisten beeindruckt hat, ist der Fakt, dass ich von den Gruppen immer auf Anhieb aufgenommen wurde wie ein „altes“ Mitglied oder anders ausgedrückt, wie ein Familienmitglied. Ausser in Griechenland haben alle Gruppen von „Familie“ gesprochen. Auch die internationale Vernetzung der Gruppen ist erstaunlich und dass man durch die Mestres oft den Bezug zu Brasilien nachvollziehen kann. Ausser in Mozambique waren in allen Gruppen brasilianische Mitglieder. Gruppen untereinander besuchen sich regelmässig, sei es am Wochenende oder an mehrtägigen Workshops. Einige Mitglieder offerieren jeweils Betten in ihrem Zuhause für die Gäste. Das Lebensgefühl und die Gemeinschaft unter den Capoeiristas wird nicht nur in den Liedern besungen, sondern auch gelebt – wie ehedem in der Sklavenzeit gibt es immer noch diesen Zusammenhalt, hin zum Verschwörerischen, innerhalb der Capoeira. Die Capoeira bleibt geprägt von ihrer Entstehungsgeschichte. Sie ist Ausdrucksweise für die Freiheit, einer gelebten Freiheit.
In der Capoeira gibt es keine Vorschriften. Verhaltensweisen, die sich verbreitet und durchgesetzt haben, bin ich dennoch bei allen besuchten Gruppen begegnet, sei es bei den Capoeira-Angola- oder Capoeira-Regional-Gruppen. Die Gemeinsamkeiten überwiegen die Differenzen. Aufgrund all dieser Erfahrungen und Begegnungen ziehe ich persönlich das Fazit, dass Preguiça mit seiner Aussage, es gäbe nur „EINE“ Capoeira, zu einem gewissen Teil Recht hat. Ich habe gemerkt, dass die Capoeira in allen besuchten Gruppen zu ähnlich ist, als dass ich von verschiedenen Capoeira-Stilen sprechen möchte. Und trotzdem habe ich unterschiedliche Formen angetroffen. Jeder Capoeirista spielt sein individuelles Spiel, weil jeder Capoeirista seine persönliche und charakteristische Spielweise entwickelt. Diese würde ich aber viel eher als Unterkategorie bezeichnen. Folglich gibt es für mich nur noch „DIE“ Capoeira mit unendlich vielen Unterkategorien. Betrachte ich die Rodas der Capoeira, sind sie in gewisser Weise eine verkleinerte Welt. Menschen bilden eine Gemeinschaft, Menschen begegnen und unterhalten sich, sie singen, sie spielen miteinander, sie scherzen, sie interagieren, manchmal mögen sie einander, manchmal auch nicht – genau wie in der realen Welt.