Der Rückgang des Waldes bedroht nicht nur die Kohlenstoffspeicher
Regenwälder nehmen viel Kohlenstoff aus der Atmosphäre auf. Damit haben sie in den letzten Jahren den Klimawandel abgemildert. Doch der Regenwald hat mehr zu bieten: Die biologische Diversität. Im Regenwald verstecken sich unbekannte Heil- und Nahrungspflanzen, doch sie sind durch den Rückgang des Waldes in Gefahr.
Grün, so weit das Auge reicht. Ein Fluss, der sich durch dichten Wald schlängelt, feuchte Luft und der Geruch nach Vegetation und Erde. Vögel pfeifen und kreischen, Spinnen lauern an
jeder Ecke. So könnte man sich den Amazonas-Regenwald vorstellen. Aber es gibt noch die andere, weniger erfreuliche Seite. Die Seite der menschlichen Aktivitäten, Abholzung, Waldbrände und Degradation. Einerseits bietet der Amazonas-Regenwald eine Vielfalt an Lebensräumen, andererseits führen die natürlichen Ressourcen zu Konflikten. Das Resultat ist eine abnehmende Waldfläche.
Doch was geht verloren, wenn diese Entwicklung weiter fortschreitet? In den Medien wird der Amazonas als «Lunge der Erde» bezeichnet. Der Gedanke dahinter ist, dass der Regenwald Sauerstoff produziert. Dabei nimmt er auch CO2 auf und speichert es im Boden. Wälder, speziell der Amazonas-Regenwald, werden gar als natürliches Heilmittel gegen den Klimawandel angepriesen.
Die Speicherkapazität für Kohlenstoff ist nicht unendlich. Konkrete Werte zu definieren ist schwierig, es wird geschätzt, dass etwa 300 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr durch den Amazonas aufgenommen werden. Diese Zahl mag gross klingen, doch damit werden knapp die Emissionen Deutschlands kompensiert. Im Vergleich dazu, hat die Schweiz im Jahr 2019 Emissionen in der Höhe von etwa 33 Millionen Tonnen verursacht. Weltweit lagen die Emissionen etwa bei 36.5 Milliarden Tonnen. Bedenklich ist auch der Rückgang dieser Speicherkapazität. Noch in den 90ern nahm der Amazonas etwa 42% mehr Kohlenstoff auf, als in den 2000er Jahren.
Potential der Heilkräuter
Der Verlust der Waldfläche beeinflusst weitaus mehr als nur die Kohlenstoffspeicher. Auch die biologische Diversität, die Vielfalt der Pflanzen und Tiere stehen unter dem Einfluss menschlicher Aktivitäten.
Im tropischen Regenwald existiert eine grosse biologische Diversität mit sehr vielen Pflanzen, welche einen wirtschaftlichen Wert haben. Einige dieser Pflanzen werden medizinisch genutzt. Einheimische nutzen die Pflanzen als Erste-Hilfe-Mittel, da die nächsten Hilfszentren zu weit weg sind. Je ländlicher und weiter die Leute von der Zivilisation entfernt wohnen, desto weniger verwenden sie westliche Medizin. Um so mehr sind sie auf Heilpflanzen angewiesen.
Auch für uns bietet sich die Chance, unter diesen Heilpflanzen neue Medikamente zu entdecken. Werden nun schon Pflanzen für eine gewisse Anwendung genutzt, kann dies die Entdeckungsphase beschleunigen, da dort nur der Wirkstoff isoliert werden muss. Deshalb ist die Pflanzenforschung eines der wichtigsten Gebiete in dieser Region. Ein Hinweis darauf sind Universitäten. Sie haben begonnen Keim-Plasma Banken anzulegen, um die Erbinformationen der Pflanzen konservieren zu können.
Wird der Regenwald nun zerstört, können Pflanzen verschwinden, welche für medizinische Zwecke nützlich wären. So schränken wir unsere Möglichkeiten für die Entdeckung neuer Medikamente ein und die Einheimischen verlieren ihre Apotheke.
Folgen des Waldverlustes auf die Nahrungssicherheit
Zwölf Kulturpflanzen machen momentan den grössten Teil unserer pflanzlichen Ernährung aus. Ist eine davon durch eine Krankheit bedroht, so kann dies enorme Auswirkungen auf die Bevölkerung haben. Das zeigte eine grosse Hungersnot in Irland von 1845 bis 1849. Dort löste Kartoffelfäule eine Missernte aus. Unsere Kulturpflanzen haben eine niedrige genetische Diversität (sind teilweise sozusagen Klone). Gibt es eine neue Krankheit, so bedroht sie fast alle Pflanzen einer Art. Dies zeigte sich auch bein den Bananen in den 50ern. Auch hier vernichtete ein Pilz die komplette Sorte, weshalb wir auf eine andere ausweichen mussten.
Abhilfe schafft die Natur. Wildpflanzen haben eine höhere genetische Diversität, vor allem im tropischen Regenwald. Sie ist ein natürlicher Schutz. Denn hohe genetische Diversität bedeutet oft höhere Resistenz gegen Krankheiten. Zudem gibt es dort auch eine mehr Biodiversität, das heisst: Mehr unterschiedliche Arten.
Würden bei uns durch eine Krankheit die Kartoffeln ausfallen, so hätten wir Alternativen auf dem Markt. Alternativen, die es Dank der Biodiversität gibt. Je höher sie ist, desto besser und eine besonders hohe Biodiversität finden wir, wie wir ja wissen, im tropischen Regenwald.
Doch mit dem Verschwinden des tropischen Regenwaldes verschwinden auch die darin lebenden Arten. Je mehr Waldfläche verschwindet, desto mehr Arten folgen. Dazu kommt, dass gewisse Arten eine Schlüsselfunktion im System innehaben. Verlieren wir die Bestäuber, so hat dies einen drastischen Einfluss auf viele andere Arten, deren Fortpflanzung davon abhängig ist. Wenn sich das System derart verändert, können Ökosystemdienstleistungen verloren gehen. Dienstleistungen, von denen primär die lokale Bevölkerung abhängig ist. Eine hohe Biodiversität ist auch ein natürlicher Schädlingsschutz. Schädlinge werden durch natürliche Fressfeinde im Schach gehalten.
Die Bevölkerung aus ärmeren Verhältnissen ist oft direkt von diesen Ökosystemdienstleistungen abhängig. Sie leben in traditionelleren Gemeinschaften und ihre Grundlage basiert auf ein paar wenigen Pflanzen, die sie kultivieren. Im Gegensatz zu uns können sie sich keine Ersatzprodukte leisten und sind bei einem Ausfall am stärksten betroffen.
Nimmt die Waldfläche im Amazonas ab, so hat dies eine Vielfalt an Auswirkungen. Die Kohlenstoffspeicher, sowie mögliche Heilmittel und Nahrungsmittel der Zukunft sind nur drei Aspekte einer weit reichenden Problematik, welche in diesem Format kaum erfasst werden kann.
REFERENZEN
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Climate Watch: Data for Climate Action – GHG emissions. https://www.climatewatchdata.org/ghg-emissions?breakBy=gas®ions=WORLD&source=GCP.
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