="http://www.w3.org/2000/svg" viewBox="0 0 512 512">

Blog 10: Acker oder Weideland für Brasilien?

Spätestens seit den Waldbränden 2019 ist das Thema wieder allgegenwärtig. Die Diskussion über die Funktion und den Schutz des brasilianischen Amazonas-Regenwaldes ist zeitüberdauernd, könnte aber aktueller nicht sein. Das Ökosystem Amazonas ist bedeutender Kohlenstoffspeicher und das Zuhause einer gigantischen Artenvielfalt. Die stete Ausbreitung der Landwirtschaft, hauptsächlich der extensiven Nutztierhaltung, ist dafür verantwortlich, dass jährlich tausende Quadratkilometer Primärwald verloren gehen. Wie der Verlust von Primärwald das Ökosystem verändert, hängt stark mit den Bewirtschaftungsarten zusammen. Mit einer Intensivierung und Strukturierung von Landwirtschaft kann der Abholzung entgegengewirkt werden. Doch finanzielle und institutionelle Hürden gestalten den Umstieg schwierig.

Abgeholzte Landschaft für die Bewirtschaftung in Brasilien. (Bild: WWF)

Ökosystemleistung – Kohlenstoffsenke

Die Photosynthese bindet Kohlenstoff in Pflanzen. Durch anschliessende Zersetzung wird dieser im Boden eingelagert. Damit wirkt die Kohlenstoffspeicherung der Klimaerwärmung entgegen.

Das Prinzip der Kohlenstoffspeicherung im Boden. (Darstellung: myclimate)

Weideland vs. Ackerland

Ein naturbelassener, intakter Regenwald beherbergt die grösste Artenvielfalt und speichert am meisten Kohlenstoff, verglichen mit Flächen unter Bewirtschaftung. Werden also Flächen mit Regenwald umgenutzt, nehmen die Ökosystemleistungen grundsätzlich ab. Für die Ernährung der Bevölkerung sind Landwirtschaftsflächen jedoch unentbehrlich. Dabei stellt sich die Frage, wie sich verschiedene Bewirtschaftungsmethoden unterscheiden. Folgende Tabelle vergleicht die Kohlenstoffbilanz von Weideland und Ackerflächen.

Schätzung der Kohlenstoffbilanz in Millionen Tonnen pro Jahr, in ganz Brasilien (2010)
Bewirtschaftung Kohlenstoff – Einlagerung(I)  Kohlenstoff – Ausstoss(II) Bilanz (I – II)
Weideland 208.60 85.33 (durch Vieh) 123.27
Ackerland 14.35 52.77 durch Bewirtschaftung -38.42
Der Vergleich zeigt, dass Ackerland in Brasilien ca. 40 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr verliert und Weideland ca. 125 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr speichert. Somit besitzt Weideland das Potential, über die Zeit Kohlenstoff einzulagern. Die Zahlen beziehen sich auf die effektiven Anteile der Bewirtschaftungsflächen von Brasilien. Mit jener Aufteilung in 51% Wald, 42% Weideland und 7% Ackerland ist bereits sechs Mal mehr Weideland als Ackerland vorhanden. Von besonderer Bedeutung ist das Management der bewirtschafteten Flächen. Auf Ackerland wirken sich Ernterückstände und eine Bodenbearbeitung ohne Pflug positiv auf die Kohlenstoffbilanz aus. Bei Weiden sind geringe Viehdichten, Bewässerung und geringe Bodenabtragung von Bedeutung.

Intensivierung als Chance?

Ein grosses Potential gegen die fortschreitende Abholzung bietet die Intensivierung der Landwirtschaft. Diese beabsichtigt in ihrem Prinzip eine effizientere Nutzung und somit eine höhere Produktivität pro Einheit Boden. Intensivierung ist aber keineswegs unumstritten. Oft wird sie wegen höherem Verbrauch an Düngemitteln und stärkerer Bodenabtragung mit negativen Umweltauswirkungen assoziiert. Im Falle des Amazonas liegt der grössere Nutzen für die Umwelt aber auf dem Schutz vor Abholzung. Dieser kann mit Intensivierung durch besseres Management der Nutztiere und besserer Infrastruktur entgegengewirkt werden. Das würde nicht nur den Regenwald schonen, sondern verspricht auch den Bauern ein höheres Einkommen. Die Bauern aber sehen sich bei einem Umstieg auf intensivere Bewirtschaftungsmethoden mit finanziellen Risiken und einem Arbeitskräftemangel konfrontiert. Das hält viele von ihnen davon ab, diesen Schritt zu verwirklichen. Den effektivsten Anreiz bringt ein staatlicher Schutz von Regenwaldflächen, der in seiner Wirkung eine Limitierung von nutzbarer Landwirtschaftsfläche impliziert. Um die Effektivität dieser Massnahme zu erhöhen, muss finanzielle und technische Hilfe mit einbezogen werden. Doch seit dem Antritt von Präsident Jair Bolsonaro, liegt der Fokus der Regierung auf Liberalisierung und Extension. Mit Entscheiden wie der Kürzung des Budgets des Umweltministeriums oder der Lockerung von umweltschützenden Massnahmen bewegt sich diese gegen die Schutzforderungen.

Ausblick

Über das optimale Gleichgewicht zwischen Landwirtschaft, Klima- und Regenwaldschutz kann gestritten werden. Vernachlässigt werden sollte aber keines der dreien. Ein Vergleich der Kohlenstoffbilanz hat gezeigt, dass Weideland im Vergleich zu Ackerland Kohlenstoff im Boden speichert. Dies ist aber nur die halbe Geschichte. Um weitere Abholzung und die damit einhergehenden Folgen auf das Klima zu vermeiden, scheint eine Optimierung und Intensivierung der Landwirtschaft unumgänglich. Eine Umsetzung dieser Intensivierung fordert Interventionen und Investitionen durch den Staat. Auf diesen aber kann zurzeit nicht gezählt werden. Mehr denn je ist er Gegenspieler einer internationalen Allianz, die versucht, die Abholzung in Brasilien aufzuhalten. Doch die Zeit steht nicht still. Je mehr Tage vergehen, desto weiter dringen die Motorsägen-Geräusche in den Amazonas vor.
AutorInnen: Linn Hille-Dahl, Eliane Hirt, André Semadeni

Referenzen

  • ALMEIDA, C. A. de et al. (2016), High spatial resolution land use and land cover mapping of the Brazilian Legal Amazon in 2008 using Landsat-5/TM and MODIS data
  • Latawiec, A. E. et al. (2017), Improving land management in Brazil: A perspective from producers
  • Barretto, A. G. O. P., Berndes, G., Sparovek, G. & Wirsenius, S. (2013), Intensification in agriculture-forest frontiers: Land use responses to development and conservation policies in Brazil
  • de Area Leão Pereira, E. J., de Santana Ribeiro, L. C., da Silva Freitas, L. F. & de Barros Pereira, H. B. (2020), Brazilian policy and agribusiness damage the Amazon rainforest
  • Strand, J. et al (2018), Spatially explicit valuation of the Brazilian Amazon Forest’s Ecosystem Services
  • Frazão, L. A., Paustian, K., Cerri, C. E. P. & Cerri, C. C. (2014), Soil carbon stocks under oil palm plantations in Bahia State, Brazil
  • Viglizzo, E. F., Ricard, M. F., Taboada, M. A. & Vázquez-Amábile, G. (2019), Reassessing the role of grazing lands in carbon-balance estimations: Meta-analysis and review
  • da Luz, F. B. et al. (2019), Monitoring soil quality changes in diversified agricultural cropping systems by the Soil Management Assessment Framework (SMAF) in Southern Brazil
  • Factsheet Gruppe 10

License

701-0909-00L Seminar Umweltsysteme FS2020: Der Wald im Globalen Klimawandel Copyright © by BSc Environmental Science 2020. All Rights Reserved.

Feedback/Errata

11 Responses to Blog 10: Acker oder Weideland für Brasilien?

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

}