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Eindringlinge im Schweizer Wald
Die Invasion gebietsfremder Pflanzen ist kein neues Problem. Allerdings ist es in den letzten hundert Jahren buchstäblich zu einem immer grösseren Ärgernis herangewachsen. Betroffen davon sind nicht nur die einheimische Flora und Fauna, sondern auch das Wirtschaftssystem und das Gesundheitswesen. Im Rahmen eines Umweltseminars an der ETH Zürich teilen Studierenden ihre Erkenntnisse zu entstehenden Schäden und zu den Faktoren, die eine Invasion begünstigen können.
Preise signalisieren Werte- auch in der Ökologie
Immer öfter begegnet man in den Medien dem Wort «invasiv», oder liest etwas über Neophyten. Ein bekanntes Beispiel für einen solchen in der Schweiz vorkommenden Neophyten ist der Götterbaum (Ailanthus altissima). Der Laubbaum stellt seit einigen Jahren ein grosses Problem für die Schweizer Flora dar. Er wächst schnell und verdrängt dabei einheimische Pflanzen.
Im Jahr 2005 hat das Bundesamt für Umwelt (BAFU) für die Schweiz 47 solche gebietsfremden invasiven Pflanzen aufgelistet. Im Vergleich dazu wachsen in der Schweiz etwa 3’000 Wildpflanzen. Bei gebietsfremden Pflanzen, auch Neophyten genannt, handelt es sich um «eingeschleppte» Pflanzenarten, die ursprünglich nicht in unserer heimischen Flora vorkommen. Da es schwierig zu definieren ist, was genau die ursprüngliche Flora und Fauna ist, nimmt man die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus als Zeitpunkt Null an. Das Einschleppen von fremden Pflanzenarten erscheint vielleicht auf den ersten Blick nicht als ein Problem. Allerdings können Pflanzen, wenn sie invasiv werden grossen Schaden anrichten. Dieser Schaden kann sowohl die Biodiversität als auch die Wirtschaft betreffen. Ziel ist es, die durch invasive Neophyten entstehenden Kosten so tief wie möglich zu halten. Um dieses zu erreichen, gilt es unserer Meinung nach zuerst herauszufinden, welche Standorte, Gebiete und Flächen besonders durch invasive Arten gefährdet sind. Ausserdem ist es wichtig zu definieren, welche Faktoren die Ausbreitung der Neophyten begünstigen.
Unsere Recherche bringt uns zu dem Schluss, dass sowohl der ökologische als auch der ökonomische Schaden durch invasive Pflanzen beträchtlich ist und so gut es geht verhindert werden muss.
Faktoren, die eine invasive Ausbreitung begünstigen
Je nach Standort, Gebiet oder Ökosystem variiert die Anfälligkeit für biologische Invasionen. Eine Flussauenvegetation zum Beispiel ist anfälliger für eine solche biologische Invasion als ein Gebirgswald. Wälder in tieferen Lagen mit nährstoffreichen Böden sind häufiger Störungen wie Überschwemmung durch Flüsse, Zerstörung durch Wind und menschlichen Eingriffen ausgesetzt. Dadurch sind sie stärker gefährdet, einer biologischen Invasion zum Opfer zu fallen.
Viele invasive Pflanzen sind im Handel erhältlich. Ein Beispiel dafür, ist der Blauglockenbaum (Paulownia tomentosa), der mit seinen prächtigen Blütenständen gerne in privaten Gärten gepflanzt wird. Auch der Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus) wird oft als Heckenpflanze verwendet. Der anfänglich erwähnte Götterbaum wurde sogar schon von Stadtgärtnereien an Strassenrändern gepflanzt. Dies bringt legt nahe, dass nicht genug Wissen um Neophyten vorhanden ist und der Verkauf konsequent verboten werden muss, wenn man eine Verbreitung der Neophyten nachhaltig stoppen will.
Pflanzen mit einer schnellen Keimung, einem rapiden Wachstum und dem frühen Erreichen der Fortpflanzungsreife, haben eine erhöhte Wahrscheinlichkeit invasiv zu werden. Der Gartenhandel macht allerdings nur einen kleinen Teil des menschlichen Einflusses auf die Ausbreitung von Neophyten aus. Invasive Pflanzen verbreiten sich vor allem in Städten und durch die weltweite Vernetzung immer schneller und globaler. Auch Zugstrecken und Autobahnen sind beliebte Transportmöglichkeiten für die grünen «Trittbrettfahrer». Eingeklemmt in Autoreifen legen sie so rasch grosse Distanzen und siedeln sich dann zum Beispiel bei uns in der Schweiz an. Die ursprünglichen Grenzen der Ökosysteme werden so aufgehoben.
Wie richtet eine invasive Pflanze Schaden an?
Manche Neophyten können Vektoren für Krankheiten und Parasiten sein. Ein Vektor stellt dabei eine Art Transportmittel dar, auf dem eine Krankheit oder ein Parasit von einem Wirt zum anderen transportiert wird. So wie die Anophelesmücke dem Malariaerreger als Vektor dient, kann ein Neophyt eine ganze Reihe an Krankheiten oder Parasiten mit sich bringen.
Ein weiterer Faktor des durch die Anwesenheit der invasiven Pflanzenarten angerichteten Schadens ist deren Standortkonkurrenz zu unseren einheimischen Arten. Der Zuwachs der einheimischen Bäume ist verringert und ökonomische Verluste sind die Folge. Massnahmen gegen die Ausbreitung von invasiven Pflanzen sind aufwendig und teuer. Infolgedessen haben Neophyten eine ganze Reihe an Auswirkungen auf die Wirtschaft.
Konsequenzen der Verbreitung invasiver Pflanzen
Die Biodiversität kann lokal drastisch sinken, wenn gewisse Standorte nur noch von einer invasiven Art bedeckt werden. Wenn der Waldboden komplett von Neophyten bedeckt ist, haben heimische Baumkeimlinge zu wenig Licht, Wasser und Nährstoffe, die sie zum Wachsen benötigen. Als Folge können auch schützenswerte und seltene einheimische Arten durch invasive Pflanzen in ihrer Existenz bedroht werden. Unter einer solchen Existenzbedrohung leiden nicht nur die einheimischen Pflanzen, sondern auch Insekten- und Tierarten. Diese sind auf die einheimische Vegetation angewiesen indem sie diese beispielsweise als Futterquelle nutzen.
Auch der Einfluss und die Reaktion der Menschen auf die Neophyten darf nicht vergessen gehen.
Der durchschnittliche Sonntagswanderer findet die invasiven Arten oftmals nicht ästhetisch ansprechend und will aus diesem Grund die einheimische Flora auch auf kleinen Flächen nicht verlieren. Um dies zu bewerkstelligen, stellt das BAFU eine Reihe von Massnahmen zur Bekämpfung von invasiven Pflanzen bereit. In einigen Kantonen gibt es schon Programme um die Bevölkerung für Neophyten zu sensibilisieren. In anderen Kantonen wie zum Beispiel im Graubünden, werden die invasiven Arten durch Zivildienstleistende direkt bekämpft.
Für weitere Informationen und Tipps, wie Sie als Privatperson helfen können, können Sie die entsprechende Webseite des BAFU besuchen:
https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/biodiversitaet/dossiers/invasive-arten.html
Der frühe Vogel fängt den Neophyten
Unserer Meinung nach reichen die bis jetzt getroffenen Massnahmen noch nicht um diese ökologische Bedrohung für unsere Wälder zu beseitigen und damit den ökonomischen Schaden gering zu halten. Die Bemühungen, invasive Pflanzen aus den Wäldern zu beseitigen werden untermauert, solange diese Pflanzen in den Städten und Gärten noch reifen können. Daher muss die Verbreitung der Samen mäglichst an der Quelle gestoppt werden. Der Pflanzenhandel muss bezüglich dem Verkauf von invasiven Pflanzen geregelt werden. Käufer müssen auf das invasive Potential der Pflanzen aufmerksam gemacht werden. Es ist ausserdem wichtig, dass jede Privatperson sich dieser Bedrohung bewusst ist und einen kritischen Blick auf ihren eigenen Garten wirft. Dadurch könnte die heimische Vegetation geschützt und Managementkosten der Folgeschäden gespart werden. Langfristig würde sich ein ökonomischer Nutzen bemerkbar machen.
Referenzen
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Frank Reinhardt Dipl-Volkswirt Markus Herle Dipl-Biologe Finn Bastiansen Bruno Streit, von. Ökonomische Folgen der Ausbreitung von Neobiota. http://www.umweltbundesamt.de.
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Davis, M. A., Grime, J. P. & Thompson, K. Fluctuating resources in plant communities: A general theory of invasibility. J. Ecol. 88, 528–534 (2000).
Maistrello, L., Dioli, P., Bariselli, M., Mazzoli, G. L. & Giacalone-Forini, I. Citizen science and early detection of invasive species: phenology of first occurrences of Halyomorpha halys in Southern Europe. Biol. Invasions 18, 3109–3116 (2016).
Für weitere Quellen siehe Factsheet:
https://polybox.ethz.ch/index.php/s/Iow3d8FiXKkCfw5
Bildquellen
https://www.bauernzeitung.ch/artikel/invasive-neophyten-waldeigentuemer-wehren-sich-gegen-bekaempfungs-kosten
https://www.welt.de/wissenschaft/article200854712/Goetterbaum-Wie-bekaempft-man-Goetterbaeume-nachhaltig.html
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