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4.7 Integrierbarkeit stetiger Funktionen

Aus Abschnitt 4.6 wissen wir bereits, dass Polynomfunktionen integrierbar sind. In diesem Abschnitt möchten wir nun unter Verwendung der Beschränktheit und der gleichmässigen Stetigkeit stetiger Funktionen auf kompakten Intervallen (Satz 3.74 respektive Satz 3.82) folgendes allgemeines Resultat beweisen.

Satz 4.42 (Stetige Funktionen und das Riemann-Integral).

Eine stetige Funktion auf einem kompakten Intervall [a,b] mit a < b ist Riemann-integrierbar.

Beweis.Sei f C([a,b]) und 𝜀 > 0. Nach Satz 3.82 ist f gleichmässig stetig und es gibt ein δ > 0, so dass für alle x,y [a,b] gilt

|x y| < δ|f(x) f(y)| < 𝜀.

Sei nun = {a = x0 < x1 < < xn = b} eine Zerlegung von [a,b] mit

max k=1, ,n|xk xk1| < δ.

Wir definieren für jedes k {1, ,n} die Zahlen

mk = inf f([xk1,xk]) Mk = sup f([xk1,xk]),

wobei wir Satz 3.74 für die Existenz dieser Infima und Suprema benötigt haben. Wir behaupten nun, dass für alle k {1, ,n}

Mk mk 𝜀

gilt. In der Tat ist |x y| < δ für alle x, y [xk1,xk], womit nach der gleichmässigen Stetigkeit von f die Ungleichung |f(x) f(y)| < 𝜀 und insbesondere f(x) < f(y) + 𝜀 erfüllt ist. Da y [xk1,xk] beliebig war, gilt

f(x) inf {f(y) + 𝜀y [xk1,xk]} = mk + 𝜀

Dies beweist aber, dass mk + 𝜀 eine obere Schranke für f([xk1,xk]) darstellt, womit wir auf Mk mk + 𝜀 schliessen.

Wir definieren nun Treppenfunktionen u,o durch

u(x) = { mkfalls x [xk1,xk) für k {1, ,n} mnfalls x = b o(x) = { Mkfalls x [xk1,xk) für k {1, ,n} Mnfalls x = b

für x [a, b]. Nach Definition von mk,Mk für k {1, ,n} gilt daher u f o. Des Weiteren ist

ab(o u)dx = k=1n(M k mk)(xk xk1) 𝜀 k=1n(x k xk1) = 𝜀(b a).

Da 𝜀 > 0 beliebig war (und b a fix ist), zeigt dies mittels Proposition 4.12, dass f Riemann-integrierbar ist. □

Applet 4.43 (Integrierbarkeit einer „zittrigen“ Funktion).

Wir sehen, dass eine stetige aber zittrige Funktion wie im dargestellten Graphen auch Riemann-integrierbar ist.

4.7.1 Sandwich mittels stetigen Funktionen

Die folgende Proposition zeigt, dass auch allgemeine Riemann-integrierbare Funktionen einen gewissen Zusammenhang zu dem Begriff der Stetigkeit aufweisen.

Proposition 4.44 (Sandwich-Kriterium mit stetigen Funktionen).

Eine Funktion f ([a,b]) auf einem kompakten Intervall [a,b] mit a < b ist genau dann Riemann-integrierbar, wenn für alle 𝜀 > 0 stetige Funktionen f+,f existieren mit f f f+ und

ab(f + f)dx < 𝜀.

Wir empfehlen Ihnen sich dies geometrisch vorzustellen: f wird von den stetigen Funktionen f und f+ eingezäunt, wobei die Fläche zwischen diesen beiden Funktionen beliebig klein gemacht werden kann.

Beweis.Angenommen es existieren zu jedem 𝜀 > 0 stetige Funktionen f+,f wie in der Proposition. Sei 𝜀 > 0 und wähle stetige Funktionen f+ und f mit f f f+ und

ab(f+ f)dx < 𝜀 3.

Da f+ als stetige Funktion nach Satz 4.42 auch Riemann-integrierbar ist, so existiert eine Treppenfunktion o 𝒯 ([a, b]) mit f+ o und ab(o f+)dx < 𝜀 3. Genauso existiert u 𝒯([a,b]) mit u f und ab(f u)dx < 𝜀 3. Zusammenfassend gilt u f f f+ o sowie nach Linearität

ab(o u)dx =ab(o f +)dx +ab(f + f)dx +ab(f u)dx < 𝜀.

Da 𝜀 > 0 beliebig war, beweist dies mit Hilfe von Proposition 4.12 die erste, einfachere Richtung der Proposition.

Wir beweisen nun die verbleibende Richtung und nehmen dazu zuerst zur Vereinfachung an, dass f eine Treppenfunktion ist. Sei = {a = x0 < x1 < < xn1 < xn = b} eine Zerlegung in Konstanzintervalle für f und seien c1 , ,cn die Konstanzwerte. Wir konstruieren eine stetige Funktion f+ : [a, b] mit f f+ und ab(f+ f)dx < 𝜀 2. Wenden wir dies auf f an, so lässt sich analog eine stetige Funktion f auf [a, b] mit f f und ab(f f)dx < 𝜀 2 finden, was wegen

ab(f + f)dx =ab(f + f)dx +ab(f f )dx < 𝜀

diese Richtung der Proposition für Treppenfunktionen beweist.

Bevor wir eine explizite Definition von f+ angeben, fassen wir die Idee in folgendem Bild zusammen.

See caption below.

Figur 4.4: In blau gestrichelt die Treppenfunktion f, in rot eine stetige, stückweise lineare Funktion f+. Für alle x, die nicht in der Nähe eines Punktes von sind, ist f(x) = f+(x). In der Nähe der Punkte von ersetzen wir f durch eine genügend hohe aber „stetige Spitze“, so dass f unter der Spitze liegt. Damit die Definition etwas einfacher ist, wählen wir überall die gleiche „ Höhe“ der Spitze; natürlich ist dies nicht zwingend nötig.

Sei δ > 0 mit

δ < 1 3min {|xi+1 xi| : i {0, ,n 1}}

vorerst beliebig (dies wird die „halbe Breite“ der Spitzen sein) und sei M = max f([a,b]). Formal definieren wir unter Verwendung der Zerlegung = {a = x0 < < xn = b} in Konstanzintervalle von f die Funktion f+ für x [a, b] durch die Fallunterscheidung

f+(x) = { (x xi)ciM δ + M falls x [xi,xi + δ) f(x) falls x [xi + δ,xi+1 δ) (x xi+1 + δ)Mci δ + cifalls x [xi+1 δ,xi+1) M falls  x = b, .

wobei die verschiedenen Fälle auf Grund unserer Wahl von δ disjunkt sind. Aus Übung 3.58 sowie Korollar 3.55 folgt, dass f+ stetig ist. Dank der Wahl von M ist auch M f f+ M. Weiter gilt für jedes Konstanzintervall (xi,xi+1), dass f+ (x) = f(x) für alle x (xi , xi+1) mit Distanz grösser als δ von den Randpunkten xi,xi+1. Insbesondere ist

xixi+1 (f+(x) f(x))dx =xixi+δ(f +(x) f(x))dx +xi+1δxi+1 (f+(x) f(x))dx 2Mδ + 2Mδ = 4Mδ

und damit

ab(f +(x) f(x))dx i=0n1xixi+1 (f+(x) f(x))dx 4Mδn.

Wählen wir nun δ < 𝜀 8Mn, so ist 4Mδn < 𝜀 2. Daher hat die stetige Funktion f+ alle gewünschten Eigenschaften.

Sei nun f eine beliebige Riemann-integrierbare Funkton und sei 𝜀 > 0. Nach Proposition 4.12 existieren Treppenfunktionen u,o 𝒯([a,b]) mit u f o und ab(o u)dx < 𝜀 3. Seien u , o+ C([a,b]) wie vorhin konstruiert mit u u, o o+ , ab(u u)dx < 𝜀 3 und ab(o+ o)dx < 𝜀 3. Die Funktionen f+ = o+ und f = u erfüllen nun die gewünschte Eigenschaft. □

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