33.1 – Einführung
Beim Projektunterricht handelt es sich um eine Methode, welche je nach Rahmenbedingung einen hohen konstruktiven und sehr handlungsorientierten Anteil mit sich bringt.
„Die Projektmethode ist eine der attraktivsten Unterrichtsformen. Sie erfüllt oberste Ziele unseres Bildungswesens: Erziehung zur Selbständigkeit, Kooperation und Kritikfähigkeit. Zudem lernen die Lernenden in Projekten viel Fachwissen. Und: Was Ihre Schüler und Schülerinnen in einem Projekt lernen, vergessen sie nicht so schnell wie unsere Lehrvorträge.“
Karl Frey (1998): Die Projektmethode
33.2 – Pädagogische Ziele
• Lernen realistische Ziele zu setzen
• Mit der Zeit umgehen zu können
• Probleme arbeitsteilig anzupacken
• Vorhaben zu Ende bringen
• Wissen konstruieren
• Neben Fach- auch Sozial-, Selbst- und Methodenkompetenzen festigen!
33.3 – Das Grundmuster – die sieben Komponenten der pädagogischen Projektmethode
Beim Aufbau des Projektunterrichts unterscheidet man sieben Komponenten:
1. Projektinitiative (Wir suchen ein Thema)
Haben die Schüler eine ungefähre Vorstellung davon, was ein Projekt sein könnte, so bringen sie Vorschläge. Sie können sich dafür ein paar Tage lang ihre Gedanken machen und brauchen auch Zeit zum Diskutieren. Projektidee kann alles und jedes sein, sowohl für Gruppen- als auch für Klassenprojekte; kein Vorschlag sollte zurückgewiesen werden.
Die Projektideen werden gesammelt und im Klassenzimmer publiziert. Anschliessend stellt jeder Initiant seinen Vorschlag genauer vor (zeitlich und methodisch begrenzt). Die Übersicht bleibt dann 2-3 Tage stehen, damit die Schüler eine Auswahl treffen können.
Bei einem andern Autor (Schweingruber „Das Projekt in der Schule) wird aufgezeigt, dass grundsätzlich drei Quellen möglich sind: Von den Schülern kommend, von der Lehrperson bestimmt oder/und von aussen sich aufdrängend. Die Besprechung, Einigung und Zustimmung der Schüler ist auch hier die wichtigste Grundlage.
2. Projektskizze (Wir treffen die Wahl)
Es wird nicht einfach abgestimmt. Die Diskussion der Vorschläge und die Entscheidung für denjenigen, der schliesslich realisiert wird, muss in einem zuvor festgelegten Rahmen erfolgen (Projektanzahl, Zeitbegrenzung, Gesprächsregeln, Form der Debatte, Entscheidungsmodus).
Wichtig ist, dass so sachlich wie möglich argumentiert wird und keine Entscheidungs- Beeinflussungen durch Demagogie, versteckte Drohungen bzw. Versprechungen so- wie durch das Persönlichkeitsgewicht der Lehrperson oder besonders beliebter Schüler erfolgen. Es ist unter Umständen erforderlich, die Aussprache in Etappen zu führen, damit man nicht zu vorschnellen Entscheiden gelangt.
Der Entscheid wird schliesslich festgehalten. Dabei werden auch bereits erste Vorstellungen über den Verlauf des Projekts entwickelt, meist ergeben sich diese schon aus der Diskussion. Man erhält so einen angereicherten Projektvorschlag, die Projektskizze.
3. Projektplan
Das Planen ist als geistiges Voraushandeln etwas sehr Anspruchsvolles, das die Schüler teilweise überfordert. In der Praxis wird man daher einer „rollenden Planung“ den Vorzug geben, d.h. einer Planung, die während der Durchführung und parallel zu dieser fortgesetzt und modifiziert wird.
Ist ein Unterrichtsprojekt angesagt, kann es vorkommen, dass die Schüler zunächst eine überdimensionierte Unternehmung vorschlagen. Deshalb entwickeln sie in der Projektplanung aus den ersten Phantasien ein realisierbares Vorhaben, scheiden das Machbare von puren Wünschen und übertriebenen Vorstellungen. Sie prüfen, ob der Plan praktisch durchführbar ist und klären zusammen mit der Lehrperson ab, ob er nicht Ziele enthält, welche z.B. Verbote oder behördliche Bestimmungen verletzen. Zudem äussern sich die Schüler im Einzelnen, was sie persönlich im Projekt eigentlich tun möchten, und arbeiten so die für sie wichtigen Punkte heraus.
Im Zentrum der Planung steht die Aufteilung der Aufgaben. Die Lehrperson sollte sich dabei möglichst heraus halten. Im ersten Schritt geben die Schüler bekannt, was sie gerne tun möchten, welche Aufgaben, Aufträge, Rollen sie übernehmen möchten. Für diese Aussprache ist eine Form zu wählen, die allen die Möglichkeit verschafft, sich zu äussern, vor allem auch den sozial gehemmten, zurückhaltenden Kindern, z.B. durch Aufschreiben. Im zweiten Schritt werden die Aufgaben in Form von Pflichtenheften fest geschrieben und verteilt. Zu beachten sind die Arbeitsformen (Einzel-, Partner- und Gruppenarbeiten). Das gegenseitige Einvernehmen und die Aufgabenklärung sind äusserst wichtig.
Ist der Projektplan fertig, wird er nochmals im Detail durchgegangen und an der Leitfrage geprüft: Sind wir imstande, das geplante Projekt durchzuführen? – Anschliessend wird der Projektplan schriftlich fixiert und (z.B. als Plakat) im Zimmer aufgehängt. Er soll möglichst genau den Weg zum Endprodukt/Projektziel beschreiben und folgende Teile enthalten:
- Klare Vorstellungen über Endprodukt/Projektziel
- Realisierungsbedingungen, Material, Räumlichkeiten
- Ablaufpläne, Zeitbedarf
- Verantwortlichkeiten, Aufgabenverteilung, Rollenzuweisung
- Absprachen (mit Eltern, Kollegen, Hauswart, Behörden)
Die Lehrperson hält sich im Hintergrund. Sie wird den Schülern das Betätigungsfeld möglichst weit öffnen, wird Engpässe ausweiten und zusätzlichen Spielraum schaffen; sie wird aber nicht korrigieren und strukturieren. Dies schliesst nicht aus, dass sie bei der Durchführung bestimmte Aufträge übernimmt. Es können ähnliche Aufgaben sein o- der Spezialaufgaben (z.B. Beobachtung, Supervision, Evaluation).
4. Projektdurchführung
Kontakte in der Vorphase
Wenn mit der Verwirklichung eines geplanten Projektes begonnen wird, zeigt sich häufig, dass die Arbeiten den üblichen Rahmen sprengen, den Stundenplan verändern, aus dem Schulzimmer hinausführen. Das ist der Punkt, an dem das Projekt aufhört, bloss eine Sache der Klasse zu sein, sondern Aussenstehende auch betrifft. Soll es gelingen, muss mit den Betroffenen Kontakt aufgenommen werden. Frühzeitige Anfragen und kontinuierliche Information schaffen zudem Beratungsmöglichkeiten und oft unerwartete Bereicherungen. Mündliche Kommunikation ist schriftlichen Mitteilungen vorzuziehen. Folgende Bezugspersonen sind zu beachten:
- Partnerlehrer (besonders beim Fachlehrersystem): Gemeinsame Planung
- Schulleitung, Behörden: Orientierung, Abklärungen betreffend Vorschriften, Versicherungen, Einholen spezieller Bewilligungen.
- Hauswart, Lehrerkollegium: Spezielle Raumbenützung, Störungsphasen
- Eltern: Information über das Projekt, Hinweise zu Abweichungen, Einverständnis ein- holen.
Eigentliche Durchführung
Jetzt zeigt sich, ob die Planung gut durchdacht und praktisch anwendbar ist. Wichtig ist, dass sich die Lehrperson auf einige typische Schwierigkeiten einstellen kann:
- Planungsmängel
- Über- oder Unterschätzen der Gruppe
- ungünstige Gruppenzusammensetzung
- mangelnde Zusammenarbeit von und innerhalb Gruppen
- Terminprobleme
- Unterschiedlicher Zeitbedarf der Gruppen
- Einsprachen von Aussenstehenden (Eltern, Behörden)
- Rücksichtnahme und Information an Aussenstehende (Hauswart, Kollegen)
- Zu geringe Frustrations-Toleranz der Schüler oder als Lehrperson
- Mangelnde Kritikfähigkeit
- Mangelnde Improvisationsfähigkeit der Lehrperson
- Auftreten scheindemokratischer Entscheidungen
- Technische Pannen, schlechtes Wetter
5. Projektabschluss
Ein Projekt hört nicht „einfach so“ auf, weder sachlich noch projektmethodisch. Wenn das Produkt hergestellt, das Ziel erreicht ist, muss unbedingt ein guter Abschluss erfolgen. Die Gefahr besteht, dass sich eine überraschende Leere auftut. Bildet der Projekthöhepunkt gleichzeitig den Schluss, wird der Übergang in den Routinealltag zum harten Bruch. Das zeigt sich drastisch nach öffentlichen Auftritten, Festen oder der Vorführung selbst gebauter Geräte. Die folgenden Frustrationen erzeugen dann teilweise Abneigung gegen ein neues Projekt – oder das genaue Gegenteil tritt ein: Müdigkeit im Schulalltag erweckt den Wunsch nach weiteren Projekten. Für einen guten Projektabschluss ist vor allem ein Rückblick sehr bedeutungsvoll. Die Klasse zieht dabei offen und selbstkritisch Bilanz: Was wollten wir, was haben wir erreicht? Was war gut, was nicht? Wie könnte es weitergehen? Der Übergang in den Normalunterricht ist geschickt einzufädeln.
6. Der „Kontrollstopp“ oder „Fixpunkte“
Fixpunkte sind die organisatorischen Schaltstellen bzw. Zwischenhalte des Projektes. Sie dienen
- dem gegenseitigen Informationsaustausch
- der Organisation der nächsten Arbeitsschritte
- der Vergegenwärtigung des momentanen Projektstandes
An diesen Haltestellen soll die aktuelle Situation im Projekt überdacht werden. Dies ist bedeutungsvoll, weil sonst Chancen verpasst werden, indem man zusätzliche Möglichkeiten der Arbeit übersieht. Die Zeitpunkte und Adressaten von Kontrollstopps sind zunächst abhängig vom Gang und Stand der Arbeiten. Daneben empfehlen sich aber auch regelmässige Kontrollstopps, beispielsweise am Ende des Schultages (als Ausklang) oder bei Arbeitsbeginn.
7. Die „Denkpause“
Die kritische Beurteilung des Arbeitsprozesses ist kennzeichnend für die Projektmethode. Ihr hoher Bildungswert legt es nahe, „Denkpausen“ auch im sonstigen Unterricht regelmässig vorzusehen:
- Sich besinnen auf den Verständigungsrahmen (Abmachungen, Regeln, Vereinbarungen, Entscheidungsverfahren)
- Überlegen, warum Arbeitsunlust aufkommt
- Überdenken eines Teilaspekts dessen, was schon geschehen ist
- Distanz zum Projekt schaffen durch Abschalten, Unterbrechung, Pause oder durch Wiederholen eines Projektabschnittes mit andern Mitteln oder in anderer Abfolge
- Besprechung von Beziehungsproblemen
- Ermutigen der stillen, zurückhaltenden evtl. ängstlichen oder gehemmten Schülern
Für die Lehrperson besteht im Bereich „Denkpausen“ die wichtigste Aufgabe darin, dafür zu sorgen, dass sie überhaupt stattfinden. Viele Menschen haben eine psychologisch verständliche Zurückhaltung vor derartigen Diskussionen und eine Tendenz zum Ausweichen. Aus diesem Grund sollte man solche Gespräche nicht zum voraus fixieren, sondern der Situation anpassen. Mit ein wenig Sensibilität und Beobachtungsfähigkeit der Lehrperson wird der richtige Moment meisten leicht erkannt – zudem schalten Lernende häufig selber eine „Denkpause“ ein. Bewertende Äusserungen können auch nonverbal erfolgen und können in dieser Form eine besonders wichtige Funktion haben. Speziell dafür geeignet sind Pantomime oder zeichnerische Mitteilungen. Schliesslich können auch didaktische Anstösse wie beispielsweise Fragebogen, offene Fragen, provozierende Thesen oder unsinnige Behauptungen eine „Denkpause“ einleiten.
33.4 – Bewertungskriterien
33.4.1 – Prozessbewertung
- Beobachten von Gruppenprozessen
- Lerntagebuch
- Prozessberichte
Fazit: eher schwierig zu strukturieren; zeitintensiv
33.4.2 – Präsentationsbewertung
- Referat
- Gruppenpräsentation
Fazit: Umsetzung gut möglich; klare Bewertungskriterien festlegen; weniger (lern-)prozessorientiert
33.4.3 – Produktbewertung
- Grafik, künstlerisches Produkt
- Dossier
- Film
- Audiodateien
Fazit: Umsetzung gut möglich; Kriterienkatalog nötig; weniger (lern-)prozessorientiert
33.5 – Merkpunkte für die Umsetzung
- Projektverlauf mit der Klasse besprechen
- erst in eine nächste Projektphase wechseln, wenn die vorhergehende abgeschlossen ist
- frühzeitig die Bewertungskriterien vereinbaren
- ein Gruppenprotokoll erleichtert den Überblick zu behalten
- Begründungen bei Nicht-einhalten von Vereinbarungen einer Gruppe
- in allen Projektphasen viel Freiraum lassen
- Lernende auf Denkpausen vorbereiten
- Die Kontrollstopps (Fixpunkte) nicht vergessen!
- genügend Zeit für den Projektabschluss reservieren!
- für grössere Projekte Zusammenarbeit mit Kollegium suchen
Quellenverzeichnis:
- Ausschnitt des Texts aus R. Immoos und E. Ulrich, Projektmethode, Kt. Schwyz
Verwendete Literatur:
- Frey, Die Projektmethode, Beltz-Verlag
- Städeli/Obrist: Kerngeschäft Unterricht, hep-Verlag
- Schweingruber, Das Projekt in der Schule, Verlag Paul Haupt
- Bastian/Gudjons: Das Projektbuch, Bergmann und Helbig Verlag
- Tatz: Praxis Projekte 2 (Sekundarstufe 1), Klett-Verlag