25..1 – Methodik & Didaktik
Wie sieht Lernen mit Fallbeispielen/Fallstudien aus?
Der Gebrauch der Begriffe „Fallbeispiel“ und „Fallstudie“ ist in der Praxis nicht eindeutig. Unter dem Begriff „Fallstudie“ wird u.a. eine Methode in der empirischen Sozialforschung aber auch eine Unterrichtsmethode im handlungsorientierten Unterricht verstanden. Die nachfolgenden Ausführungen betreffen einzig die damit bezeichnete Unterrichtsmethode.
Den Unterrichtsmethoden, welche unter diesem Begriff zusammengefasst werden, liegt eine reale Situation aus der Praxis zugrunde. Diese Situation beinhaltet Probleme, definiert Zielsetzungen, Rahmenbedingungen etc.. Die Lernenden arbeiten selbständig Ansätze, Konzepte oder Teile davon aus, um die Probleme zu lösen, die Zielsetzungen zu erreichen, einen Beitrag zur Bereinigung der Situation zu leisten etc.. Bei der Entwicklung dieser Ansätze, Konzepte etc. stützen sie sich auf ihr vorhandenes Wissen aber auch auf Fallmaterial, das weitere dazu notwendige Informationen beinhaltet.
Zu was dienen Fallbeispiele/Fallstudien im Unterricht?
Fallbeispiele/Fallstudien erlauben einen Transfer des Wissens in die Praxis. Dieser Transfer bzw. die damit verbundene Kompetenz bewirkt, dass dieses Wissen später bei ähnlichen Problemen oder in ähnlichen Situationen in der Praxis gezielt genutzt werden kann. In Abhängigkeit des Auftrags entwickeln die Lernenden auch weitere Kompetenzen, in methodischer sozialer aber auch persönlicher Hinsicht.
Fallbeispiele/Fallstudien dienen im Unterricht nicht primär dazu, neues Wissen zu erwerben bzw. sich neues Wissen anzueignen, wie das bei Problem Based Learning (Siebensprung) der Fall ist.
Vorgaben für Fallbeispiele/Fallstudien
Nachfolgend sind die von der Lehrperson zu definierenden Elemente für eine Unterrichtseinheit mit Fallbeispielen / Fallstudien aufgezeigt:
Legende:
- *Wird den Schülerinnen und Schülern in Form eines Auftrags abgegeben
- Definiert die Lehrperson als Vorgabe für die Ausarbeitung des Fallbeispiels/der Fallstudie
Definition des Falles
Bei der inhaltlichen Ausarbeitung eines Falls muss folgendes beachtet werden:
- Der Fall muss Informationen enthalten, die sowohl Sachverhalte der beschriebenen Situation (Konsequenzen, Probleme etc.) aufzeigen, wie auch die Ableitung spezifischer Ursachen für diese Situation erlauben. Damit schafft man die Voraussetzungen, dass eine Analyse durchgeführt werden muss, welche den Zusammenhang zwischen den Ursachen und den Konsequenzen/Problemen aufdeckt.
- Der Fall muss sicherstellen, dass bestimmtes Wissen zur Anwendung kommen muss. Aus diesem Grund müssen die Vorkenntnisse aber auch evtl. neu zu erarbeitendes Wissen für die Fallbearbeitung definiert werden. Sie dienen als Orientierungshilfe bei der Definition eines Falls.
- Der Fall muss Rahmenbedingungen und Anforderungen beinhalten, die bei der Entwicklung der Lösungen, Konzepte oder Teilen davon zu berücksichtigen sind. Sie stellen neben den Ergebnissen der Analyse die wesentlichen Vorgaben für deren Ausarbeitung dar.
- Ein Fall sollte verschiedene Lösungen zulassen. Das heisst: Je nach Interpretation der Vorgaben (Situation, Probleme, Unterlagen etc.) und der Gewichtung der Erkenntnisse daraus sollen Ansätze, Konzepte und Teile davon auch unterschiedlich ausfallen dürfen.
Vorgehen
Die Bearbeitung eines Fallbeispiels durchläuft grundsätzlich die folgenden Schritte:
Dieses Vorgehen kann je nach Auftrag teilweise oder vollständig durchlaufen werden.
Das Vorgehen kann bei der Auftragserteilung schon weitgehend vorgegeben sein. Es ist aber auch möglich, dass die Planung der Bearbeitung dieses Fallbeispiels/dieser Fallstudie einer wesentlichen Leistung entspricht, die von den Lernenden gefordert ist. Während im ersten Fall die Entwicklung einer methodischen Kompetenz einem unbedeutenden Ziel entspricht, erhält die Entwicklung der methodischen Kompetenz im zweiten Fall ein höheres Gewicht.
Sozialstruktur
Fallbeispiele werden häufig in Gruppen bearbeitet.
Rolle der Lehrperson
Die Lehrperson begleitet die Lernenden und unterstützt den Lernprozess. Sie funktioniert dabei als Tutor und nicht als Lehrperson. Das heisst: Sie wird keine direkten Informationen zum Fachwissen geben, dass für die Analyse der Situation resp. die Entwicklung der Lösungsideen notwendig ist. Sie regt den Lernprozess an und aktiviert die Mitglieder durch Fragen, Empfehlungen und Klärungen, welche für die erfolgreiche Gestaltung dieses Lernprozesses zwingend notwendig sind. Am Ende des Lernprozesses evaluiert sie zusammen mit den Lernenden die vorgeschlagenen Lösungen und Konzepte sowie den Lernprozess selber. Das Ziel besteht in der Prüfung, ob die Lernenden das Fallbeispiel verstanden, fachlich korrekte Lösungen entwickelt und diese auf das Fallbeispiel abgestimmt haben. Zusätzlich geht es aber auch darum, den Lernprozess zu reflektieren und daraus für den künftigen Wissenserwerb mit dieser Unterrichtsmethode Verbesserungen zu erreichen.
Variation des Anspruchsniveaus von Fallbeispielen/Fallstudien im Unterricht
Es wurde schon verschiedentlich darauf hingewiesen, dass Fallbeispiele/Fallstudien bezüglich ihrem Aufbau unterschiedlich sein können. Grundsätzlich können vier Merkmale unterschieden werden, in denen sich dieser Aufbau unterscheiden kann. In Abhängigkeit dieser Unterscheidungsmerkmale steigt auch das Anspruchsniveau. Diese vier Dimensionen sind nachfolgend aufgezeigt:
Diese Tabelle definiert für jedes Merkmal die minimale und die maximale Merkmalsausprä- gung. Bei der minimalen Ausprägung ist die Komplexität der Bearbeitung des Fallbeispiels als eher tief, bei maximaler Ausprägung dagegen als hoch einzustufen. Damit ist zum Beispiel gemeint, dass ein vollständig definierter Auftrag eine Bearbeitung des Fallbeispiels gemäss Vorgabe erlaubt und in dieser Hinsicht keine Leistung erfordert. Muss dieses Vorgehen jedoch von den Lernenden definiert werden, müssen zusätzliche kognitive Leistungen erbracht werden. Gleichzeitig steigt damit auch die Verantwortung der Lernenden für das Ergebnis der Erarbeitung und damit den Lernerfolg.
Ziele und mögliche Fehler:
Quelle:
- Dokument Fachdidaktik DZ Agrar-, Lebensmittelwissenschaften / Gabriel Kaufmann
- Städeli/Obrist (2013): Kerngeschäft Unterricht)