30.1 – Einleitung
Der Lehrvortag entspricht der klassischen Form der passiven Wissens- bzw. Informations-vermittlung. Die Lehrkraft gibt die Lerninhalte in Form einer vorbereiteten Rede über ein Stoffgebiet an die Lernenden weiter. Sie setzt dabei Hilfsmittel wie Folien, Flipchart, Wand- tafel etc. ein, um das Gesprochene zu visualisieren, die Struktur aufzuzeigen oder den Inhalt sichtbar und nachverfolgbar zu machen.
Vor- und Nachteile dieser Unterrichtsmethode
Der Vorteil dieser Methode besteht in erster Linie darin, dass in kurzer Zeit relativ viel Stoff vermittelt werden kann und der dargebotene Stoff für alle Lernenden gleich ist.
Der Hauptnachteil dieser Methode besteht in der passiven Rolle der Teilnehmenden. Es besteht keine Veranlassung zu einer aktiven Auseinandersetzung mit dem Stoff. Es bleibt des- halb unklar, ob eine Wissensvermittlung tatsächlich stattgefunden hat.
Anforderungen an einen guten Lehrvortrag
Die Anforderungen an einen guten Lehrvortrag sind vielfältig. Man unterscheidet folgende Bereiche, welche in Betracht gezogen werden müssen.
- Stoff, der dargeboten wird (Komplexität, Menge etc.)
- Struktur des Inhalts (Reihenfolge, Logik des Dargebotenen etc.)
- Illustration des Dargebotenen
- Fragen an die Lernenden und von Lernenden
- Sprache und Wortwahl
- Auftreten: Körpersprache (Gestik, Augenkontakt, Verhalten in besonderen Situationen (Versprecher, Störungen etc.); Zeitmanagement , Gegenstand zum Nachdenken
30.2 – Lehrvortrag vorbereiten
30.2.1 – Dargebotener Stoff bestimmen
Die Menge und die Komplexität des Stoffes, der den Lernenden dargeboten wird, ist von verschiedenen Faktoren abhängig:
- Sie hängt von der Kompetenz ab, welche entwickelt werden soll. Im Berufskundeunterricht besteht das Ziel darin, dass die Lernenden Phänomene in der Praxis verstehen, Regeln bewusst einhalten oder Handlungen kompetent ausüben können. Ein Lehrvortrag leistet einen Teilbeitrag dazu. Meist führt er dazu notwendiges Wissen ein. Die Menge und die Komplexität des Wissens muss so gewählt sein, dass genau diese Ziele erreicht werden können.
- Sie hängt vom Vorwissen der Lernenden und ihren Fähigkeiten ab, den Stoff aufzunehmen und zu verarbeiten. Hier muss demnach eine sorgfältige Analyse dieser Voraussetzungen erfolgen, welche die Lernenden mitbringen.
- Die Darbietung des Stoffes durch die Lehrkraft entscheidet darüber, wie viel die Lernen- den aufnehmen und verarbeiten können. Dabei spielen insbesondere die beiden folgen- den nachfolgend beschriebenen Bereiche „Struktur des Inhalts“ und „Illustration des Dar- gebotenen“ eine grosse Rolle.
- Sie hängt aber nicht zuletzt auch von der verfügbaren Zeit ab. In diesem Zusammenhang muss auch beachtet werden, dass die Lernenden nur ein beschränkte Zeit in der Lage sind, passiv Informationen aufzunehmen.
30.2.2 – Struktur des Inhalts festlegen
Bezüglich der Struktur des Inhalts gilt es Folgendes sicherzustellen:
Das Thema muss logisch strukturiert sein bzw. einen roten Faden aufweisen. Zu diesem Zweck können verschiedene Strukturierungsmethoden verwendet werden. Gebräuchliche sind:
- vom Abstrakten zum Konkreten: Man führt zuerst die theoretischen Grundlagen ein und erläutert diese später an einem praktischen Kontext.
- vom Konkreten zum Abstrakten: Man zeigt zuerst eine konkrete Situation in der Praxis auf und erläutert diese dann Schritt für Schritt unter Zuhilfenahme der notwendigen theoretischen Grundlagen.
- vom Einfachen zum Komplexen: Man steigt mit den einfachen Zusammenhängen und Prinzipien ein und geht Schritt für Schritt zu den komplexeren Zusammenhängen und Prinzipien über.
- von der Regel zum Beispiel: Man führt eine Regel theoretisch ein und erläutert spä- ter, wie diese in einer konkreten Situation zur Anwendung kommt.
- etc.
Diese Strukturierungsmethoden können kombiniert oder alternierend in einem Lehrvortrag eingesetzt werden. Wichtig ist, dass dabei der rote Faden bzw. die Logik des inhaltlichen Aufbaus nicht verloren geht. Die Aufmerksamkeit der Lernenden. Sie hängt im Wesentlichen von ihrem Interesse ab. Dieses Interesse kann geweckt werden, indem man an ihnen vertrauten Situationen, Erfahrungen etc. anknüpft. Hier gilt es Situationen zu finden, welche für die Lernenden von besonderem Interesse sind und eine hohe Motivation für das Thema auslösen. Dabei ist insbesondere wichtig, dass dieses Interesse resp. die Motivation für dieses Thema so früh wie möglich erreicht wird. Es ist nicht zielführend, wenn zuerst eine lange trockene theoretische Abhandlung kommt und ganz zum Schluss noch an eine Erfahrung der Lernenden angeknüpft wird.
30.2.3 – Dargebotenes illustrieren
Die Illustration des Dargebotenen verfolgt ähnliche Ziele, wie sie bereits bei der Struktur der Inhalte aufgezeigt wurden:
- Sie sollen die inhaltliche Botschaft und die Struktur des Inhalts unterstützen und den Lernenden helfen, diese besser zu verstehen. Hier geht es einerseits um die Visualisierung von Theorien, Prinzipien etc. und andererseits um die Illustration von Sachverhalten, die mit diesen Zusammenhängen und Prinzipien in Verbindung stehen. Es kann sich dabei um Bilder, Modelle, Beispiele, Grafiken, Struktogramme etc. handeln.
- Sie wecken das Interesse der Personen. Dies gelingt insbesondere, wenn man bei den Lernenden etwas aus ihrem Erfahrungsbereich in Erinnerung ruft. Am wirksamsten ist dies, wenn man davon ausgehen kann, dass diese Erfahrungen und Erlebnisse mit Emotionen gekoppelt sind. Dazu eignen sich Bilder, Erfahrungsberichte, Zeitungsartikel etc.
Inhalte eines Lehrvortrags können durch digitale Folien, Bilder, Grafiken etc. visualisiert werden. Nachfolgend wird auf digitale Folien und Bilder näher eingetreten.
30.2.4 – Einsatz digitaler Folien in Präsentationen
Eine Präsentation kann durch multimediale Elemente wie z.B. digitale Folien ergänzt werden. Diese digitalen Folien können durch Animationen angereichert sein. Die folgenden didaktischen Vorteile können damit genutzt werden:
- Die Projektion bündelt die Aufmerksamkeit der Lernenden.
- Durch die Animation kann eine schrittweise Entwicklung eines Sachverhalts/eines Konzepts/eines Modells erreicht werden.
Nachteile digitaler Folien sind:
- Eine interaktive Entwicklung der Darstellung – vergleichbar mit der Entwicklung eines Wandtafelbildes – ist nicht möglich.
- Improvisationen, spontane Exkurse, ein Abweichen von der Agenda sind im Kontext digitaler Präsentationen erschwert. Als Lehrperson ist man durch die Vorgaben der Präsentation in grösserem Masse an die Planung gebunden.
- Beamer-Präsentationen können ermüdend wirken. Dies ist u.a. auf die fehlende Interaktion mit der Klasse zurückzuführen.
30.2.5 – Wirkung von Präsentationsfolien
Präsentationsfolien sollen einen Vortrag dahin unterstützen, dass die Lernenden einen Sachverhalt, ein Konzept, ein Modell etc. besser verstehen. Dies kann insbesondere dann erreicht werden, wenn der gesprochene Text durch entsprechende Bilder/Darstellungen unterstützt wird (siehe auch Meyer (2005/2009); kognitves Modell des Lenens mit Multimedia). Diese Wirkung kann unter folgenden Bedingungen erreicht werden:
- Wenn der Zusammenhang oder die inhaltliche Zusammengehörigkeit vom gesprochenen Text und dem in der Präsentationsfolie enthaltenen Darstellung gegeben ist.
- Wenn der gesprochene Text und die dazugehörige Darstellung bzw. der dazugehörige Animationsschritt im Vortrag zeitlich zusammentreffen.
30.2.6 – Gestaltung von Präsentationsfolien
Eine Präsentation sollte die Aufmerksamkeit des Publikums bündeln und auf den Inhalt (gesprochenen und in der Präsentationsfolie enthaltenen) lenken. Damit dies ereicht werden kann, sind bei der Auswahl und Gestaltung von Präsentationsfolien die folgenden Regeln zu beachten:
- Präsentationsfolien müssen so einfach wie möglich und so informativ wie notwendig sein. Je weniger die Lernenden mit der Orientierung beschäftigt sind, desto mehr Konzentration und Aufmerksamkeit bleibt für die Präsentation. Das heisst zum Beispiel: Animationstechniken sollen nur soweit eingesetzt werden, wie sie das Verstehen der Lernenden und ihre Aufmerksamkeit steuern.
- Bei der Gestaltung von Präsentationsfolien ist insbesondere darauf zu achten, dass Darstellungen schrittweise entwickelt werden (z.B. durch Animationen), um Begründungen, die Darstellung von Modellen etc. entsprechend aufzubauen.
- Bei der schrittweisen Entwicklung muss darauf geachtet werden, dass die Anzahl der im Lauf der Zeit eingeblendeten Elemente nicht zu hoch ist. Jedes Element muss einem relevanten Sachverhalt entsprechen, der eingeführt werden soll. Ist dies nicht der Fall, kann die Konzentration des Vortragenden aber auch die Aufmerksamkeit der Lernenden verloren gehen.
- Damit Präsentationsfolien den Vortrag unterstützen, sollten sie wenig Text und eher grafische Darstellungen etc. enthalten, die helfen, mentale Modelle aufzubauen.
30.2.7 – Einsatz von Bildern in Präsentationen
Bilder können Verknüpfungen zu Anwendungen und authentischen Situationen herstellen oder als symbolische Darstellungen zur Illustration und Veranschaulichung komplexer Zusammenhänge verwendet werden. Die zuvor aufgezeigten Vorkehrungen, welche eine schrittweise Entwicklung von Darstellungen zur Illustration und Veranschaulichung komplexer Zusammenhänge betreffen, dienen der Reduktion dieser Komplexität. Wenn Präsentationen Bilder enthalten oder diese Bilder in animierte Darstellungen integriert werden, müssen sie Verknüpfungen zu Anwendungen und authentischen Situationen herstellen. Damit erreicht man, dass an Erfahrungen, emotionale Erinnerungen und das Vorwissen der Lernenden angeknüpft werden kann. Man schafft damit die motivationalen Voraussetzungen, damit sich die Lernenden mit einem Lerngegenstand beschäftigen.
30.3 – Fragen der Lehrperson während des Lehrvortrags
Der Vortrag kann die Teilnehmenden nie exakt da abholen, wo sie gerade stehen. Dazu ist die Methode nicht flexibel genug. Der Vortrag geht nur von angenommenem Vorwissen aus. Der tatsächliche Wissensstand findet selten Berücksichtigung. Darüber hinaus erfährt der Vortragende nicht, was die Teilnehmenden denken, ob sie dem Inhalt folgen können und was in ihnen vorgeht.
Wenn es der Lehrvortrag zeitlich und organisatorisch zulässt, können Fragen an die Lernen- den gerichtet oder Fragen der Lernenden zugelassen werden. Fragen der Lehrperson während eines Lehrvortrags dienen zwei Zwecken:
- Als Lehrperson überprüft man, ob die Lernenden das Dargebotene verstanden haben. Man erhält damit Anhaltspunkte, ob man mit dem Lehrvortrag wie geplant fortfahren kann oder ob zuvor gewisse Punkte noch einmal wiederholt oder geklärt werden muss.
- Die Lernenden erhalten eine Gelegenheit, zu prüfen, ob sie das bisher Dargebotene verstanden haben. Gleichzeitig entwickeln sie ein vertieftes Verständnis für das bisher Dar- gebotene und schaffen die Voraussetzungen, dass sie die weiteren Inhalte besser einordnen und verarbeiten können. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Fragen diese Funktionen erfüllen können.
30.3.1 – Art der Fragen
Die oben aufgezeigten Funktionen erfüllen Fragen nur, wenn diese verständnisorientierte Denkprozesse auslösen. Das heisst, dass die Fragen Denkleistungen auf den Stufen Verständnis oder höher (Bloom (1976) verlangen müssen.
Im Rahmen eines Lehrvortrags eignen sich insbesondere Verständnis- und Anwendungs- fragen. Dies hat folgende Gründe:
- Der Zeitbedarf für das Stellen und Beantworten der Fragen muss klein sein. Die Konzentration bleibt damit beim Lehrvortrag und geht durch lange Frage- und Antwortsequenzen nicht verloren.
- Ein Lehrvortrag dient in den meisten Fällen der Einführung eines bestimmten Fachinhalts. Analyse-, Synthese- und Beurteilungsfragen verlangen nach einer Vernetzung Anwendung von verschiedenen Fachinhalten. Im Rahmen eines Lehrvortrags kann diese Vernetzung nur beschränkt erreicht werden.
Beispiele von Verständnis- und Anwendungsfragen könnten lauten:
Verständnis: Es gibt drei verschiedene Arten von Muskelgewebe. Erklären Sie den Unterschied zwischen der glatten Muskulatur, der Herz- und der Skelettmuskulatur.
Anwendung: Es gibt drei verschiedene Arten von Muskelgewebe: die glatte Muskulatur, die Herz- und die Skelettmuskulatur. Warum macht es Sinn, dass deren Steuerung unterschiedlich geregelt ist?
30.3.2 – Reaktion auf die Antworten
Damit die Fragen die Zweckbestimmungen erfüllen, welche oben aufgezeigt sind, muss bei der Reaktion auf die Antworten der Lernenden Folgendes beachtet werden:
- Die Antwort der Lernenden muss von der Lehrperson hinsichtlich Korrektheit und Vollständigkeit analysiert werden.
- Wenn festgestellt wird, dass die Frage nicht korrekt beantwortet wird, darf die Antwort nicht von der Lehrperson gegeben werden. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, die Frage an eine andere Person in der Klasse weiterzugeben.
- Wenn die Frage unvollständig beantwortet wird, muss nachgefragt werden. Das heisst: mittels gezielter Ergänzungsfragen muss jener Teil der Antwort erfragt werden, welcher noch fehlt.
30.3.3 – Sprache und Wortwahl anpassen
Um die Aufnahmefähigkeit der Lernenden zu unterstützen, passen die Vortragenden ihren Sprachgebrauch der Zielgruppe an. Folgende Massnahmen sind je nach Zielgruppe der Lernenden zu treffen:
- kurze Sätze machen
- sparsamer Umgang mit Fachausrücken und Fremdwörtern
- langsam und deutlich sprechen
- möglichst bildhaft formulieren
30.4 – Auftreten
Damit ein Vortrag gelingt, ist der Beziehung zwischen der vortragenden Person und dem Publikum Aufmerksamkeit zu schenken und in diesem Sinne auch deren Bedürfnissen gerecht zu werden. Die referierende Person will spüren, dass das Vorgetragene ankommt. Und auf der anderen Seite möchten die Zuhörenden direkt und emotional angesprochen werden und nicht das Gefühl bekommen, dass über sie hinweg referiert wird. Aus diesem Sinne ist es wichtig, dass der Kontakt zwischen der vortragenden Person und den Zuhörenden immer wieder hergestellt wird.
Mit folgenden Methoden kann man diesen Kontakt pflegen (nicht abschliessend):
- kognitive Konflikte produzieren: die Lernenden überraschen und zum Nachdenken anregen (Gegenstand zum Denken)
- die Lernenden direkt ansprechen
- Blickkontakt mit den Lernenden aufnehmen während des Sprechens
- „den Raum einnehmen“: präsent sein im Raum, die Position zwischendurch wechseln während des Vortrages. Mit Stimme und Gestik die Wirkung des eingebrachten Stoffes unterstützen.
- Sinnzusammenhänge aufzeigen, um die Lernenden emotional anzusprechen: z.B durch Aufzeigen des Gegenwarts- oder Zukunftsbedeutung des Themas oder durch Bezug auf die Lehr-/Lernziele.
- Wichtiges hervorheben und so (auch stimmlich!) Schwerpunkte setzen („das ist jetzt ein sehr wichtiger Begriff…“)
- Raum lassen für spontane und humorvolle Inputs
- Eingebrachte Fragen und Themen der Lernenden aufnehmen und evtl später im Vortrag wieder Bezug nehmen darauf.
- Die Lernenden „physisch“ einbeziehen durch direktes Abholen ihrer Meinungen (Handheben, etc.)
Quellen:
- Bloom, B.S.; Engelhart, M.D.; Furst, E.J.; Hill, W.H.; Krathwohl, D.R.: Taxonomy of Educational Objectives, The Classification of Educational Goals, Handbook I: Cognitive Domain. New York: McKay 1956, reprinted 1969
- Grell Jochen/ Grell, Monika (2010): Unterrichtsrezepte; Beltz, Weinheim und Basel
- Hattie, John ( 2014): Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen; Schneider Verlag, Baltmannsweiler
- Kaufmann (2014): Unterlagen Fachdidaktik DZ Agrar- und Lebensmittelwissenschaften
- K. Klauer, D. Leutner, Lehren und Lernen, Beltz PVU, Basel, 2007
- Samuel Maurer (2016): Unterlagen Fachdidaktik DZ HST; ETH Zürich
- Städeli/Grassi/Rhiner/Obrist (2013): Kompetenzorientiert unterrichten – das AVIVA- Modell
- Truttmann (2015): Skript Visualisierung von Lerninhalten