4.7 – Einleitung
Das sogenannte Perspektivenschema behandelt auf oberster Stufe die Bedingungsanalyse. Diese befasst sich mit allen institutionellen und sozialen Rahmenbedingungen, welche für die Unterrichtsplanung relevant sind.
Die didaktische Analyse soll klären, welcher Bildungsgehalt in Unterrichtsinhalten vorhanden ist bzw. sein könnte. Dabei kann der Dozierende den zu vermittelnden Inhalt anhand von fünf didaktischen Fragestellungen, die in wechselseitiger Abhängigkeit stehen, begründen und strukturieren. Für Klafki hat dabei jede Unterrichtsvorbereitung und -planung Entwurfscharakter und soll die Begegnung der Lernenden mit Bildungsinhalten entwerfen. Die didaktische Analyse bringt damit die Inhalte in Beziehung zu den Studierenden.
Wichtig: Die didaktische Analyse bezieht sich in der Regel auf eine übergeordnete Thematik (Unterrichtseinheit / Handlungskompetenz)
4.2 – Bedingungsanalyse
Die Bedingungsanalyse definiert die Bedingungen, welche bei der Planung und Umsetzung von Unterricht zu berücksichtigen sind, um einen erfolgreichen Lernprozess zu gestalten. Bei der Bedingungsanalyse werden zwei Bereiche genauer untersucht:
- die zu unterrichtende Klasse und deren Lernende
- die Voraussetzungen und Gegebenheiten hinsichtlich Organisation, Infrastruktur, Unterrichtsmaterialien, Medien, die für den Unterricht von Bedeutung sind.
Eine Bedingungsanalyse dient dazu, die Rahmenbedingungen des Unterrichts zu kennen und bei der Planung und Gestaltung von Unterricht berücksichtigen zu können. Die in der Bedingungsanalyse aufgedeckten Voraussetzungen und Gegebenheiten definieren somit den Handlungsspielraum für die Planung und Gestaltung von Unterricht.
Klassen und Auszubildende
Bei der Klasse und den Auszubildenden werden grundsätzlich drei Bereiche unterschieden:
Zusammensetzung und Merkmale von Klassen
Bezüglich der Zusammensetzung einer Klasse werden häufig folgende Gesichtspunkten untersucht:
- Anzahl Auszubildende in einer Klasse: Die Anzahl der Lernenden gibt Hinweise, wie Unterricht konzipiert werden kann resp. welche Lernarrangements möglich sind.
- Frauen/Männer: Klassen können unterschiedliche Anteile von Frauen und Männern aufweisen. Dies verändert das Verhalten einer Klasse. Diese Information bestimmt aber auch, wie die Auszubildenden von der Lehrperson angesprochen werden.
- Sozio-kulturelle Herkunft: Sie bestimmt die Einstellung und das Verhalten der Klasse in verschiedener Hinsicht. Je nach Wertschätzung, den eine Ausbildung aufgrund dieser Herkunft hat, wird auch das Engagement im Unterricht unterschiedlich ausfallen. Gleichzeitig kann aber auch das Verhalten gegenüber Lehrpersonen von diesem Hintergrund abhängig sein.
- Alter- und Alterszusammensetzung: Das Alter bestimmt die Entwicklungsphase, in der die Lernenden stecken. In der Berufsgrundbildung befinden sich die meisten Lernenden in der Entwicklungsphase der Adoleszenz. Der damit verbundene Prozess, sich in der Erwachsenenwelt zurechtzufinden und die eigene Rolle zu entwickeln, hat Auswirkungen auf das Verhalten in Lernprozessen. In der Grundbildung kann es sein, dass es sogar altersgemischte Klassen gibt (Erst- und Zweitausbildner).
- Klassenklima/Gruppenstruktur: Es gibt Klassen und Lernende, die sind eher still und verhalten. Andere wiederum sind vorlaut und zeigen auffälliges Verhalten. Die Lernenden können sich gegenseitig unterstützen oder arbeiten lieber für sich selber. Das Klassenklima ist z.B. davon abhängig, wie lange die Lernenden bereits in dieser Zusammensetzung beisammen sind. Wenn sie erst kürzlich zusammengekommen sind, müssen sie sich in sozialer Hinsicht zuerst finden. Eine Gruppenstruktur muss sich dabei zuerst entwickeln. In einer bestehenden Gruppenstruktur haben Lernende unterschiedliche Rollen. Sie können Anführer, Mitläufer, Aussenseiter sein.
Lernvoraussetzungen
Bezüglich der Lernvoraussetzungen werden die folgenden Gesichtspunkte unterschieden:
- Intellektuelle Fähigkeiten: Insbesondere in der Berufsbildung können die Unterschiede bezüglich der intellektuellen Fähigkeiten recht gross ausfallen. Dies hängt von den Anforderungen des jeweiligen Berufs und der Vorbildung der Lernenden ab. Zusätzlich aber auch von den organisatorischen Möglichkeiten, welche bestehen, um homogene Klassen zu bilden.
- Vorwissen im Bereich des Themas: Zu einem Thema ist selten kein Wissen vorhanden. Meist bringen die Lernenden aus der Volksschule, aus ihrer bisherigen Ausbildung nach der Volksschule aber auch aus der Ausbildung, in der das Thema angesiedelt ist, Vorwissen mit. Dieses zeigt auf, was an Wissen vorausgesetzt werden kann und evtl. nur noch aktiviert werden muss.
- Methodische Fähigkeiten: Die Auszubildenden haben sich in ihrer bisherigen Ausbildung methodische Fähigkeiten verschiedenster Art angeeignet. Sie bringen hinsichtlich dieser Methoden Fähigkeiten von unterschiedlicher Tiefe und Breite mit. Auf diesen Grundlagen muss und kann bei der methodischen Gestaltung des Unterrichts aufgebaut werden. Eine höhere methodische Kompetenz ermöglicht auch methodisch differenziertere Lernarrangements.
- Haltung und Arbeitsweise: Haltung und Arbeitsweise der Auszubildenden bestimmen ihr Engagement im Lernprozess. Je grösser dieses Engagement, desto höher ist der Lernerfolg, der angestrebt werden kann. Die Haltung und die Arbeitsweise prägen verschiedene Faktoren. Die bereits erwähnte sozio-kulturelle Herkunft aber auch das Alter der Auszubildenden prägen diese sehr stark.
Verhalten
Bezüglich des Verhaltens von Lernenden werden die folgenden Gesichtspunkte im Zusammenhang mit Ausbildung häufig thematisiert:
- Psychische Störungen: Hier sind insbesondere Störungen von Bedeutung, welche es den Lernenden nicht oder nur bedingt ermöglichen einem Lernprozess zu folgen. Es sind aber auch Störungen, welche das Arbeiten in der Klasse behindern. Ein Beispiel ist die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS).
- Konfliktverhalten: Aufgrund psychischer Störungen aber auch anderer Ursachen können die Lernenden ein Verhalten zeigen, das zu Konflikten und damit zu einer Behinderung des Lernprozesses in der Klasse führt. Dieses Verhalten kann sich gegen die Lehrperson aber auch gegen Kolleginnen und Kollegen in der Klasse richten. Im Unterricht muss sichergestellt werden, dass diese möglichst nicht auftreten oder im Eintretensfall angemessen und wirkungsvoll reagiert werden kann.
Organisation, Infrastruktur, Unterrichtsmaterialien, Medien
Nachfolgend sind die wichtigsten und am häufigsten analysierten Bedingungen für die Konzeption und Planung von Unterricht aufgeführt:
- Lehrmittel / Unterlagen: In vielen Fällen arbeitet man an einer Schule mit einem Lehrmittel. Dieses dient den Lernenden als Grundlage für ihren Lernprozess. Dies kann nur dann effektiv sein, wenn im Unterricht auch mit diesem Lehrmitteln-/diesen Unterlagen gearbeitet wird. Damit dies effektiv erfolgen kann, ist eine Analyse dieser Lehrmittel für das entsprechende Thema erforderlich.
- Klassenräume: Häufig hat man als Lehrperson einen Klassenraum zur Verfügung. Dieser ist bezüglich Grösse, Ausstattung etc. gegeben. Er bestimmt, wie man in der Klasse arbeiten kann (z.B. Gruppenarbeiten).
- Hilfsmittel: Schulzimmer resp. Schulen stellen Hilfsmittel verschiedenster Art zur Verfügung, welche der Unterstützung und Gestaltung des Unterrichts dienen. Es sind dies zum Beispiel Wandtafel, Beamer, Pinwände, Flipchart etc. Das Wissen um diese Hilfsmittel erlaubt den Unterricht angepasst zu unterstützen. Zusätzlich kann damit auch Abwechslung in den Unterricht gebracht werden.
- Zeit im Stundenplan: Unterricht kann früh am Morgen, vor oder nach dem Mittagessen oder vor Schulschluss am Abend stattfinden. Die Konzentrationsfähigkeit und die Aufmerksamkeit der Lernenden hängen stark von der Tageszeit ab. Sie muss bei der Gestaltung von Unterricht entsprechend berücksichtigt werden.
4.6 – Didaktische Analyse
Die fünf Fragestellungen nach Klafki:
1. Gegenwartsbedeutung des Inhalts für die Studierenden
- Welche Bedeutung hat der Inhalt, resp. die zu machende Erfahrung, Erkenntnis, Fähigkeit oder Fertigkeit bereits für meine Studierenden?
- Welche Bedeutung sollte er aus pädagogischer Sicht haben?
2. Zukunftsbedeutung des Inhalts für die Studierenden
- Worin liegt die Bedeutung des Themas resp. Inhalts für die zukünftigen Ausbildungsschritte meiner Studierenden?
- Sind die zu machenden Erfahrungen resp. zu gewinnenden Erkenntnisse in der Auseinandersetzung mit dem Inhalt eine notwendige Voraussetzung für die Bewältigung zukünftiger Aufgaben in Beruf und Gesellschaft?
- Sind die zu machenden Erfahrungen resp. zu gewinnenden Erkenntnisse aus pragmatischer Sicht zwar überflüssig, jedoch wertvoll in der Erlangung überfachlicher und allgemeinbildender Kompetenzen?
3. Exemplarische Bedeutung des Inhalts
- Welcher grössere resp. allgemeine Sach- oder Sinnzusammenhang wird durch den Inhalt vertreten oder erschlossen?
- Welches Grundphänomen oder -prinzip, welches Gesetz, Kriterium, Problem, welche Methode, Technik oder Haltung kann in der Auseinandersetzung mit dem Inhalt erfasst werden?
- Welche Kenntnisse, Fertigkeiten, Erfahrungen und/oder Einsichten sind notwendig um den Stoff zu verstehen?
4. Struktur des Inhaltes
- Was ist die Struktur des Inhaltes (aus den Punkten 1 – 3)? Da empfiehlt sich unter Umständen eine Inhaltsanalyse*.
- Bestehen logische oder kausale Zusammenhänge, die eine bestimmte Reihenfolge der Inhalte erfordern?
- Bestehen Wirkungszusammenhänge zwischen relativ unabhängigen Komponenten (Teilen), die nicht eine bestimmte Betrachtungsreihenfolge erfordern?
5. Zugänglichkeit und Ergiebigkeit des Inhalts
- Welche besonderen Fälle, Phänomene, Situationen, Versuche können den Inhalt für meine Studierenden interessant, anschaulich und zugänglich machen?
- Was ist der anzustrebende Ertrag an gesichertem Wissen und Können?
- Welche Möglichkeiten der Wiederholung und Übung bieten sich an?
Beispiel einer Inhaltsanalyse*
Quellen
- W. Klafki (1958): Didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung; Die Deutsche Schule; S. 450-471
- http://www.bildungsstudio.de/inhalt/1.%20allgemeine_didaktik/1.4%20theorien_und_modelle/didaktisches_modell_nach_klafki.pdf
- Jank / Meyer (2014): Didaktische Modelle; S. 236 ff.
- Kaufmann (2014): ETH Zürich, Unterlagen Fachdidaktik Agrar- und Lebensmittelwissenschaften