28.12 – Überblick
„Beim kooperativen Lernen arbeiten Schülerinnen und Schüler in kleinen Gruppen, um sich beim Erlernen von Kenntnissen und Fertigkeiten gegenseitig zu helfen. Das kooperative ist ein aktives, selbständiges und soziales Lernen.“
Hasselhorn/Gold (2006): Pädagogische Psychologie, S.285
28.2 – Fünf Basismerkmale des kooperativen Lernens (Johnson/Johnson)
1. Positive Interdependenz:
Ein Gruppenziel kann nur dann erreichet werden, wenn jedes einzelne Gruppenmitglied erfolgreich ist. Die Lernziele der Einzelnen sind in positiver Abhängigkeit miteinander verbunden, welche durch eine gemeinsame Gruppenidentität (z.B. Gruppenname, Logo), die Zuweisung von Rollen (z.B. Vorleser, Materialbeschaffer) oder die Berücksichtigung bereitgestellter Ressourcen (z.B. Teilen von Arbeitsmaterial, Aufgabenspezialisierung) unterstützt werden kann.
- Ziel kann nur gemeinsam erreicht werden
- Gegenseitige Abhängigkeit – wechselseitige Verantwortlichkeit
- Rolleninterdependenz – jeder hat eine fest zugeteilte Aufgabe (Rolle), die zur Zielerreichung erforderlich ist
- Motivation – gemeinsam etwas erreichen
- Selbstvertrauen – Selbstwertgefühl
- Zusammengehörigkeitsgefühl
- Lernen, dass man zusammen mehr erreicht, Arbeitsteilung
2. Individuelle Verantwortlichkeit
Jedes Gruppenmitglied trägt die Verantwortung für seinen persönlichen Anteil an der gemeinsamen Arbeit. Diese kann durch die Kennzeichnung der individuellen Beiträge zur Gruppenleistung, durch das Einbringen von Spezialkenntnissen oder die zufällige Auswahl des Präsentierenden begünstigt werden.
- in der Gruppe kann man nicht untertauchen, Trittbrettfahren verhindern
- gerechte Leistungsbewertung
- auf aktive Beteiligung aller Involvierten achten, um einen Schereneffekt bezüglich Lernerfolg zu verhindern.
- jedes Glied in der Gruppe ist wichtig
- eigene Leistung wird geschätzt
3. Direkte und förderliche Interaktionen
Neben Formen der individuellen Auseinandersetzung mit den Inhalten stehen vor allem Phasen des Austauschs in der Gruppe. Diese sollten so organisiert werden, dass sowohl räumlich (z.B. Anordnung der Tische) als auch innerhalb der sozialen Beziehungen der Gruppe ein förderlicher Kommunikationsrahmen geschaffen wird (z.B. einander unterstützen, gegenseitig ermutigen, Fähigkeiten produktiv nutzen, Materialien und Informationen austauschen).
- Aufgabenspezialisierung (nicht „nur“ Aufgabenteilung ohne kooperative Zusammenarbeit – jede/r bearbeitet sein Thema unabhängig von den anderen).
- Kognitive Konflikte aktivieren zu gegenseitigem Erklären, Korrigieren, Verteidigen und Modifizieren von Standpunkten und unterschiedlichen Perspektiven
- wer sich aktiv in die Diskussion einbringt, kann das Wissen elaborativ verarbeiten und gut verankern
- vertiefte Verarbeitung und grösserer Lernerfolg
- Neuorganisation des Wissens
- Argumentieren können
- andere Meinungen akzeptieren lernen
4. Interpersonale Fähigkeiten / Arbeitstechniken
Die sozialen Kompetenzen der Gruppenmitglieder bilden die Voraussetzung für eine effektive Zusammenarbeit der Gruppe. Fähigkeiten und Kenntnisse im zwischenmenschlichen Umgang sollten stets mit den Gruppen trainiert und reflektiert werden. Mögliche Sozialfertigkeiten sind aktives Zuhören, andere ausreden lassen, anderen helfen, um Hilfe bitten können, Kompromisse schließen und das Akzeptieren von Unterschieden (vgl. Weidner 2003, 98).
- kooperative Formen funktionieren nur dann, wenn eine gewisse Bereitschaft der Lernenden vorhanden ist miteinander zu kommunizieren, ein vertrauensvolles Gruppenklima aufzubauen, Regeln zu beachten und (Führungs-)Rollen einzunehmen.
- Förderung der Motivation durch Peer-Teaching. Peers benutzen einfachere, verständlichere Worte und knüpfen zielgruppengerecht an Vorwissen an. Das heisst, wenn ich von einem Mitstudenten etwas erklärt bekomme, weiss ich, dass ich es auch erreichen kann.
- Vertrauen in der Gruppe aufbauen
- Lernen zusammen etwas zu erarbeiten – mit Gruppendynamik umgehen
- soziales Lernen
- grössere Motivation
5. Reflexion der Gruppenprozesse
Die Gruppe bewertet und reflektiert die Ergebnisse ihres individuellen und gemeinsamen Arbeitsprozesses und entscheidet, welche Handlungen beibehalten oder verändert werden sollen. Diese Form der Selbstreflexion kann durch die Fremdeinschätzung der Lehrperson ergänzt werden.
- Metakognitive Prozesse in Gang bringen: Lernende sollen nicht nur gemeinsam arbeiten, sondern sich auch über hilfreiche oder den Lernerfolg beeinträchtigende Gruppenprozesse klar werden sowie das eigene Lernverhalten reflektieren können
- das eigene Lernen reflektieren
- Vor- und Nachteile von Gruppenarbeit erfahren und dadurch mehr profitieren
28.3 – Theoretische Perspektiven des kooperativen Lernens (Hasselhorn/Gold)
28.4 – 
28.5 – 
28.6 – 
28.7 – 
28.8 – 
28.9 – Grundprinzipen des kooperativen Lernens (Brünig/Saum)
Denkzeit
Alle Lernprozesse beinhalten grundsätzlich eine individuelle Denkzeit: Es gibt immer einen vorgegebenen Zeitraum, der dem individuellen Nachdenken gegeben wird.
Austausch
Kooperatives Lernen bietet den Schülerinnen und Schülern immer die Möglichkeit sich auszutauschen, bevor Einzelne oder Gruppen ihre Ergebnisse vor der ganzen Klasse vorstellen.
Persönliche Verantwortung
Alle Schülerinnen und Schüler müssen darauf vorbereitet sein, ihre Ergebnisse vorzustellen; keiner kann sich ausruhen, denn jeder kann aufgerufen werden. Und niemand weiss zu Beginn der Arbeit, ob er nicht das Ergebnis vorstellen muss.
Innere Aktivierung und Beteiligung
Die gelungenen Arbeitsaufträge sind so formuliert, dass potentiell alle Schülerinnen und Schüler aktiviert werden und mitarbeiten und -denken. Dies führt zu einer Steigerung der individuellen und somit allgemeinen Unterrichtsbeteiligung.
Sicherheit und Angstreduzierung
Unvorbereitet antworten zu müssen, ruft oftmals Angst hervor. Dies führt nicht selten zu einer Denkblockade. Im Kooperativen Lernen wissen alle, wie viel Zeit sie haben sich auf die Antwort vorzubereiten. Sie brauchen keine Angst zu haben, während des Nachdenkens gefragt zu werden. Durch den Austausch gewinnen die Schüler Sicherheit und auch Mut sich zu melden.
Qualität der Beiträge
Viele Schüler werden bessere Beiträge im Unterricht geben können, da sie sich gegenseitig stützen und verbessern, Zeit zum Überlegen haben und im Austausch eigene Gedanken weiterentwickeln.
28.10 – Gruppenbildung
Zufallsgruppen: Haben den Vorteil dass die SuS auch im späteren Leben immer wieder mit Personen zusammenarbeiten müssen, die sie sich nicht ausgesucht haben. Führt manchmal anfangs zu Widerstand, aber nach ein paar Malen wird das immer beliebter (und kann den Zusammenhalt in der Gruppe fördern, dadurch dass es Lernende zusammenbringt, die sich noch nicht kennen oder unterschiedlichen sozialen Gruppen zugehörig sind).
Homogene Leistungsgruppen: Sind nur in seltenen Fällen gut; nämlich dann, wenn man tatsächlich den Schwächeren Lernenden andere Gruppenaufgaben geben möchte als den stärkeren (Binnendifferenzierung).
Heterogene Leistungsgruppen: Im Optimalfall ziehen diese die Schwächeren nach oben, während die Stärkeren typischerweise ähnlich gute Lernerfolge erzielen wie in leistungshomogenen Gruppen. Im schlechtesten Fall können die Schwächeren die Gesamtgruppe moderat nach unten ziehen. Dem kann man über die Gestaltung der Gruppenaufgabe vorbeugen (siehe Studie Deiglmayr/Schalk). Sie plädieren darin dafür, nicht Lerninhalte, sondern Kontexte zwischen den Gruppenmitgliedern aufzuteilen (z.B. bei Gruppenpuzzles), damit nicht die schwächeren Lernenden die anderen Gruppenmitglieder im Lernerfolg runterziehen können, weil sie ihren Teil schlecht verstehen oder vermitteln können. Auch in heterogenen Leistungsgruppen überlegenswert: Nicht nur die Gruppenleistung belohnen (z.B. mit Noten, oder Rangplätzen), sondern zusätzlich die Einzelleistungen in der Gruppe – damit kann man die individuelle Verantwortlichkeit ganz gut erhöhen.
Vorbereitung des Kooperativen Lernens: Die Bildung von Teams
Brüning und Saum (Erfolgreich unterrichten durch kooperatives Lernen; Band 1; Seite 119-124)
28.13 – Zusammenfassung
Quellen
- Brüning / Saum (2017): Erfolgreich unterrichten durch Kooperatives Lernen 1 – Strategien zur Schüleraktivierung
- Brüning / Saum (2017): Erfolgreich unterrichten durch Kooperatives Lernen 2 – Strategien zur Schüleraktivierung, Individualisierung, Leistungsbeurteilung, Schulentwicklung
- Edelsbrunner Peter (2021): Unterlagen EW2 DZ, ETH Zürich
- Hasselhorn/Gold (2009): Pädagogische Psychologie
- Jank/Meyer (2014): Didaktische Modelle
- Johnson/Johnson (2008): Wie kooperatives Lernen funktioniert. Über die Elemente einer pädagogischen Erfolgsgeschichte. In: Individuell lernen – kooperativ arbeiten.
- Klauer/Leutner (2012): Lehren und Lernen
- Städeli/Obrist (2013): Kerngeschäft Unterricht
- Städeli/Grassi/Rhiner/Obrist (2013): Kompetenzorientiert unterrichten – Das AVIVA- Modell