Auch mit geschlossenen Augen wissen wir, in welcher Position sich unser Körper befindet und wir können die Kraft mit der wir einen Gegenstand bewegen genau dosieren. Diese Wahrnehmung ist die Sinnesleistung der Propriozeption. Sie vermittelt die Qualitäten Position, Bewegung und Kraft des eigenen Körpers. Die Funktion der Propiozeption beruht hauptsächlich auf den Leistungen der Muskelspindeln, die die Länge der Muskeln messen und der Golgi-Sehnenorganen, welche die Muskelkraft messen.
5.1 – Muskelspindeln
Muskelspindeln befinden sich im Inneren der meisten Skelettmuskeln. Eine Muskelspindel besteht aus mehreren Typen spezialisierter Skelettmuskelfasern innerhalb einer Bindegewebskapsel. Der mittlere Teil der Kapsel ist verdickt und verleiht der Struktur eine Spindelform. Die Muskelfasern der Spindel sind von primären afferenten Nervenfasern umwickelt. Kommt es zu einer Längenveränderung des Muskels, werden die afferenten Nervenfasern verformt, was wiederum zu einer Depolarisation und zum Feuern der afferenten Neuronen führt.
5.2 – Golgi-Sehnenorgan
Muskelspindeln sind nicht die einzige Quelle von proziozeptiven Signalen aus den Muskeln. Ein weiterer Sensor ist das Golgi-Sehnenorgan, welche sich am Übergang zwischen Muskel und Sehne befinden und die Muskelspannung und damit die Kontraktionskaft überwachen. Innerhalb des Golgi-Sehnenorgan umranken dünne Verzweigungen der afferenten Neurone die Windungen der Kollagenfibrillen. Wenn der Muskel kontrahiert, nimmt die Spannung der Kollagenfibrillen zu. Dadurch werden die afferenten Neurone gequetscht und ihre mechanosensitiven Ionenkanäle geöffnet. Ein wichtiger Unterschied zwischen den Golgi-Sehnenorganen und den Muskelspindeln ist, dass die Muskelspindeln parallel zum Muskel angeordnet sind und Golgi-Sehnenorgane seriell (hintereinander). Dadurch vermitteln Muskelspindeln Information über die Muskellänge während Golgi-Sehnenorgane Information über die Muskelspannung liefern.
5.3 – Propriozeption durch die Gelenke
Neben Muskelspindeln und Golgi-Sehnenorganen gibt es aber noch eine Reihe weiterer propriorezeptiver Afferenzen aus den Bindegeweben von Gelenken, insbesondere in den Gelenkkapseln und Bändern. Diese mechanosensitiven Fasern reagieren auf Veränderungen des Winkels, der Richtung und der Geschwindigkeit einer Bewegung in einem Gelenk. Die meisten davon adaptieren schnell, was bedeutet, dass es zahlreiche sensorische Informationen bezüglich eines Gelenks in Bewegung gibt, aber nur wenige Nerven, welche die Ruheposition eines Gelenks vermitteln. Dennoch kann man die Position eines Gelenks selbst mit geschlossenen Augen recht gut beurteilen. Offenbar werden die Informationen der Gelenkrezeptoren, der Muskelspindeln, der Golgi-Sehnenorgane und wahrscheinlich auch der Rezeptoren in der Haut im ZNS kombiniert, um den Winkel eines Gelenks abzuschätzen.